Kapitel 9

Wohl dir, wenn du sie hörst.
Es frommt dir, wenn du sie befolgst.
Den Wanderer verfluche nicht, noch weis ihm das Tor.
Gib hilfreich dem Darbenden.

LIEDER-EDDA

Er sagt, ihr sollt ihm folgen«, sagte Failend und nickte zu dem Reiter hinauf, der wie eine Mauer zwischen den Nordmännern und dem Kloster von Ferns stand. Thorgrims Blick war Eisenzahn gefolgt, als das Schwert zu dem Mann hinter ihm gewandert war. Zu sehen, wie ein anderer die Waffe berührte, traf ihn tief. Thorgrim würde Ferns wieder mit ihr verlassen oder gar nicht. So viel war klar.

Thorgrim schaute von Failend zu dem Krieger über ihm und nickte. Der Mann wendete sein Pferd, und das Tier trottete in Richtung Tor. Failend und die anderen folgten dem Reiter, eingerahmt von den berittenen Kriegern.

Thorgrim kämpfte gegen das Verlangen an, sich jeden einzelnen Reiter genau anzusehen, um herauszufinden, welchen von ihnen er als Ersten niederstrecken würde, sollte es so weit kommen. Das war sein Instinkt, wie der eines Hundes, der einen Fremden anknurrt, doch Thorgrim kämpfte dagegen an, denn er wollte Gewalt an diesem Tag vermeiden.

Stattdessen schaute er größtenteils geradeaus, aber auch zwischen den Pferden hindurch zu den Feldern und zu den Wällen des Klosters dahinter. Inzwischen hatte ihre Ankunft zahlreiche Schaulustige angezogen. Die Männer und Frauen auf den Feldern hatten ihre Arbeit niedergelegt und starrten nun stumm auf die Nordmänner, als wären sie wilde Tiere, die die irischen Reiter gerade gefangen hatten.

Auch auf den Wällen und Mauern des Klosters standen Menschen, doch keine Krieger, soweit Thorgrim sehen konnte. Stattdessen sah er die langen dunklen Kutten von Christenmännern sowie andere in Hemden und Hosen. Kettenpanzer, Lederrüstungen oder Waffen sah er jedoch nicht. Allerdings waren seine Augen auch nicht mehr so gut wie früher.

Wie viele Krieger haben die wohl?, überlegte Thorgrim. Dann ermahnte er sich, dass das nicht seine Sorge war. Schließlich war er nicht zum Kämpfen hier.

Der Reiter, der ihren kleinen Zug anführte, hielt an, und alle taten es ihm nach. Das große Holztor in dem Erdwall schwang knarrend auf. Dahinter warteten weitere Krieger, vielleicht zehn. Diese waren nicht beritten, aber sie hatten Speere, die sie auf Thorgrim und seinen Haufen richteten. Thorgrim lächelte. »Die tun so, als wären wir das Große Heidnische Heer, das sich von Norden auf sie stürzt«, sagte er zu Failend. »Dabei sind wir nur zu sechst und in einem kleinen Boot hierhergerudert.«

»Trotzdem seid ihr ein furchterregender Anblick«, erklärte Failend. »Wenn wir Iren eines gelernt haben, dann, dass ihr Nordmänner aus dem Boden springt wie Würmer nach dem Regen.«

Sie gingen weiter durchs Tor, und Thorgrim schaute sich neugierig um. In der Jugend hatte er viele Klöster geplündert, doch seit seiner Rückkehr nach Irland war er nur in einem gewesen, dem in Glendalough. Außerdem war das in der Nacht gewesen, und Thorgrim hatte nur die Kirche plündern wollen; also hatte er nicht viel vom Kloster gesehen.

Aber Thorgrim hatte genug mitbekommen, um zu wissen, dass Ferns wesentlich größer war als Glendalough. Er sah sowohl Holzhäuser mit kegelförmigen Reetdächern als auch beeindruckende Gebäude aus Stein. Und mittendrin erhob sich die Kirche, deren Turm sie schon vom Fluss aus erblickt hatten; tatsächlich war es die größte, die Thorgrim je in diesem Land erblickt hatte. Er konnte sich sehr gut vorstellen, welche Schätze sich hinter diesen Mauern verbargen.

Die Reiter hielten an, als ein weiterer Mann in einer Christenrobe auf sie zutrat, und die Krieger zu Fuß bildeten eine Gasse für ihn. Der Mann war groß und kräftig gebaut, doch seine Bewegungen verrieten, dass seine Statur nicht von Fett, sondern von Muskeln herrührte.

