Kapitel 13

Möge die Dreifaltigkeit, mächtig über allem,
uns mit der Gabe der Liebe überschütten.
Der König bewegt von sanftem Latein
Und erlöst von Patricks Gebet.

DIE ANNALEN DER VIER MEISTER

Airtre mac Domhnall war stark beeindruckt von der Art, wie er das alles geregelt hatte. Zumindest bis zu dem Moment, da Bécc, dieser groteske Hurensohn, und seine Männer schreiend und mit erhobenen Schwertern aus dem Wald gestürmt kamen.

Tatsächlich war der Rí Tuath schon die ganze Zeit von sich selbst beeindruckt, seit dem Augenblick, da er die Schiffe der Nordmänner am Strand gesehen und seinen Plan entwickelt hatte. Und das war gut, denn seiner Meinung nach war er schon mit seiner Niederlage in Ferns ziemlich tief gesunken, ganz zu schweigen davon, wie er sich gefühlt hatte, nachdem seine Frau ihn mit stummer Verachtung gestraft hatte.

Am Strand, als die Schiffe wie eine riesige Gabe vor ihm gelegen hatten, da war er von seinem Pferd gestiegen und langsam um die hölzernen Monster herumgewandert. Schäden konnte er nicht erkennen. Das machte ihn misstrauisch. Vielleicht war das ja eine Falle. Rasch schaute er den Strand hinunter. Nichts zu sehen. Airtre ließ seine Männer eine Verteidigungsreihe bilden für den Fall, dass irgendwer sie überraschen sollte; dann setzte er seine Inspektion fort.

»Was denkst du, Herr?«, fragte Tipraite, inzwischen Airtres Hauptmann, nachdem Abt Columb Ailill gefangen genommen hatte.

»Ich weiß es nicht«, antwortete Airtre wahrheitsgemäß. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie diese Schiffe hier gelandet sind. Aber sie sind von großem Wert für uns, so viel kann ich dir sagen.«

Tipraite grunzte. »Und wie das?«

»Das weiß ich auch nicht«, erwiderte Airtre, und wieder sprach er die Wahrheit. Er wusste es wirklich nicht, aber er hatte da so ein Bauchgefühl, dass diese Schiffe ihm noch irgendwie nützlich sein würden.

Aber um diese Fahrzeuge zu nutzen, musste er sie erst einmal in Besitz nehmen, bis er herausgefunden hatte, wohin er sie bringen konnte und wie. Und er brauchte viele seiner Krieger, um sie für den Fall zu verteidigen, dass die Nordmänner wieder zurückkamen. Aber er konnte auch Rath Knock nicht allen Schutzes berauben. Außerdem waren die Zwangsverpflichteten unter seinen Männern sicher nicht bereit, längere Zeit am Strand herumzustehen. Und wenn er all die Zeit einforderte, die sie ihm schuldeten, um die Schiffe zu schützen, dann würde er sie später nicht mehr rufen können, wenn er sie brauchte.

Dann fiel sein Blick auf die Ruder. Er runzelte die Stirn und betrachtete die langen Stangen, die auf einem Gerüst lagen. Er wusste nicht, wie man dieses Ding nannte, aber er wusste, dass für gewöhnlich ein Segel daran befestigt war. Doch jetzt war da kein Segel, und Gleiches galt für das zweite Schiff.

»Diese Schiffe …«, sagte Airtre. »Die Nordmänner rudern sie entweder oder sie segeln, stimmt’s?«

Tipraite nickte. »Soweit ich weiß, ja.«

»Aber abgesehen davon … Ich meine, wenn sie weder Segel noch Ruder haben, dann können sie die Dinger auch nicht bewegen, oder?«

»Soweit ich weiß«, antwortete Tipraite wieder.

Und das war die Antwort. Airtre musste sich nur die Ruder nehmen, und wenn die Nordmänner kamen, um sie zurückzuholen, dann hätten sie keine Möglichkeit, sie zu bewegen.

Das war eine ganz einfache, wunderbare Lösung, und wie sich herausgestellt hatte, hatte es genau so funktioniert, wie Airtre gehofft hatte.

Er befahl seinen Männern, die Ruder von den Schiffen zu holen und weit ins Landesinnere zu bringen, um sie dort zu verstecken. Und das taten sie dann auch, bevor sie wieder zum Strand zurückkehrten, um sich zu überlegen, was sie denn nun mit ihrem Fund anfangen sollten.

