BRING DEN FELSEN INS ROLLEN – MOTIVATION KOMMT DURCH AKTION!
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ls wir abends in einem Restaurant in Jerez sitzen und den besten Dessertwein unseres Lebens trinken, erzähle ich Sherlock von der Idee für dieses Buch und stelle alle Fragen in den Raum, die mich umtreiben: Wie lang sollen die Kapitel werden? Wie soll ich die richtige Sprache finden, lieber sachlich oder persönlich? Und soll ich ihn als Advocatus Diaboli einbinden? Oder finde ich die Idee doch bescheuert? Bevor ich nicht alle Probleme löse, zweifle ich. Es fühlt sich an wie eine Zecke, die einem in den Nacken beißt und flüstert: »So wird das nichts!«
»Du solltest mal mehr von Sartre lesen«, sagt Sherlock, »oder kennst du die Felsmetapher?«
Ich schüttle mit dem Kopf und stelle mich schon mal auf eine halbstündige Philosophie-Vorlesung des Professors ein.
»Sartre erzählt von der Metapher in seinem Werk Das Sein und das Nichts
. Stell dir vor, du stehst vor einem riesigen Felsblock – und siehst keinen Ausweg. Sartre spricht von einem Widerstand, der sich nicht wegrücken lässt. Aber dann dreht sich auf einmal die Perspektive: Wie könnte der Fels zu einer wertvollen Hilfe werden? Und jetzt stell dir vor: Du steigst auf den Felsen und betrachtest die Landschaft von oben. Das verändert alles. Sartre würde heute zu dir sagen: ›Fang einfach an mit deinem Scheiß-Buch!‹«
Beim Schreiben stehe ich jedes Mal vor meinem Felsen: Ich mache mir Gedanken und bin genervt, wenn mir nicht sofort die Erleuchtung kommt. Ich hatte auch bei diesem Buch tausendfach Angst, dass ich es nicht so hinbekomme, wie ich es von mir erwarte. Aber ich kenne
meine Gedanken und weiß sie einzuschätzen. Routine macht sich bezahlt: Denn ich weiß, dass ich einfach loslegen muss. Durch Aktion kommt Inspiration – und Motivation. Stephen King hat es auf den Punkt gebracht in seinem Buch
Das Leben und das Schreiben
. Ich zitiere mal ganz frei: Autoren würden immer wieder gefragt, wie sie auf eine Idee gekommen wären. Und Kings Antwort: Er wisse es nicht.
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Wenn ich dir den einfachsten Tipp geben kann, den ich kenne: Wenn du nicht weiterweißt, dann handle. Motivation kommt durch Aktion. Alleine durch den Fakt, dass wir ein Problem beackern, verliert es seine Macht. Je länger wir im Bett liegen, gegen die Decke starren und uns sorgen, umso mehr Schrecken verleihen wir dem Problem. Aber wenn wir den Schalter umlegen und in die Offensive kommen, dann beschäftigt sich unser Hirn damit und arbeitet auch unterbewusst an Lösungen. Die größte Motivationsquelle kommt aus der Tat an sich. Im letzten Kapitel ging es darum, dass Geld sogar die Motivation verderben kann. Im dritten Kapitel ging es um die Motive, die uns antreiben. Jetzt geht es darum, wie wir uns selber jeden Tag in den Vorwärtsgang bewegen.
Wer etwas tut, der versetzt sich selber in eine mächtige Spirale: Aktion – Inspiration – Aktion – Motivation – Aktion. Nehmen wir zum Beispiel das Schreiben. Ich brauche immer Input – und der kommt durch Aktion. Ich muss beispielsweise selber drauflos schreiben. Dabei denke ich an Hemingways Motto: »The first draft of everything is shit.« Oder ich lese vor dem Schreiben ein Buch, das ich liebe. Wenn ich
Grand Budapest Hotel
,
Green Book
,
Mulholland Drive
oder
Black Mirror
schaue, geht es auch rund in meinem Hirn. Geschichten inspirieren mich dazu, selber Geschichten zu erzählen. Wir müssen in dieser Welt ständig navigieren, das geht aber nicht, ohne etwas anzupeilen.
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Und wir sollten Sinn anpeilen, denn Schokolade essen, TV schauen und auf der Couch liegen, macht uns unter dem Strich nicht glücklich. Im Gegenteil: Wir fühlen uns danach weniger motiviert und selbstbewusst.
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Lass dich also nicht von Müll berieseln oder surfe ziellos durchs Internet und lass dich von Schlagzeilen ablenken. Alles ohne Substanz wird dich eher noch in den Strudel des Nichttuns reißen
.
Es geht um Qualität und die kann auch anders aussehen: Die meisten Ideen kommen mir beim Laufen an der Isar. Finde heraus, was dich inspiriert: Meditieren, Fallschirmspringen, Wandern, Kochen, Zeichnen oder Boxen. Wenn dir dadurch Ideen kommen, dann setz sie um – und hab dabei nicht den Anspruch, sofort perfekt zu sein und reich zu werden. Shakespeare hat am laufenden Band produziert, und auch Mozart komponierte bis zu seinem Tod mit 35 Jahren mehr als 600 Stücke
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, um eine Handvoll Meisterwerke zu erschaffen.
