SO GESTALTEST DU DEINE HELDENREISE
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herlock würde jetzt aufstehen und gehen! Spätestens nach dem letzten Kapitel würde er mir alles über Logik an den Kopf werfen, was er jemals gelesen hat. Ich höre seine Worte, wenn ich die Augen schließe und ihn mir vorstelle: Logik sei die Kunst des Schlussfolgerns. Und Aristoteles würde sich als Vater der Logik im Grabe umdrehen. Aber wenn wir uns auf eines nicht blind verlassen sollten – dann auf Logik. Denn das Leben ist keine Mathematik. Selbst die Börse scheint nur aus Zahlen zu bestehen, aber die meisten scheitern beim Investieren an der Psychologie. John Maynard Keynes würde sagen: »Die Märkte können viel länger irrational bleiben als man selbst solvent.«
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Warum laufen Models mit Typen rum, die schlechter aussehen als sie? Warum verlieben wir uns überhaupt in andere Menschen? Warum nutzen wir Apple und nicht Samsung? Warum bezahlen Menschen bei Starbucks so viel Geld für einen Kaffee? Und warum glauben Menschen an Gott? Es müsste doch so vieles anders sein, wenn alles nach Logik laufen würde. Ich würde Sherlock sagen, dass er sich seine Logik sonst wo hinstecken könne. Weil sie niemals gegen eine gute Geschichte ankommt. Hast du schon mal von der Legende der Scheibenwelt gehört? Ein Mann soll einst behauptet haben, die Welt befinde sich auf dem Rücken eines riesigen Elefanten. Es kam folgende Frage: Worauf ruhe dann der Elefant? Er antwortete, der Elefant stehe wiederum auf einer riesigen Schildkröte. Und die Schildkröte? Auf dem Rücken einer noch größeren Schildkröte. Und diese Schildkröte? Der Mann verdrehte die Augen und streckte die Hände Richtung Himmel! Man solle sich keine Sorgen machen – von hier an seien es Schildkröten bis ganz nach unten. Die Legende basiert auf der indischen
Mythologie und wie bei so vielen erfolgreichen Geschichten geht es nicht um Logik.
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Menschen wollen eine Erklärung für die Welt, die Bilder in ihrem Kopf erzeugt und keine wissenschaftliche Abhandlung. Weil uns Emotionen zum Handeln bringen – und nicht Zahlen oder Worte. Das liegt wiederum an unserem Gehirn: Der Neokortex konzentriert sich auf rationales Denken und Sprache. Das limbische System dagegen zeigt sich verantwortlich für unsere Gefühle und Entscheidungsfindung, aber Sprache findet dieses System selber keine. Wir haben also einen Beamten und eine Künstlerin in unserem Kopf. Die Künstlerin liebt die Emotion und bringt uns zum Handeln, und der Beamte erklärt es dann in Worten. Überleg mal, warum du einen Menschen liebst. Der Beamte würde sagen: Weil sie witzig ist und wusste, wer das Gemälde »Guernica« gemalt hat. Aber witzig sind viele, und mit Picasso kennen sich auch einige aus. Es geht vielmehr darum, welche Emotionen wir auslösen. Die Künstlerin würde sagen: Ich habe mich bei ihm gefühlt wie die klügste und einzigartigste Frau der Welt, und er versteht mich.
Unsere Welt wird von Geschichten zusammengehalten, und sie lösen Emotionen bei uns aus. Das bekannteste Beispiel ist die Bibel, deren Erzählungen uns seit Jahrtausenden inspirieren. Aber wie nutzen wir diese Erkenntnis nun für unseren Erfolg? Ganz einfach! Was könnte mehr motivieren, als seine eigene Geschichte zu schreiben. Du entscheidest, ob du Held, Bösewicht oder Nebendarsteller bist. Aber was gehört zu einer guten Geschichte? Der Erfolgsautor Yuval Noah Harari nennt zwei Aspekte: Sie muss dir eine Rolle zuweisen, und sie muss deine Horizonte überschreiten.
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Zunächst geht es darum, die Story unserer Vergangenheit neu zu schreiben. Unser Leben besteht aus Erinnerungen und wie wir sie abgespeichert haben. Trotzdem können wir uns und anderen die Geschichte erzählen, wie wir wollen. Dafür müssen wir unser Gedächtnis verstehen: Unser Hirn arbeitet wie eine Excel-Abfrage. Wenn ich dich beispielsweise frage, wie du dich an deinem ersten Schultag gefühlt hast, dann ziehst du die Antwort aus einem gedanklichen Aktenschrank. Aber: Du steckst sie nicht wieder so zurück, wie du sie
herausgenommen hast. Du änderst die Geschichte. Während du meine Frage beantwortest, kommen neue Gefühle dazu, und du füllst Erinnerungslücken mit anderen Gedanken. Jedes Mal, wenn wir eine Erinnerung abrufen, überschreiben wir sie also. Cerf erklärt in seinem Ted Talk
Training your Brain
, dass auch Psychotherapie im Grunde nicht anders funktioniere. Dem Patienten wird eine Frage gestellt wie: »Warum hat dich dein Freund verlassen?«
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Und dann versucht man, im Gespräch die Antwort positiver zu gestalten. Es gibt also keine Wahrheit, es gibt nur Versionen davon. Nach dem Motto: »Jeder Mensch erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält.«
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Und warum sollten wir unser Leben für eine miese Geschichte halten?