Aber was Thorgrims Aufmerksamkeit wirklich erregte, war das Gesicht des Mannes. Auf einer Seite war es das ganz gewöhnliche Gesicht eines dunkelhaarigen Iren von dreißig oder auch vierzig Jahren; doch die andere Seite war eine Maske aus Narbengewebe. Ein Auge war vollkommen zugewachsen, und ein Teil seines Bartes fehlte, wo das Fleisch weggerissen und nie neu gewachsen war.

Diese Verletzung hatte der Mann in einem Kampf davongetragen, so viel war klar. Thorgrim hatte in seinem Leben schon genug derartiger Wunden gesehen, um das zu erkennen. Aber er hatte nur selten eine so schwere gesehen, denn für gewöhnlich überlebte man so etwas nicht.

Der Mann sprach, und der Blick seines verbliebenen Auges wanderte von Thorgrim zu den Männern hinter ihm, und Thorgrim sah, dass der Narbenmann Stärken und Schwächen seiner Gegner abschätzte, genau wie er selbst es gerade erst getan hatte. Auch in seinem Fall war das ein Reflex.

Jetzt magst du ja ein Kirchenmann sein, dachte Thorgrim, aber das war nicht immer so.

»Er sagt, er sei Bruder Bécc, Diener des Abtes von Ferns, eines Mannes mit Namen Columb«, übersetzte Failend. »Er sagt, der Abt sei ein weiser und heiliger Mann, und es sei eine große Ehre für dich, dass er sich bereit erklärt hat, mit dir zu sprechen. Du musst ihn mit Respekt behandeln.«

Thorgrim nickte. »Eine Ehre … in der Tat …«, knurrte er. »Sag dem Kerl, dass wir uns bemühen werden, den Ort nicht zu plündern, solange wir hier sind.«

Failend schaute Thorgrim tadelnd an. Dann drehte sie sich wieder zu dem Mönch um und sprach, und Thorgrim war ziemlich sicher, dass sie seine Antwort nicht wortgetreu übersetzte.

Aber was auch immer sie sagte, es war richtig. Bruder Bécc nickte, machte auf dem Absatz kehrt und ging davon. Thorgrim und Failend folgten ihm, und die Männer wiederum ihnen, und die irischen Krieger zu Fuß folgten allen. Sie gingen über einen großen Platz, in dessen Mitte die große Kirche stand. Deutlich waren Spuren von Karren und Pferden in dem vom Regen aufgeweichten Boden zu erkennen. Thorgrim sah auch Frauen in langen schwarzen Roben, die aus den Türen dunkler Gebäude lugten.

Auf der Westseite der großen Kirche befand sich ein Steingebäude, eine kleinere Version der Kirche, kleiner sogar noch als Thorgrims Halle in Vík-Ló. Durch eine schmale Gasse war es von dem größeren Gebäude getrennt. Bruder Bécc klopfte an die Tür des kleineren Gebäudes, und eine Stimme antwortete von innen. Bécc öffnete die Tür und trat ein.

Der Mönch war in der Dunkelheit des Gebäudes kaum zu erkennen, doch Thorgrim sah, wie er Failend, ihn und die anderen hineinwinkte. Die Fußkämpfer bildeten ein Spalier, und Thorgrim und Failend traten durch die Tür in einen kühlen, offenen Raum.

Der Mann, von dem Thorgrim annahm, dass es sich um den Abt handelte – Colus, Calum oder wie auch immer; er konnte sich diese irischen Namen einfach nicht merken –, war alt, wie es einem Abt anstand, und nachdem Thorgrims Augen sich an das Zwielicht gewöhnt hatten, konnte er auch mehr von dem Mann erkennen. Er war leicht gebeugt, das Haar dünn, und sein Mund stand ein wenig offen; aber sein Blick war scharf. Thorgrim vermochte nicht zu sagen, ob er es nun mit einem senilen Greis oder einem verschlagenen alten Mann zu tun hatte.

Hinter dem Abt saß ein weiterer Mann, der ebenfalls wie ein Mönch gekleidet war. Vor ihm lag eine Pergamentrolle, und er hatte eine Feder in der Hand, mit der er Symbole auf das Pergament malte. Thorgrim hatte so etwas schon gesehen. Die Symbole ähnelten den Runen der Nordmänner. Auch damit konnte man Worte schreiben. Die Nordmänner nutzten ihre Schrift jedoch nur eingeschränkt – auf einem Stein zum Beispiel zu Ehren eines verstorbenen Familienmitglieds.

