Groß sei dein Gewinn, wenn du lernst;
Doch bitte ich dich, achtsam zu sein, nicht ängstlich;
(Wachsam vor allem mit dem Biere und dem Weib
eines anderen.
Und zum dritten sei wachsam, auf dass ein Dieb
dich nicht täusche.)
LIEDER-EDDA
Der Ire, der den Wagen und die vier Männer anführte, hörte auf den Namen Cathal, und er erwies sich als der gesprächigste Mann, den Harald je in diesem Land getroffen hatte.
Während Harald gierig in das Brot und das Räucherfleisch gebissen hatte, das ihm die Iren gegeben hatten, hatte Cathal ihm einen Vortrag über die Gefahren der Straße gehalten, auf der sie unterwegs waren. Er war weitschweifig auf die Banditen, Wölfe und Plünderer, Iren und andere, vor denen man sich hüten musste, zu sprechen gekommen. Dann hatte er sich über das Wetter ausgelassen und darüber, wie schrecklich es war, zumal auf der Reise, und wie wenig man ihre Mühen in Ferns zu schätzen wusste.
Harald aß. Es fiel ihm jedoch recht schwer, das zähe Frühstück zu kauen, und so war er dankbar, als Cathal ihm einen Krug Bier anbot. Mehrere Fragen trieben Harald um. Warum reisten diese Leute auf der Straße nach Ferns hin und her? Was war ihre Aufgabe? Wo genau gingen sie hin, und warum gab es hier draußen so viele Banditen? Dabei gab es hier doch nichts von Wert … Oder etwa doch?
Aber Harald fragte nicht. Er wollte nicht neugierig erscheinen, und er wollte Cathal auch nicht ermutigen, immer weiter zu plappern. Kurz darauf hatte er gegessen – zumindest genug, um sich zu sättigen –, und dann waren sie wieder auf dem Weg.
»Du bist also in Dubh-Linn aufgewachsen, ja?«, fragte Cathal.
»Ja. Meine Heimat liegt irgendwo nördlich davon, in der Nähe von Tara. Dort hat man mich auch gefangen genommen. Seitdem habe ich die meiste Zeit in Dubh-Linn gelebt, es sei denn, wir sind auf Wiking gefahren.«
»Wirklich?«, erwiderte Cathal. »Ha! Ich hätte nie gedacht, mal mit jemandem zu reden, der auf Wiking gefahren ist. Wie ist Dubh-Linn so? Ist es wirklich so groß, wie man sagt?«
Harald beschrieb ihm Dubh-Linn: die überfüllten Straßen, die Händler, die große Methalle und die kleineren Hallen der Edelleute auf den Hügeln. Er erzählte auch von den Docks und den Langschiffen und Kauffahrern, die dort vertäut waren. Beschrieb die Männer aus dem Frankenland, aus Friesland, aus Wessex und aus all den Ländern der Nordmänner, die entweder zum Plündern kamen oder um in der Stadt Handel zu treiben.
Und was er beschrieb, entsprach zum größten Teil der Wahrheit. Nur ein paar Sachen erfand er einfach so, doch Cathal und die anderen schienen auch das zu genießen. Die Iren staunten über Haralds Geschichten, und dem jungen Mann wurde bewusst, dass diese Leute Ferns und das Umland nie verlassen hatten.
»Und ihre Frauen?«, fragte Cathal. »Die Nordmänner und all die anderen Fremden … Bringen die auch ihre Frauen mit?«
»Ein paar, ja«, antwortete Harald. »Aber die meisten Frauen in Dubh-Linn sind Iren. Wie ich. Ein paar waren Sklavinnen, die ihre Herren geheiratet haben, und manche sind aus anderen Gründen in den Longphort gekommen, bevor auch sie sich einen Nordmann zum Gatten nahmen.«
»Und die Leute um Dubh-Linn herum? Bringen die Waren, damit man sie jenseits des Meeres verkaufen kann? Ihre Schafsfelle und Wolle?« Allein die Vorstellung, dass diese Dinge, die so typisch für Irland waren, in Friesland, dem Reich der Franken oder in Hedeby und Birka verkauft werden könnten, schien diesen Männern nahezu unbegreiflich zu sein.
»Ja«, antwortete Harald. »Schiffe kommen und fahren ständig, wenn die Jahreszeit es erlaubt.«
Natürlich bildeten Schafsfelle und Wolle nur einen kleinen Teil dessen, was auf die Märkte in Übersee verschifft wurde. Die wichtigste Handelsware in Dubh-Linn waren Sklaven, irische Sklaven, doch das erwähnte Harald nicht. Er hatte das Gefühl, als würde Cathal langsam mit ihm warm, auch wenn der Ire vielleicht immer noch vermutete, dass er es mit einem echten Nordmann zu tun hatte. In jedem Fall wollte Harald nichts Falsches sagen, obwohl die Iren selbst genauso sehr vom Sklavenhandel profitierten wie die Nordmänner.
Die Sonne stieg immer höher. Zwar war der Himmel nach wie vor bewölkt, aber es war schon deutlich heller als letzte Woche, und die sechs Männer mit ihrem Karren kamen langsam, aber gut voran. Die Straße führte über Hügel hinweg, die langsam immer höher wurden. Schließlich erreichten sie einen Punkt, wo eine Furt durch einen kleinen Fluss von vielleicht zwanzig Fuß Breite führte, und die Männer wateten knietief durch das kalte Wasser.
»Was ist das für ein Fluss?«, fragte Harald.
»Das ist die Bann«, antwortete Cathal. »Sie fließt direkt an Ferns vorbei. Wenn sie hier oben tiefer wäre, könnten wir sie bis zum Kloster befahren. Dann müssten wir uns auch nicht mehr mit diesem verdammten Gaul abgeben, bei Gott.«
Sie marschierten weiter, und Cathal mochte Haralds Versprechen ja vergessen haben, sie zu beschützen, Harald aber nicht. Wachsam schaute er in jeden Hain, an dem sie vorbeikamen, und in jeden Graben, in dem Banditen sich verstecken konnten. Nichts. Nur einmal sah er in der Ferne einen kleinen Rath und Menschen auf den Feldern, doch die achteten nicht auf die Reisenden.
Dieser Cathal ist wohl einfach nur übervorsichtig, schloss Harald. Er sah keinerlei Zeichen für Gefahr, und er konnte sich auch nicht vorstellen, warum sie jemand überfallen und ausrauben sollte. Schließlich hatten sie nur ein wertloses altes Pferd und einen klapprigen Karren. Erneut dachte er darüber nach, Cathal zu fragen, wo sie hingingen und was sie in ihrem Wagen nach Ferns transportierten, doch erneut verzichtete er darauf. Er hatte noch immer Angst, dass die Iren seiner Neugier mit Misstrauen begegneten.
»Nicht mehr lange«, sagte Cathal und nickte die Straße hinauf. »Nur noch über die Anhöhe da, dann werden wir es sehen.«
Dann werden wir was sehen?, fragte sich Harald. Cathal redete, als gehe er davon aus, Harald wisse, wo sie hinwollten.
Sie trotteten den Hügel hinauf, erreichten die Kuppe, und Cathal sagte: »Da.«
Harald hatte keine Ahnung, was er hätte erwarten sollen, doch das, was er nun sah, beeindruckte ihn nicht im Mindesten. Der Fluss, den sie überquert hatten, die Bann, hatte sich von der Straße weg und außer Sicht gewunden, doch jetzt kam er wieder zurück und traf sich gut eine halbe Meile entfernt erneut mit der Straße. Zwei Hütten standen dort, rund und mit den typisch irischen Reetdächern. Sie wurden jedoch nicht von einem Ringwall gesichert, und das war ungewöhnlich. Eine Rauchfahne stieg aus einer der Hütten empor, und daneben waren ein paar Pferde angebunden.
»Hmmm … sehr schön«, sagte Harald. Was anderes fiel ihm nicht ein.
Cathal zuckte mit den Schultern. »Das Dach ist dicht«, erklärte er. Etwas Besseres gab es zu diesem Ort wohl nicht zu sagen.
Sie gingen weiter die Straße hinunter, und ein paar Augenblicke später sagte einer der anderen Iren: »Ich weiß ja nicht, was diese faulen Hurensöhne so treiben, aber arbeiten tun sie jedenfalls nicht.«
Tatsächlich schien niemand hier zu arbeiten. Es war auch kein Mensch zu sehen. Harald konnte sich nicht länger beherrschen. »Wer wohnt denn da? Und von was für Arbeit redet ihr?«, fragte er.
»Nun, wir haben ein halbes Dutzend von diesen Bastarden hier oben gelassen, und sie sollten halt was tun. Arbeiten, weißt du?«, antwortete Cathal, doch das erklärte gar nichts.
»Nun, ein paar von denen sehen aus, als hätten sie beschlossen, ein Nickerchen zu machen«, bemerkte Harald und deutete nach vorne.
»Was?«
»Na, da!« Harald streckte die Hand noch ein wenig weiter aus. »Offenbar sind die beiden da auf dem Feld eingeschlafen.« Ein paar Dutzend Schritt von der nächsten Hütte entfernt sah man zwei Männer im Gras liegen. »Siehst du die nicht? Da drüben.«
Cathal hielt an, und die anderen taten es ihm nach. Der Mann auf dem Kutschbock zügelte das Pferd. »Sie schlafen?« Cathal drehte sich zu seinen Leuten um. »Seht ihr die auch da drüben?«
Die anderen Männer nickten. Noch vor einem Augenblick hatten sie gelangweilt und müde gewirkt, doch jetzt waren sie sichtlich angespannt. Sie hatten Angst.
»Was ist?«, fragte Harald.
»Es ist nur … Ich glaube nicht, dass die beiden schlafen«, erwiderte Cathal.
Harald schaute von Cathal zu den beiden Männern auf dem Feld, und sie sahen in der Tat nicht so aus, als hätten sie sich zum Schlafen hingelegt, sondern mehr wie Tote, die man dort erschlagen hatte.
»Lasst uns schnell von hier verschwinden«, sagte einer der Iren, und die anderen wichen einen Schritt zurück. Harald fühlte, dass seine Begleiter kurz davorstanden, die Flucht zu ergreifen.
»Wartet mal«, sagte Harald und hob die Hand. »Sollen wir nicht nachsehen, was da passiert ist?«
»Wer auch immer das getan hat, könnte noch in der Nähe sein«, erwiderte Cathal.
»Ja, genau«, sagte Harald. Erst da erkannte er, dass das genau der Grund dafür war, warum Cathal von hier verschwinden wollte. Harald drehte sich um, schaute Cathal an und runzelte die Stirn. »Nun, ihr könnt ja hierbleiben, wenn ihr wollt, aber ich habe euch versprochen, euch zu beschützen. Also werde ich jetzt gehen und nachsehen, was da los ist. Da könnte noch jemand leben.«
Cathal schaute zu den anderen zurück. Er seufzte. »Na schön. Gehen wir. Wir können die armen Bastarde wenigstens ordentlich begraben.«
»Gut«, sagte Harald. »Wenn die Banditen noch hier sind, dann haben sie uns vermutlich längst gesehen. Gehen wir weiter, als hätten wir keinen Verdacht geschöpft. Versteckt eure Knüppel, aber haltet euch bereit, sie schnell zu ziehen.«
Die Iren nickten. Harald ging zum Wagen zurück, zog sich hinauf und legte sich auf die Ladefläche. Sie war voller Kies. Fast sah es so aus, als hätten Cathal und seine Männer Steine von Ferns hierhergebracht. Seltsam.
»Was machst du da?«, fragte Cathal.
»Meine Kleidung. Damit falle ich nur auf«, antwortete Harald. »Ich will nicht, dass sie mich sehen. Gib mir Bescheid, wenn ihr auf gut hundert Fuß an das erste Gebäude herangekommen seid.«
»Verstanden«, knurrte Cathal, und sein Tonfall ließ vermuten, dass er glaubte, Harald wolle sie irgendwie übers Ohr hauen.
Sie zogen weiter. Der Wagen rumpelte über den unebenen Untergrund. Harald drehte sich auf den Rücken und schaute zu den Wolken hinauf. Die Fahrt dauerte länger, als er gedacht hatte.
Dann hörte er Cathals Stimme. »Die Hütte ist jetzt gut hundert Fuß entfernt. Sollen wir hier anhalten?«
»Nein«, antwortete Harald. »Ich werde hinten rausspringen. Ich hoffe, dass sie noch da sind und uns überraschen wollen.«
»Und was sollen wir dann tun?«, fragte Cathal.
»Wir drehen den Spieß um und überraschen sie«, antwortete Harald. »Haltet euch einfach bereit, und drescht auf jeden ein, der in eure Nähe kommt.« Und mit diesen Worten kroch er zum hinteren Ende der Ladefläche, schob sich über die Kante und ließ sich auf die Straße fallen. Dort duckte er sich, so tief er konnte.
Der Wagen rollte weiter, und Harald folgte ihm gebückt. Nachdem sie die Entfernung zur Hütte noch einmal halbiert hatten, rannte er nach links und drückte sich an die Lehmwand.
Die Hütte hatte keine Fenster, nur eine Tür. Die Banditen hatten den Wagen ja vielleicht aus der Ferne entdeckt, aber sie hatten ihn nicht mehr beobachten können, als er näher gekommen war. Vermutlich waren sie hinter der Tür geblieben und hatten gelauscht.
Mit dem Rücken an der Wand schob Harald sich langsam nach vorne. Gerne hätte er sich hinter einer Ecke versteckt, doch die Hütte war rund, und so gab es auch keine Ecken. Also schob er sich so nah an die Tür heran, wie er es wagte, und wartete.
Harald legte leicht den Kopf auf die Seite und lauschte, doch er hörte nur das Knarren des Wagens und das leise Klappern der Pferdehufe. Und dann bewegte sich etwas zu seiner Linken.
Drei Männer traten aus dem dunklen Inneren der Hütte, verteilten sich und rückten ein paar Schritte auf den Wagen zu. Ihre Kleidung war zerlumpt und verdreckt, und sie trugen keine Schuhe. Harald konnte ihre Gesichter nicht sehen, aber langes, fettiges Haar, wild und ungekämmt.
Und sie waren bewaffnet, in gewisser Weise. Der Mann in der Mitte hielt ein Sax in der Hand, allerdings sah die Klinge nicht gut aus. Der Mann rechts von ihm, der Harald am nächsten stand, hielt einen Speer, und der links hatte ein langes Messer in der rechten Hand und in der linken einen Knüppel.
Banditen …, dachte Harald. Er war früher schon auf solche halbwilden Männer getroffen, die keinem Herrn verpflichtet waren und durch das Land streiften, um sich auf Kosten anderer zu bereichern oder auch nur etwas zu essen zu finden. Solche Männer waren bösartiger als jede Bestie.
Cathal blieb stehen und hob die Hand, sodass auch die anderen anhielten.
»Wer zum Teufel seid ihr?«, verlangte Cathal zu wissen. Seine Stimme brach ein wenig. Allmählich breitete sich Panik in ihm aus. Kühner geworden, traten die Banditen einen weiteren Schritt vor. Keiner von ihnen drehte sich um oder schaute hinter sich.
»Ich habe gefragt, wer ihr seid. Was habt ihr mit den Männern gemacht?«, sagte Cathal. Jetzt klang seine Stimme schon ein wenig sicherer. Die Banditen antworteten nicht darauf, doch der Mann mit dem Sax trat einen weiteren Schritt vor und hob leicht die Waffe. Die anderen beiden folgten ihm. Cathal und die Iren wichen zurück.
Ich nehme an, mehr müssen sie nicht wissen, dachte Harald. Er richtete sich auf, sprang zwei schnelle Schritte voran und zog Eichenspalter. Er wollte dem Mann, der ihm am nächsten stand, auf die Schulter klopfen, um seine Aufmerksamkeit zu erregen, doch das war gar nicht nötig. Die Banditen hatten die Bewegung im Augenwinkel bemerkt und wirbelten herum.
Harald starrte in das Gesicht des Mannes vor ihm: zerzauster Bart, hässliche Geschwüre und ein vor Überraschung weit aufgerissener Mund. Doch diese Überraschung wich rasch panischer Angst, als Harald das Schwert über die Schulter hob und zuschlug, noch bevor der Mann den Speer gegen ihn richten konnte.
Die Spitze des Schwertes schnitt durch den dünnen Hals des Kerls. Der Bandit hatte gerade etwas brüllen wollen, aber er brachte nur noch ein Gurgeln heraus, als Eichenspalter ihm die Kehle öffnete. Er taumelte zur Seite, doch bevor er auch nur auf die Knie sinken konnte, wechselte Harald die Schwerthand und schnappte sich mit der rechten den Speer.
Jetzt wandte Harald sich dem Mann in der Mitte zu, dem mit dem Sax. Der Kerl stürmte auf ihn zu, die Waffe hoch über den Kopf gehoben. Harald schleuderte den Speer, und mit voller Wucht trafen Waffe und Mann aufeinander.
Der Bandit wurde zurückgeworfen, als wäre er auf Eis gerutscht. Er warf die Arme hoch, der Speer steckte mitten in seiner Brust. Harald verschwendete keinen Gedanken mehr an ihn, sondern richtete seine Aufmerksamkeit stattdessen auf den dritten Mann, den mit Messer und Knüppel.
Doch zu einem Kampf kam es nicht mehr, denn nachdem sie gesehen hatten, wie die beiden Männer zu Boden gegangen waren, fassten Cathal und die anderen Mut. Mit wütenden Schreien stürzten sie sich auf den dritten Banditen, der zwei Schritte zurückwich und sich dann zur Flucht wandte.
Zu spät. Der Mann war bereits in Reichweite von Cathals Knüppel. Die Waffe traf den Kerl an der Schulter und warf ihn zu Boden, und dann waren die anderen über ihm, und Schläge prasselten auf ihn hernieder.
Gut, dachte Harald. Er war froh, sich nicht mehr um den da kümmern zu müssen, denn er hegte keinerlei Zweifel daran, dass hier noch mehr von ihnen waren. Er drehte sich um und stürmte in die Hütte, aus der die Banditen gekommen waren. Rasch schaute er sich im Zwielicht um. Die einzige Lichtquelle waren die Sonnenstrahlen, die durch die Tür fielen. Harald sah nichts, keine Bewegung und niemanden in den Schatten.
Schreie drangen von draußen zu ihm herein. Das sind Cathals Männer, dachte er, aber auch andere. Harald lief wieder hinaus. Aus der zweiten Hütte waren zwei weitere Männer gekommen, und sie trugen die gleichen zerlumpten und verdreckten Kleider wie die anderen, die sie bereits erledigt hatten. Schreiend stürmten sie auf die Iren zu. Einer hielt einen Speer, der zweite eine Axt, wie Holzfäller sie benutzten.
Cathal und die anderen standen noch immer über der Leiche des Banditen, den sie zur Strecke gebracht hatten. Sie starrten in Richtung der neuen Bedrohung, doch sie waren viel zu erschrocken, als dass sie reagiert hätten. Für Harald galt das nicht. Mit einem Kriegsschrei auf den Lippen rannte er los und überbrückte rasch die vierzig Fuß, die ihn von den Banditen trennten.
