Kapitel 3

Und sie tadelten ihn mit bösen Worten, dass er sie töten
und der Fluch der Fin Gall auf ihn fallen würde.

DIE ANNALEN DER VIER MEISTER

Sie gingen in Richtung Süden am Strand entlang. Der Sand war ungewöhnlich fein und weich, sodass sie dicht an der Brandung entlangmarschierten, wo der Untergrund härter war und das Gehen nicht so anstrengend. Dabei regnete es immer weiter, mal mehr, mal weniger.

Sie waren zu sechst, Thorgrim Nachtwolf und die Handvoll, die er ausgewählt hatte, um ihn zu begleiten. Vali und Armod, die schon einige Zeit bei Thorgrim waren, gehörten ebenso dazu wie Gudrid und ein Mann mit Namen Onund. Letztere waren ursprünglich Teil von Grimmars Heerschar gewesen, doch inzwischen hatten sie sich als gute, zuverlässige Männer erwiesen.

Failend war die sechste. Sie war auf eine Art gekleidet, wie Thorgrim es nur selten bei ihr gesehen hatte. Sie trug Rock und Hemd, das Kleid einer Irin, und nicht Hemd und Hose der Nordmänner wie sonst. Im strömenden Regen glich sie einer Kreatur des Waldes, die ertrunken und ans Ufer gespült worden war.

Failend war dabei, weil Thorgrim ihre Gesellschaft genoss, weil sie Irin war und weil Thorgrim glaubte, eine Übersetzerin zu brauchen, der er vertrauen konnte. Harald beherrschte die Sprache zwar auch leidlich, aber nicht perfekt. Sollte es jedoch zu Verhandlungen kommen, wollte Thorgrim jemanden an der Seite haben, der auch die Feinheiten der Sprache seines Gegenübers verstand, und das hieß, er brauchte jemanden mit Irisch als Muttersprache.

»Ich sehe, wie das Land da drüben abfällt«, sagte Thorgrim und deutete den Strand hinunter. Die anderen blinzelten. Gut eine Meile entfernt schien der Strand abrupt aufzuhören, als hätte das Meer ein Stück herausgerissen und eine meilenlange Lücke zwischen diesem Teil des Ufers und dem anderen hinterlassen, das jenseits davon zu erkennen war. Das mochte durchaus eine Flussmündung sein, war vielleicht aber auch nur eine breite Bucht. Um das herauszufinden, gab es nur eine Möglichkeit: Sie mussten dort hingehen.

Failend, die neben Thorgrim ging, hob eine Ecke ihres Rocks und presste das Wasser heraus, eine sinnlose Geste, doch das schien ihr ein wenig Befriedigung zu verschaffen.

Sie hatten ausführlich über die Kleidung diskutiert und darüber, auf wen oder was sie wohl treffen würden. Sollte es da wirklich ein Kloster geben, würde Failend für sie sprechen müssen. Sie konnten die Christenpriester niemals davon überzeugen, dass Failend eine Nordfrau war. Ihr Akzent würde sie sofort verraten. Und einer bewaffneten Irin, die wie ein Nordmann gekleidet war, begegneten die Priester sicher nicht freundlich. Aber was sollte sie dann spielen? Eine Sklavin? Eine Kriegsgefangene der Heiden? Das würde zumindest ihr Mitgefühl erregen.

Also hatten sie sich für eine Irin im Kleid entschieden. Failend watete zur Meereshammer hinaus, kletterte über die Bordwand und kramte ein paar ihrer alten Kleider aus der Seekiste, die noch immer an Deck vertäut war.

Failend hatte allerdings darauf bestanden, ihr Sax tragen zu dürfen. Unbewaffnet, so argumentierte sie, würde sie keine große Hilfe sein, sollte es hart auf hart kommen. Doch das war ein schwaches Argument. Thorgrim kannte den wahren Grund für Failends Wunsch: Wie die Nordmänner liebte diese Frau einfach das Gefühl einer Waffe an ihrer Seite. Ohne fühlte sie sich nackt. Doch jetzt sollte sie eine Sklavin spielen, und Sklaven trugen keine Waffen am Gürtel; also hatte sie widerwillig zustimmen müssen, ihre Klinge zurückzulassen.

