WAS WÜRDEST DU TUN, WENN DU SCHON REICH WÄRST?
H ast du schon mal was von Glamping gehört? Glamping ist ein Schachtelwort aus »glamourös« und »Camping«. Es geht also darum, Camping und Luxus miteinander zu verbinden. Während ich diese Zeilen in die Notizen meines iPhones tippe, gebe ich mein Bestes als Glamper. Ich liege in einer Badewanne in Nordirland und schaue auf den Sternenhimmel. Nein, ich habe nicht zu viel Single Malt getrunken, ich glampe in einem Bubble-Hotel. Zwischen mir und dem Himmel befindet sich nur eine durchsichtige Halbkugel aus Plastik – und das in der Wildnis, im Herzen von Fermanagh. Draußen rund um das Himmelbett gibt es nur Wälder, Holzhütten und Seen. Drinnen in der Bubble steht ein Doppelbett, zwischen Ledersesseln finden wir eine Nespresso-Maschine und den Champagner-Kühler. Draußen grillen wir untertags Fisch und Fleisch auf einem Rost direkt über dem Lagerfeuer und fahren Kajak. Natur und ein bisschen Luxus, Glamping eben.
Als ich mich im warmen Wasser der Wanne zwischen Raum, Sternen und Zeit verliere, muss ich daran denken, wie ich mit Sherlock auf einer Terrasse über den Dächern von München sitze, Chablis trinke und wir uns überlegen, was wir uns kaufen würden, wenn Geld gar keine Rolle mehr spielte.
»Was würdest du tun, wenn du schon reich wärst?«, fragt er mich.
Ich denke an eine Privatinsel in der Karibik, an alle Aktien, die ich gerne in tausendfacher Ausführung hätte. Ich würde gerne junge Künstler und Start-ups unterstützen und mir Wohnungen in Stockholm, Amsterdam und London kaufen. Bevor ich es ausspreche, erzählt mir Sherlock bereits die Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral . Geschrieben hat sie Heinrich Böll, und sie geht so: In einer Hafenstadt Westeuropas schläft ein Fischer in seinem Boot, er hat verschlissene Klamotten an. Aufgeweckt wird er von einem Touristen, der eifrig Fotos macht von grünem Meer und blauem Himmel. Klick. Klick. Klick. Der Tourist trägt schicke Klamotten, streckt dem noch verschlafenen Fischer eine Schachtel Zigaretten hin und will ihn dazu motivieren, heute noch einen guten Fang zu machen. Der Fischer schüttelt nur den Kopf. Der Tourist bohrt in Landessprache nach, bis der Fischer ihm erklärt, dass er morgens schon ausgefahren wäre. Und jetzt? Dem Touristen verschlägt es fast die Landessprache. Er versucht, den Fischer davon zu überzeugen, härter für den Erfolg zu arbeiten. Wenn er noch dreimal fischen würde an diesem Tag, würde er vielleicht fünf oder zehn Dutzend Makrelen fangen. Und der Tourist entwirft dem Fischer eine Vision: Irgendwann könnte er sich mehr Kutter leisten und Mitarbeiter anstellen, ein Kühlhaus und eine Räucherei bauen, später eine Marinadenfabrik und ein Restaurant eröffnen. Er würde immer mehr fangen, mehr verdienen und müsste irgendwann nicht mehr selbst arbeiten. Er müsste nur noch die Hand aufhalten, beruhigt am Hafen sitzen, in der Sonne dösen und auf das herrliche Meer blicken. Aber der Fischer antwortet am Ende: »Ich sitze beruhigt am Hafen und döse, nur Ihr Klicken hat mich dabei gestört.« 46
Ein mächtiger Gedanke! Der Fischer genießt schon den Luxus eines erfolgreichen Unternehmers, nur anders: mit weniger Geld, aber auch mit weniger Stress. Mich würde es nicht erfüllen, mich auf die faule Haut zu legen. Ich will arbeiten, aber eben auch so, wie ich will. Ich erzählte Sherlock im Gegenzug die Fabel des griechischen Dichters Phaedrus: Canis per fluvium carnem ferens (Der Hund, welcher Fleisch durch den Fluss trägt). Die Geschichte geht so: Ein Hund schwimmt mit seiner Beute durch einen Fluss und plötzlich erstarrt er. Im Wasser spiegelt sich sein Kopf mit der Beute im Maul und er schnappt danach. Dabei fällt ihm die echte Beute ins Wasser und schwimmt davon. Er wollte eine zweite Beute schnappen, die es niemals gab. Und am Ende steht er ohne da. 47 Und was lernen wir daraus? Sei mit dem zufrieden, was du hast und begehre nicht mehr, als du benötigst. Ich würde es so übersetzen: Überlege dir, was du heute schon tun kannst mit jenen Mitteln, die dir zur Verfügung stehen. Wir verschieben so viele Träume, weil sie scheinbar keine Deadline haben. Reisen? Einen Blog starten? Dieses Tattoo stechen lassen? Surfen lernen? Deinen Job endlich kündigen? Oder deine Freundin heiraten? Vielleicht solltest du es einfach tun! Zu wenig Geld ist meistens nur eine Ausrede!