In diesem Augenblick griffen die Nordmänner an. Es war ein kurzer, harter Kampf, bei dem ein paar von Airtres Männern fielen, aber nicht so viele, dass es ihm Kopfzerbrechen bereitete. Und als die Nordmänner herausgefunden hatten, dass ihnen die Ruder fehlten, waren sie Airtre ausgeliefert.

Airtre wusste, dass die Schiffe ihm nützlich sein konnten, doch nur begrenzt, denn keiner seiner Männer wusste, wie man damit umging. Aber zwei Schiffe voller Nordmänner? Todbringer, die sich ihm bei der Plünderung von Ferns anschlossen? Das wäre in der Tat von großem Nutzen. Sollten die Heiden doch den Großteil der Arbeit erledigen, die meisten Verluste erleiden und die Schuld tragen. Und dann, irgendwie, würde er schon eine Möglichkeit finden, sich gegen die Nordmänner zu wenden und sie ins Meer zu treiben. Der Schatz von Sankt Aiden gehörte rechtmäßig ihm, und er hatte nicht die geringste Absicht, ihn mit einem Haufen Ungläubiger zu teilen.

Bei den Verhandlungen mit Harald, dem Heidenhäuptling, kam Airtres Genie dann vollends zur Geltung … jedenfalls seiner Meinung nach. Er hatte die Ruder für die Plünderung von Ferns eingetauscht und sogar Harald persönlich gegen einen schwachsinnigen Stallburschen, den Airtre als seinen Sohn verkauft hatte.

Wenn dieser Harald wichtig genug war, um ein Drittel von Thorgrims Männern zu führen, dann hatte er auch großen Wert als Geisel. Thorgrim wollte ihn sicher nicht verlieren … zumindest hoffte Airtre das.

Airtre hatte den Eindruck, als sei Harald nicht sonderlich helle. Tatsächlich war es ihm gelungen, ihn sogar noch mehr aus dem Gleichgewicht zu bringen, als er ihn zunächst schlecht, doch dann mit ausgesuchter Höflichkeit behandelt hatte; ganz plötzlich und unerklärlich. Als Folge davon hatte er an jenem Abend wertvolle Informationen erhalten. Unter anderem hatte Airtre gelernt, dass Harald nicht der einzige Heide war, der Irisch sprach, und das war gut. Airtre hatte schon befürchtet, Harald als Übersetzer mitnehmen zu müssen, wenn er sich mit Thorgrim traf. Dabei wollte er das lieber vermeiden. Harald und dieser Thorgrim sollten besser nicht miteinander reden, besonders nicht in einer Sprache, die Airtre nicht verstand.

Und Airtre hatte auch erfahren, dass Thorgrim die beiden irischen Seiten womöglich gegeneinander ausspielen würde.

Am Morgen nach dem Gespräch mit Harald stiegen Airtre, Tipraite und fünf Krieger auf ihre Pferde und ritten aus dem Dúnad, dem Feldlager. Ein Dutzend Speerträger begleiteten sie zu Fuß. Sie marschierten zu der Stelle, wo Bann und Slaney sich vereinten.

Als sie aufbrachen, waren sie jedoch nicht die Einzigen, die schon wach waren. Der Rest des Heeres arbeitete bereits fleißig. Einige kochten Frühstück in großen, über den Lagerfeuern hängenden Eisenkesseln, und andere brachen die Zelte und Pavillons ab und verstauten sie auf den von Ochsen gezogenen Wagen. Das Heer würde Airtre langsam folgen und sich schließlich mit den Nordmännern für den Angriff auf das Kloster vereinen. Diesmal würden sie nicht auf Abt Columbs Tricks reinfallen. Kein Reden mehr. Die Nordmänner würden als Erste vorrücken, und die Barbaren sprachen ja noch nicht einmal Columbs Sprache.

Sie mussten gut neun Meilen westwärts ziehen, und genau da lag das Problem. Allerdings nicht im Marsch selbst, der war relativ einfach. Neben kleinen Hügeln gab es hier nur offene Felder und ein paar schlammige Streifen Erde, die in dieser Gegend als Straßen durchgingen. Nein, das Problem war, dass sie verhältnismäßig nah an Ferns vorbeimussten. Airtre wusste nicht, ob Bécc, dieser Bastard, dieser ehemalige Krieger, der nun den Gottesmann spielte, nicht vielleicht Späher ausgesandt hatte, um das Land rund ums Kloster zu überwachen. In jedem Fall würde man in Ferns nach Airtres erstem Angriff und dem Auftauchen der Nordmänner wachsamer sein denn je.