Sie erreichten den Ort, wo das Land zu enden schien, und folgten dem Strand nach Westen. Eine breite Bucht öffnete sich vor ihnen. Aufgrund des Regens konnte man nicht weit sehen, doch das andere Ufer schien gut vier Meilen entfernt zu sein.

Ob das nun einfach nur eine Bucht oder tatsächlich eine Flussmündung war, vermochte Thorgrim nicht zu sagen. Aber er sah Sandbänke im Wasser, und solche Sandbänke deuteten häufig auf Flüsse hin, und das machte ihm Mut.

»Das wird ziemlich kompliziert«, bemerkte Gudrid, und Thorgrim grunzte zustimmend. Tatsächlich war es mehr als nur kompliziert, ein Schiff durch diese Art von Flachwasser zu bringen.

»Man muss sich langsam vorantasten, Zoll für Zoll«, erwiderte Thorgrim.

Sie gingen zum Nordrand der Bucht weiter, und als das Ufer nach Westen abbog, blieben sie stehen. Vom Rand des Wassers stieg der Strand gut hundert Schritt sanft an, um dann plötzlich steil in die zwanzig Fuß hohen Sanddünen überzugehen, auf denen hohes Gras wie eine Palisade wuchs.

Die Blicke der Männer wurden jedoch von einer Reihe unidentifizierbarer dunkler Formen in der Ferne angezogen; vielleicht ein halbes Dutzend Schemen, die über den Strand verstreut waren. Sie spekulierten darüber, was das wohl sein mochte, doch erst als sie knapp fünfzig Fuß davon entfernt waren, erkannten sie es als Curragh, mit Leder bespannte, irische Boote. Gegenüber den Curragh sah Thorgrim eine Lücke zwischen den Dünen, die vielleicht natürlichen Ursprungs, unter Umständen aber auch von Menschenhand geschaffen war. Er deutete dorthin und führte die Männer und die beiden Frauen durch die Lücke und in das Land dahinter.

Die sechs ließen ihren Blick über das flache Marschland schweifen, das sich vor ihnen erstreckte. Da waren Felder, die im Sonnenschein sicher grün strahlten; doch bei diesem Wetter wirkten sie nahezu farblos, wie ein Teppich aus Tannennadeln. Bäche schlängelten sich durch die Felder, und Vogelschwärme flatterten an Stellen auf oder landeten dort, wo das Wasser sich in großen Teichen sammelte.

Doch die Nordmänner betrachteten nichts von alldem. Gut eine Meile von der Lücke zwischen den Dünen entfernt lag das Kloster.

»Offenbar hat Conandil recht gehabt«, sagte Thorgrim. Von ihrem Aussichtspunkt aus konnten sie den Erdwall erkennen, der den Ort umschloss, ohne Zweifel ein Ringwall. Aber viel mehr war nicht zu sehen, nur ein großes Steingebäude mit hohem, spitzem Dach und einem Turm an einem Ende. Das war eine christliche Kirche und eine große noch dazu.

Es gab auch noch andere Gebäude, runde Häuser mit Reetdächern, wie sie für die Iren typisch waren, und ein paar rechteckige Gebäude, die vermutlich zum Kloster gehörten. Trotz des Regens konnte man erkennen, dass aus den Gebäuden Rauch aufstieg, ein verlockender Anblick in diesem miesen Wetter.

Onund stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich kann mir gut vorstellen, was für Schätze man dort finden kann«, sagte er.

»Nein«, erwiderte Thorgrim. »Nicht dieses Mal.«

Thorgrim ging die Düne hinunter voran und über den verschlammten Pfad; ein weit unangenehmerer Untergrund als der feste Sand am Strand. Sie liefen an Marschfeldern und Teichen vorbei, auf denen Hunderte von Enten und anderen Wasservögeln schwammen.