Und jetzt kommt noch ein Fun Fact: Diesen Absatz hier schreibe ich nur, weil er mir tatsächlich eingefallen ist, als ich mich Montagmorgen mit einem orangefarbenen Handtuch vor meinem Badezimmerspiegel abgetrocknet habe. Es ist der 17. Juni 2019, 8:20 Uhr. Ich bin schon seit 5:05 Uhr wach, habe 90 Minuten an diesem Buch geschrieben, war beim Laufen an der Isar und habe Deadlifts gemacht. Und ich frage mich danach, woher ich die Energie nehme? Die Aktion treibt mich dazu. Von Casey Neistat habe ich folgende These gehört: Man könne Schlaf ersetzen durch sportliche Aktivität. Wer trainiert, braucht also weniger Schlaf. Ich würde dieser These nach meinen eigenen Erfahrungen nicht widersprechen.
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Jetzt wagen wir uns auf die dunkle Seite: Kennst du auch diese Ich-kann-das-einfach-nicht-Menschen? Sie wollen abnehmen, aber sie schaffen es nie zum Sport. Sie wollen was erleben, aber sie hocken Freitagabend auf der Couch. Sie wollen sparen, aber leben vom Dispo. Von außen lässt es sich kaum verstehen, aber solche Menschen haben einen steinigen Weg vor sich. Denn sie stecken in einem Teufelskreis: Wer nichts tut, der verliert konstant an Motivation. Und dann droht die erlernte Hilflosigkeit. Negative Erfahrungen lassen einen den Glauben an den Erfolg verlieren. Es fühlt sich so an, als würde man die Kontrolle verlieren, also genau das, was den Erfolg ausmacht. Der Locus of Control
verschiebt sich von innen nach außen, und diese Hilflosigkeit kann sogar in die Depression führen. Deswegen sollten wir immer ausbrechen, bevor wir in eine passive Rolle fallen und dem Motto folgen: Done is better than perfect
!
Das beste Beispiel ist Mission Money: Ich weiß noch, wie ich Freunde drei Monate vor dem Start des Kanals danach fragte, was sie gerne wissen würden über Finanzen. »Keine Ahnung«, war meistens die Antwort. Ich hätte auch 100 Menschen fragen können, was in diesem Buch stehen soll. Aber aus dem Stehgreif funktioniert das nie. Wir müssen vielmehr eine Feedback-Schleife in Gang setzen. Dafür wird gerne der Ausdruck Rapid Prototyping
verwendet. Das heißt: Bring einen Prototyp auf den Markt und versuche dann, das Feedback der Kunden einzuarbeiten. Diese Schleife beginnt, simpel dargestellt, immer wieder von vorne: testen – verbessern – testen – verbessern – testen. Was wir am Anfang auf YouTube veranstaltet hatten, unterscheidet sich zu 90 Prozent von dem aktuellen Mission Money. Aber genau das ist der Punkt: Wären wir jemals ans Ziel gekommen ohne die Fehler, die wir zu Beginn gemacht haben?
Wir müssen den Felsen, der uns im Weg steht, ins Rollen bringen. Mir hilft eine Frage dabei: Was ist das Schlimmste, das dir nach dem Scheitern passieren könnte? Wenn du ein Business aufbauen willst und deinen Job kündigst – was wäre der
Worst Case
? Dass du danach wieder einen normalen Job brauchst? Dass du zurück zu deinen Eltern ziehen musst? Schreib dir die Szenarien für jene Dinge auf, die dich verunsichern und prüfe, ob das Scheitern wirklich so schlimm wäre. Ich gehe den
Worst Case
immer im Kopf durch, bevor ich auf die Bühne gehe. Was wäre, wenn mir nichts mehr einfällt? Dafür lege ich mir einen Notfallplan zurecht. Ich kann mich noch gut an einen gescheiterten Gag bei unserem dritten
Börsianischen Quartett
erinnern. Ich sitze auf der Bühne vor 400 Leuten, die Kamera läuft und später werden mehr als 200.000 Menschen draufklicken. Schon als die Wörter aus meinem Mund kommen, spüre ich, dass keiner lachen muss. Und so kommt es: Der Saal schweigt, und mir fährt der Schock in die Magengrube. Aber ich bin vorbereitet, nehme mich selber auf die Schippe und sage zum Publikum: »Eigentlich hättet ihr jetzt lachen sollen – das probieren wir jetzt nochmal.« Und diesmal klappt es: Die meisten Zuschauer lachen.
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Als Sherlock seinen dritten Sherry austrinkt, muss ich innerlich lächeln. Er ist selber ein Meister des Aufschiebens. Man müsste eigentlich ein Buch schreiben, man müsste eine App bauen, man müsste die Welt retten. Sherlock weiß auch alles über Sport, er probiert gerade eine Diät aus mit Soja-Shakes und philosophiert über HIIT-Training, aber er trägt eine Plauze vor sich her. Sei nicht wie Sherlock. Sei lieber wie Watson, aber am besten: Sei du selbst.