Pamela und Lilly verließen das Amtsgebäude und blieben am Treppenabsatz vor der zweiflügeligen Eingangstür stehen.
»Spazieren wir ein wenig herum, bevor du zum Maple Lake Inn zurückfährst?«, fragte Lilly.
Pamela nickte. »Eine gute Idee. Timothy hat alles fest im Griff. Die neue Reisegruppe ist sehr angenehm – Wanderer, wir sehen sie den ganzen Tag über nicht. Auch die Bauarbeiten sind weitgehend abgeschlossen. Das Gerüst bauen sie nun doch schon morgen ab – das habe ich dir gar nicht erzählt –, und dann hat der Spuk endlich ein Ende.« Sie zog ihre Handschuhe aus der Manteltasche und streifte sie über. »Ich bin ohnehin zu aufgewühlt, um mich gleich wieder ins Hotelgeschehen zu stürzen. Kannst du es glauben? Wir haben einen festen Termin für unsere Heirat.«
Sie stiegen die Treppe hinab und hielten sich links in Richtung der autofreien Geschäftsstraße.
»Für mich ist das alles wie ein Traum, aber es gibt einige reale Dinge zu klären«, antwortete Lilly. »Wir haben noch nicht darüber gesprochen, wo wir feiern wollen und wer unsere Trauzeugen sein sollen. Willst du überhaupt eine Feier?«
»Alles geschieht so rasch, dass die Details komplett untergehen. Wir sind tolle Bräute, was? Eigentlich müssten die größten Themen Gästelisten, Trauzeugen und Kleidung sein, den Junggesellinnenabend nicht zu vergessen. Bei uns läuft das alles nebenbei.« Pamela lachte auf.
»Toll allemal, allerdings nicht ganz typisch«, entgegnete Lilly schmunzelnd. »Was ist nun mit einer Feier?«
»Bis auf Nat habe ich keine Familie, aber es gibt unsere Freunde in Maple Creek. Haben sich deine Eltern schon entschieden, ob sie zur Hochzeit anreisen werden?«, fragte Pamela.
Lilly stieß einen Seufzer aus. »Der Status quo hat sich nicht verändert: Sie wollen abwarten, bis wir einen Termin vereinbart haben – der ist nun da. Ich sage dir bereits jetzt, dass sie eine Ausrede finden werden.«
»Wegen der Flugangst deines Vaters«, stellte Pamela fest.
»Genau, die er jedoch niemals zugeben würde. Bestimmt muss das Vorhofflimmern meiner Mutter herhalten.«
»Schade, dass sie nicht dabei sein werden … und dass du nicht zu ihnen fliegen konntest, um ihnen die Neuigkeit persönlich mitzuteilen.«
Lilly ergriff Pamelas Hand. »Ach, das ist nicht so schlimm. Ich habe einfach zu viel zu tun in der Agentur, das geht vor. Wie geplant, werde ich zu Weihnachten nach Florida fliegen und hoffe inständig, dass du mitkommst.«
»Oh, ich auch! Den Urlaub könnte ich gut gebrauchen, und ich will deine Eltern kennenlernen.«
»Sie freuen sich auch sehr auf dich. Vor allem meine Mutter kann es kaum erwarten. Als wir vorgestern telefoniert haben, hat sie dich ihre zweite Tochter genannt. Ich glaube, sie sieht dich lieber als beste Freundin oder eben zweite Tochter. Die Bezeichnung Ehefrau ist ihr nicht ganz geheuer, aber das musst du ihr verzeihen. Sie haben mir nie etwas vorgehalten und immer zu mir gestanden, dennoch ist ihnen mein Leben fremd. Sie können es nicht nachvollziehen.«
»Ich finde deine Eltern allein anhand deiner Erzählungen reizend. Vergiss nicht, dass sie einer anderen Generation entstammen. Unsere Heirat wäre vor einigen Jahren verboten gewesen«, erwiderte Pamela. »Ich erinnere mich gut daran, als die Nachrichten damals über den Civil Marriage Act berichtet haben. Zwar war ich noch ein Teenager, hatte jedoch bereits bemerkt, dass ich mit Jungs nichts anfangen kann, und war deshalb besonders aufmerksam, wenn es um dieses Thema ging.« Sie lächelte versonnen. »Wie sich die Welt doch verändert hat und manches davon innerhalb meines eigenen Lebens.«
»In welchem Jahr war der Civil Marriage Act?«, fragte Lilly. Eine Windbö erfasste ihr Haar und wirbelte es durcheinander. Sie befreite das Gesicht von den zerzausten Locken und strich sie hinter die Ohren.
»2005 – es ist also keine Ewigkeit her.« Pamela sah zum Himmel hoch. »Lass uns zurückgehen. Der Wind wird stärker. Regnen wird es auch bald oder vielleicht schneien.«
»Ja, laufen wir zum Auto. Seit der Sturmnacht fühle ich mich beklemmt, wenn ein Unwetter aufzieht.«
Während sie kehrtmachten, sagte Pamela: »Was hältst du von einer kleinen Zusammenkunft im Maple Lake Inn nach der Trauung? Nur die engsten Freunde und ein paar Gläser Sekt, nichts weiter. Ich würde mich freuen, alle um mich zu haben, ohne uns dabei großartig in den Mittelpunkt zu stellen.«
Lilly nickte. »Die Idee ist schön, und ich weiß, was du meinst. Nun lass uns aber einen Zahn zulegen, ich habe den ersten Tropfen gespürt.«