DIE ERFOLGSLÜGE ODER WARUM ERGEBNISSE GAR NICHTS BEDEUTEN
S
tell dir vor, ich würde dir jetzt 50.000 Euro schenken. Der Haken daran wäre: Wir legen noch schnell Spielregeln fest. Du musst das Geld sofort anlegen und hast dafür drei Fondsmanager zur Auswahl. Du bekommst zu jedem Fondsmanager aber nur eine Info und musst dich dann entscheiden!
Der erste Fondsmanager heißt Adam Monk: Er liefert seit Jahren eine überdurchschnittliche Performance ab.
Die zweite Fondsmanagerin heißt Lusha: Sie gehört zu den besten 10 Prozent in ihrer Peer-Group.
Der dritte Fondsmanager heißt John Doe: Er hat in zehn Jahren noch nie die Benchmark geschlagen.
Welchem Fondsmanager würdest du dein Geld anvertrauen? Wahrscheinlich würdest du A oder B nehmen. Aber dann müsste ich dir das Geld leider wieder wegnehmen, denn du hättest es Affen anvertraut. Tatsächlich setzte die Tageszeitung
Chicago Sun-Times
mehrere Jahre einen Kapuzineraffen namens Adam Monk mit Bleistift vor den Kursteil des
Wall Street Journal
. Jene fünf Aktien, die er am eindeutigsten markierte, wurden gekauft und für ein Jahr lang gehalten. Und tatsächlich schlug der Aktienaffe den amerikanischen Leitindex Dow Jones über mehrere Jahre.
72
Auch die Fondsmanagerin ist ein Affe: Lusha wählte ihre Aktien aus, indem sie sich für Bauklötze entschied. Sie erreichte in einem inoffiziellen Wettbewerb eine Platzierung unter den besten 10 Prozent der russischen Fondsmanager.
73
Was lernen wir daraus? Wir sollten Ergebnisse niemals überschätzen. Im Englischen spricht man von
Resulting
, wenn man Ergebnisse bewertet, ohne den Prozess davor zu beachten
.
Gerade Pokerspieler benutzen den Begriff Resulting
gerne, weil sie nicht aufs Ergebnis schauen, sondern nur bewerten, ob sie eine richtige Entscheidung getroffen haben oder nicht. Poker ist als Glücksspiel verschrien, dabei geht es um Strategie und Mathematik. Wer immer die Wahrscheinlichkeit auf seiner Seite hat, sollte langfristig öfter gewinnen, als verlieren. Pokerprofis wissen genau, wie hoch die Chance in den meisten Situationen ausfällt. Stell dir folgende Szene vor: Du hältst zwei Asse auf der Hand, und dein Gegner schiebt alle Chips in die Mitte. Du musst mitgehen, weil du die bestmögliche Starthand hältst. Du schließt also eine Wette ab, bei der du sicher eine größere Siegchance hast als dein Gegner. Im schlechtesten Fall hält er ebenfalls zwei Asse und es läuft zu 95,60 Prozent auf ein Unentschieden hinaus. Du schiebst also ebenfalls alles in die Mitte, es kommt zum Showdown, und dein Gegner zeigt zwei Könige. Du hast eine Sieg-Wahrscheinlichkeit von 82,4 Prozent, doch trotzdem wirst du diese Hand ab und zu verlieren, eben in 17,1 Prozent der Fälle. Es bleibt noch eine minimale Rest-Wahrscheinlichkeit dafür übrig, dass das Duell unentschieden endet (0,5 Prozent). Aber war deine Entscheidung deswegen falsch, wenn du mal den Kürzeren ziehst? Nein, es wäre ein Fall von Resulting
, wenn du wegen einer verlorenen Hand deine richtige Entscheidung schlecht reden würdest. Es wäre ja auch absurd, denn das würde bedeuten, dass du beim nächsten Mal die beiden Asse wegwerfen müsstest, obwohl du mit einer Wahrscheinlichkeit von 82,4 Prozent gewinnst.
