Prolog

Die Saga von Thorgrim Ulfsson

Einst lebte ein Mann mit Namen Thorgrim Ulfsson, der auch als Thorgrim Nachtwolf bekannt war, denn manche hielten ihn für einen Gestaltwandler, der des Nachts bisweilen Wolfsgestalt annahm. Thorgrim lebte an einem Ort mit Namen Vik im Lande Norwegen, das später unter Harald Schönhaar vereint werden sollte.

Sein Vater war Ulf Ospaksson, und Thorgrim wuchs auf einem Bauernhof auf. Er war ein guter Bauer. Doch auch wenn er hart auf dem Land seines Vaters arbeitete, war seine Liebe zum Schiffsbau weit größer als die zum Ackerbau. So nutzte er jede Gelegenheit, den Schiffsbauern in seinem Dorf zu helfen, und derer gab es viele. Dabei lernte Thorgrim viel über den Umgang mit Axt, Deichsel und Bohrer. Er lernte, Eiche und Kiefer zu formen und Taue zu knüpfen und zu spleißen. All das eignete er sich schon in frühen Jahren zusammen mit dem Gebrauch von Waffen an. Letzteres erwartete man von allen Jünglingen.

Als Thorgrim zu einem jungen Mann herangereift war, wurde er Hirdman eines Jarls mit Namen Ornolf, der auch als Ornolf der Rastlose bekannt war. Thorgrim begleitete Ornolf auf vielen Plünderfahrten, und schon bald wurde er vom Hirdman zum zweiten Mann hinter dem Jarl erhoben, was große Verantwortung mit sich brachte. Dieses Arrangement gab Ornolf mehr Zeit zum Essen und Trinken sowie für Frauen, die er allem anderen vorzog. In dieser Zeit erwies sich Thorgrims Können als Schiffsbauer immer wieder als genauso wertvoll wie seine Fertigkeiten mit Schwert und Schild.

Nach einigen Jahren war Thorgrim in Ornolfs Diensten reich geworden. Er kaufte sich einen eigenen Hof, und mit Ornolfs Segen heiratete er eine von dessen Töchtern, eine liebreizende Frau mit Namen Hallbera. Sie führten eine gute Ehe und lebten in Wohlstand, und Hallbera schenkte Thorgrim drei Kinder: einen Sohn mit Namen Odd, einen weiteren mit Namen Harald und eine Tochter mit Namen Hild. Alle drei waren gesund und stark und bereiteten Thorgrim große Freude.

Dann, als Hallbera schon älter war, wurde sie wieder schwanger, doch sie starb im Kindbett, und Thorgrim wurde von großer Trauer übermannt. Zu dieser Zeit waren Odd und Hild bereits verheiratet, und Harald und das Neugeborene, das Thorgrim nach seiner Mutter Hallbera nannte, waren die einzigen Kinder, die noch daheim lebten. Getreu seinem Namen war Ornolf der Rastlose begierig darauf, wieder auf Wiking zu fahren, und obwohl Thorgrim seinen Hof nicht mehr hatte verlassen wollen, erklärte er sich nach dem Tod seiner Frau bereit, ihn zu begleiten. Sein Sohn Harald wollte ebenfalls gehen. Der Junge war erst fünfzehn Jahre alt, aber breit und stark und ausgesprochen geschickt im Umgang mit Waffen, denn er übte damit, wann immer er konnte, und Thorgrim erlaubte ihm, sie zu begleiten.

Ornolf versammelte eine Mannschaft für sein Schiff Roter Drache, und sie segelten zum Land der Pikten und von dort über das Meer nach Irland. Das war im Jahr 852 nach dem christlichen Kalender, als Olaf der Weiße die Dänen aus Dubh-Linn vertrieb. In Irland erwarteten sie viele Abenteuer, sowohl unter den Iren als auch mit den anderen Nordmännern, die zu jener Zeit in großer Zahl nach Irland segelten. Obwohl sie anfangs nur einen Sommer lang hatten plündern wollen, blieben sie mehrere Jahre auf der Insel. In dieser Zeit wurde Ornolf der Rastlose getötet, und Thorgrim Nachtwolf wurde zum Anführer der Männer und kurz darauf Herr eines Longphorts mit Namen Vík-ló.

Einer der Krieger Thorgrims war ein Mann mit Namen Starri, der als Starri der Unsterbliche bekannt war. Nun war Starri ein Berserker, ein Auserwählter der Götter, der Wildeste in der Schlacht, und er verstand Dinge, die andere nicht verstehen konnten. Starri war sicher, dass Thorgrim ebenfalls von den Göttern auserwählt worden war und dass die ihm erst gestatten würden, Irland zu verlassen, wenn sie die Lust dazu verspürten. Thorgrim glaubte diese Worte zunächst nicht, doch jedes Mal, wenn er versuchte, die Insel hinter sich zu lassen, wurde er wieder zurückgeworfen, und so dauerte es nicht lange, da betrachtete er Starris Worte als wahr.

Im Frühling ihres dritten Jahres in Irland beschloss Thorgrim, von Vík-ló fortzusegeln, um an der irischen Küste auf Plünderfahrt zu gehen. Dort stieß er auf einen friesischen Kaufmann mit Namen Brunhard, einen ebenfalls sehr guten Seemann. Eine Zeitlang verfolgte Thorgrim den Friesen in der Hoffnung, ihn zu stellen und seine Schiffe zu plündern, doch Brunhard entwischte ihm immer wieder, was Thorgrim äußerst wütend machte. Schließlich gelang es ihm dann doch, Brunhard in die Falle zu locken, aber just in diesem Augenblick kam ein großer Sturm auf, der Thorgrims und Brunhards Schiffe an die Küste trieb, wo sie schwer beschädigt wurden. Einige wurden sogar zerschmettert.

Wieder einmal hatten die Götter Thorgrim und seine Männer an die irische Küste zurückgeworfen und sie blutend am Strand zurückgelassen. Und wieder einmal schwor Thorgrim Nachtwolf sich, er würde immer weitermachen, so lange, bis die Götter ihm endlich gestatteten, nach Hause zurückzukehren.

Und davon erzählt diese Geschichte …