GOLD GLÄNZT IMMER WIEDER
»Rate mal, wie viel Maß Bier du 1950 für eine Unze Gold auf dem Oktoberfest bekommen hättest«, sage ich zu Sherlock.
»Das weiß ich nicht, aber ich kann es mir ausrechnen. Eine Feinunze wiegt 0,031 Kilogramm. Ihr Gewicht entspricht also der Apotheker-Unze, es sind exakt 31,1034768 Gramm. Der Goldpreis dürfte 1950 deutlich unter 100 Dollar gelegen haben je Unze. Schwieriger wird es schon beim Bierpreis. Ich schätze ihn für eine Maß auf 2 bis 3 Mark. Also würde ich mal auf 50 bis 70 Maß tippen für eine Unze Gold«, antwortet Sherlock.
»Das ist gar nicht mal schlecht gerechnet, es wären 95 Maß gewesen. Aber jetzt kommt die entscheidende Frage: Wie viel Maß hättest du 2018 für eine Unze Gold bekommen?«
»Wenn du mich so fragst, dann wahrscheinlich dieselbe Anzahl. Aber lass mich zuerst kurz rechnen. Eine Maß Bier hat ungefähr 11 Euro gekostet und der Goldpreis je Unze betrug rund 1100 Euro. Also mit Glück 100 Maß Bier.«
»Deine Vermutung war richtig: Ich wollte darauf hinaus, dass die Zahl fast dieselbe ist. 2018 hättest du immerhin noch 93 Maß dafür bekommen«, sage ich.
Es mag bescheuert klingen, aber es gibt tatsächlich eine
Gold-Wiesnbier-Ratio
, die rechnet jedes Jahr die Vermögensverwaltungsgesellschaft Incrementum aus.
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Was sagt diese nun genau aus? Wir kriegen für eine Unze Gold heute praktisch genauso viel Bier wie vor rund 70 Jahren. Klingt unspektakulär. Aber du musst es einfach mal nur mit der Kaufkraft von Fiat-Geld vergleichen. Wie viel Bier hast du 1950 für eine Mark bekommen? Fast eine ganze Maß. Heute würde dich die Bedienung auslachen, wenn du ihr so einen Betrag anbieten
würdest. Du würdest höchstens noch einen Schluck Bier für diesen Betrag kriegen und danach vermutlich wegen fehlender Solvenz aus dem Zelt geworfen werden. Im Bier liegt also die Wahrheit: Fiat-Geld wie der Euro verliert im Laufe der Zeit massiv an Wert, also an Kaufkraft. Das nennt sich auch Inflation. Gold hat sich dagegen seit mehr als 2500 Jahren etabliert und wird seitdem als Zahlungsmittel eingesetzt. Der Grund liegt auf der Hand: Es ist wertbeständig. Wie sich der Wert des Goldes entwickelt hat, siehst du im folgenden Chart.
Abbildung 9: Eigene Darstellung
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Im Laufe der Zeit hättest du dein Vermögen mit Gold in Sicherheit bringen können. Aber warum ist das so? Gold hat einen entscheidenden Vorteil gegenüber Dollar und Euro. Es lässt sich nicht beliebig vermehren. Wir haben bereits gelernt, dass Geldscheine nichts wert sind. Sie leben nur vom Vertrauen, das wir in sie setzen. Geld lässt sich eben drucken wie eine Zeitung oder ein Flugblatt, und dafür gibt es keine Grenzen. Wenn Staaten mehr Geld brauchen, dann drucken sie eben mehr Geld. Pleitegehen kann ein Staat auf diese Weise
praktisch nicht, wenn er sich nur in seiner eigenen Währung verschuldet. Wie knapp Gold im Vergleich zu den anderen Asset-Klassen auf dieser Welt ist, verdeutlicht erst der direkte Vergleich. Der US-Ökonom und Notenbanker John Exter hat eine inverse Pyramide entwickelt, bei der die Vermögensanlagen am unteren Ende die größte Sicherheit und Liquidität bieten. Hier siehst du die Pyramide stark vereinfacht dargestellt.
