Eine weitere gute Sache an kleinen Städten, was Mackenzie vergessen hatte, war, dass alles so nahe dran war. Sie konnte die Fahrt von dem verlassenen Parker Antiquitäten Gebäude bis zum Zuhause von Tim Parker in weniger als zehn Minuten zurücklegen. Sie fragte sich, ob das nicht deprimierend war, den Rest seines Lebens zehn Minuten von der Hülle eines Ladens zu verbringen, den man nicht am Laufen halten konnte.
Als sie in die dreckige Auffahrt des kleinen Hauses fuhr, das in einem Farmhausstil gebaut worden war, sah sie einen Mann auf einem Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen. Ein Rasenmäher lag auf seinem Schoß, während er daran arbeitete. Als sie sich ihm zuwandte, schaute der Mann sie an, während er immer noch an seiner Arbeit herumbastelte.
Mackenzie schaffte es auf die Hälfte seines rissigen Bürgersteigs, bevor sein Blick auf sie fiel und sie sprechen musste.
“Sind Sie Herr Parker?”, fragte sie. “Tim Parker?”
“Bin ich”, sagte er. “Und wenn Sie etwas verkaufen wollen, dann können Sie auch gleich anhalten und wieder ins Auto steigen.”
“Nein. Ich verkaufe Nichts”, sagte sie und zog ihr Abzeichen. “Ich bin Agentin Mackenzie White vom FBI. Ich hoffe, Sie haben ein wenig Zeit, um mir ein paar Fragen zu beantworten.”
“Über was?”, fragte er.
“Also, darf ich auf Ihre Veranda kommen?”
“Ja”, sagte er. “Vielleicht können Sie herausfinden, was mit diesem blöden Rasenmäher los ist.”
“Das bezweifel ich”, sagte sie und gab sich Mühe so fröhlich wie möglich auszusehen. Es war offensichtlich, dass Tim Parker ein typischer grimmiger alter Mann war – wahrscheinlich ungefähr fünfundsiebzig oder so und ohne richtiges Ziel, was er jetzt machen sollte, jetzt wo er pensioniert war.
Er sah sie argwöhnisch an, schaute sie auf nicht sexuelle Weise von oben nach unten an. “FBI? In dieser unbedeutenden kleinen Stadt?”
“Ja, Sir. Ich weiß, dass Sie einmal einen Laden namens Parker Antiquitäten besessen haben. Ist das korrekt?”
“Das stimmt. Ich habe diesen Laden ungefähr zwanzig Jahre oder so geführt. Wir haben ziemlich gut verdient für ein paar Jahre, aber dann kam Amazon. Amazon … eBay … es war unmöglich, da mitzuhalten.”
“Wann haben Sie sich aus dem Geschäft zurückgezogen?”
“Im Herbst 2002. Ich habe verkauft, was übrig war, zu Preisen, bei denen ich am Ende Geld verloren habe. Aber ich hatte noch mehr Glück als andere. Das weiß ich sicher.”
“Direkt gegenüber vom Laden war ein Wohnkomplex. Erinnern Sie sich daran?”
“Ja. Das war ein Loch. Ich glaube, es hatte vier oder fünf verschiedene Vermieter, ehe es zu teuer wurde, um es zu unterhalten. Das Gebäude war immer eine Last. Es hat mehr Geld gekostet, als es wert war zu reparieren.”
“Kennen Sie alle Vermieter?”, fragte Mackenzie.
“Nein, nur die letzten beiden. Ich glaube, ich bin tatsächlich mit dem Letzten zur Schule gegangen. Er ist vor drei Jahren an einem Herzinfarkt gestorben … aber das Gebäude war schon lange vorher abbruchbereit.
Bitte … verzeihen Sie, aber was hat das alles mit mir zu tun?”
Mackenzie griff in ihre Tasche und nahm die Visitenkarte heraus, die sie vor ungefähr einer halben Stunde aus der Box aus dem Hinterzimmer des Ladens genommen hatte. Sie überreichte sie Tim und er nahm sie mit einem dünnen Lächeln.
“Das war ihre alte Visitenkarte, stimmt’s”, fragte sie.
“Das stimmt.”
Sie beobachtete sein Gesicht, suchte nach einem Hinweis, dass der Anblick der Karte ihn nervös machte. So schwer, wie sie es sich auch vorstellen konnte, ihr war bewusst, dass diese Verbindung mit der Visitenkarte ihn sehr wohl zu einem Verdächtigen machen konnte. Aber sie sah nichts, außer eine Art traurige Erinnerung in seinem Blick, als er sich die Visitenkarte ansah.
Mackenzie nahm ihr Handy heraus, scrollte durch ein paar Fotos und rief ein Foto von einer der Barker Antiquitäten Karten auf. Sie zeigte es ihm, und als er blinzelte, um es besser zu sehen, gab sie ihm einfach das Handy.
