WARUM DU REIFEN MUSST WIE EIN GUTER WHISKY
»Ich erkläre dir mein Leben anhand von vier Gläsern. Probiere bitte zuerst diesen Whisky«, sagt Rick zu mir, schenkt goldgelben Single Pot in ein Nosing-Glas und streckt es mir hin, es ist geformt wie eine kleine Tulpe.
Ich sitze mitten in Dublin an der Theke von Ricks Bar und rieche an der Tulpe, in meine Nase steigen Aromen von Vanille und süßlichem Rauch. Ich nehme einen Schluck, behalte den Whisky für fünf Sekunden auf der Zunge, und ich mag ihn. Er schmeckt komplex und hat einen guten Abgang. Rick grinst zufrieden und stellt mir jetzt einen Tumbler mit demselben Single Pot hin.
»Schmeckt er jetzt anders?«, fragt Rick.
Tatsächlich riecht der Whisky schon beim Schwenken anders, und als ich ihn trinke, merke ich, wie ich die Nase rümpfe. Das Aroma ist verflogen, und ich will sofort meine Tulpe zurück. »Aus dem schmalen Glas schmeckt er viel besser«, finde ich.
»Jetzt zeige ich dir meinen Lieblingswhisky«, sagt Rick und schenkt diesmal in ein bauchiges Glas ein, das größer und runder kaum sein könnte. Darin schimmert der irische Whisky in der Farbe von Bernstein.
»Wie schmeckt er dir?«, fragt Rick, während ich den Whisky im Mund jongliere. Er schmeckt süß nach Vanille, leicht scharf nach Pfeffer und duftet nach Blumen.
»Wie flüssiges Gold«, sage ich und bin mir in diesem Moment sicher, dass ich noch nie was Besseres getrunken habe .
»Und jetzt probierst du ihn in deinem Lieblingsglas«, sagt Rick und streckt mir die Tulpe hin, gefüllt mit dem flüssigen Gold.
Und wieder bin ich enttäuscht. Das Gold schmeckt höchstens noch nach Bronze und Rick grinst wieder zufrieden.
»Ein hochwertiger Whisky braucht einfach viel mehr Platz, um sich zu entfalten«, erklärt Rick. Dann erzählt er mir, dass er früher eine Kneipe betrieben hatte in Donegal, ein Dorf im Nordwesten Irlands mit 2600 Einwohnern. Whisky war schon immer seine Leidenschaft gewesen, er probierte sie alle, führte Tabellen mit Ratings und Geschmacksrichtungen, machte Tastings mit seinen Freunden. Aber er wurde schnell zu groß für sein Heimatdorf, als Experte reichte ihm Donegal nicht mehr. Er konnte seine Expertise nicht ausspielen, und seine Kumpels wollten gar nichts von den teuren Whiskys wissen, sie wollten sich einfach jeden Abend an der Bar mit demselben Whisky besaufen und ihre Ruhe haben. Rick reichte das nicht, also wagte er den Schritt nach Dublin. Heute betreibt er drei Bars in der Hauptstadt und arbeitet bereits daran, seinen eigenen Whisky zu brennen. Rick hätte sein ganzes Leben in einem kleinen Whiskyglas, also in seinem Heimatdorf, verbringen können. Aber wäre er damit glücklich geworden? Wahrscheinlich nicht, aber er hat sich nicht seinem Umfeld angepasst, sondern sich ein neues gesucht, ein Glas, das genug Platz bietet für seine Ambition und seine Kompetenz.
Wenn wir wachsen, müssen die Dinge um uns herum mitwachsen, sonst wird das Umfeld zur Zwangsjacke. Ich habe Rick zufällig bei meiner Reise nach Dublin kennengelernt, wir kamen ins Gespräch, weil im Fernseher hinter seiner Bar ein Fußballspiel zwischen England und den Niederlanden lief. Und dann endete es in einer kleinen Whisky-Probe. Warum ich dir diese Anekdote erzähle? Weil Umfeld alles bedeutet. Es beginnt bei der Erziehung, die können wir uns nicht aussuchen. Aber spätestens bei Freunden können wir entscheiden, wie wir beeinflusst werden und welche Werte und Interessen wir teilen wollen. Jeder, der sich mit Erfolg und Wachstum beschäftigt, zitiert gerne folgenden Satz: Du bist die Summe derjenigen fünf Personen, mit denen du am meisten Zeit verbringst. Da ist sicher viel dran, aber mir geht es darum, die Psychologie und die Gefahren des Umfelds zu verstehen.