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Abbildung 10: Eigene Darstellung in Anlehnung an John Exter
Diese Version der Exter-Pyramide zeigt, dass Gold besonders sicher und flüssig ist, weil es nicht von einem Zahlungsversprechen abhängt und auch in Krisen gehandelt wird. Genau umgekehrt verhält es sich bei Derivaten. Und hier liegt das Problem: Die Derivate trugen entscheidend dazu bei, dass die Finanzkrise ausbrach und stehen in Sachen Marktkapitalisierung ganz oben in der Pyramide. Allein 544 Billionen Dollar machen diese Terminmarktwetten aus. Der Wert des weltweiten Goldes belief sich Ende 2017 dagegen auf gerade mal 7,7 Billionen US-Dollar. Zum Vergleich: Die 50 reichsten Menschen der Welt besitzen alleine schon 1,9 Billionen Dollar. Der Wert von Gold ist also gerade
mal viermal so groß wie das Vermögen von Bill Gates, Warren Buffett, Jeff Bezos und Co.
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Gerade die Finanzkrise hat gezeigt, wie schnell das Finanzsystem ins Wanken gerät, wenn Zahlungsversprechen nicht mehr gehalten werden und Banken einander nicht mehr vertrauen. Dann kann ein Kartenhaus aus Derivaten schnell zusammenfallen. Gold verspricht mehr Stabilität, manche Experten preisen Gold sogar als Allheilmittel an. Aber wofür braucht man Gold eigentlich? Es gibt auch Kritiker, die behaupten, Gold besitze keinen inneren Wert. Allerdings gibt es genug Anwendungen für das Edelmetall: Es wird in der Industrie verarbeitet, als Schmuck getragen, und es eignet sich als Investition und Währung. Denn es bringt die Eigenschaften von Geld mit: Es ist knapp, homogen, haltbar, teilbar, prägbar, transportabel. Als Tauschmittel ist es seit Jahrhunderten akzeptiert. Vor mehr als 2500 Jahren ließ der lydische König Krösus erstmals Goldmünzen mit Prägestempeln versehen. Vor mehr als 2200 Jahren wurden die ersten Goldmünzen im Römischen Reich geschlagen und unter Julius Caesar wurden vermehrt Goldmünzen geprägt.
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Die langfristige Entwicklung des Goldpreises zeigt, dass das Edelmetall stabiler ist als sämtliche Währungen wie US-Dollar, Euro, japanischer Yen, chinesischer Renminbi oder Schweizer Franken. Währungen sind über die Jahrhunderte immer wieder kollabiert, Gold nicht. Die Performance von Gold lässt sich objektiv nur schwer bewerten: Auf sehr lange Sicht sieht sie bombastisch aus, auf die Sicht von zehn Jahren eher mau. Natürlich schneiden gerade Aktien im Schnitt besser ab als Gold, aber das ist kein Wunder: Durch Aktien beteiligst du dich am Produktivkapital, und das gewinnt im Lauf der Zeit an Wert, wenn die Unternehmen erfolgreich wirtschaften. Gold hat nichts von Produktivitätsgewinnen. Aber Gold entkommt dem Spiel der Inflation, der Preis bildet sich am Markt und damit landen wir wieder beim Bier. Gold dient aus meiner Sicht nicht dazu, reich zu werden, es dient dazu, nicht arm zu werden und sich vor schwarzen Schwänen zu schützen. Und die lassen sich nie ausschließen, gerade in den letzten Jahren zeigt sich, wie schnell die Welt sich wandeln kann: Flüchtlingskrise, Klimakrise, Angst vor einer Rezession und die Umwälzungen durch
die Digitalisierung. Der Goldpreis funktioniert in kritischen Phasen oft wie ein Thermometer, das das Fieber der Weltwirtschaft anzeigt, so drückte es der ehemalige Chef der US-Notenbank Alan Greenspan aus. Deswegen stieg der Goldpreis auch in den letzten Monaten und Jahren immer wieder deutlich an. Die Konflikte zwischen den USA und China reichten alleine als Grund schon aus. Ein Tweet von US-Präsident Donald Trump versetzte die Märkte oft in Panik. Und da zeigt sich die Stärke: Wenn das System ins Wanken kommt oder Angst dominiert, dann schießt der Goldpreis schnell nach oben.
