Mackenzie war fast nackt, als jemand um 23:45 Uhr an die Tür klopfte. Sie wollte sich gerade ihren Pyjama anziehen, als das Klopfen an der Tür sie erschreckte. Sie schaute neugierig und ein wenig besorgt zur Tür. Außer Ellington, Penbrook und der Mann, der ihr das Zimmer gebucht hatte, wusste niemand, dass sie hier war.
Das Klopfen kam erneut. “Agentin Mackenzie White?”, erklang eine Männerstimme. “Wenn Sie da sind, bitte machen Sie auf. Mein Name ist Sheriff David Fredericks. Ich habe mit Agent Ellington gesprochen, der mir gesagt hat, dass Sie hier sind.”
Mackenzie zog ihre Hose wieder an und ging zur Tür. Sie schaute durch das Guckloch und sah tatsächlich einen Mann im Sheriff Outift. Eine Beamtin war bei ihm und stand hinter ihm. Während sie beide durch das Guckloch anschaute klingelte ihr Handy hinter ihr.
“Einen Moment”, rief sie.
Sie überprüfte das Handy Display und sah, dass es Ellington war …wahrscheinlich, um ihr zu sagen, dass sie Besuch vom Sheriff aus Belton bekommen würde. Sie stellte das Klingeln leise und ging zurück zur Tür. Sie öffnete sie langsam und winkte Sheriff Fredericks hinein.
“Was kann ich für Sie tun, Sheriff?”, fragte sie.
Fredericks und die Frau – Beamtin Potter, laut dem Namen auf ihrer Brustplatte – traten in das Zimmer, Potter machte die Tür hinter ihr zu.
“Wir haben eine Leiche, die ziemlich sicher mit einem Fall verbunden ist, an dem sie gerade arbeiten. Agent Ellington hat uns die Einzelheiten erzählt, als wir mit ihm gesprochen haben.”
“Warum haben Sie das Büro den überhaupt angerufen?”, fragte Mackenzie.
“Wegen der Visitenkarte, die wir auf der Leiche gefunden haben. Barker Antiquitäten. Die Polizeistation wusste schon eine Weile von dem Fall. Jeder im Team wurde angewiesen, das FBI sofort anzurufen, wenn sie auch nur glauben, dass sie einen Fall haben, der damit verbunden ist. Ich habe das Büro in Omaha angerufen und sie haben mich direkt zu Agent Ellington weiter geleitet … der mir gesagt hat, dass Sie hier sind.”
“Irgendeine Identität der Leiche?”, fragte sie. “War es ein Landstreicher oder eine obdachlose Person?”
“Nein”, sagte er verdrießlich. “Im Gegenteil. Der Tatort ist nur fünfzehn Minuten von hier entfernt. Und ich habe gehofft, Sie könnten mit uns kommen und sich das ansehen.”
“Irgendwelche Anzeichen dafür, wie lange die Leiche dort schon liegt?”, fragte sie.
Wieder machte Fredericks den verdrießlichen Ausdruck. “Nicht lange. Als wir dort waren, floss das Blut noch.”
Der Mörder ist hier, dachte Mackenzie. Nicht länger in Omaha … in Belton. Aber warum? Und wie lange war er schon hier?
“Lassen Sie uns gehen”, sagte sie.
Sie griff ihre Waffe und ihr Abzeichen von der Kommode und ging hinter Fredericks und Potter aus dem Zimmer. Als sie sich auf den Beifahrersitz in Fredericks Auto setzte, konnte sie die Polizeisirenen in der Entfernung hören. Obwohl das Geräusch die meisten Leute vor Sorge zusammenzucken ließ, konnte sie nicht anders und fühlte sich erleichtert davon. Sicherlich gab es einen weiteren Mord und das war auch tragisch.
Aber die Polizeisirenen zu hören bedeutete, dass Dinge passierten – das ein Fall sich auf die eine odere andere Art entwickelte, und hoffentlich seinem Ende näherkam.
***
Der Tatort befand sich entlang der State Route 14, die durch Belton und Elm Branch führte. Als Fredericks das Auto zu ein paar weiteren Streifenwagen fuhr, die dort mit angeschalteten Lichtern parkten, waren sie ein wenig näher an Elm Branch, als an Belton. Ein merkwürdiges Gefühl überkam Mackenzie, als sie erkannte, dass sie hier vor weniger als zwölf Stunden vorbeigefahren war.
Sie stieg aus dem Auto und ging die Straße entlang, begleitet von Fredericks und Potter. Die Leiche lag ca. zweieinhalb Meter von der Straße entfernt, lässig in einer Ansammlung von Unkraut und struppigen Bäumen abgeladen. Mackenzie konnte sofort sehen, dass es eine Frau war, auch wenn sie mit dem Gesicht nach unten im Unkraut lag.
