DIE WELT WIRD IMMER BESSER
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erzlich Willkommen bei »Wer kann die Welt so einschätzen, wie sie wirklich ist?«. Zum Ende des Motivationsteils will ich dir die ultimative Motivation mit auf den Weg geben. Die Auflösung gibt es gleich, erst wünsche ich mir von dir, dass du folgende zwei Fragen beantwortest:
Wo lebt die Mehrheit der Weltbevölkerung?
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In Ländern mit niedrigem Einkommen
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In Ländern mit mittlerem Einkommen
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In Ländern mit hohem Einkommen
In den letzten 20 Jahren hat sich die Anzahl jener Menschen, die in extremer Armut leben …
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Fast verdoppelt
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Ist mehr oder weniger gleichgeblieben
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Eigentlich ganz einfach, oder? Wer täglich Zeitung liest und YouTube- Videos schaut, der weiß, dass die Welt ein Moloch aus Katastrophen und Armut ist. Aber das stimmt nicht! Die meisten Menschen leben tatsächlich in Ländern mit mittlerem Einkommen und die Armut hat sich in den letzten 20 Jahren fast halbiert. Diese Fragen habe ich entlehnt aus dem Buch Factfulness
. Es gibt noch viel mehr Fragen. Besuche am besten die Homepage des Tests und überzeuge dich selbst davon. Das Quiz wird übrigens auch von Bill Gates und Barack Obama empfohlen.
Der Professor Hans Rosling schildert in Factfulness
detailliert, wie wir die Welt sehen und wie sie tatsächlich ist: Sie wird besser.
Und was könnte mehr motivieren als eine Welt, die sich weiterentwickelt. Aber soll man wirklich auf so einen naiven Glauben reinfallen? Wir stehen doch angeblich vor dem größten Umbruch der Menschheitsgeschichte. Künstliche Intelligenz soll Jobs vernichten wie nie zuvor, und die politische Lage gestaltet sich so heikel wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr. Täglich erzählen uns Crash-Propheten, warum die Welt morgen untergeht. Wie immer geht es dabei um Storytelling. Und die Erzählung von der schlechten Welt geht so: Unser System ist krank! Politiker und Konzerne wollen uns unterdrücken und eine neue Menschenrasse züchten. Kannibalen kochen uns am Tag des Jüngsten Gerichts in einem riesigen Kessel. Es ist lange gut gegangen, aber dieses Mal ist alles anders. Es ist der Wendepunkt! Der Tipping Point! Der Point of no Return! Jetzt heißt es: Die Welt geht unter! Ich finde diese Erzählung spannend, aber ich halte sie für Schwachsinn. Weil ich sie schon zu oft gehört habe. Machen wir einen kurzen Ausflug in die Historie der Crash-Propheten.
Beginnen wir im Jahr 1830: Nordeuropa und Nordamerika waren reicher als je zuvor, es herrschte zum ersten Mal seit längerer Zeit Frieden, und es kamen immer neue Innovationen auf: das erste Foto, Kettenbrücken und Dampfschiffe. Also war die Stimmung sicherlich gut, oder? Eher nicht. Wie heute zeichneten Rattenfänger düstere Bilder der Zukunft. Den Weltuntergang zu verkaufen ist eben eines der ältesten Geschäftsmodelle der Welt. Im Jahr 1830 veröffentlichte auch der Hofdichter des englischen Königshauses, Robert Southey, ein Buch mit dem Titel
Sir Thomas More: or, Colloquies on the Progress and Prospects of Society
. Darin begleitet sein Alter Ego den Geist von Thomas Morus, englischer Staatsmann und Autor des Werkes
Utopia
. Southey zeichnet ein düsteres Bild der Zukunft, indem er den Geist von Morus folgende Befürchtungen äußern lässt: bevorstehendes Elend, Hungersnot, Pest und Niedergang der Religion.
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Es kam aber anders: In den kommenden Jahren schossen Wirtschaft und auch Lebenserwartung durch die Decke. Gerade die Einkommen der britischen Arbeiterklasse verdoppelten sich binnen 30 Jahren
.
1892 schrieb ein Deutscher einen Untergangs-Bestseller: Max Nordau kündigte in seiner Schrift
Entartung
eine menschliche Katastrophe von nie gekanntem Ausmaß an.
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In den USA verkaufte sich 1901 das Buch des Franzosen Charles Wagner mit dem Titel
The Simple Life
bestens. Darin rief er das Ende des Materialismus aus und prophezeite die Landflucht der Menschen, eben das einfache Leben auf einer Farm.
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Der Klassiker
1984
von George Orwell erschien 1949, und er warnte darin vor einem totalitären Staat. Und selbst die Eröffnungsworte der Agenda für eine Konferenz der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro zeichnete ein düsteres Bild: »Wir erleben eine Festschreibung der Ungleichheiten zwischen und innerhalb von Nationen, eine Verschlimmerung von Armut, (…) Krankheit (…) sowie die (…) Zerstörung der Ökosysteme (…).
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Abbildung 4: Eigene Darstellung in Anlehnung an Angus Maddison
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Die Erzählung von der guten Welt geht dagegen so: Es läuft alles, wir müssen hier und da anpassen, und dann wird es noch besser. Ziemlich langweilig, oder? Aber wer sich die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes (
BIP) pro Kopf anschaut, muss leider zugeben, dass sich die Welt trotz aller Probleme und Rückschläge stetig verbessert.