Ein Argument, das Kritiker immer gerne anführen: Gold werfe keine Zinsen ab. Das stimmt, aber Garantie auf Zinsen gibt es eh keine, wie die letzten Jahre gezeigt haben. In Zeiten von Negativzinsen dürfte Gold eine sehr gute Alternative zum Sparbuch sein, denn dort verlierst du mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent Geld, alleine durch die Inflation, die deine Kaufkraft auffrisst. Aber es bleibt trotzdem der Zweifel, wie sich ein fairer Wert berechnen lässt für Gold. Das ist natürlich nicht so leicht wie bei Aktien und Immobilien. Bei einem Unternehmen lässt sich der faire Wert anhand der Cashflows ermitteln, die in Zukunft erwirtschaftet werden sollen. Bei Immobilien lässt es sich ähnlich berechnen. Der faire Wert lässt sich schätzen, indem man die Mieten heranzieht, die sich damit in Zukunft erzielen lassen. Also was lässt sich dann bei Gold berechnen? Ein Versuch besteht darin, Gold ins Verhältnis zu anderen Werten zu setzen, beispielsweise zu Aktien oder Rohstoffen. Daraus lässt sich dann ableiten, ob Gold steigen oder fallen soll. Bei Rohstoffen oder Kryptowährungen wie dem Bitcoin rechnen Analysten auch gerne mit der sogenannten Stock-to-Flow-Ratio, damit lässt sich die »Härte« eines Assets definieren. Gold erscheint so attraktiv, weil es sich nicht beliebig vermehren lässt und der jährliche Zuwachs, also der Flow, begrenzt ist. Dieses wenige neue Gold trifft auf einen bereits sehr großen alten Bestand, also den Stock. Als Fazit lässt sich sagen: Gold weist ein hohes Stock-to-Flow-Verhältnis auf und gilt damit als »hart«. Dadurch besteht bei Gold nicht die sogenannte Easy-Money-Falle. In die tappst du, wenn ein Preisanstieg die Produktion ankurbelt und dadurch den Bestand so stark verwässert,
dass der Preis fällt. Ein Beispiel für diese Falle sind die Brüder Hunt. Ab Mitte der 1970er-Jahre kauften sie immer mehr Silber auf und hofften dadurch, den Preis nach oben treiben zu können. Dieser Plan ging zunächst auf, andere Spekulanten sprangen auf den Zug auf und trieben den Preis zusätzlich. Aber das Ende vom Lied war, dass der Preis wieder abstürzte, auch weil sich die Produktion an den neuen Preis anpasste und das Angebot deutlich stieg. Beispielsweise verkauften Privatleute in großem Maß Silbergegenstände und ließen sogar Schmuck, Besteck und Silbermünzen einschmelzen.
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Es gibt auch die sogenannte Gold-Silber-Ratio. Diese Kennzahl gibt das Verhältnis zwischen Goldpreis und Silberpreis an und wird so ermittelt: Du teilst den Goldpreis schlicht durch den Silberpreis. Es gilt die Faustregel: Der langfristige Durchschnitt der Gold-Silber-Ratio beträgt etwas mehr als 60, und die Theorie besagt, dass sich das Verhältnis über kurz oder lang immer wieder diesem Wert annähert. Es handelt sich um einen Fall von Regression zur Mitte, aber streng genommen gehört viel Glaube und weniger Logik dazu. Sicher ist jedoch: Ratio-Werte jenseits der 80 gelten als vergleichsweise hoch und kamen in der Vergangenheit recht selten vor. Sehr häufig, wenn der Ratio-Wert über 80 gestiegen war, sackte er in der Folge ab. Aus meiner Sicht ist das nicht des Rätsels Lösung. Gold ist immer eine Glaubensfrage: Die einen verteufeln es, die anderen lieben es und decken sich damit ein, weil sie den Weltuntergang fürchten oder gar herbeisehnen.
Mein Tipp an dich: Lauf keinem der beiden Lager hinterher. Es ist bei Gold völlig egal, wo es gerade steht. Du solltest es als alternative Währung betrachten und vor allem als Diversifizierung. Gold korreliert normalerweise wenig mit anderen Asset-Klassen und genau darum geht es. Wer dir verspricht, dass Gold sicher steigen muss und dass es gerade auch in einer Krise mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent steigen wird, der lügt. Gold ist keine Garantie, sondern eine Alternative.