Erst gut hundert Fuß vor dem Tor wurden sie angesprochen. Eine Stimme rief ihnen etwas entgegen. Der Rhythmus der Worte war vertraut, doch sie selbst klangen vollkommen fremd in Thorgrims Ohren. Durch den Regen hindurch konnte er nur den behelmten Kopf eines Wachmanns auf dem Erdwall als Sprecher ausmachen.

Die Männer blieben zurück, und Failend trat vor. Sie wusste, was sie zu sagen hatte. Sie und Thorgrim hatten sich das auf dem Weg überlegt.

Failend und der Wächter riefen sich abwechselnd zu; dann drehte sie sich um und kehrte wieder zu Thorgrim zurück. »Er hat nach jemandem geschickt, der mehr zu sagen hat«, berichtete sie. Damit hatte Thorgrim gerechnet. Der Mann, der das Tor bewachte, entschied nie, wer hereingelassen wurde und wer nicht.

Kurz darauf erschienen weitere Köpfe über dem Wall, nur diesmal trugen sie keine Helme, sondern die Kapuzen der Kutten von Christenmännern. Failend ging wieder zu ihnen, hörte sich an, was sie zu sagen hatten, und kehrte zurück.

»Sie fragen: ›Woher sollen wir wissen, dass das keine List der Heiden ist?‹«

»Sag ihnen, sie können sich ruhig umschauen, über Meilen hinweg. Da ist kein Heer, das ihnen auflauert. Hier sind nur wir: fünf Männer und eine Frau. Gegen solch eine ›Streitmacht‹ werden sie sich ja wohl verteidigen können.«

Failend ging wieder zum Wall und kehrte kurz darauf zurück. »Sie sagen, ihr könnt reinkommen und mit dem Abt reden. Aber zuerst müsst ihr eure Waffen abgeben.«

Thorgrim und die Männer schauten einander an. Das war zwar keine unvernünftige Forderung, aber Nordmänner waren nicht gerne unbewaffnet.

»Sollten wir Waffen brauchen, können wir sie immer noch den armseligen Kerlen abnehmen, die sie Wachen nennen«, warf Vali ein, und die anderen nickten zustimmend.

Failend kehrte noch einmal zum Tor zurück, und einen Augenblick später öffnete sich das schwere Eichentor nach innen, gerade weit genug, dass die Männer hindurchgehen konnten. Einer nach dem anderen traten sie hinein, Thorgrim als Erster. Drinnen wurden sie von Männern in Mönchskutten und einem Dutzend Wachen mit Speeren empfangen. Thorgrim lächelte.

Ich wünschte, wir wären nur halb so furchterregend wie diese Iren uns sehen, dachte er.

Die Männer schnallten ihre Schwertgürtel ab und übergaben die Waffen zwei Priestern. Ein weiterer Priester, ein älterer Mann, dessen Gesicht halb unter einer Kapuze verborgen war, sagte etwas, und Failend übersetzte: »Er sagt, dass ihr eure Waffen später wieder zurückbekommen werdet. Jetzt sollen wir ihm erst mal folgen.«

Der Priester drehte sich um und ging davon, und Thorgrim, Failend und die anderen folgten ihm. Thorgrim ließ seinen Blick über die Gebäude schweifen, den Erdwall, die Felder und die Hütten. Er war auch früher schon in Klöstern gewesen, doch noch nie bei Tageslicht, und er hatte auch nie Zeit gehabt, sich gründlich umzuschauen. Bis jetzt hatten seine Besuche immer drängendere Probleme aufgeworfen.

Sie gingen durch eine Öffnung in einer niedrigen Steinmauer, die mehrere Morgen voller Gebäude umschloss, in deren Mitte die große Steinkirche stand, die sie schon von den Dünen aus gesehen hatten.

»Warum haben die eine Mauer innerhalb des Walls?«, fragte Thorgrim Failend. »Wenn ein Feind den Wall überwindet, hält das kleine Ding ihn auch nicht mehr auf.«

»Das hat nichts mit Verteidigung zu tun«, erklärte Failend. »Das nennt man ein Vallum. Es markiert den heiligen Bereich um die Kirche. Außerhalb dieser Mauer liegen die Felder und Gebäude der Menschen, die nicht zur Kirche gehören, also Bauern, Schmiede und so weiter. Innerhalb des Vallums ist alles Kirche.«

Thorgrim nickte. All diese Männer und Gebäude nur für die Kirche. Die Nordmänner hatten weder Priester noch Kirchen oder dergleichen. Sie beteten zu ihren Göttern in ihren Hallen, und die Zeremonien wurden von denselben Männern geleitet, die sie auch in den Kampf führten. Er schüttelte den Kopf. Wirklich seltsam, dachte er.