Es sind noch wenige Sekunden zu spielen im Etihad Stadium und Manchester City braucht dringend ein Tor im Champions-League-Viertelfinale gegen die Tottenham Hotspur. Die Mannschaft von Trainer Pep Guardiola liegt in den Schlussminuten zwar mit 4:3 Toren in Front, aber das Hinspiel hat sie in London mit 0:1 verloren und kommt deswegen nur mit einem 5:3 ins Halbfinale. Dann kommt die entscheidende Szene: Tottenham-Spieler Christian Eriksen vertändelt den Ball, Citys Bernardo Silva kommt an den Ball, spielt Aguero an, der in den Strafraum eindringt, verzögert und Raheem Sterling anspielt. Der verzögert auch und schießt den Ball ins Netz. Tor! Es ist die dritte Minute der Nachspielzeit, und Manchester City steht in
diesem Moment im Halbfinale. In letzter Sekunde scheint der Triumph zu gelingen, die Fans im Stadion rasten aus, Guardiola springt jubelnd an der Seitenlinie entlang. Er hatte kurz zuvor den deutschen Nationalspieler Leroy Sané eingewechselt, die beiden Stürmer Gabriel Jesus und Riyad Mahrez aber auf der Bank gelassen, er scheint alles richtig gemacht zu haben. Aber dann kommt der Schock: Der Video-Schiedsrichter schaltet sich ein, und in der Wiederholung ist zu erkennen, dass Aguero vor dem Tor um Haaresbreite im Abseits stand. Wenige Zentimeter entschieden also über Sieg und Niederlage. Ist Guardiola nun ein guter oder ein schlechter Trainer? Wer das Ergebnis beurteilt, muss ihn für einen schlechteren Trainer als seinen Konkurrenten Mauricio Pochettino halten, aber so einfach sollten wir uns das Leben nicht machen. Sieg und Niederlage lassen im Nachhinein eine Entscheidung genial oder fatal erscheinen, und wir schließen nur zu gerne von guten Ergebnissen auf schlaues Verhalten und wollen es kopieren. Es können aber auch Dummköpfe reich werden und Affen Aktien besser auswählen als Menschen. Aber setzen wir uns jetzt einen Affen für unsere Finanzplanung hinter den Schreibtisch? Natürlich nicht.
Wenn wir nur auf die Ergebnisse schauen, verwechseln wir auch oft Ursache und Wirkung. Schuld daran ist das sogenannte
Undersampling of Failure
, also die zu geringe Berücksichtigung von Fehlschlägen in der Stichprobe.
74
Nehmen wir an, du stellst dir ein Aktiendepot zusammen, und bei der Recherche fällt dir auf, dass in den letzten Jahren jene Konzerne am besten abgeschnitten haben, die besonders viel in Digitalisierung investiert haben und damit mindestens 50 Prozent über dem Branchenschnitt lagen. Aber jetzt überleg mal, wie viele Firmen es gibt, die auch viel investiert haben, aber trotzdem schlecht performt haben an der Börse. Das Ergebnis alleine rechtfertigt nicht die Handlung und dient auch nicht zum Nachahmen.
Der Champagner kam durch eine Fehlleistung zustande, eine falsche Gärung machte den Wein zu sauer. Auch die Tarte Tatin entstand durch ein Missgeschick: Einer der beiden Schwestern Tatin fiel ein Apfelkuchen aus den Händen und landete auf der Apfelseite. Daraufhin packten sie ihn mit der Fruchtseite nach unten wieder in die Form, bedeckten ihn
mit frischem Teig und backten ihn einfach nochmal. Mark Zuckerberg hat die Uni geschmissen, und am Ende schaffte er mit Facebook doch den Durchbruch. Falsche Gärung bringt uns also neuen Champagner? Und wer die Uni schmeißt, hat am Ende mehr Erfolg? Vorsicht,
Resulting
! Und hier kommt auch noch der
Survivorship Bias
ins Spiel: Wir konzentrieren uns lieber auf die Überlebenden und feiern sie als Helden, die Opfer vergessen wir gerne. Überleg mal, wie viele Kelterer einen Wein versaut haben, wie viele Köche einen neuen Kuchen ausprobiert haben und am Ende gefeuert wurden. In der Presse tauchen aber nur die Wunder auf. Natürlich kannst du erfolgreich werden, wenn du dein Studium schmeißt, aber in den Medien stechen nur die Zuckerbergs heraus, von arbeitslosen Studienabbrechern liest man eher selten.
75
»Ich lasse mir doch nichts sagen von jemandem, der selbst nicht reich ist«, sagt mir ein Interviewgast bei Mission Money, nachdem die Kameras ausgeschaltet sind. Unser Gast schwört auf Menschen, die es in seinen Augen schon geschafft haben. Menschen, die auf einer Bühne stehen und die besten Strategien für den Vertrieb anpreisen. Er schwärmt mir von Seminaren vor, die er besucht hatte, um sich weiterzubilden. Auf die Frage, was er von seinen Vorbildern gelernt habe, kann er aber nur mit Phrasen antworten. Ich habe mich vor allem gefragt, ob unser Gast auch bei jedem seiner Vorbilder den angeblichen Reichtum überprüft hat. Das erinnert mich an einen Post bei Instagram von einer dieser unzähligen Erfolgsseiten, die regelmäßig wissen wollen: Wofür würdest du dich entscheiden?
A: 1 Million Dollar.
B: Ein Leben lang kostenlos reisen.
C: Eine 50-prozentige Chance auf 100 Millionen Dollar.
D: Ein Jahr lang mit dem reichsten Menschen der Welt verbringen.
Ich habe die Frage in meine Instagram-Story gepackt und meiner Community gestellt. Überraschenderweise haben sich viele für Antwort D entschieden. Grundsätzlich finde ich es auch reizvoll von den Besten zu lernen. Aber ich weiß in diesem Fall nicht mal, wer der reichste Mensch
der Welt sein soll und vor allem, warum er reich geworden ist. Hat er vielleicht einfach geerbt und liegt den ganzen Tag mit Dom Perignon im Glas und Cohiba in der Hand am Strand einer Privatinsel in der Karibik? Und warum soll man sich für einen Mentor entscheiden, wenn man ganz viele haben kann und sich von jedem das Beste raussuchen kann?
