Der Tanz auf dem Vulkan, verfasst in den 1950er-Jahren, spielt im 18. Jahrhundert und hat den Kolonialismus und seine Auswirkungen zum Thema. Viele der damals üblichen Ausdrücke werden heute als unangemessen empfunden. Im Folgenden sei noch einmal zusammengefasst, welche Funktion sie im Roman-Kontext haben.
Die Vorstellung unterschiedlicher menschlicher «Rassen» galt ausgangs des 18. Jahrhunderts (zur Zeit der geschilderten Ereignisse) wie auch im 20. Jahrhundert (in der Entstehungszeit des Romans) als weitgehend unhinterfragte pseudowissenschaftliche Doktrin. Deren zentrales Paradigma bestand im Wesentlichen darin, dass alle Menschen durch die ererbte Rasse nicht nur äußerlich – phänotypisch – determiniert sind, sondern ebenso pauschal in ihren charakterlichen und sittlichen Anlagen, ihren geistigen Fähigkeiten und in ihrem sozialen Status.
Als «farbig» bezeichnete man alle Personen, die keine helle Hautfarbe haben. In diesem Begriff drückte sich unmissverständlich die «Abweichung» von der weißen (europäischen) Norm aus, die Abwertung aller «Farbigen» war dem kolonialen Denken seit jeher eingeschrieben.
Als «Mulatten» galten in Saint-Domingue ursprünglich Menschen gemischter ethnischer Herkunft, also Kinder weißer Herren und ihrer schwarzen Sklavinnen. Nach und nach wurde der Begriff dann auf alle Personen ausgeweitet, die weder weiß noch schwarz waren. Mûlatre entwickelte sich im Lauf der Kolonialzeit also zu einem Synonym für gens de couleur (people of colour).
Als affranchi(e)s bezeichneten die französischen Kolonialherren auf Saint-Domingue ursprünglich freigelassene Sklavinnen und Sklaven. Sehr bald umfasste der Begriff dann auch deren in Freiheit geborene Nachkommen. In der Sekundärliteratur ist es nach wie vor üblich, von «freien Farbigen» zu sprechen. Da die wörtliche Übersetzung von affranchi(e)s als «Freigelassene» irreführend wäre, wurde hier kurzerhand die französische Bezeichnung beibehalten.
In der Bezeichnung nègre/négresse schwangen zur Zeit der französischen Kolonie Saint-Domingue herabsetzende oder offen rassistische Untertöne in ähnlicher Weise mit wie in dem deutschen Wort «Neger». Im Zuge der Revolution, durch die Haiti zur ersten schwarzen Republik der Welt wurde, fand jedoch eine Um- bzw. Aufwertung von nègre/négresse statt. Fortan diente es der souveränen Selbstbezeichnung Schwarzer und bezeichnet bis auf den heutigen Tag ganz generell einen Menschen, in aller Regel sogar ohne Ansehen seiner Hautfarbe, in der Bedeutung «Mann/Frau». Um diesem komplexen Sachverhalt zu entsprechen, wurde nègre/négresse dort, wo es der generalistisch-neutralen Bezeichnung dient – im Erzählfluss sowie in der wörtlichen Rede der affranch(e)is –, mit «Schwarzer» übersetzt, und dort, wo eine Herabwürdigung intendiert ist – vor allem in der Figurenrede Weißer –, mit «Neger».
Manesse Verlag