Schließlich kamen sie zu einem der kleineren Gebäude, das ebenfalls aus Stein bestand. Es sah aus wie eine kleinere Version der Kirche, nur dass der Turm fehlte. Der Priester führte sie zur Tür, blieb dann stehen und drehte sich zu Failend um. Er sagte irgendetwas, und das offenbar mit Nachdruck.

»Er sagt, dies sei das Haus des Abts, und es sei eine große Ehre für uns, dass er uns hier empfängt. Er fordert, wir sollen uns angemessen benehmen und dem Abt Respekt erweisen.«

Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte es Thorgrim sehr, sehr wütend gemacht, wenn ihm jemand gesagt hätte, wie er sich zu benehmen hatte, doch jetzt konnte er nur lächeln. »Sag ihm, wir werden es versuchen«, bat er Failend. »Aber von Heiden kann man ja nicht viel erwarten.«

Die drehte sich wieder um und sprach mit dem Iren, doch Thorgrim nahm an, dass sie den letzten Teil ausließ. Der Priester nickte, öffnete die Tür und führte sie hinein.

Es war einfach wunderbar, aus dem Regen raus zu sein, und noch viel wunderbarer, ein großes Kaminfeuer vor sich zu sehen. Zwar brannte es am anderen Ende, doch es war groß genug, um den gesamten Raum zu erwärmen. Ein alter Mann saß so nah am Feuer, wie er konnte. Er trug die gleiche, schlichte braune Kutte, wie Thorgrim sie bei allen Christenmännern im Kloster gesehen hatte. Der Kopf, der aus der Kutte ragte, war voller weißer Haare, das Gesicht schmal und faltig, und die Mundwinkel waren nach unten gezogen.

Der Priester führte sie zu einer Bank dem alten Mann gegenüber, und sie setzten sich. Instinktiv machte Thorgrim eine Handbewegung, um sein Schwert zur Seite zu schieben, doch dann erinnerte er sich, dass er keines hatte. Failend hockte sich zwischen dem alten Mann und den Nordmännern auf den Boden.

Der alte Mann sprach zuerst. Thorgrim lauschte aufmerksam auf seinen Tonfall. Seine Stimme klang fest, aber nicht gebieterisch. Der Mann war alt und schien auch ein wenig ängstlich.

»Er fragt, ob wir zu dem Heer von Heiden gehören, das vor zwei Tagen an der Küste gelandet ist«, übersetzte Failend. »Er sagt, er habe geglaubt, da seien mehr von euch.«

»Sag ihm, dass wir unsere Schiffe reparieren müssen. Wir wollen sie in die Bucht bringen, um das dort zu erledigen. Wir suchen keinen Streit, weder mit dem Kloster noch mit den … Wie nennt ihr diese Zwergenkönige noch mal?«

»Rí Túaithe?«, bot Failend an.

»Ja, genau die. Wir wollen Proviant vom Kloster kaufen und vielleicht auch ein paar Eisenwaren, wenn sie denn eine Schmiede haben. Wir haben Silber, tatsächlich gar nicht mal so wenig, und wir sind bereit zu zahlen.«

Failend übersetzte, und Thorgrim war sicher, sehen zu können, wann sie zu dem Wort »Silber« kam, denn der Gesichtsausdruck des alten Abts änderte sich leicht, und seine Schultern strafften sich. Zwar zeigten sich die Gefühle des Mannes nur subtil im Gesicht, doch Thorgrim konnte sie sehen. Der Christenpriester hatte vermutlich noch nie erlebt, dass ein Nordmann mit ihm Geschäfte machen wollte.

