Kapitel 30

Dorothy legte ihren Kopf auf Jacks Brust und schloss die Augen. Sie spürte, wie sein Körper vibrierte. Jede Sekunde dieses Moments wollte sie ganz bewusst in sich aufnehmen und in ihrem Gedächtnis behalten. Was sie jetzt empfand, galt es nicht nur aus sentimentalen Gründen zu bewahren. Sie musste sich daran erinnern, wenn Ärger und Zorn genau diese Gefühle verschleierten und diffamierten. Es durfte nicht noch einmal geschehen, dass eine Auseinandersetzung mit Jack derart ausuferte. Ihre Situation war schwierig, und sie durften solche Beziehungspausen nicht entstehen lassen. Eine Versöhnung aus der Entfernung war kein leichtes Unterfangen.

»Ich bin glücklich«, flüsterte Jack und küsste ihr Haar.

Dorothy hob die Lider. »Ich auch. Trotzdem müssen wir über unseren Streit reden.« Sie setzte sich auf und lehnte sich gegen das Kopfende des Betts.

»Ich weiß. Lass uns aber bitte nicht den Augenblick damit zerstören. Ich will das genießen und nicht wieder diskutieren. Schaffen wir es, auf einer positiven Ebene darüber zu sprechen?«

Dorothy bejahte Jacks Frage. »Ich möchte nichts anderes. Deshalb erkläre ich dir, was in mir vorgegangen ist. Am Telefon … da habe ich die Beherrschung aus einem einzigen Grund verloren: Es war deine abweisende Reaktion auf meinen Vorschlag, mit dir nach Toronto zu fahren. Plötzlich sind so viele widersprüchliche und schmerzvolle Gefühle in mir hochgekommen, dass ich förmlich übergekocht bin. Normalerweise bin ich überhaupt nicht so. Mein Verhalten tut mir leid.«

»Das darf es nicht, ich trage die Schuld.« Jack streichelte über Dorothys Wange. »Mein Bruder hat also voll ins Schwarze getroffen. Ich muss lernen, auf Tom zu hören. Offensichtlich ist er der weise Mann von uns beiden.«

»Lass mich verstehen, warum du nicht willst, dass ich mit dir komme. Die Idee war spontan, zugegeben, doch allemal besser, als wenn wir uns nach dem Wochenende wieder trennen müssten.«

»Okay, ich versuche es. Vor allem habe ich an mich gedacht. Ich wollte mich nicht unter Druck setzen lassen.« Jack schlug sich auf die Stirn. »Das klingt schrecklich und ist falsch formuliert. Tom habe ich es weitaus besser begründet. Ich war nicht begeistert von dem Gedanken, mich um dich kümmern zu müssen. Oje, genauso schlimm. Ich rede mich direkt ins Grab.«

Dorothy stieß einen amüsierten Ton aus. »Bevor du weiter herumstotterst, stoppe ich das besser. Ich ahne, worauf du hinauswillst, und kann dir versichern, dass du dich irrst. Ernsthaft? Jack, jeder meiner Tage ist mit meinen Angelegenheiten ausgefüllt, ich kenne keine Langeweile und gestalte meinen Alltag wunderbar ohne fremde Einflussnahme. Für mein neues Buch interviewe ich Pamela und Lilly, dieses Kapitel möchte ich danach sofort ausfertigen. Molly hat mich gefragt, ob ich einen Artikel für die Maple Creek News Time schreiben will. Ich habe unaufhörlich zu tun, und außerdem schaffe ich es, allein auf Sightseeingtour zu gehen. Ich liebe das.«

»Eine Frau wie dich habe ich noch nie kennengelernt. Ich muss mich erst daran gewöhnen und verstehen lernen, wie du tickst.«

»Und was ist mit Laurie?«

»Sie ist meine Schwägerin, zudem ist sie wiederum anders«, antwortete Jack. »Laurie ist eine Amazone, du hingegen die um das Feuer tanzende Hexe aus dem Wald.«

»In meinem Kopf entsteht gerade das Bild einer hakennasigen alten Frau mit Buckel und zerfetzter Kleidung. Im Moment findest du wahrlich jedes Fettnäpfchen.«

Jack schmunzelte. »O nein, eher die vor Energie sprühende junge Hexe, mit offenem Haar und barfuß, in einem wallenden, durchsichtigen Gewand, das im Feuerschein die Silhouette des Körpers zeigt. Sexy, allwissend und anbetungswürdig.« Mit einem leisen Stöhnen beugte er sich über Dorothy und küsste sie.

Unverzüglich schlang sie die Arme um seinen Hals und zog ihn näher zu sich, doch Jack entwand sich.

»Sosehr ich es hasse, muss ich dieses wunderbare Bett verlassen. Der Plan wartet auf mich. Ich habe nur zwei Tage Zeit, um ihn fertigzustellen, und will Tom nicht enttäuschen.« Jack verharrte und betrachtete Dorothy eine Weile lang. »Bitte komm nach dem Wochenende mit mir nach Toronto. Ich verspreche dir, mich zu bemühen, nicht bis in die Nacht hinein zu arbeiten.«

»Du hast es nach wie vor nicht begriffen. Es ist mir egal, ob du um sechs Uhr abends oder um Mitternacht nach Hause kommst.« Dorothy strich über seine nackten Oberarme. Leise fügte sie hinzu: »Aber wenn du dann da bist, musst du mir auf der Stelle zur Verfügung stehen.«

Jack beugte sich vor und küsste sie abermals. »Und wie ich dir zur Verfügung stehen werde! Mit allem, was ich habe.« Er räusperte sich. »Auch wenn mich das schlechte Gewissen plagt, muss der Plan eine Stunde warten.«

Dorothy nickte. »Laurie und Tom würden uns verzeihen, wenn sie wüssten, warum du die Arbeit aufschiebst.«