Die größte Gefahr besteht darin, dass wir ein negatives Mindset von klein an auf den Weg bekommen. Wie wahrscheinlich findest du es, reich zu werden? Und wie wahrscheinlich fandest du es als Kind? Ich bin in einer klassischen Mittelstandsfamilie groß geworden. Mir ging es gut, aber mit Reichtum und Erfolg bin ich weder in der Familie noch auf dem Gymnasium in Kontakt gekommen. Herausragende Leistungen wurden eher beneidet und spöttisch kommentiert. In der Schule tut man die Leistungsträger gerne selber als Streber ab, statt sich auf den Hintern zu hocken und besser zu werden. Wir haben über den Philosophen und Sophisten Kallikles schon in den vorherigen Kapiteln gesprochen. Er plädiert für das Mehr-Wollen und warnt davor, unsere Wünsche zu begrenzen. Viele werden dir ausreden wollen, dass du mehr wollen darfst. Aber sei dir sicher. Es wird dich nie jemand kritisieren, der mehr arbeitet als du, nur jemand, der weniger tut. Aber es gibt genug Menschen, die den Weg vom kleinen ins große Glas suchen. Ich habe mir Schritt für Schritt Freunde gesucht, die meine Interessen und mein Mindset teilen. Visionen und Träume sind nie verboten. Es geht nicht darum, sich gegenseitig zu feiern. Aber wenn du das Gefühl hast, dass Freunde alles zerreden, was du liebst, dann pass sehr gut auf. Denn diese Menschen können dein Mindset und damit dein ganzes Leben versauen. Denn unser Gehirn ist mit sogenannten Spiegelneuronen ausgestattet, einem Resonanzsystem für Gefühle und Stimmungen anderer Menschen. Spiegelneuronen sind vermutlich dafür verantwortlich, dass wir Menschen imitieren und mit ihnen fühlen können. Das Spiegelneuron zeigt als eine Nervenzelle bei der Betrachtung einer Aktion dieselbe Aktivität, als würde sie von der Person selber ausgeführt werden. Wir spiegeln also das Verhalten der anderen. So lernen wir auch als Kinder, wenn wir beispielsweise die Eltern nachahmen. Und jetzt stell dir mal vor, du gibst dich den ganzen Tag mit Stinkstiefeln ab, die ihr Leben hassen und alle anderen dafür verantwortlich machen. Doch das muss man erst mal erkennen, und selbst dann fällt es uns oft noch schwer, Schluss mit solchen Menschen zu machen .
Aber welches Phänomen steckt dahinter, dass wir oft gefangen sind im Umfeld wie in einem zu kleinen Whisky-Glas? Das Problem heißt Social Proof . 114 Wir machen uns ungern unbeliebt und was die anderen für normal halten, das übernehmen wir dann. Ich habe folgenden Satz sehr oft gehört in meinem Leben: »Ich kann mich in meinem Freundeskreis mit niemandem über Aktien unterhalten.« Über Politik und Wirtschaft reden die Leute meistens auch nicht gerne. Ich hatte das Glück, dass ich bereits mit meinen Eltern viel darüber diskutieren konnte und für mich eine solche Kultur normal erscheint. Aber es gibt auch genug Menschen, die sich privat für Geld, Business, Motivation und Aktien begeistern. Wir müssen sie nur finden. Wer sich dagegen ins falsche Umfeld zwängt, der kann sogar seinen Alltag gefährden. Wir alle kennen diese Kandidaten, die es witzig finden, dass am Ende des Geldes immer noch so viel Monat übrig ist. Aber es gibt ja immer einen guten Grund zum Feiern. Hauptsache die Freunde sind am Start. Wir alleine gegen den Rest der Welt, denn »Crewlove is true Love«. Das kann mir alles Geld der Welt nicht bringen. Solche Menschen sind oft chronisch pleite und vorwärts kommen sie auch nicht, weil sie besoffen sind, verkatert oder ihren Frust gerade durch Shopping ersticken. Es ist menschlich, dass wir uns Menschen suchen, die die eigenen Schwächen teilen, weil wir uns verstanden fühlen. Aber es löst leider keine Probleme. Es braucht immer erst Schmerz, und dann kommt das Gute. Beispiele dafür sind Sport und Geld. Erst kommt die Arbeit und dann die Rendite. Du musst trainieren, um fit zu werden, und du musst sparen und investieren, um reich zu werden. Viele Menschen entscheiden sich jedoch für kurzfristiges Glück und stürzen sich damit langfristig ins Unglück.
Dein Umfeld sollte stets mit deinen Ambitionen mitwachsen. Und du solltest reifen wie ein Whisky. Warren Buffett hat ein einfaches Credo für sein Umfeld: Du sollst dich mit Leuten umgeben, die tatsächlich besser sind als du selber. Such dir Menschen, die so sind, wie du gerne wärst. 115 Das beste Beispiel ist sein Geschäftspartner Charlie Munger, den er auch als einen seiner besten Freunde sieht. Gemeinsam haben sie ein Imperium aufgebaut, das an der Börse mehr als 500 Milliarden US-Dollar wert ist. Berkshire Hathaway ist der beste Beweis dafür, wie erfolgreich dich das richtige Umfeld machen kann und dass du niemals in einem zu kleinen Glas stecken bleiben solltest.
Test yourself! Schreib die wichtigsten Menschen in deinem Umfeld auf und notiere dir das Erste, was dir bei ihnen in den Sinn kommt. Am besten schreibst du dir noch die Aktivitäten auf, die ihr gemeinsam am meisten ausführt. Dann überlegst du dir genau, ob es zu dir und deinen Zielen passt. Trage hier bitte die fünf wichtigsten Personen in deinem Leben ein und schreibe jeweils den Begriff und die Aktivität auf, die du mit ihnen verbindest:
Name
Schlagwort
Aktivität
1
_______________
_______________
_______________
2
_______________
_______________
_______________
3
_______________
_______________
_______________
4
_______________
_______________
_______________
5.
_______________
_______________
_______________