Als Failend fertig war, sprach er wieder. »Er will wissen, warum er dir vertrauen sollte, einem Heiden«, übersetzte sie.

Thorgrim griff nach dem Ledersack, den er auf den Boden gestellt hatte. Er öffnete ihn und holte zwei silberne Armringe heraus, einen Bruchteil des Silberschatzes, den er mitgebracht hatte.

»Sag ihm, wenn ich seine Kirche hätte plündern wollen, dann hätte ich das schon längst getan und wäre nicht extra vorher hergekommen. Sag ihm, wir wollen Irland nur verlassen und in unsere Heimat zurückkehren, und wenn er uns ohne Hinterlist hilft, dann wird er sein Land von ein paar hundert Heiden befreien. Und sag ihm auch, dass ich ihm diese Armringe und zwei weitere geben werde, jetzt, als Beweis meines guten Willens.«

Failend übersetzte für ihn. Auf dem Gesicht des alten Abts zeigte sich kaum eine Reaktion. Kurz zuckte sein Blick zu den Armringen, mehr aber nicht. Doch Thorgrim nahm an, dass der alte Mann bereit war, mit ihm zusammenzuarbeiten, denn der Nordmann hatte ihm die Situation wahrheitsgetreu geschildert.

Wenn die Heiden Beggerin hätten plündern wollen, dann wäre das schon längst geschehen, und es gab in der ganzen Gegend niemanden, der sie davon hätte abhalten können. Falls doch, so hätte der alte Mann ihnen das schon längst auf die ein oder andere Art unter die Nase gerieben. Da es ihm jedoch an echten Kriegern mangelte, würde der Abt diesen Handel als einzige Möglichkeit betrachten, einen Angriff auf das Kloster zu verhindern. Wenn man dann noch Silber mit ins Spiel brachte, hatte der Abt auch keinen Grund, den Handel zu brechen und Hilfe bei einem benachbarten Zwergenkönig zu suchen.

Eine Zeitlang blieb der Abt vollkommen regungslos. Er war wie erstarrt. Der Blick seiner blassblauen Augen war auf Thorgrim fixiert und schien sich förmlich in sein Gegenüber zu bohren. Dann nickte er langsam und sagte etwas.

»Der Abt sagt, er stimmt dem Handel zu in der Hoffnung, dass seine Freundlichkeit euch dem einzig wahren Gott näherbringen wird«, übersetzte Failend. Thorgrim nickte, holte zwei weitere Armreifen aus dem Sack und hielt sie hoch. Failend nahm sie und legte sie neben dem Stuhl des Abts auf den Boden. Währenddessen ließ der alte Mann Thorgrim nicht ein Mal aus den Augen.

Kurz schauten sie noch einander an, dann richtete der Abt den Blick auf Failend und sprach. Als er fertig war, antwortete sie ihm, ohne die Worte zu übersetzen, und Thorgrim nahm an, dass sie nun das Gespräch führten, mit dem er und Failend gerechnet hatten. Der Abt hatte Failend gefragt, wie sie zu den Nordmännern gekommen war, und sie erzählte ihm nun, dass sie eine Sklavin und schon lange genug bei den Heiden sei, um ihre Sprache zu verstehen.

Schließlich war sie fertig, doch der Abt schaute sie noch ein wenig länger an, und Thorgrim fragte sich, ob er ihm wohl anbieten würde, Failend zu kaufen oder sie sonst wie zu befreien. Tatsächlich schien der alte Mann mit sich zu ringen, doch dann drehte er sich wieder zu Thorgrim um und sprach.

»Der Abt sagt, es gebe da einen Ort auf der anderen Seite der Flussmündung. Er heißt Loch Garman. Er sagt, dort sei es flach, aber hoch genug, um vor der Flut geschützt zu sein. Er sagt, wenn ihr eure Schiffe in der Bucht reparieren wollt, dann am besten dort.«

»Und ich nehme an, dieser Loch Garman ist weit genug vom Kloster weg«, ergänzte Thorgrim. »Übersetz das bloß nicht. Sag ihm einfach, wir werden uns die Stelle ansehen, und wenn sie unseren Bedürfnissen entspricht, dann werden wir dort unser Lager aufschlagen.«

Failend übersetzte, und der Abt nickte.