Doch diese Iren schienen Schrift noch für weit mehr zu gebrauchen. Für irgendeine Form von Magie, nahm Thorgrim an. Er hatte schon dicke Bündel solcher Schriftstücke in den Christenkirchen gesehen, eingebunden in Leder und mit Gold und Edelsteinen geschmückt. Daher wusste er, dass sie großen Wert für die Christen hatten, und das wiederum legte nahe, dass es sich um Zauberbücher handeln musste.

Der Abt ließ den Blick seiner müden Augen über Failend und die Männer wandern. Dann deutete er zu ein paar Bänken an der Wand. Failend setzte sich, und Thorgrim hockte sich neben sie, während seine Männer sich mit verschränkten Armen danebenstellten.

Der Abt sprach.

»Er heißt euch willkommen und fragt, ob ihr zu dem Heidenheer gehört, von dem es heißt, es sei nicht weit von Beggerin gelandet«, übersetzte Failend.

»Sag ihm, ja, und dass ich dieses Heer befehlige«, antwortete Thorgrim. »Aber sag ihm auch, dass wir nicht gekommen sind, um ihm und den Seinen ein Leid zuzufügen. Sag ihm, wir hätten auch Beggerin nichts getan.«

Failend übersetzte wieder. Thorgrim sah den Hauch eines Lächelns auf dem Gesicht des Abts, als finde er diese Versicherung amüsant, mehr nicht. Dann antwortete der alte Mann.

»Er sagt, wenn ihr niemandem ein Leid zufügen wollt, warum seid ihr dann hier?«

Jetzt war es an Thorgrim, die listige Beleidigung des Abts mit einem leichten Lächeln zu beantworten. Was konnte ein Nordmann auch anderes tun, als anderen Leid zuzufügen?

Doch bevor er antwortete, griff Thorgrim in den Lederbeutel an seiner Seite und holte einen Fetzen Stoff heraus, ein Überbleibsel des zerfetzten Segels der Meereshammer. Das gab er dem Abt und sagte: »Man hat uns erzählt, dass die Leute hier gute Spinner und Weber seien. Wir brauchen Tuch wie das hier, und das so breit und lang, wie ihr es fertigen könnt. Wir sind hier, um euch zu fragen, ob ihr uns das macht.«

Der Abt schaute sich das Tuch genau an, fühlte, wie dick es war, und drehte es in den Fingern. Sein Gesicht blieb dabei vollkommen ausdruckslos, als hätte er nicht die geringste Ahnung, was er da in Händen hielt. Schließlich legte er den Fetzen auf den Tisch, schaute Thorgrim in die Augen und sprach.

»Er fragt: ›Warum sollten wir ausgerechnet Heiden helfen, die die größten Feinde Irlands und des einzig wahren Gottes sind?‹«

Eine hervorragende Frage, dachte Thorgrim, und eine offensichtliche. Und da sie so offensichtlich war, hatte Thorgrim sich längst eine Antwort zurechtgelegt.

»Zwei Gründe«, antwortete er. »Sag ihm, wir brauchen das Tuch für Segel für unsere Schiffe. Es ist meine Absicht – und das würde ich auch beschwören –, Irland zu verlassen. Wenn er uns mit den Segeln hilft, dann hilft er Irland, all die Heiden loszuwerden, die unter meinem Befehl stehen.«

Failend übersetzte. Der Abt nickte bedächtig.

»Und der andere Grund ist«, fuhr Thorgrim fort, »dass ich ihn für seine Mühe bezahlen werde.« Er griff wieder in den Beutel und holte eine kleine Silberkassette heraus; ein schönes Stück, das einmal Failend gehört hatte, bevor Louis der Franke es ihr stahl. Über Brunhard den Sklavenhändler war es schließlich wieder zu seiner Besitzerin zurückgekehrt, und Failend hatte die Kassette Thorgrim gerne für diesen Zweck überlassen.

Thorgrim setzte sie kraftvoll auf den Tisch, sodass deutlich wurde, dass sie nicht leer war. Der Blick des Abts huschte über die Kassette und wieder zurück zu Thorgrim. Sein Gesichtsausdruck änderte sich noch immer nicht. Er sprach.