“Das Opfer ist Wanda Young”, sagte Fredericks. “Sie lebt schon lange in Belton, war aber vor ein paar Jahren auf Missionsarbeit in Afrika, nachdem ihr Mann gestorben war. Sie ist seit sechs Monaten wieder da. Alle haben eine große Sache daraus gemacht, weil ihre Familie ziemlich viel Geld hat. Es war, wie die Rückkehr des goldenen Kindes.”
“Hat jemand die Leiche bewegt?”, fragte Mackenzie.
“Der erste Beamte am Tatort hat sie an der Schulter hochgezogen, um das Gesicht zu sehen und eine Identität zu bekommen. Dabei hat er auch die Visitenkarte gesehen. Aber abgesehen davon hat er nichts angefasst.”
Mackenzie näherte sich dem Körper und hockte sich daneben. Wanda Young hatte eine dünne Windjacke getragen, als sie gestorben war. Mackenzie hob die Leiche vorsichtig an der Schulter hoch. Sie war auf einfache Weise ziemlich hübsch und sah aus wie vierzig oder fünfzig.
Es gab eine deutliche Fraktur an der Seite ihres Kopfes auf der linken Seite. Eine schwere Wunde saß dort, aus der immer noch Blut sickerte.
Frisch, dachte Mackenzie. Dieser Mord hat nicht weniger als vor einer Stunde stattgefunden. Vielleicht sogar weniger.
Wandas Augen waren noch offen und ihr Mund war leicht geöffnet. Die Barker Antiquitäten Visitenkarte war ihr in den Mund gesteckt worden. Es war schwer zu sagen von dem Blickwinkel und dem schlechten Licht, aber sie dachte, die Karte war wahrscheinlich perfekt in der Mitte gefaltet worden.
“Kann mir jemand besseres Licht besorgen und etwas, damit ich die Karte rausziehen kann?”, rief sie über ihre Schulter.
Sofort standen zwei Beamte mit Taschenlampen hinter ihr – Potter rechts und ein weiterer Beamte links. Ein paar Sekunden später übergab ihr Fredericks eine Pinzette. Er übergab ihr auch ein dünnes Set mit Plastik Handschuhen. Mackenzie zog sich die Handschuhe an und zog die Karte vorsichtig aus Wanda Youngs Mund.
Hinter ihr hörte sie einen Mann die Wörter heilige Scheiße murmeln. Daraufhin folgten weitere Bewegungen. Ehe sie die Karte untersuchte, drehte Mackenzie sich um, um zu sehen, was los war. Einer der Beamten näherte sich zügig Fredericks mit einem Handy in der Hand.
“Sheriff … wir haben einen Zeugen.”
“Beim Mord?”
“Ja, wir denken schon”, sagte der Beamte. “Oder ihre Entführung vor dem Mord zumindest.”
Fredericks sah Mackenzie an, gab ihr ein Schulterzucken und ein Blick, der die Frage: Wollen Sie es annehmen? Sagte.
Mackenzie stand auf, entfernte die Plastik Handschuhe und nahm das Handy. “Hier ist Agentin Mackenzie White vom FBI”, sagte sie. “Wer spricht da?”
“Meine Name ist Amanda Napier”, sagte eine offensichtlich aufgeregte Frau.
“Und Sie rufen die Polizei weswegen genau an?”
“Vor einer Stunde … habe ich jemanden gesehen, der eine Freundin von mir angegriffen hat – eine Frau namens Wanda Young.”
“Und von wo rufen Sie an”, fragte Mackenzie.
“Von meinem Zuhause in Belton.”
“Und wo haben Sie den Angriff gesehen?”
Amanda machte eine Pause und schniefte ein Schluchzen weg. “Draußen vor Wandas Haus. Sie lebt in diesem schönen zweistöckigen Haus auf der Felton Straße. Als ich sie gesehen habe, ging sie gerade die Verandastufen hoch und jemand … hat sie gegriffen. Sie geschlagen. Er hatte etwas in seiner Hand.”
“Und was haben Sie gemacht?”
“Nichts … ich … ich hätte nicht da sein sollen. Ich –“
Als Amanda Napier zusammenbrach, näherte sich Sheriff Fredericks Mackenzie. Er sah aus, als wenn er krank wäre. Er war sichtlich besorgt und unruhig – noch mehr, als vorher, ehe er ihr die Identität von Wanda Young mitgeteilt hatte.
“Was ist los?”, formte sie mit ihrem Mund.
Fredericks zeigte ihr, die Visitenkarte, die sie aus Wandas Mund gezogen hatte. Er hatte sie entfaltet und zeigte ihr die Rückseite.
Dort stand etwas geschrieben in Großbuchstaben in schwarzer Tinte. Die Handschrift war schlampig und absichtlich kindisch.
Aber es gab nichts Kindisches an der Nachricht.
WILLKOMMEN ZUHAUSE, AGENTIN WHITE.