Er hob Eichenspalter auf Schulterhöhe, bereit, den Mann mit dem Speer genauso zu erledigen, wie er es bei dem anderen getan hatte; doch dann tat der Bandit etwas, womit Harald nicht gerechnet hatte: Er blieb stehen und schleuderte den Speer.
Harald lief noch immer, als ihm klar wurde, dass die Waffe genau auf seinen Bauch zuflog. Er grunzte überrascht und wand sich. Das war das Einzige, was er in diesem Augenblick tun konnte. Er biss die Zähne zusammen und bereitete sich auf den Aufprall vor, doch der Speer verfehlte sein Ziel, wenn auch nur knapp. Er streifte den Bauch nur; dennoch floss Blut.
Trotz des brennenden Schmerzes rannte Harald weiter. Es tat richtig weh, doch Harald wusste, dass die Wunde nicht allzu tief sein konnte. Jedenfalls hielt sie ihn nicht auf. Der Bandit, der jetzt keine Waffe mehr hatte, blieb einfach stehen und überließ es dem Mann mit der Axt, sich Harald auf freiem Feld zu stellen. Harald hielt an. Der Axtschwinger war fast bei ihm.
Der Bandit fletschte schwarze Zähne. Er schwang die Axt in weitem Bogen, doch Harald konnte der verrosteten Klinge leicht ausweichen. Dann schlug er mit Eichenspalter nach dem Arm des Mannes. Er zielte direkt auf den Ellbogen.
Haralds Klinge war furchtbar scharf und durchtrennte mühelos den Arm des Wegelagerers. Arm und Hand fielen mitsamt Axt zu Boden, während der Mann, dem sie gehörten, sie mit großen Augen anstarrte und das Blut aus seinem Stumpf schoss.
Als der derart entwaffnete Bandit schließlich zu schreien begann, war Harald bereits an ihm vorbei und stürzte sich auf den letzten Mann, den, der den Speer nach ihm geworfen hatte. Der Mann wich zurück und hob die Hände, als wolle er sich so schützen oder um Gnade flehen.
Er erreichte nichts von beidem. Der Schmerz an Haralds Bauch brannte immer mehr, und Harald wusste, dass es noch weit schlimmer werden würde. Vielleicht würde die Wunde sich sogar entzünden und ihn doch noch umbringen. Harald dachte über all das nach, während er Eichenspalter so drehte, dass die Klinge mit Leichtigkeit zwischen die Rippen passen würde, und das tat sie auch.
Schließlich riss Harald das Schwert heraus und drehte sich um. Wieder hatten Cathal und die anderen ihren Mut gefunden und droschen mit ihren Knüppeln auf den Einarmigen ein. Harald verzog das Gesicht, als ihn eine Welle von Schmerz überrollte, doch das hielt nicht lange an, und als es vorbei war, ging er zu den Iren. Sie hatten ihr Werk beendet.
»Harald!«, sagte Cathal. Er grinste von einem Ohr zum anderen, doch dann legte sich Sorge auf sein Gesicht. »Glaubst du, da sind noch mehr von ihnen?«
»Nein«, antwortete Harald. »Die wären schon lange rausgekommen. Es sei denn, hier gibt es noch ein anderes Versteck, wo sie sein könnten.«
»Nun ja … Das könnte sein …«, erwiderte Cathal widerwillig.
»Und wo?«, verlangte Harald zu wissen.
»Also, das hier ist eine Mine. Eine Eisenmine. Der eigentliche Bergbau findet noch ein gutes Stück weiter flussaufwärts statt. Das machen wir hier. Wir graben nach Eisenerz und bringen es nach Ferns, wo es geschmolzen und von den Schmieden verarbeitet wird.«
»Eine Eisenmine?«
»Ja«, bestätigte Cathal. »Und noch dazu eine wichtige. Das hier ist die Mine von Sankt Aiden.«