Thorgrim beugte sich vor und lauschte auf den Tonfall des Iren. Der Mann klang müde und hoffnungslos, aber ob dieser Eindruck nun echt war oder nicht, das vermochte Thorgrim nicht zu sagen. Als der Abt fertig war, übersetzte Failend:

»Abt Columb meint, du seist sehr klug und deine Argumente auch. Er sagt, dass sie hier tatsächlich gute Weber haben, die besten in Irland sogar, und sie könnten durchaus anfertigen, was du willst. Er sagt, er würde gerne jedem Heiden helfen, Irland zu verlassen, aber er sagt auch, es sei sinnlos für sie, auch nur damit anzufangen, Tuch für euch zu weben.«

Thorgrim wartete auf mehr, doch offenbar hatte Failend bereits alles übersetzt, was der Abt zu sagen hatte.

»Warum?«, verlangte er zu wissen. »Warum wäre das sinnlos?«

Failend fragte den Abt, und der alte Mann antwortete.

»Weil Ferns offenbar bedroht wird«, erklärte Failend. »Einer der Rí Tuath, dessen Land an Ferns grenzt, hat verkündet, ihm stehe ein Teil des Klostervermögens zu. Sie rechnen täglich mit seinem Erscheinen, und dann wird er Ferns plündern und vermutlich nichts übrig lassen. Das zumindest sagt der Abt.«

»Ich verstehe.« Thorgrim nickte und dachte nach. Dann ergriff der Abt wieder das Wort. Thorgrim hob den Blick. Der alte Mann hatte die Schultern gestrafft und blickte drein wie ein Mann, dem gerade eine geniale Lösung für ein schier unlösbares Problem eingefallen war.

»Der Abt sagt, er hätte da vielleicht einen Vorschlag, der sowohl ihm als auch dir zugutekommen könnte«, übersetzte Failend.

*

Sie diskutierten noch ein wenig, bevor die Heiden sich verabschiedeten. Allerdings fand dieses Gespräch hauptsächlich zwischen Bruder Bécc und dem Anführer der Heiden statt, dem Mann mit Namen Thorgrim. Abt Columb hörte ihnen nicht wirklich zu. Pläne wurden geschmiedet, und der Zeitplan für die Herstellung des Tuches sowie die Höhe der Entlohnung wurden abgestimmt.

Und die ganze Zeit über fragte sich der alte Abt, ob er wirklich das Richtige tat oder ob er gerade einen schweren Fehler beging.

Schließlich hatten beide Seiten alles gesagt, was zu sagen war. Thorgrim und das Mädchen erhoben sich, Abt Columb nicht. Er nickte Thorgrim und dem Mädchen schlicht zu; dann eskortierte Bruder Bécc sie aus dem kleinen Steingebäude, dem Wohnhaus von Abt Columb und all den Äbten von Ferns, die vor ihm gekommen waren.

Das Mädchen hatte Columb ins Grübeln gebracht. Sie kam nicht aus dem Norden, sondern war eine Irin, und die Ehrfurcht, mit der sie dem Abt als Kirchenmann begegnet war, ließ darauf schließen, dass sie auch Christin war. Sie schien die Sprache der Nordmänner recht gut zu sprechen; zugleich deutete ihr Irisch darauf hin, dass sie nicht von niederer Geburt war. Eine Sklavin vielleicht? Das ergab zumindest den meisten Sinn, auch wenn sie sich Thorgrim gegenüber nicht so verhalten hatte. Columb nahm an, dass ihre Seele in höchster Gefahr schwebte, egal wie ihre Beziehung zu den Nordmännern auch sein mochte.

Der Abt seufzte. So viele Seelen, so viel Gefahr, sinnierte er.

Die Tür zu seinem kleinen Haus öffnete sich, und Bruder Bécc kam wieder zurück, nachdem er die Nordmänner hinausgeleitet hatte. Columb drehte sich zu dem jungen Priester um, der noch immer eifrig auf seinem Pergament schrieb.

»Niall, lass uns allein«, befahl der Abt. Der junge Mann nickte, steckte seine Feder in den Federtopf, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich. Bécc setzte sich auf die Bank, wo kurz zuvor noch Thorgrim gesessen hatte.

»Glaubst du, es ist eine Sünde, Geschäfte mit Heiden zu machen?« Es war mehr eine Bemerkung denn eine Frage.

Bécc zuckte mit den Schultern. »Wer bin ich, dir zu sagen, was eine Sünde ist und was nicht?«, erwiderte er. »Aber kannst du deinen Teil der Abmachung einhalten? Können unsere Weber wirklich das Tuch herstellen, das die Heiden haben wollen?«

Columb winkte ab. »Das haben sie schon längst«, sagte er. »Wie du weißt, verkaufen wir unsere Stoffe im ganzen Land. Die Weber haben den ganzen Winter über gearbeitet. Wir haben genügend Tuch in unseren Lagern.«

»Ich verstehe«, sagte Bécc. Der Hauch eines Lächelns glitt über die unzerstörte Hälfte seines Gesichts.