Also führte Airtre seinen kleinen Haufen auf einem Weg weit südlich vom Kloster, jenseits dessen, von dem er annahm, dass er Béccs Kundschaftern zugleich als Grenze diente. Natürlich wusste er, dass er gegen Bécc und seine Männer wieder würde kämpfen müssen. Und vielleicht auch gegen Faílbe, sollte der Mann Abt Columb erneut zu Hilfe eilen. Doch das war kein Problem. Tatsächlich freute Airtre sich sogar auf diesen Kampf, aber nur, wenn er ihn nach seinen Bedingungen führen konnte.

Ein gutes Stück südlich von Ferns fand Airtre die Straße, die zum Zusammenfluss von Slaney und Bann führte, wo er sich mit Thorgrim treffen wollte. Thorgrim Nachtwolf. Die Straße war verschlammt und vom Regen aufgeweicht, der an diesem Morgen jedoch zum Glück nachgelassen hatte; dennoch liefen die Speerträger lieber auf dem Gras daneben.

Sie erreichten eine Hügelkuppe, hinter der sie weitere Felder sehen konnten. Das für gewöhnlich leuchtend grüne Gras wirkte matt im trüben Licht, und die Slaney floss mitten durch das Land wie eine dunkle Ader, gut einhundert Fuß breit. Airtre konnte von der Kuppe die Bann zwar nicht sehen, aber einen Hain, der dem Fluss in Richtung Nordosten folgte, nach Ferns.

Airtre schaute nach Süden, die Slaney hinunter, und da waren sie, weniger als eine Meile entfernt. Sie bewegten sich nur langsam, doch unverkennbar: zwei heidnische Langschiffe.

Airtre gestattete sich ein Lächeln, doch innerlich war er vor allem eines: erleichtert. Unzählige Dinge hätten schiefgehen können, von fehlerhafter Kommunikation über schlichte Planänderungen bis hin zu offenem Verrat. Es gab unendlich viele Gründe dafür, warum die Heiden sich seinem Angriff auf Ferns nicht hätten anschließen sollen. Doch da waren sie. Genau wie geplant.

»Da«, sagte Airtre zu den anderen Reitern und deutete auf die langsam fahrenden Schiffe. »Gehen wir.« Er setzte sein Pferd wieder in Bewegung, ritt den Hang hinunter, und die anderen Reiter folgten ihm ebenso wie die erschöpften Fußkämpfer.

Rechts von ihnen, gut eine Meile entfernt, lag ein kleiner Wald, und direkt davor der Treffpunkt.

Airtre und seine Männer hatten bereits die halbe Strecke zurückgelegt, als Tipraite neben seinen Herrn ritt. »Diese Heiden, glaubst du …«, begann er, doch weiter kam er nicht.

Ein Schrei ertönte von den Bäumen rechts, dann war da eine kurze Bewegung, und Airtre wirbelte herum. Er war viel zu überrascht, um besorgt zu sein. Doch dieses Gefühl hielt nicht lange an. Reiter stürmten in Reihe aus den Schatten, in denen sie sich versteckt hatten. Sie hatten die Schwerter erhoben und Schilde an den Armen. Einige hatten auch Speere eingelegt. Ein Dutzend gegen Airtres sechs. Und hinter den Reitern liefen mindestens genauso viele Fußkämpfer, wie Airtre hatte.

»Formiert euch! In Reihe!«, brüllte Airtre und riss sein Pferd herum. Es mangelte ihm nicht an Mut – Lassar, seine Frau, war die Einzige, die ihm Angst machte –, und er hatte schon genug Kämpfe durchgestanden, um die Ruhe zu bewahren und seine Männer eine Verteidigungsformation bilden zu lassen.

Während die Speerkämpfer seinen Befehl befolgten, ließ Airtre den Blick über den Boden schweifen, der ihnen als Schlachtfeld dienen würde. Sein erster Gedanke war Rückzug, doch nicht aus Angst, sondern schlicht, weil das bei einem Überraschungsangriff durch einen überlegenen Feind Sinn ergab. Das war zwar möglich, würde aber nicht leicht werden. Nirgends war etwas zu sehen, was ihnen Schutz geboten hätte. Also mussten sie kämpfen, und sie würden siegen müssen oder sterben.

Airtre drehte sich zu den anderen fünf Reitern um. Sie hatten die Schilde gehoben, die Schwerter gezogen und die Helme aufgesetzt. Airtre tat es ihnen nach. »Lasst uns eine Linie bilden und diesen Hurensöhnen entgegenreiten!«, rief er und trat seinem Pferd die Fersen in die Flanken. Die anderen folgten ihm.