Zurück zum Glamping. Wie komme ich darauf? Bei der Recherche für dieses Buch stand am Anfang eine Frage für mich über allem: Was wollen wir wirklich? Natürlich glücklich werden und reich noch dazu. Aber was würden wir dann tun? Jeder scheint mittlerweile seine persönliche Bucket List abzuarbeiten. Reisen sind die neue Rolex und ein spannendes Leben auf Instagram der neue Porsche. Also welche Ziele verfolgen wir im Leben? Ich bin auf eine Liste von Träumen gestoßen, die junge Menschen träumen. Reisen dominieren die Liste: einmal das Nordlicht sehen, eine Safari in Afrika machen, auf der chinesischen Mauer entlangspazieren oder Paris von der Spitze des Eiffelturms sehen. Und es stand eben auch Glamping auf der Liste. Abenteuer spielen fürs Glück generell eine Rolle: Junge Menschen träumen davon, einen Marathon zu laufen und mit dem Fallschirm aus einem Flugzeug zu springen. Sie wollen auch einen Hund besitzen, sich selbst verbessern und ein Vermächtnis hinterlassen: beispielsweise eine Sprache lernen und das oft zitierte Buch schreiben. 48
Und jetzt überleg mal, welche Dinge du sofort tun könntest. Wie viel kostet es, Spanisch zu lernen oder für ein Wochenende nach Paris zu fahren? Du musst nicht im Lotto gewinnen, um dir Träume zu erfüllen. Ich bin dankbar dafür, dass ich Erlebnisse wie Glamping sogar mit diesem Buchprojekt verbinden kann. Aber ich bin auch stolz darauf, dass ich den Eiffelturm bereits gesehen habe, als ich als Student noch jeden Cent umdrehen musste und in Paris in einer Absteige übernachtet habe. Stehen dir also nur Geiz oder Gier im Weg? Ich wollte als sehr junger Mensch zu viel und riskierte mein Geld ohne Verstand. Dabei hätte ich mir davon auch ohne Reichtum schon viele Erlebnisse leisten können .
Ein Erlebnis hat mich 2018 daran erinnert, wie sich das Glück sofort anschieben lässt. Wir hatten für Mission Money Oliver Noelting interviewt. Er nennt sich Frugalist und hat ein ambitioniertes Ziel: Er ist Anfang 30 und möchte bereits mit 40 die finanzielle Freiheit erreichen. Oder anders ausgedrückt: Er will in weniger als zehn Jahren von seinen Ersparnissen leben und nicht mehr arbeiten, also Rente on Demand wie der Fischer. Sein Plan in Kurzfassung: Oliver lebt sehr sparsam und legt bis zu 70 Prozent seines Netto-Einkommens von 2300 Euro zur Seite. Das Geld investiert er wiederum in ETFs. Später will er dann von den Kursgewinnen leben, indem er die ETFs stufenweise verkauft. Klingt nach Geizkragen, der den Spaß am Leben verloren hat. Aber Oliver wirkt sympathisch – und vor allem zufrieden. Er hat seinen Lifestyle gefunden. 49 Nach dem Interview bin ich neidisch auf Oliver. Wie kann jemand so bescheiden sein und doch so ausgeglichen wirken? Olivers Glück treibt mich so um, dass ich mir eine Liste von Dingen aufschreibe, die mich glücklich machen und die zu kurz kommen. Ganz oben stehen Reisen und Fotografieren. Ich hole sofort meine Canon aus der Schublade und überlege, was ich damit in meiner Wohnung anstellen kann. Am Ende wird es ein Selbstportrait, das sich in einem Bild spiegelt, das über meinem Esstisch hängt. Darauf steht »Just Breathe«, und im Hintergrund ist ein schwarz-weißer Wald zu sehen. Ich schreibe einen Blogartikel über den Frugalisten und meine Gedanken und mache das Selbstportrait zum Titelbild. 50 Am Abend buche ich noch einen Kurztrip nach Stockholm – drei Wochen später fliege ich alleine nach Schweden. Diese Tage werden sehr intensiv: Ich habe in Ruhe Zeit, um über mich und neue Projekte nachzudenken. Ich fotografiere so viel wie schon lange nicht mehr und setze das Motto von Neil Gaiman um: »Make great Art«. Die Bilder werden nicht außergewöhnlich, aber sie fühlen sich für mich besonders an, weil ich mich endlich wieder wie ein Künstler fühle. Die Tage in Stockholm sollten später auch einige Ideen für dieses Buch liefern. Und was macht dich sofort glücklicher? Sei derjenige, der du sein willst. Denn alles hat irgendwann eine Deadline.
Test yourself! Mach dir deine persönliche Bucket List, und du wirst erstaunt sein, was du dir heute schon alles leisten könntest. Unten kannst du dir deine fünf größten Wünsche eintragen: