Um acht Uhr morgens fand Mackenzie sich als Verbindungsperson des Falles wieder. Sie diente als Kontaktperson der kleinen Polizeitruppe von Morril County, drei zusammengewürfelte Beamte aus Belton und weitere kleine Gemeinden innerhalb des Landkreises. Sie organisierte und schickte Teams die Gegenden zu durchkämmen, nach jedem suchend, der irgendwelche Hintergrundinformationen über einen Mann namens Greg Redman bieten konnte. Sie arbeitete auch eng mit dem FBI – kommunizierte mit Penbrook im Omaha Büro und mit Harrison und Yardley im Hauptbüro in DC.
Sie spürte ebenfalls, dass die Kopfschmerzen, die sie gefühlt hatte, sprunghaft anwuchsen. Sie hatte drei Ibuprofen genommen kurz nachdem sie das Motel verlassen hatte, aber bis jetzt hatte es nicht geholfen.
Es hatte alles ein Gefühl der Endgültigkeit, eine Art massiver Sturm der seine Wolken sammelte und eine Katastrophe zusammenbraute.
Die erste Hoffnung auf eine Art Durchbruch kam in Form eines Anrufs von Harrison nach dem Mittagessen. Mackenzie und Ellington parkten auf dem Parkplatz der Belton Legion Hall, als der Anruf kam. Das Auto roch nach heißem Kaffee und frittiertem Frühstück vom Diner in der Stadt – der es tatsächlich geschafft hatte, dass Mackenzie sich aufmerksamer und gestärkter fühlte.
“Also wir haben Folgendes über Greg Redman, ehemaliger Einwohner von Belton, Nebraska herausgefunden”, sagte Harrison am Handy. “Er ist von Belton nach Seattle, Washington im Jahr 1999 gezogen. Er arbeitete als Call-Center-Handlanger für einen dieser betrügerischen Orte, die Berichten zufolge Menschen helfen, aus den Schulden von Studentenkrediten herauszukommen. Er hat seinen Job dort im Jahr 2002 verloren, als er in eine Art Streit mit einem Vorgesetzten geriet. Danach gibt es nicht mehr viel. Wir können sehen, dass er 2003 ein Ticket nach Nicaragua gekauft hat und sich dann für einen Kredit für ein Auto in El Paso Texas im Jahr 2011 beworben hat … ein Kredit, der abgelehnt wurde. Da hört die Spur auf.”
“Also keine Geschichte aus Omaha?”, fragte Ellington.
“Nichts.”
“Was ist mit einer bestehenden Familie in Belton oder der Elm Branch Region?”, fragte Mackenzie.
“Nichts. Seine Mutter starb, als er vier war und sein Vater hat wieder geheiratet. So weit ich sehe, lebt er im Moment in Connecticut.”
“Was ist mit Nicaragua? Weiß man, warum er dort hingegangen ist?”
“Keine Ahnung. Und ehrlich wir haben keine Ahnung, wie lange er dort war. Ich habe keine Aufzeichnungen darüber, wann er zurück ins Land gekommen ist. Diese Aufzeichnungen muss es irgendwo geben, aber wir suchen noch.”
Mackenzies Handy zeigte einen ankommenden Anruf, mit der Nummer von Fredericks auf dem Display.
“Danke Harrison”, sagte sie. “Aber ich habe einen Anruf, der reinkommt und den ich annehmen muss. Mach weiter so und halte uns auf dem Laufenden.”
Sie schaltete zum ankommenden Anruf von Fredericks.
“Irgendetwas Neues?”, fragte Mackenzie.
“Einer meiner Beamten hat einen Mann getroffen, der Ihren Vater kannte”, sagte Fredericks. “Als sie sich unterhalten haben, entdeckten sie, dass dieser Mann auch Gabriel Hambry kannte.”
“Aber Hambry war in Omaha”, sagte Mackenzie. “Die Akten zeigen, dass er dort seit mindestens zehn Jahren lebte.”
“Das ist richtig”, sagte Fredericks. “Aber ich habe noch einen Mitarbeiter, der ermittelt hat und er hat entdeckt, dass Hambry mit seiner Familie 1977 nach Belton gezogen ist. Als er älter wurde, zog er von Belton weg und mietete eine Wohnung in Elm Branch. Wollen Sie raten, wo er lebte?”
Klick.
Mackenzie konnte wortwörtlich fühlen, wie etwas in ihrem Kopf an die richtige Stelle rückte. Das ist es, dachte sie. Das ist die Verbindung. Und vielleicht sogar das Motiv.
“Das Gebäude meines Vaters.”
“Bingo. Also … noch etwas. Wir haben uns auch Wanda Young angeschaut. Ich habe Ihnen ja erzählt, dass ihre Familie quasi aus Geld gemacht wurde und sie war typischerweise als dieser selbstgerechte Typ bekannt, stimmt’s?”
“Ja?”
“Naja, sie hat eine rebellische Phase in ihren frühen Zwanzigern durchgemacht. Wollte Mama und Papa sauer machen. Hat ihr Haar gebleicht. Hat herumgeschlafen. Aber sie ist nicht weit weggezogen. Für genau eineinhalb Jahre war sie auch Bewohnerin des Wohngebäudes ihres Vaters.”
Neben ihr atmete Ellington, “Oh scheiße …”
“Glauben Sie, Sie können –“
“Ich habe bereits ein kleines Team zusammengetrommelt, um zu sehen, ob wir die restlichen Teile auch noch zusammensetzen können”, sagte Fredericks. “Auch wenn ich mich rechthaberisch anhöre, werde ich sagen, dass sie vielleicht ein wenig Hilfe gebrauchen könnten, wenn wir das hier schnell erledigen wollen.”
“Wir können bestimmt helfen”, sagte Mackenzie. “Danke, Sheriff.”
Sie und Ellington schauten sich nach dem Anruf an, beide verarbeiteten, was diese neuste Eröffnung bedeuten könnte. Ellington sah ein ein wenig alarmiert aus.
“Was ist los?”, sagte er.
“Nichts.”
“Blödsinn. Du siehst blass aus und du zuckst oft zusammen. Du hast dir auch die Schläfen gerieben.”
“Es sind nur Kopfschmerzen. Das geht vorbei.”
“Du musst dich ausruhen. Wie viel hast du geschlafen?”
Sie wischte das Gespräch mit einer langsamen Handbewegung weg. “Ich werde weiter machen und das Wort Zufall streichen”, sagte Mackenzie und brachte ihn wieder auf den richtigen Weg. “Der Mörder hat dort gelebt. Wanda Young und Gabriel Hambry lebten dort. Jimmy Scotts lebte irgendwo in Elm Branch … und so wie es jetzt aussieht, dann wette ich, hat er auch in einer dieser Wohnungen gelebt.”
“Haben wir einen definitiven Zeitraum, wann dein Vater das Gebäude besessen und verwaltet hat?”, fragte Ellington.
“Nein … aber das ist ein verdammt guter Ort zum Beginnen.”
***
Mittags hatte sie ein paar weitere Informationsanfragen gemacht. Sie hatte Harrison angerufen und ihn gebeten, die Einwohnereinträge von Jimmy Scotts und Dennis Parks zu schicken. Dann hatte sie das Büro in Omaha angerufen und mit Penbrook gesprochen. Seine Männer suchten nach Staatsdokumenten hinsichtlich Land und Grundstücksbesitz sowie Kredite, um zu sehen, wie lange Benjamin White in dem Besitz der Mietwohnungen auf der Spruce Straße in Elm Branch gewesen war.
Sie und Ellington halfen drei Beamten auf der Belton Polizeistation, versuchten die Dinge zu beschleunigen in dem sie auf altmodische Art alles per Hand durchsuchten. Mackenzie nahm sich die Zeit, sich die Aufzeichnungen anzusehen und zog die Unterlagen ihres Vaters hervor, die hier und da in Form von Papierakten und digitalen Archiven verstreut lagen und auch wenn sie noch weit davon entfernt waren, fertig zu werden. Sie sah sich seine Verhaftungen an und Berichte, schaute nach irgendeiner Art von Vorfall, der vielleicht jemanden involviert hatte, der die Fähigkeit dazu hatte, ein Serienmörder zu sein.
Die einzige fragwürdige Sache, auf die sie stieß, war ein sehr lückenhaftes Detail am Ende seiner Karriere als Polizist. Sie nahm an, das war zu der Zeit, in der er vielleicht Undercover gearbeitet hatte. Kurz vor dem Erlöschen seiner Aufzeichnungen, hatte er drei Männer verhaftet, die versucht hatten, zwanzig Pfund Heroin nach Morrill County zu schmuggeln. Wenn sie irgendetwas in seinen Aufzeichnungen während seiner Karriere fand, dann, dass er eine einfache Rolle in der Strafverfolgung in der Gegend gespielt hatte, es aber gut gemacht hatte.
Sie hatte auch eine der Beamtinnen dazu angehalten, die Datenbank nach jeglichen Vorstrafen hinsichtlich Gabriel Hambry, Dennis Parks oder Jimmy Scotts zu durchsuchen. Die einzigen Erfolge, die sie hatte, war ein überfälliges Parkticket von Parks und ein Verfahren wegen Trunkenheit von Jimmy Scotts.
Das Verfahren wegen Trunkenheit war erst fünf Jahre alt, lange, nachdem er aus Elm Branch weggegangen war.
Aber ein Klopfen an der Tür des kleinen Archivs würde ihr ein wenig mehr Information und Einblicke geben. Es war ein Beamter, der sehr fleißig dabei gewesen war, Mackenzie und Ellington dabei zu helfen, die Aufzeichnungen zu finden, die sie brauchten. Er war ein junger Mann, der ein wenig zu eifrig schien, ihnen bei ihren Ermittlungen zu helfen.
“Wir haben eine Identität von einem der Landstreicher in Omaha”, sagte er.
“Haben Sie einen Anruf aus Washington deswegen bekommen?”, fragte Mackenzie.
“Nein”, sagte er und schüttelte seinen Kopf. “Wir haben es hier im Büro gefunden und dann Ihren Freund Agent Harrison für eine Foto Bestätigung angerufen.”
“Sie sagen also einer der Landstreicher aus Omaha, war ein Einheimischer?”
“Ja, ein Mann namens Sam Hudson. Er hat seinen Job hier im Jahr 2013 verloren. Wir sind nicht sicher, wie er in Omaha gelandet ist, aber wir sind zu neunzig Prozent sicher, dass er einer der kürzlichen Opfer war, die getötet worden. Und wenn er es ist, dann glauben wir war der jüngere Landstreicher – der zwölfjährige – sein Sohn. Ihr Team in DC bestätigt das gerade.”
“Können Sie mir eine Adresse von seiner Zeit hier in Belton geben?”, fragte sie.
“Wir suchen sie gerade raus”, sagte er.
Mackenzie nickte ihr Danke, und als sie das tat, floss ein großer Schmerz durch ihren Kopf. Sie wimmerte dabei und begann sofort den Bereich ihrer Schläfen zu massieren.
“Geht’s dir gut?”, fragte Ellington.
“Ja”, sagte sie. “Dieser Kopfschmerz … er ist so stark. Ich habe schon Tabletten heute Morgen genommen und es hat überhaupt nichts genützt.”
“Dann geh ins Motel und ruh dich aus.”
“Es ist halb zwei Uhr nachmittags.”
“Und?”, fragte Ellington. “Hör zu. Ich bin jetzt hier und diese Männer hier in der Polizeistation sind super. Ruh dich aus. Es ist mir egal, ob es nur eine Stunde ist. Du musst ein wenig schlafen. Ich verspreche dir, dass ich dich anrufe, wenn wir irgendwas Neues finden. Du hast mein Wort darauf.”
Sie würde so eine Bitte normalerweise nicht einmal in Betracht ziehen – besonders nicht, wenn sie spürte, dass sie so nah dran war, den Durchbruch zu schaffen. Aber dieser Kopfschmerz schien endlos und sie wusste, wenn sie ihre Augen nicht schonte, würde es schnell noch schlimmer werden.
“Du rufst mich bei dem kleinsten Durchbruch an”, sagte sie. “Schwör es.”
“Ich schwöre”, sagte Ellington. Er hielt sogar seine Hand in einer kleinen Grußgeste hoch, als wenn die andere Hand auf der Bibel läge und er in einem Gerichtssaal wäre.
Dann lehnte er sich nach vorne und küsste sie, direkt vor den beiden Beamten, die sich mit ihnen im Archiv befanden. Es war ein wenig peinlich, aber es bedeutete ihr auch viel. Mit einem letzten Blick in seine Augen trat Mackenzie vom Tisch weg und verließ die Belton Polizeistation.
Draußen ging sie zu ihrem Auto und musste die Augen zusammenkneifen. Die Sonne war zu viel Schmerz für ihren Kopf und sie wusste sofort, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Es war keine Entscheidung, die sie selbst getroffen hätte, und so erkannte sie, wie wertvoll Ellington für sie war. Sie fühlte sich ziemlich dumm, dass sie so lächerlich böse mit ihm die letzten Tage gewesen war.
Im Auto zog sie die Sonnenblende herunter und fuhr zurück zum Motel. Sie wusste, dass Ellington sein Wort halten und sie sofort anrufen würde, wenn er etwas erführe. Mit dieser Sicherheit fuhr sie zurück zum Motel und freute sich darauf, sich ein wenig auszuruhen. Auch wenn sie nicht schlafen könnte, allein die Tatsache in einem dunklen Raum zu liegen mit geschlossenen Augen würde ihrem Kopfschmerz helfen. Sie hatte das vorher schon gehabt und obwohl es wirklich nervtötend war, war es auch einfach in den Griff zu bekommen, wenn sie sich die Zeit dafür nahm.
Im Hotel nahm sie zwei weitere Ibuprofen, hängte das Nicht stören Schild an ihre Tür und legte sich hin. Der Schmerz schien ihren Kopf immer noch zu zerfetzen. Sie nutzte einen alten Trick, von dem sie gehört hatte, ihn aber noch nie ausprobiert hatte. Sie holte ein Handtuch aus dem Badezimmer und legte es ins kalte Wasser. Dann legte sie es auf ihre Augen, während sie sich ausruhte und auf wundersame Weise fühlte sie den Schlaf kommen.
Er kam schnell, trotz der Schmerzen, und obwohl der Kopfschmerz nicht aufhören wollte, gewann der Schlaf die Oberhand und innerhalb von fünf Minuten war sie weg.