Aber das will niemand in der Zeitung lesen. Und die Aufgabe von Journalisten besteht auch nicht darin, die Welt jeden Tag zu feiern, sondern auf Probleme hinzuweisen und Diskussionen anzuregen. Deswegen müssen provokante Zeilen her, und schlechte Nachrichten sind nun mal gute Nachrichten. In Zeiten, in denen Lügenpresse zum geflügelten Wort avanciert, sollten wir aber genauer darauf schauen, wie Journalismus überhaupt funktioniert. Es tobt ein Kampf um die Wahrheit, aber ein journalistisches Werk wird niemals den Anspruch darauf erheben. Es erzählt vielmehr eine Geschichte, einen Ausschnitt aus dieser Welt. Dafür stellt man eine These auf, beispielsweise: »Die USA sind ein ungerechtes Land.« Dann recherchiert man auf diese These hin, der Rest wird ausgeblendet. Kritiker vermuten dann Manipulation, aber komischerweise nur, wenn ihnen die These nicht passt. Deswegen hier eine kurze Anleitung zum kritischen Denken: Gewöhne dir an, grundsätzlich die Gegenposition einzunehmen. Wer einen Text über ein ungerechtes Land liest, sollte unbedingt auch einen über ein gerechtes lesen und sich dann eine Meinung bilden. Und frage dich immer, wer eine Information streut und was er damit bezweckt. Cui bono? Wem nützt es also? Beispielsweise erzählt ein YouTuber dir jeden Tag, dass die Börse untergeht und die Welt gleich mit. Will er vielleicht nur die Klicks hochtreiben oder noch gleich einen exklusiven Newsletter verkaufen? Sei immer kritisch, wenn jemand den Untergang prophezeit. Erfolgreiche Menschen warten nicht auf den Untergang, sie suchen ihre Chance. Crash oder Chance: Was motiviert dich mehr?
An der Börse werden kurzfristig auch gerne Horrorszenarien gespielt. Wir erleben Handelskriege und zittern, wenn es Konflikte zwischen den USA, Nordkorea oder dem Iran gibt. Das bewegt die Kurse. Der Vater der Aktienanalyse, Ben Graham, bezeichnete die Börse in der kurzfristigen Betrachtung als Stimmungsmaschine. Kurzfristig dominieren unser Leben Sorgen und Ängste, aber langfristig entwickeln wir uns trotzdem stetig weiter, weil die Börse und die Welt langfristig wie eine Abwägungsmaschine funktionieren. Früher oder später pendelt
sich ein Gleichgewicht ein. Wer sich von den Crash-Propheten verunsichern lässt, traut sich nie zu investieren und verpasst Chancen. Die wirklich erfolgreichen Menschen, die ich kennengelernt habe, denken positiv. Sie sehen die Welt so, wie sie ist: ein Ort voller Probleme, aber genau dadurch entstehen erst die Chancen. Sie sind auf den Ernstfall vorbereitet, aber hoffen immer auf das Beste. Der Investor und Milliardär Ken Fisher warnt in seinem Buch
Börsen-Mythen enthüllt für Anleger
Aktien abzuschreiben, weil die Welt viel zu beängstigend wäre.
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Er führt auf mehreren Seiten Ereignisse auf, die die Welt in Schockstarre versetzten, und zeigt, dass die Aktienkurse trotzdem gestiegen sind. In der folgenden Tabelle zeige ich dir nur ein paar Beispiele für die verkehrte Welt.
Jahr
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Ereignis
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Rendite des MSCI-World-Index
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1941
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Pearl Harbor; Deutschland marschiert in die UdSSR ein; USA erklären Japan, Deutschland und Italien den Krieg
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+19%
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1961
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Bau der Berliner Mauer; Invasion in der Schweinebucht misslingt
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+21%
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1987
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Größter Verlust des Dow Jones in der Historie
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+16%
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2009
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Arbeitslosigkeit steigt über 10%; Rettung US-amerikanischer Autohersteller
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+30%
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Kurzfristig müssen Investoren Schocks verkraften, aber wer sich die Tragödien der letzten 80 Jahre anschaut, erkennt, wie stabil sich die Börse selbst nach den dunkelsten Stunden der Geschichte zeigte. Langfristig verlieren eben nur die zittrigen Hände.
Während ich diese Zeilen in die Notizen meines iPhones tippe, sitze ich in einem Restaurant in der Nähe von Deia, im Westen Mallorcas. Ich schaue auf das blaue Meer und überlege mir, was Robert
Southey dazu sagen würde: Ich habe gerade den besten Oktopus meines Lebens gegessen und stechend scharfe Bilder mit meinem iPhone davon gemacht. Per WhatsApp kann ich die Bilder mit Freunden und Familie teilen, auf Instagram inspiriere ich die Welt mit diesem einzigartigen Ort. Zum Restaurant gefahren sind wir mit einem Automatikauto, das Navigationssystem von Google Maps hat uns den Weg gezeigt. Du magst mich für naiv halten, aber ich glaube daran, dass diese Welt immer besser wird. Und ich glaube, dass der Dax in zehn Jahren bei 20.000 oder gar höher stehen wird. Mich wird der Glaube an das Gute immer motivieren. Wenn dir der nächste Crash-Prophet begegnet, dann frag ihn, ob er die Meinung von einem der bekanntesten Ökonomen der Geschichte zu dem Thema Niedergang der Welt kennt. Adam Smith schrieb schon vor mehr als 200 Jahren, dass kaum fünf Jahre vergehen würden, in denen nicht eine Schrift veröffentlicht würde, laut der angeblich »der Wohlstand der Nation schnell abnehmen (…) das Land entvölkert, die Landwirtschaft vernachlässigt, die Produktion verfallen und der Handel annulliert würde.«
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Aber dieses Mal soll alles anders sein? Wahrscheinlich nicht …