Sie stürmten über das Feld, sechs berittene Krieger gegen ein Dutzend. So etwas machte man nicht oft im Reiterkampf. Für gewöhnlich trugen Pferde die irischen Krieger nur aufs Feld, doch zum Kampf saßen sie ab. Aber dieser Feind hatte zum Sturmangriff angesetzt, und das hieß, dass Airtre und seine Männer es ihm gleichtun mussten.

»Durch sie durch! Reitet durch sie hindurch und dann über die Fußkämpfer dahinter!«, rief Airtre über das Donnern der Hufe hinweg. Er schaute nach links und rechts und sah grimmige Gesichter unter den Helmen. Die Männer hatten die Schwerter erhoben, und die Arme, an denen die Schilde hingen, hielten die Zügel.

Airtre schaute wieder nach vorne. Sie waren nur noch zwanzig Schritt von den Angreifern entfernt, und direkt vor sich sah Airtre das schreckliche, unverkennbare Gesicht von Bécc dem Kriegermönch, der sich mit erhobenem Schwert auf ihn stürzte.

Beide rissen an den Zügeln, und die Pferde stolperten zurück, als sie aufeinandertrafen. Airtre schlug nach Béccs behelmtem Kopf. Seine Klinge flog in weitem Bogen, doch Bécc parierte den Schlag mit der eigenen, und Stahl traf auf Stahl wie der Klöppel auf eine Kirchenglocke. Bécc stieß Airtres Schwert beiseite und hieb mit der Rückhand nach seinem Feind, doch Airtre riss den Schild hoch und fing den Schlag ab. Dann trat Airtre seinem Pferd wieder in die Flanken und stürmte weiter voran.

Béccs berittene Krieger waren nun hinter ihm, und vor ihm, gut dreißig Schritt entfernt, warteten Béccs Fußkämpfer, und zu denen wollte Airtre, denn sie waren die Verwundbaren. Er wollte ihre Zahl, soweit das ging, verringern und sie schwächen, sodass seine eigenen Speerkämpfer eine Chance hatten.

Airtre stürmte weiter vor, und er sah das Zögern von Béccs Fußkämpfern, als sie sahen, dass Airtre mit seinen Reitern genau auf sie zuhielt. Sie hatten die Speere gehoben, und ihre Augen waren groß.

Airtre traf auf ihre Reihe und riss an den Zügeln. Er hatte einen Speerkämpfer zu seiner Linken und einen rechts, und beide stießen sie mit ihren bösartigen Waffen nach ihm, doch damit hatte er gerechnet. Den Speer von links wehrte er mit dem Schild ab, und den rechts schlug er so heftig beiseite, dass der Mann ins Taumeln geriet und Airtre nachsetzen konnte.

Die Klinge drang tief ein, und der Speer fiel aus der Hand des Mannes. Airtre riss die Waffe wieder heraus, sicher, dass der Mann tot war. Dann wendete er sein Pferd so schnell, dass der Mann links nicht reagieren konnte, bevor Airtre ihm halb den Arm abgetrennt hatte.

Die sind nicht wie Nordmänner, dachte Airtre, während er sein Pferd gegen den nächsten trieb. Der Kampf am Strand war seine erste Begegnung mit den Heiden gewesen, und die waren sehr viel geschickter und schneller gewesen als diese armseligen, speerschwingenden Bauern hier. Allein der Versuch, das Schwert in einen der Nordmänner zu rammen, war so schwierig gewesen, wie einen Aal mit der Hand aus dem Fluss zu fangen, und Airtres Männer hatten einen hohen Preis dafür gezahlt.

Airtre spürte, wie ein Speer in seinen Schild drang. Er schlug nach dem Mann zu seiner Rechten, und die Klinge fand ihr Ziel. Doch jetzt hatten Béccs Reiter sich von der Überraschung erholt und stürmten wieder auf Airtre zu. Damit konnten sie die Fußkämpfer erst einmal vergessen.

»Reiter! Auf sie!«, brüllte Airtre und trieb sein Pferd zum Galopp gegen Bécc und dessen Männer. Zwei Reihen Reiter mit Schwertern und Schilden flogen förmlich aufeinander zu. Schwert schlug auf Schwert, als Airtre sich zwischen zwei feindlichen Reitern wiederfand. Er arbeitete mit Schwert und Schild zugleich, schützte sich und suchte gleichzeitig nach einer Lücke für seine Klinge.