Wie kauft man nun Gold? Du kannst es natürlich physisch kaufen. Aber Vorsicht, wenn du diese Zeilen liest und das Gefühl hast, dass du sofort Gold brauchst, dann bitte nicht gleich googeln und online
kaufen. In dieser Branche treiben sich auch schwarze Schafe herum, und du solltest nur bei renommierten Goldhändlern kaufen. Natürlich solltest du vorher auch wissen, wo du dein Gold sicher lagerst. Und ganz wichtig: Dabei auf die Stückelung achten und auf die An- und Verkaufspreise. Ein wichtiger Tipp: Je kleiner die Einheit, desto größer ist der Spread für Anleger, also die Differenz zwischen An- und Verkaufspreis. Das klingt nach Pfennigfuchserei, aber bei ganz kleinen Münzen mit einem Wert von 1/24 Unze liegt der Verkaufspreis schnell mal 20 Prozent unter dem Kaufpreis. Du solltest dir ein Investment in Gold also gründlich überlegen und dann in größeren Mengen kaufen. Und du musst dich auch darauf einstellen, dass der Staat bei einem Betrag von mehr als 10.000 Euro wissen will, wer da Gold kauft. Anonyme Geschäfte sind nur bei einem geringeren Betrag möglich. Für Goldbarren und Goldmünzen fallen momentan keine Steuern an beim Kauf. Die Finanzbehörden behandeln Gewinne aus dem Verkauf von physischem Gold als ein privates Veräußerungsgeschäft. Innerhalb einer Haltefrist von einem Jahr fällt Einkommensteuer nach dem persönlichen Steuersatz des Verkäufers an. Die Besteuerung entfällt, wenn der Gewinn die Freigrenze von 600 Euro nicht erreicht.
Alternativ bieten sich sogenannte ETCs (Exchange Traded Commodities) an, bei denen das Gold physisch hinterlegt ist. Die Steuer-Regelung gilt auch für einige ETCs. Bei solchen Produkten hast du den Vorteil, dass du physisches Gold besitzt, dir aber keinen Tresor oder ein sicheres Versteck dafür überlegen musst – und das bei sehr überschaubaren Kosten. Eine Option ist das sogenannte Xetra-Gold. Dabei handelt es sich um einen ETC, das Ende Dezember 2007 auf den Markt gebracht wurde. Das Wertpapier wird an der Börse, hauptsächlich am Handelsplatz Xetra, in Euro gehandelt. Der Wert des ETCs bezieht sich auf ein Gramm Feingold. Jedes Wertpapier verbrieft die Lieferung von Gold, und der Käufer des ETCs kann sich den Gegenwert in Gold ausliefern lassen. Auf Xetra-Gold kannst du mittlerweile auch bequem einen Sparplan abschließen, also wenn du dich mit 25 Euro pro Monat unabhängiger von einer Währung wie dem Euro machen willst, dann spare Gold an und du wirst besser schlafen. Wer
riskanter vorgehen möchte, kann sich auch an Unternehmen beteiligen, die vom steigenden Goldpreis profitieren. Goldminenaktien sind aber viel riskanter als physisches Gold, und du solltest dich sehr gut mit der Branche und den Auswirkungen des Goldpreises auf die jeweiligen Geschäftsmodelle vertraut machen. Gerade die Kosten der Konzerne entscheiden, bei welchem Goldpreis die Förderkosten gedeckt sind. Bei einem Unternehmen mögen es 600 Dollar sein, bei einem anderen 800 oder 900 Dollar.
Am Ende kommt die entscheidende Frage: Wie viel Gold brauchst du? Wir rechnen nicht in Feinunzen, sondern es hängt von deinem Portfolio ab. Gold-Fans schlagen meistens einen Anteil am Gesamtvermögen von 10 bis 20 Prozent vor. Wer die Apokalypse fürchtet, der deckt sich auch gerne mal mit 40 oder 50 Prozent ein. Das muss jeder für sich individuell entscheiden. Als solide Versicherung gegen Krisen sollten es aus meiner Sicht 10 Prozent sein, das entspricht auch meinem Goldanteil im Portfolio. Dann kannst du auch künftig ruhig schlafen und von den Maß Bier träumen, die du dir in Zukunft noch leisten kannst.
Learnings
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Gold hat sich seit Jahrhunderten etabliert.
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Gold kann dabei helfen, dein Vermögen zu sichern.
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Gold lässt sich nicht beliebig vermehren wie Fiat-Geld.
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Der faire Wert von Gold lässt sich nicht endgültig berechnen, zur Annäherung bieten sich Instrumente wie die Stock-to-Flow-Ratio an.
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Du kannst Gold physisch kaufen, aber auch über sogenannte ETCs oder als Xetra-Gold.
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Achte beim physischen Gold auf die Stückelung: je kleiner die Einheit, umso größer fällt der Spread aus.