Wer erfolgreich werden will, sollte niemals auf die Erfolgslüge hereinfallen! An ihren Taten sollt ihr sie messen, nicht an ihren Ergebnissen. Sherlock hat mir mal von der Hemingway-Legende erzählt. Es soll einen Mann gegeben haben, der wollte so schreiben wie Ernest Hemingway. Dafür analysierte er den Schriftsteller genau: Der Nobelpreisträger gilt als einer der größten Trinker unter den Literaten, er mochte besonders Wein und Daiquiri und auch Zigarren. Also fing unser Freund schon mittags an zu saufen und zu rauchen. Er ließ sich auch einen Bart wachsen wie Hemingway und ging auf Safari in Afrika. Ob er sich am Ende erschossen hat wie Hemingway, ist leider nicht überliefert, aber schreiben konnte er definitiv nie wie sein Idol. Wenn du ein Start-up gründen willst, musst du auch keinen Hoodie tragen. Nur weil die Form stimmt, muss noch lange nicht der Inhalt passen. Und auf den kommt es nun mal an. Der Rahmen für deinen Inhalt muss natürlich auch stimmen – sei dir dessen bewusst. Du kannst die besten Inhalte der Welt haben, wenn niemand davon erfährt und du sie nicht präsentierst, dann wirst du genauso scheitern wie unser Hemingway-Fan. Aber der Rahmen muss zu dir passen und zum Inhalt. Wer sich einen zu großen Rahmen überstülpt, wird als Blender auffliegen, und wer gar keinen Rahmen hat, wird nicht existieren in dieser Welt. Sei du selbst und versuche nicht, den Hemingway zu spielen, weil dir andere erzählen, so würdest du erfolgreich. Wer auf solche Erfolgslügen reinfällt, hat vielleicht eines dieser Bücher gelesen, die die Geheimnisse der Schönen und Reichen entschlüsseln wollen. Nimm einfach ein bisschen Leidenschaft, pack Disziplin und Authentizität dazu und schon bist du der neue Star! Mich erinnert es daran, wie ich mir früher als Kind dieselbe Frisur gemacht habe wie meine Fußballidole. Erst war es die Frisur von Christian Ziege und später von Carsten Jancker. Ich habe mir auch immer dieselben Schuhe gekauft wie Mehmet Scholl, zum Profi hat es bei mir leider trotzdem nicht gereicht
.
Oft spielt auch das Schicksal eine Rolle beim Erfolg und gerade bei Sportlern das Alter. Mitte der 1980er-Jahre stieß der kanadische Psychologe Roger Barnsley zum ersten Mal auf das Phänomen des relativen Alters. Tatsächlich brachte ihn seine Frau darauf, dieses Phänomen genauer zu untersuchen. Barnsley war mit der Familie gemeinsam bei einem Eishockeyspiel der Lethbridge Broncos im südlichen Alberta, als seiner Frau beim Blick auf den Spielerkader auffiel, dass praktisch alle im Januar, Februar oder März Geburtstag hatten. Barnsley wollte es genauer wissen und untersuchte sämtliche Eishockeykader von den Junioren bis zur höchsten Spielklasse NHL. Das Ergebnis: 40 Prozent der Spieler waren zwischen Januar und März geboren, 30 Prozent zwischen April und Juni, 20 Prozent zwischen Juli und September und nur 10 Prozent zwischen Oktober und Dezember. Was steckt nun hinter den Geburtstagen? Wer Anfang des Jahres geboren wird, hat einen Vorteil, weil er immer zu den Älteren zählen wird. Der Stichtag für die Unterteilung in Altersklassen ist beim kanadischen Eishockey nämlich der 1. Januar. Wer beispielsweise am 5. Januar zehn Jahre alt wird, kann mit einem anderen Jungen im Team spielen, der erst ganz am Jahresende dasselbe Alter erreicht. Dieser Vorsprung beim Alter kann massive Vorteile bei der Physis mit sich bringen.
76
Zwei der bekanntesten Eishockeyspieler sind tatsächlich auch im ersten Quartal geboren: Jaromír Jágr und Wayne Gretzky. Auch die Fußballer Cristiano Ronaldo, Luis Suárez und Sergio Ramos sind Beispiele für das relative Alter. Im Fußballverein hatte ich früher auch große Probleme, wenn es eine Altersklasse nach oben ging und ich unter den Jüngeren war. Sich als Leichtgewicht gegen Jungs durchzusetzen, die mit 14 Jahren schon 1,80 Meter maßen und 80 Kilo wogen, war mit bescheidenem Talent unmöglich. Die Erfolgslüge hat also viele Facetten, aber am Ende gibt es nur eine Lösung: Wir müssen Erfolg für unser selber definieren und können ihn nicht kopieren.
Und nochmal zurück zur Frage auf Instagram: Ich würde übrigens A nehmen, also die Million Dollar, den Großteil in Aktien investieren, dann könnte ich das lebenslange Reisen aus Dividenden finanzieren.