»Einige behaupten, die Heiden seien Gottes Strafe für unsere Sünden«, erklärte Columb. »Siehst du das auch so?«

Bécc schüttelte den Kopf. »Wenn sie tatsächlich Gottes Strafe wären, dann könnten wir nichts tun, außer um Gnade zu beten«, antwortete er. »Aber wir können gegen sie kämpfen. Wir können sie zurückdrängen. Nein, die Heiden sind das Werk des Teufels, nicht Gottes, und den Teufel können wir bekämpfen. Tatsächlich müssen wir ihn bekämpfen.«

Columb nickte. Béccs moralische Sichtweise war klar und unkompliziert, und Columb beneidete den Mann dafür. Aber Bécc musste auch kein Kloster leiten. Er war nicht für all die Menschen hier verantwortlich, und er musste auch nicht die heiligen Schätze hüten.

»Und doch habe ich nun einen Pakt mit dem Teufel geschlossen«, seufzte Columb.

»Du bist ein heiliger Mann, mein Herr Abt«, entgegnete Bécc, und das war nicht spöttisch gemeint, denn Bécc trug keinen Spott in seinem Herzen. Eine rechtschaffene Wut, sicher, einen unendlichen Hass auf die Heiden, aber keinen Spott. »Ich glaube, du hast eine Möglichkeit gesehen, die Werkzeuge des Teufels gegen ihn zu wenden, und das ist gut so. Aber es ist auch gefährlich. Der Teufel steckt voller List.«

Columb nickte wieder. »Ja, das stimmt. Und ehrlich gesagt, Bruder, weiß ich nicht, ob ich auch so klug bin oder einfach nur ein Narr. Uns bleibt wohl nichts anderes übrig, als zu sehen, was passiert. Aber ich glaube, Airtre stellt eine größere Gefahr für Ferns dar als diese Heiden.«

»Da hast du recht«, sagte Bécc. »Meine Männer sind ihm gefolgt, als er durch sein Land gereist ist. Sie haben erwartet, dass er die Männer anschließend wieder entlässt, die er zu den Waffen rief, damit sie auf ihre Felder zurückkehren können. Doch das hat er nicht getan. Er ist nach Rath Knock zurückgekehrt und hat nicht einen gehen lassen. Stattdessen ist er mit ihnen zum Meer marschiert. Warum, weiß ich nicht. Meine Männer sind nicht nahe genug herangekommen, um herauszufinden, was er dort wollte; aber jetzt marschiert er wieder, und zwar in unsere Richtung. Und er sammelt immer mehr Männer um sich.«

Columb starrte in eine düstere Ecke des Raums, und seine Gedanken überschlugen sich. Airtre wusste mit Sicherheit von dem Heer der Heiden, das an der Mündung der Slaney gelandet war, und er wusste sicherlich auch, dass Faílbe mac Dúnlaing, der Ferns noch vor Kurzem geholfen hatte, sein Land angesichts dieser Bedrohung vor seiner Tür nicht verlassen würde.

Vermutlich nahm Airtre an, dass die Heiden gegen das Kloster ziehen würden, um es zu plündern, und wahrscheinlich hoffte er, ihnen zuvorzukommen. Was er aber auf keinen Fall ahnen konnte, war, dass dieser Thorgrim nicht gekommen war, um Ferns zu plündern, sondern um Tuch zu kaufen. Airtre konnte unmöglich damit rechnen, dass Columb mit dem Heiden ausgehandelt hatte, dass er und sein Heer aus Nordmännern Ferns verteidigten.

»Also, Bruder«, sagte Columb schließlich, »was denkst du?«

Bécc grunzte. »Ich bin weder ein Heiliger noch ein Kind«, antwortete er. »Ich weiß, dass man manchmal Dinge tun muss, die man nicht tun will. Ich glaube, du hast einen guten Handel abgeschlossen. Sollen Satans Werkzeuge ruhig einen heiligen Ort gegen einen bösen Mann verteidigen. Airtres Männer und die Heiden werden sich gegenseitig erschlagen, und meine Männer können dann erledigen, was übrig bleibt. Dann können wir in Frieden leben … für eine Weile wenigstens.«