“Was ist mit dieser hier? Kommt Ihnen diese bekannt vor?”
Wieder suchte sie nach Anzeichen von Panik oder Angst und sah nichts. Tatsächlich verwirrte sie seine Reaktion. Er nickte und ließ ein kleines Kichern hören.
“Was?”, fragte Mackenzie.
“Ja, kommt mir bekannt vor. Als ich mich entschieden hatte, dass ich Visitenkarte brauche, habe ich diesen Laden in North Platte angerufen, um welche drucken zu lassen. Ich hatte keine Ahnung, was ich da tat. Ich bestellte sie also und zwei Wochen später kamen sie per Post – noch eine Sache, die das Internet beschleunigt hatte. Ich habe sie also bekommen und so haben sie ausgesehen. Sie haben meinen verdammten Namen falsch geschrieben. Meine Frau hat auch gesagt, dass ich blöd war, nicht meinen Namen und die Handynummer anzugeben. Also musste ich Neue bestellen”, sagte er und hielt eine hoch, die sie aus dem Laden mitgenommen hatte.
“Und was haben Sie mit den Fehldrucken gemacht?”, fragte Mackenzie.
“Ich habe sie weggegeben. Meine Frau und ich sprachen gerade über die schreckliche Erfahrung mit diesem Druckerladen in North Platte und die unnutzbaren Karten. Ein Mann war gerade im Laden und hat gefragt, ob er sie haben kann. Er sagte, er würde die weiße Seite für Notizen und so nutzen. Ehrlich, ich dachte mir, wie dumm das ist, aber ich brauchte sie eben nicht. Also habe ich sie ihm gegeben.”
“Wissen Sie noch, wann das war?”
Tim dachte einen Moment nach und zuckte dann die Achseln. “Vielleicht 1985? Ich bin mir nicht sicher. Aber sicherlich nicht später als ’87.”
“Können Sie sich vielleicht an den Mann erinnern, dem sie die Karten gegeben haben?”
“Nicht persönlich, nein.”
“Kein Name?”, fragte sie. “Nichts über seine Erscheinung?”
“Tut mir leid, nein. Alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass es ein weißer Mann war, wahrscheinlich in seinen späten Zwanzigern oder frühen Dreißigern. Es war ein Mann, den ich aber ab und zu mal gesehen habe.”
“Er lebte also in Elm Branch?”
“Oh ja.”
“Wie können Sie so sicher sein?”
“Naja … Sie haben den Wohnkomplex gegenüber von dem Laden erwähnt. Der Mann hat dort gelebt, in einer dieser Wohnungen.”
Eine Gänsehaut fuhr über Mackenzie und sie fand es einen Moment schwer, zu atmen.
Der Mann, der diese Karten an den Tatorten hinterlassen hat, hat im selben Wohnkomplex gelebt, den mein Vater ein paar Jahre verwaltet hat, dachte sie. Mann … er hat dort vielleicht gelebt, als mein Vater es verwaltet hat.
“Geht es Ihnen gut, junge Dame?”, fragte Tim.
Mackenzie legte den Gedanken beiseite. Der Kreis schloss sich, vielleicht war er bereits geschlossen und sie war so nahe dran wie noch nie.
“Ja, mir geht es gut”, sagte sie eher abwesend. Sie gab ihm eine ihrer eigenen Visitenkarten, versuchte so höflich wie möglich zu sein, auch wenn sie so angespannt war, wieder loszukommen. “Danke für Ihre Zeit”, fügte sie hinzu. “Bitte rufen Sie mich an, wenn Ihnen noch etwas einfällt, über den Mann, der Ihnen diese Karten gegeben hat. Es könnte sehr hilfreich sein in einem Fall, der seit fast zwanzig Jahren ungelöst ist. Und viel Glück mit dem Rasenmäher.”
Tim nickte und sah eher traurig aus – vielleicht, weil er sich nicht an den Mann erinnern konnte, dem er die Karten gegeben hatte. Er winkte ihr, während Mackenzie den Bürgersteig hinabeilte zu ihrem Auto.
Hinter dem Lenkrad zitterte sie sichtbar. Tausend Möglichkeiten gingen ihr durch den Kopf, aber eine von ihnen kam ihr schon fast unwirklich vor und dennoch passend.
Der Mörder mit diesen fehlgedruckten Karten, geht durch den Flur in seine Wohnung … vielleicht trifft er unterwegs meinen Vater. Lächelnd. Winkend. Vielleicht hat er etwas ausgeheckt …
“Aber warum?”, flüsterte sie sich selbst zu.
Mit dieser Frage in ihrem Kopf fuhr sie aus der Einfahrt von Tim Parker und zurück nach Belton.