Unsere Erinnerungen funktionieren wie Anker und wir sollten uns an den stabilen festhalten. Stell dir vor, du baust dein Haus auf einem giftigen Fundament, also auf giftigen Erinnerungen. Dann ziehst du die negativen Akten aus deinem gedanklichen Schrank. Der Lehrer, der dich fertiggemacht hat. Der Chef, der dich gehasst hat. Und der Ex-Freund, der dich kleingehalten hat. Chuck Palahniuk hat festgestellt, dass Menschen sich so sehr in ihren Schmerz verlieben, dass sie ihn nicht zurücklassen können: »Genau wie mit den Geschichten, die sie erzählen. Wir gehen uns selbst in die Falle.«
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Und genau damit machst du Schluss!
Donald Trump könnte seine Story so erzählen: Ich bin pleite gegangen, zigfach gescheitert, habe das Geld meines Vaters verzockt und mich an die Boulevard-Presse verkauft, um im Gespräch zu bleiben. Er hätte sich als Verlierer geschlagen geben können, aber er schaffte es sogar, als Präsident der Vereinigten Staaten zum mächtigsten Mann des Planeten aufzusteigen, weil er die Geschichte seines Lebens wie eine Heldenreise präsentiert hat. Er selbst hatte eine klare Rolle darin: der Held. Und das Ende war nicht abzusehen, weil er den Horizont immer weiter verschoben hat bis zum ultimativen Ziel. Ist er nun ein Irrer oder ein Genie? Das ist egal! Es geht nur darum, was du von ihm lernen kannst. Den unerschütterlichen Glauben an sich selbst. Deswegen überlegst du dir, welche fünf Ereignisse
aus deiner Vergangenheit dich am meisten beschäftigen. Schreib sie dir auf und überlege, wie du sie vom Negativen ins Positive drehst. Dass dein erstes Investment gefloppt ist, zeigt nicht deine Unfähigkeit, sondern deinen Mut. Du musst deine Fehler umarmen und es gibt nur ein Narrativ: Deine Fehler haben dich stärker und besser gemacht. Und dann bist du bereit für den nächsten Schritt: Du treibst deine Heldenreise vorwärts. Wir haben bereits gelernt, dass wir ein Warum für unsere Story brauchen. Jetzt gilt es, ein Narrativ dafür zu finden. Welche Story möchtest du über dich erzählen? Wir erzählen immer Geschichten, selbst wenn wir nichts sagen. Doch Vorsicht! »Erinnerung funktioniert wie eine Wikipedia-Seite, du kannst sie umschreiben, aber das können auch andere Menschen«, erklärt die Psychologin Elizabeth Loftus bei ihrem Ted Talk
Die Fiktion der Erinnerung
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Im schlimmsten Falle erzählen andere unsere Geschichte, aber lieber erzählen wir sie selbst!
Um deine ganze Kraft zu befreien, stell dir eine Frage: Was wäre, wenn? Mich machen diese Worte nervös, denn sie können mächtig sein. Was wäre, wenn du endlich dein Geld selber in die Hand nimmst? Was wäre, wenn du endlich den Partner findest, den du immer haben wolltest? Die besten Geschichten beginnen immer damit, dass wir Grenzen überwinden und wachsen. Und du bist der Regisseur deiner Heldenreise. Die Betonung liegt auf Reise, es geht nicht darum, von heute auf morgen ein Held zu sein, sondern einer zu werden.
Dafür schauen wir uns die klassische Heldenreise in Joseph Campbells Buch
Der Heros in tausend Gestalten
(von 1949) an. Er versuchte darin, den Wesenskern von Sagen und Religionen zu entschlüsseln. Das Buch war lange ein Geheimtipp, bis sich ein junger Regisseur an Campbell wandte. Er schrieb an einer Weltraumsaga, in der sich eine typische Heldengeschichte abspielte. Sein Name war George Lucas. Campbell zeigte ihm, wie Mythen funktionierten, und am Ende wurde er für ein Schema berühmt: die Heldenreise (siehe Abbildung auf der nächsten Seite). Bis heute funktionieren die meisten Filme nach dem Prinzip der Heldenreise:
Odysseus, Harry Potter,
Disney-Filme wie
Aladdin
oder eben Lucas‘ Weltraumepos
Star Wars
mit dem Helden Luke Skywalker.