»Airtre, du Bastard! Ich werde dich in die Hölle schicken!«, drang eine Stimme durch den Lärm. Das war Bécc. Und Airtre wollte ihm antworten, doch er war so sehr mit seinem eigenen Überleben beschäftigt, dass er keine Gelegenheit dazu hatte.

Airtre bekam einen Schlag auf den Schild. Er drehte sich nach rechts, parierte einen Stoß und konterte. Airtre spürte, wie die Spitze seines Schwerts durch das Kettenhemd des Gegners drang, hörte den Mann schreien, der verwundet zurückzuckte. Er war zwar nicht tot, aber sein Rückzug ermöglichte es Airtre, sich zumindest für eine Sekunde aus dem Gedränge zu lösen.

Airtre stürmte an dem Verwundeten vorbei und schlug dabei nach ihm, doch er verfehlte sein Ziel. Als er sich zehn Fuß aus dem Kampf gelöst hatte, schaute er sich um. Seine Fußkämpfer rannten an ihm vorbei. Ein paar stürzten sich auf die Reiter, andere liefen auf Béccs Speerträger zu, und wieder andere lagen regungslos im Gras. Airtres Reiter waren umzingelt. Sie kämpften nur noch ums Überleben, und zum ersten Mal kam Airtre ein hässlicher Gedanke.

Wir werden verlieren. Und wir werden sterben. Doch in der Hitze des Gefechts war das auch egal, und Airtre trat seinem Tier erneut in die Flanken und stürmte wieder in den Kampf.

Airtre hörte den eigenen Atem. Er hörte das Klirren von Stahl auf Stahl, das dumpfe Schlagen von Schwert auf Schild, das Wiehern der Pferde, das Klappern der Hufe und die wilden Schreie der Kämpfer. Und dann hörte er noch etwas anderes. Etwas, das er nicht identifizieren konnte. Ein Schlagen. Schreie. Grölen. Aber nicht in der Nähe, sondern weiter weg.

Airtre hob den Blick und schaute in Richtung des Geräuschs. Die anderen taten es ihm nach. Der Kampflärm verebbte, als die Kämpfer zu sehen versuchten, woher die neuen Geräusche kamen und von wem.

Und dann sah Airtre sie, eine Viertelmeile in Richtung Westen. Es waren die Nordmänner, die in einer langen Reihe den Hang hinunterkamen. Sie bildeten zwar keinen richtigen Schildwall, doch ihre Formation war nicht weit davon entfernt. Sie schlugen mit ihren Waffen auf die Schilde und sangen und brüllten in ihrer hässlichen Sprache, während sie in den Kampf marschierten.

Doch da war kein Kampf mehr. Die Reiter, die Fußkämpfer, alle hatten sich aus dem Kampf gelöst und zogen sich auf ihre Seite des Feldes zurück und beobachteten die Nordmänner.

Airtre war sicher, dass sie alle jetzt das Gleiche dachten: Was werden die Bastarde tun?

Es waren fast einhundert Heiden, mehr als genug, um sowohl Airtres als auch Béccs Männer zu erschlagen. Und sie rückten immer weiter vor, langsam zwar, aber gnadenlos.

Tipraite ritt neben Airtre und nickte zu den Heiden. »Sind das unsere Nordmänner? Die, die wir hier treffen wollten?«, fragte er.

»Ich glaube, schon«, antwortete Airtre. »Aber ich weiß es nicht.«

»Werden sie mit uns kämpfen oder auf Béccs Seite?«, fragte Tipraite als Nächstes.

»Auch das weiß ich nicht«, sagte Airtre. Er schaute sich um. Bécc hatte seine Männer zu dem Wäldchen zurückgezogen, aus dem sie gekommen waren. Die Nordmänner rückten noch immer vor, schlugen auf ihre Schilde und brüllten. Bevor die Heiden gegen Bécc und dessen Männer kämpfen würden, das verstand Airtre, mussten sie erst einmal wissen, wer wer war und wer hier gegen wen kämpfte. Das aber würden sie in diesem Moment wohl kaum feststellen können. Außerdem war es durchaus möglich, dass die ungläubigen Bastarde die Seiten gewechselt hatten, denn dafür waren sie bekannt. Vielleicht standen sie ja nun auf Béccs Seite.

»Was auch immer die verdammten Heiden tun werden, ich denke, wir sollten nicht warten, bis wir es herausfinden«, erklärte Airtre. »Sammle die Männer. Lass uns von diesem gottverdammten Ort verschwinden, solange wir noch können.«