»Sag ihm, ich hätte noch eine letzte Frage. Dann gehen wir«, sagte Thorgrim. »Frag ihn, ob sie Weber hier haben. Irgendjemanden, der ein großes Stück Stoff herstellen kann. Egal ob Wolle oder Leinen, aber schwer. Und lang.«

Dieses Problem trieb Thorgrim schon seit dem Moment um, da er erkannt hatte, dass die Götter es ihm ersparten, in der Brandung zu ertrinken. Brunhard hatte das Segel der Meereshammer verbrannt, und zwar dank eines äußerst cleveren Tricks, wie Thorgrim hatte zugeben müssen, nachdem seine erste Wut verraucht war. Thorgrim hatte das Segel der Blutfalke genommen, doch das war gerissen, als Mast und Takelage der Meereshammer heruntergekommen waren, und konnte vermutlich nicht mehr repariert werden.

Was die kleineren Schiffe betraf, Drache und Fuchs, so hatte Harald ihnen die Segel abgenommen und zusammengenäht, sodass sie auf die Blutfalke passten. Aber dieses Segel war ebenfalls zerrissen, als der stürmische Wind sie ans Ufer getrieben hatte. Jetzt hatte Thorgrim eine Flotte von vier Schiffen und verfügte über kein einziges Segel.

Das war ein echtes Problem. Es gab kein Stück Holz an Bord eines der Schiffe, das Thorgrim nicht aus einem Baum herstellen konnte, den er selbst fällte. Und sie hatten jede Menge Nägel und Eisenklammern, um die Planken zu befestigen, und selbst wenn dem nicht so gewesen wäre, so waren Schmiede nicht schwer zu finden. Tatsächlich hatten sogar ein paar Mannschaftsmitglieder Erfahrung darin. Auch verfügten sie über genügend Ersatztaue. Es gab so gut wie nichts an Bord ihrer Schiffe, was Thorgrim und seine Männer nicht ersetzen konnten … außer dem Segeltuch.

Sie hatten keine Webstühle, hatten weder Flachs noch Wolle, Spindeln oder Handkarden, und selbst wenn sie die hätten, so gab es niemanden, der damit umgehen konnte. Auch nicht Failend. Sie war in Wohlstand aufgewachsen und in solchen Dingen dementsprechend keine große Hilfe.

Der Abt hörte der vor ihm kauernden Irin zu und schien kurz darüber nachzudenken. Dann schüttelte er langsam den Kopf. Er sprach, und als er fertig war, drehte Failend sich zu Thorgrim um.

»Der Abt sagt, sie weben hier nur wenig, gerade genug, um ein wenig Kleidung zu machen. Er sagt, weiter die Slaney hinauf – wir sind hier an der Mündung – gebe es ein anderes Kloster mit Namen Ferns. Dessen Weber hätten einen guten Ruf, seien sogar in ganz Irland berühmt für ihre Arbeit.«

»Hmmm«, erwiderte Thorgrim. Er fragte sich, ob das wohl stimmte oder ob der Abt sie einfach nur loswerden wollte, indem er sie nach Ferns weiterschickte. »Stimmt das, Failend? Ist dieses Kloster wirklich in ganz Irland berühmt?«

»Das Kloster von Ferns ist tatsächlich weithin bekannt. Ich habe auch schon von Tuch gehört, das dort gewebt worden ist. Ob es aber wirklich berühmt dafür ist, kann ich nicht sagen.«

Thorgrim nickte. Er würde das Kloster von Beggerin im Auge behalten müssen, um zu sehen, ob der Abt ihn angelogen hatte, was die Weber vor Ort betraf. Und er würde sich auch dieses Kloster in Ferns ansehen müssen. Mehr konnte er nicht tun. Wenn er kein Tuch für neue Segel bekam, waren er und seine Männer dazu verdammt, auf ewig die irische Küste entlangzurudern. Und davon hatte er schon genug gehabt, um zu wissen, dass er diesem Schicksal um jeden Preis entkommen wollte.