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Abbildung 3: Eigene Darstellung in Anlehnung an Joseph Campbell
Die Heldenreise funktioniert in Kurzfassung so: Der Held beginnt in seinem Alltag, dort wird er zum Abenteuer gerufen. Er weigert sich, findet dann aber einen Mentor. Dann überquert er die Schwelle in eine andere Welt, besteht Prüfungen, findet neue Freunde, aber auch Feinde. Er taucht immer tiefer in die fremde Welt ein und absolviert die höchste Prüfung. Wenn er sie besteht, bekommt er einen Schatz und reist damit zurück in seine alte Welt. An der Schwelle erwartet den Helden eine letzte Prüfung, bevor die Welt von seinem Schatz und seiner Wandlung profitiert.
Um dich zu motivieren, solltest du dir ein konkretes Bild von deiner Zukunft zeichnen. Die Heldenreise braucht eine klare Visualisierung der Ziele. Alleine die Vorstellung, wie du in deinem Traumhaus wohnst und deinen Traumjob lebst, kann diese Emotionen und Motivation in dir auslösen. Du kannst mental vorwegnehmen, was du erreichen willst. Wenn es dir hilft, dann stell es dir nicht nur vor, sondern
druck dir Bilder von deinem Traumhaus in der Toskana aus und hänge sie dir über den Schreibtisch. Damit bringst du auch wieder dein retikuläres Nervensystem auf die richtige Bahn: Der Filter in unserem Gehirn muss auf die Heldenreise getrimmt werden. Und du solltest in deinen Träumen nicht auf Nummer sicher gehen. Denn was motiviert dich mehr: Wenn du dir einen Tesla und eine Penthouse-Wohnung über den Dächern Münchens vorstellst oder einen alten Opel Corsa und eine Bruchbude? Du wirst dich nur dann wirklich anstrengen, wenn du auch ein Ziel hast, das dich stimuliert. Als ich mit YouTube angefangen habe, motivierte mich der Gedanke, dass Millionen Menschen meine Videos sehen würden. Und wenn ich diese Zeilen schreibe, träume ich davon, dass ich möglichst viele Menschen damit erreiche. Wenn ich laufen gehe, dann trainiere ich für ein Sixpack und nicht für eine kleinere Wampe! Verstehst du, was ich meine?
Aber unsere Ziele müssen immer mit unseren Werten übereinstimmen. Es geht nicht darum, einfach reich zu werden. Dann wirst du scheitern. Es geht um deine Mission und darum, wie du leben willst. Was sind deine Werte, für die du als Held sterben willst: Freiheit? Liebe? Selbstverwirklichung? Geld wird dann zum Katalysator und ermöglicht uns genau jene Dinge, die uns glücklich machen. Während dieses Buchprojektes habe ich öfters mit meiner Freundin rumgesponnen, dass ich dieses Buch schreibe, damit ich uns einen Bauernhof in der Nähe des Tegernsees finanzieren kann. Es hat mich tatsächlich angetrieben. Ich will möglichst erfolgreich sein und liebe Geld, aber in erster Linie, um mir damit Zeit zu kaufen für die Menschen, die ich liebe. Und dafür, um mich selbst zu verwirklichen, kreativ zu arbeiten, zu reisen und mich weiterzuentwickeln.
Betrachten wir noch ein Beispiel zu den Werten und Zielen: Eine Freundin von mir hat Textilwirtschaft und Marketing studiert, sie stieg schnell auf bei einem großen Modelabel und hätte immer mehr verdienen und Verantwortung tragen können. Aber sie ist so stark motiviert von Autonomie, dass sie das Handtuch warf, für zwei Monate nach Indien verschwand und sich danach selbstständig machte als
Yoga-Lehrerin und Heilpraktikerin. Ich habe sie seitdem nie wieder über ihren Job oder ihr Leben schimpfen hören.
Die wichtigste Frage kommt zum Schluss: Was wäre, wenn du dich nicht auf die Reise machst? Dann findest du nie heraus, was passiert wäre. Und meistens bringt uns diese Ungewissheit um den Verstand. Ich will vermeiden, dass du mit 80 Jahren auf einer Veranda sitzt und alles aufzählst, was du hättest machen können. Du hast es jetzt in der Hand, dich auf deine Heldenreise zu machen und deinen Enkelkindern mal davon zu erzählen, wie du mit dem Investieren und deiner Karriere angefangen hast. Erinnere dich an das Vorwort dieses Buches: Wir können nicht alle ein Buch schreiben, aber jeder kann seine eigene Heldenreise gestalten.
Test yourself!
Schreib dir fünf Ereignisse auf, die dich nicht loslassen, und versuche, sie vom Negativen ins Positive zu drehen: