13

#89 Gestehe die Wahrheit und akzeptiere, was es bedeutet

Callie

Im Taxi spielt ein seichtes Lied im Radio, in dem der Sänger seine Liebe zu einem Mädchen bekennt, vor der er weggelaufen ist. Ich beneide ihn, weil er es der Welt gestehen kann. Ich hingegen habe eben begriffen, dass ich Kayden eventuell liebe und es ihm niemals sagen kann. Nicht bloß, weil ich mich vor einer Zurückweisung fürchte, sondern weil ich Angst vor dem Ungewissen habe. Ich war noch nie verliebt. Habe Liebe im Grunde nie verstanden. Aber jetzt wird mir klar, dass all die Sorge und der Herzschmerz in mir wohl Liebe sein könnten.

Ich klammere mich an ihn, spüre, wie sich seine Brust hebt und senkt, während ich zu den blinkenden Weihnachtslichtern sehe, die in goldenen, silbernen, roten und grünen Schlierstreifen am Fenster vorbeiziehen. Angeblich ist dies so eine schöne Jahreszeit, nur war ich noch nie ein Fan von ihr. Sie erinnert mich zu sehr an eine Zeit, in der ich aufgeregt nach unten zum Baum lief, um die Geschenke auszupacken. Seit ich zwölf war erinnern mich Geschenke nur noch an meinen schrecklichen Geburtstag.

Am Weihnachten unmittelbar danach lag ich die ganze Nacht wach im Bett, die Augen aufgerissen und den Blick starr an die Decke gerichtet. Ich wünschte mir, ich würde Rentiere auf dem Dach hören, so wie ich es mir ausgemalt hatte, als ich klein war. Jetzt war keine Fantasie oder Magie mehr in mir übrig, und ich hörte nichts als die Totenstille der Nacht und die Geheimnisse, die ich in mir verschloss.

Als meine Mutter morgens ins Zimmer kam, stellte ich mich schlafend.

»Callie«, flüsterte sie. »Callie, Süße, wach auf.« Sie rüttelte leicht an meiner Schulter. »Liebes, ich glaube, Santa hat dir Geschenke gebracht.«

Ich öffnete die Augen und sah sie an. Sie trug einen rosa Seidenmorgenmantel, das Haar zum Zopf geflochten und kein Make-up; ich fand, dass sie ungeschminkt sowieso schöner aussah.

»Guten Morgen«, sagte sie strahlend. »Möchtest du deine Geschenke auspacken gehen?«

Ich war müde von der durchwachten Nacht, drehte mich auf die Seite und schob meine Hände unters Kopfkissen. »Ich habe keine Lust auf Geschenke.«

Sie legte eine Hand auf meinen Rücken, und ich zuckte zusammen, denn ich musste sofort an das letzte Mal denken, als ich im Bett lag und jemand seine Hand auf mich legte. »Callie, geht es dir gut? Du kommst mir die letzten Monate so traurig vor.«

»Bin ich nicht«, erwiderte ich schnippisch. »Ich habe bloß keine Lust auf Weihnachten und so zu tun, als wenn es Sachen gibt, die es gar nicht wirklich gibt. Es gibt keinen Santa, Mom. An den habe ich schon mit acht nicht mehr geglaubt.«

»Aber das weiß ich doch«, antwortete sie und nahm ihre Hand weg. »Trotzdem ist der ganze Zauber weg, wenn wir nicht alle mitspielen.«

»Zauber gibt es auch nicht«, erwiderte ich und rückte von ihr weg. »Und ich will nicht mehr mitspielen. Ich will jetzt weiterschlafen. Ich bin müde.«

Eine Ewigkeit blieb sie auf der Bettkante sitzen, bis sie endlich aufstand, sodass die Matratze wieder nach oben federte. »Na gut.«

Das war alles, was sie sagte. Danach verließ sie mein Zimmer, und die Erinnerungen übernahmen wieder. Bis heute wundert mich, dass sie nie etwas gesagt hat. Sie musste gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Eines Tages werde ich den Mut aufbringen, sie zu fragen. Das muss ich, denn sonst erfahre ich es nie. Und dann wird mich die Antwort für immer verfolgen.

»Callie.« Kaydens Stimme hallt durch meine Gedanken. Erst als ich die Augen öffne, wird mir bewusst, dass ich eingenickt sein musste. Ich hebe den Kopf und sehe hinaus in die Dunkelheit und zum Meer in der Ferne.

»War ich eingeschlafen?«, frage ich, lasse seine Schultern los und reibe mir die Augen.

Er streicht mir eine Locke aus dem Gesicht. »Ja, aber das ist okay.«

Meine Wangen und Augen fühlen sich geschwollen vom Weinen an. »Tut mir leid.«

Seine Finger bleiben an meiner Wange, als er mich ängstlich ansieht. »Wie gesagt, es ist okay, Callie. Und das meine ich ernst. Mir hat es gefallen – dich zu halten. Es … Das beruhigt mich.«

Ich schlucke die Tränen zurück, die immer noch herauswollen. »Okay.«

Wortlos einigen wir uns, dass es für uns beide im Moment okay ist, hier zu sein, zusammen. Ich will von seinem Schoß steigen, doch er fasst mich in der Taille und hebt mich zur Seite, sodass ich auf den Autositz rutsche. Ich stelle die Füße auf und bin verwirrt, als er in seine Tasche greift. Kayden holt sein Portemonnaie hervor, zieht einen Zwanziger heraus und reicht ihn nach vorn zum Fahrer.

Dann beugt er sich hinüber und zieht die Tür auf. Nachdem er ausgestiegen ist, streckt er sich kurz, ehe er mir die Hand hinhält, um mir aus dem Wagen zu helfen. Ich nehme sie, fühle seine Wärme, als ich aus dem Taxi steige. Kayden lässt meine Hand nicht los, während er die Autotür zuschiebt. Wir stehen in der Einfahrt neben Lukes Truck, und das Taxi biegt zurück auf die Straße. Sobald es verschwunden ist, sieht Kayden mich an.

»Möchtest du spazieren gehen?«, fragt er und nickt zum Strand.

Schniefend bejahe ich. »Ein Spaziergang klingt gut.«

Er lächelt ein bisschen und drückt meine Hand fester. Wir gehen an dem Haus vorbei zum Strand. Meine Flip-Flops schaufeln Sand unter meine Fußsohlen, der sich kühl anfühlt, und bleiben immer wieder stecken, was das Gehen sehr unbequem macht. Ich bleibe stehen und ziehe leicht an Kaydens Arm.

»Was ist?«, fragt er, ohne mich loszulassen.

Ich schlüpfe aus den Flip-Flops, bücke mich, hebe sie auf und hänge sie über meine Finger. Kayden nickt, und wir gehen weiter in die Dunkelheit. Das Wellenrauschen hat etwas von einem Wiegenlied, und aus einem der Häuser am Strand weht gedämpfte Musik heran. Der Sand dringt zwischen meine Zehen, während ich jedes Geräusch höre und die kühle Luft spüre.

»Ist dir kalt?«, fragt Kayden, als wir am Wasserrand langsamer werden.

Ich blicke an mir herab und bemerke fröstelnd die Gänsehaut auf meinen Armen. »Ein bisschen.«

»Hmm«, macht er und blickt hoch zum Haus auf dem Sandhügel. »Ich laufe schnell nach oben und hole dir eine Jacke.«

Rasch schüttle ich den Kopf und umklammere seine Hand. »Nein, bleib bitte hier. Wir müssen … Wir müssen reden.«

Skeptisch mustert er mich. In der Dunkelheit wirken seine Augen leer. Er reibt sich den Nacken, dann zieht er mich mit sich hinunter auf den Sand und hebt mich auf seinen Schoß. Ich lehne mich an ihn, schließe die Augen und fühle mich sicher, als gehörte ich hierher.

Kayden ist der Einzige, bei dem ich so empfinde – mehr als Seth, mehr, als ich selbst es könnte.

Ich hole tief Luft und atme langsam wieder aus. »Kayden, was ist passiert?«

Drei kleine Worte, dennoch so schwer und bedeutsam, dass sich die Erde auftut. Kayden verkrampft sich, genau wie ich, bevor ich mich umdrehe, um ihn anzusehen. Wir beide müssen schlucken.

Schließlich öffnet er den Mund, und bei dem, was er nun sagt, bleibt mir das Herz stehen: »Mein Vater hat mir das Messer in den Bauch gerammt.«

Kayden

Ich habe keine Ahnung, wieso ich es ihr erzähle. Das wollte ich nicht. Ich hatte vor, es für immer geheim zu halten, genau wie alles andere. Aber sie sitzt hier, wartet auf meine Antwort und vertraut mir ausreichend, um sich von mir im Arm halten zu lassen, mir nahe zu sein. Sie erwartet die Wahrheit, und ich möchte, dass Callie sie erfährt. Ich will ihr alles geben.

»Mein Vater hat mir das Messer in den Bauch gerammt.« Mit diesem einen Satz habe ich die fest verriegelte Truhe in meinem Innern in tausend Stücke zerschmettert.

Callies Augen werden riesig, und ihr stockt der Atem. Sie ist kurz davor, wieder zu weinen, weshalb ich meine Arme um sie lege und sie an mich ziehe. »Schon gut, es ist alles wieder okay.«

Ihre Haut fühlt sich eiskalt an. Ich reibe ihre Arme, um sie aufzuwärmen, und sie fröstelt, allerdings nicht vor Kälte, sondern von meiner Berührung. Oder vielleicht von dem Schock, den ich ihr versetzt habe. Sofort wünsche ich mir, ich könnte es zurücknehmen, denn mit diesem Mist will ich sie wirklich nicht belasten.

»Tut mir leid«, entschuldige ich mich. »Das hätte ich dir nicht aufbürden sollen.«

Sie drängt ihre Hände zwischen uns und stemmt sie gegen meine Brust, um mich direkt anzusehen. »Doch, das musstest du sogar. Du hättest es mir viel früher erzählen sollen.«

Ich verneine stumm und lege meine Hände auf ihren Rücken, damit sie nahe bei mir bleibt. »Callie, du brauchst solchen Kram nicht zu wissen. Du hast deine eigenen Probleme.«

Auf einmal sieht sie wütend aus. Ihre Augen blitzen, und ich beuge mich zurück, weil ich fürchte, dass sie mich gleich schlägt oder so. »Kayden … Ich …« Ihr fehlen die Worte. Sie beugt die Knie, sodass ihr Gewicht auf meinem Schoß ist, stützt ihre Hände auf meine Schultern und sieht mich streng an. »Das ist alles meine Schuld.« Ich will widersprechen, doch sie legt ihre Hand auf meinen Mund. »Du hättest Caleb nicht verprügeln dürfen. Ich hätte verhindern müssen, dass du erfährst, was er getan hat. Hättest du ihn nicht zusammengeschlagen, wäre nichts von alldem passiert. Wir wären über der Garage geblieben, in meinem Bett.«

»Das stimmt nicht«, sage ich gegen ihre Hand. »Es ist gut, dass du es mir erzählt hast. Er darf nicht einfach herumlaufen und sein Leben leben, nachdem er dir deins genommen hat.«

Sie lässt ihre Hand auf ihren Schoß sinken und seufzt. »Dasselbe gilt für deinen Vater.« Sie atmet verärgert aus. »Weiß es überhaupt irgendjemand?«

Ich zucke nur mit den Schultern. »Meine Mom, aber sie hat von Anfang an alles gewusst – von den Schlägen, den Tritten … Es interessiert sie nicht.«

Callies Blick wandert zum Meer. »Das ist so falsch«, murmelt sie und sieht wieder zu mir. »Wir müssen es jemandem erzählen.« Als sie aufstehen will, halte ich sie zurück.

»Callie, es ist sinnlos, irgendjemandem etwas zu sagen. Und du … Du musst aufhören, dir Sorgen um mich zu machen.« Ich merke, wie meine Lippen beben, und möchte mich verfluchen. Dies ist das Schlimmste, das ich jemals tun musste, doch ich muss ihr begreiflich machen, wer ich wirklich bin. »Ich bin total kaputt. So richtig. Was ich bei dem Café gesagt habe – über das Ritzen und Schneiden … Ich bin im Eimer. Ich weiß nicht, ob ich jemals damit aufhören kann – mit dem Schneiden. Deshalb musst du dich von mir fernhalten. Bitte, geh weg.«

Sie sieht mich so prüfend an, dass ich schrecklich nervös werde. »Nein.«

»Callie, du willst das nicht!«

»Doch, will ich.« Wieder hält sie mir den Mund zu, presst die Lippen zusammen und schiebt ihren Finger unter die Gummibänder an meinem Handgelenk. »Du denkst vielleicht, dass ich mich blind auf das hier eingelassen habe, aber das stimmt nicht. Ich glaube, dass ich schon eine ganze Zeit lang ahne, dass du … dass du dich schneidest, schon bevor du es mir erzählt hast.«

Mein Herz schrumpelt zu nichts zusammen, als sie ihre Hand von meinem Mund nimmt. »Wie?«

Tränen glitzern in ihren Augenwinkeln. »In der Nacht, als wir … als du und ich … Als wir miteinander geschlafen haben, sah ich die vielen Schnitte an deinen Armen und dachte … Ich dachte, dass du sie dir selbst zugefügt haben könntest.«

»Warum hast du nichts gesagt?«

»Was sollte ich denn sagen? ›Schneidest du dich selbst?‹ Außerdem wollte ich es nicht glauben.«

In meiner Brust ist nur noch ein beschissener Haufen Nichts. »Weil es zu viel ist?«

Sie schüttelt den Kopf. »Nein, weil ich nicht glauben wollte, dass du so viel Schmerz in dir verschließt. Ich weiß, wie viel Leid nötig ist, um so weit zu gehen, dass man sich selbst verletzt.«

Der Moment, in dem es mir klar wird, ist vollkommen absurd und surreal. Jemand versteht mich! Callie versteht mich. Sie kapiert es und hat keine Angst vor mir oder dem, was in mir ist. Und so wenig ich es begreife, will ich das. Ich will sie. Wie kann es sein, dass ich jahrelang in derselben Stadt wie sie gewohnt habe, auf dieselbe Schule gegangen bin, und sie nie richtig gesehen habe? Was wäre gewesen, hätte ich es?

»Ich bin zu kaputt«, wiederhole ich, weil sie es unbedingt ganz verstehen muss. »Ich verletze mich, lasse mich von anderen verletzen und sage es keinem.«

»Aber das musst du. Du musst jemandem von deinem Vater erzählen. Gerade weil andere glauben, dass du es selbst warst, musst du es sagen.«

»Keiner wird mir glauben. Ich bin vor Kurzem verhaftet worden, weil ich Caleb zusammengeschlagen habe, und ich habe die beschissenen Narben, die ich mir selbst beigebracht habe. Das wird keiner begreifen.«

»Und wenn schon«, antwortet sie und klammert sich an meine Schultern. »Wir werden es ihnen verständlich machen.«

Ich stocke und sehe sie an. Wie kann es jemanden wie sie geben? Das ist unmöglich, und dennoch ist sie hier vor mir, wunderschön im fahlen Mondlicht. »Callie … Aber was ist mit dir und Caleb? Du hast keinem davon erzählt.« Ich komme mir wie ein Schwein vor, weil ich es sage; trotzdem muss es ausgesprochen werden.

»Ich arbeite daran«, antwortet sie mit bebender Stimme. »Du und ich, wir müssen beide daran arbeiten, dass uns andere nicht mehr alles nehmen können.« Diese Worte sind offenbar genauso an mich wie an sie selbst gerichtet, aber das ist okay. Ich will ja, dass sie es erzählt, damit dieses Stück Scheiße nicht mehr herumläuft und sie quält.

Sie sieht mich an, den Tränen nahe, und ich möchte nicht, dass sie weint. Sie soll glücklich sein. »Callie, sag mir, was du brauchst.« Ich streiche ihr das Haar nach hinten.

»Ich möchte, dass die Welt aufhört, so ein schrecklicher Ort voller Schmerz zu sein.« Tränen laufen ihr über die Wangen. »Ich möchte aufwachen und wirklich glauben, dass alles gut wird, statt es nur zu hoffen. Ich möchte eine von den Glücklichen sein, die ein gutes Leben haben.«

Ja, das wünsche ich mir auch für sie. »Das kannst du noch haben. Erzähl mir einfach, was nötig ist, um dich glücklich zu machen.«

Sie sieht mich an, während immer neue Tränen über ihr Gesicht strömen. »Du.«

Ich zucke zusammen. Wirft sie sich allen Ernstes dem einzigen Menschen an den Hals, der leer und gebrochen ist? Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich weiß ja nicht mal, ob ich ihr geben kann, was sie möchte. Von Verständnis oder Liebe habe ich keine Ahnung. Ich verstehe nicht, was das Leben für andere gut macht. Meine Lippen öffnen sich, und ich habe ehrlich keinen Schimmer, was aus mir herauskommen will. Allerdings erfahre ich es auch nie, denn sie presst ihren Mund auf meinen und bringt mich so zum Schweigen.

Vielleicht wusste sie, dass es nicht das wäre, was sie hören wollte, oder sie wollte mich einfach küssen. So oder so weiche ich zurück. Ich lege eine Hand an ihre Wange und sage: »Callie, du willst mich nicht. Glaub mir. Ich bringe dich nicht weiter.«

Alles, was sie tut, ist, stumm zu verneinen und mich wieder zu küssen, wobei sie sich fest an mich klammert. Diesmal kann ich nicht anders. Sie zittert in meinen Armen, und ich möchte, dass es ihr besser geht, deshalb erwidere ich ihren Kuss, anfangs zögerlich, aber dann übernimmt dieser Hunger in mir, und ich beginne, sie mit all der Leidenschaft zu küssen, die ich in mir eingesperrt hatte.

Wir fallen zurück auf den Sand. Callie liegt auf mir, und unsere Körper schmiegen sich aneinander, während sich unsere Zungen verschlingen. Callies Hitze ist überwältigend, und ich vergesse, wo ich bin. Es gibt nur noch sie und mich im Sand, und für einen Moment kommt es mir vor, als könnte tatsächlich alles gut werden. Dass dies mein Leben sein würde: nur sie und ich.

Für immer.

Und in diesem Augenblick macht mir der Gedanke keine Riesenangst.

Callie

Ich spüre, dass ich ihm Angst mache, und bin im Begriff, aus lauter Furcht vor Zurückweisung wegzulaufen. Aber dann sehe ich etwas in seinen Augen, das jahrelange Prügel und Gott weiß was sonst bewirkt haben. Plötzlich verstehe ich, was los ist: Kayden kann mich nicht lieben, weil er nicht weiß, was Liebe ist. Schmerz, Verletzung und Enttäuschung sind ihm vertraut, Liebe nicht. Und mir wird klar, dass ich ihm nicht sagen kann, was ich fühle. Aber ich kann es ihm zeigen.

Ich muss ihm nahe sein, deshalb nehme ich alles an Mut zusammen, was ich habe, und küsse ihn. Zuerst erwidert er den Kuss, doch dann weicht er zurück. In mir verknotet sich alles, trotzdem gebe ich nicht auf. Wieder presse ich meine Lippen auf seine, und auf einmal, als wäre der zweite Anlauf nötig gewesen, küsst er mich richtig.

Zuerst ist er sanft, seine Zunge weich an meiner, während er mich auf seinem Schoß hält. Im nächsten Moment jedoch weicht alles Sanfte purer Verzweiflung, und ehe ich michs versehe, kippen wir in den Sand. Ich lande auf Kayden, unsere Münder vereint, unsere Leiber nahtlos aneinandergeschmiegt. Seine Hände sind überall auf mir, in meinem Nacken, auf meinem Rücken. Sie gleiten hinunter zu meinem Hintern, und dann tauchen sie unter mein Kleid, streichen grob über meine Haut.

Ich verkrampfe mich, doch dann fällt mir ein, dass er schon alles an mir gesehen und gefühlt hat. Ich entspanne mich, lasse mich von ihm erforschen. Ohne Vorwarnung dreht er uns zur Seite und zieht mein Bein über seine Hüfte. Seine Hand gleitet höher, hinterlässt eine Hitzespur auf meinen Schenkeln, und ich gehe fast in Flammen auf, als seine Finger unter meinen Slip dringen.

Ich beginne zu frösteln – vor Angst, vor Kälte, vor Vorfreude. Dann schwindet das alles, denn er schiebt seine Finger in mich. Ein peinliches Stöhnen entringt sich mir, und ich biege mich ihm entgegen. Kaydens Finger bewegen sich in mir und kitzeln kleine Wimmerlaute aus mir heraus. Ich merke, wie ich an eine Grenze stoße, kurz davor bin, auszubrechen und frei zu sein. Doch völlig abrupt hört er auf und zieht sich wieder zurück. Der Moment verpufft, fällt in den Sand, als Kayden sich aufsetzt und mich mit sich hoch nimmt.

»Was machst du?«, stammle ich beschämend erhitzt. »Stimmt was nicht?«

Seine Finger drücken in meine Taille, und er hält mich fest, als er aufsteht. Sand rieselt von uns herab, während er mich auf die Arme nimmt.

»Ich bringe dich ins Haus«, sagt er leise, küsst mich und sieht mich an. »Bevor es hier draußen zu weit geht.« Er küsst mich wieder. »Wir wollen es ja nicht am Strand so weit kommen lassen – im Freien.«

Kurz darauf knirscht der Kies der Einfahrt unter seinen Schuhen, und er küsst mich erneut. Als er mir zart in die Unterlippe beißt, durchfährt mich ein unkontrollierbares Zittern. Kayden grinst mich an. »Auf dem Sand ist es nicht so schön … wird leicht mal ein bisschen kratzig.«

Ich versuche, nicht rot zu werden, nur gelingt mir das eigentlich nie, und ich merke, wie meine Wangen glühen.

Er geht um Lukes Truck herum und die Verandastufen hinauf, wo es mir sehr hell vorkommt. Dann zieht er einen Arm unter mir heraus, um mir über die Wange zu streichen. »Das hat mir übrigens gefehlt – dein Rotwerden. Total süß.«

Jetzt werde ich noch röter, aber es hat sowieso keinen Sinn, dagegen ankämpfen zu wollen. Lächelnd verlagert er mein Gewicht, und ich verschränke meine Finger in seinem Nacken, als er die Tür öffnet, ohne mich abzusetzen. Wir stolpern in die Küche. Seine Lippen senken sich auf meine, kaum dass er über die Schwelle ist.

Seine Hand taucht in mein Haar, während er mich küsst und durchs Haus geht, wobei er gegen die Ecke der Küchenschränke stößt und gleich darauf mit dem Ellbogen gegen die Wand im Flur. Es ist dunkel. Nur im Wohnzimmer brennt eine Lampe, und das Badezimmerlicht ist an. Außerdem fällt ein wenig Mondlicht durch die Fenster herein.

Kaydens Hände gleiten meinen Rücken hinab und unter mein Kleid, als er um die Ecke biegt und in das Zimmer, das Seth und ich uns teilen.

»Was ist, wenn sie zurückkommen?«, frage ich atemlos. Meine Lippen fühlen sich wund vom vielen Küssen an.

Kayden legt seinen Arm in meinen Rücken, und ich fühle, wie er sich hart gegen mich drückt. Ihn und mich trennen nur noch seine Jeans und mein Slip. »Wir schließen die Tür ab – es sei denn … es sei denn, du willst das nicht.« Ohne mich loszulassen, greift er mit einem Arm hinter sich, schließt die Tür und verriegelt sie.

Ich finde es wunderbar, dass er fragt. Noch wunderbarer finde ich, dass ich es will. Ich will mit ihm zusammen sein. Ich kann mit ihm zusammen sein. Vor wenigen Monaten noch schien mir der bloße Gedanke unvorstellbar, ausgeschlossen, unmöglich. Aber jetzt, mit ihm, ändert sich alles in mir, und mein Herz und meine Seele sind nicht mehr so finster überschattet. Er ist mein Licht, und ich hoffe, dass ich eines Tages seines sein kann.

Ich bewege meine Lippen zu ihm. »Ich will mit dir zusammen sein.«

Kayden sagt nichts mehr. Sein Mund presst sich auf meinen, und er geht weiter. Gleichzeitig wandern seine Hände an meine Taille und von dort zu meinem Bauch, was sich anfühlt, als würden sie einen Hitzestrahl auf meine Haut abgeben. Er neigt uns aufs Bett, setzt sich halb auf und schiebt Seths Tasche herunter. Dann liegt er über mir, und wieder küssen wir uns, wobei sich eine leichte elektrische Spannung entlädt. Als seine Zunge in meinen Mund eintaucht, vergrabe ich meine Finger in seinem Haar und ziehe ihn näher zu mir, weil ich alles von ihm will.

»Callie«, stöhnt er. Seine Hände sind wieder auf meinem Bauch und jagen mir Wärmestrahlen zwischen die Beine.

Wie von selbst biegt sich mein Rücken ihm entgegen, und ich genieße es, seine Zunge an meiner zu fühlen. Wenn ich mir eines wünschen dürfte, wäre es, dass ich mich immer so fühlen könnte: vollkommen in jemand anderem aufgehen. Nein, nicht in jemandem, sondern in Kayden. Meine Beine bewegen sich um seine Hüften, sodass ich offen für ihn bin, und sein Gewicht drückt auf mich. Er stützt sich mit einem Arm neben meinem Kopf auf, und seine andere Hand bewegt sich unter meinem Kleid bis zu meinem BH. Für einen Sekundenbruchteil werde ich ängstlich, was ich sofort verdränge, indem ich mich daran erinnere, dass es Kayden ist und er mir nie wehtun würde. Er würde mich immer nur beschützen, egal, wie viel es ihn kostet.

Seine Finger schleichen sich unter den BH und umfangen meine Brust. Prompt wird mein Nippel hart. Meine Knie klammern sich fester um seine Hüften, als er anfängt, meine Brust zu streicheln. Ich stöhne, und mein Kopf fällt nach hinten, während Kayden anfängt, sich an mir zu reiben. Wieder und wieder, sodass unsere Körper sich abwechselnd voneinander trennen und miteinander kollidieren. Jede Bewegung ist von einer unendlichen Leidenschaft getrieben, und ich vergesse, wo ich bin. Ich existiere nur noch in diesem Moment; sämtliche anderen Zeiten in meinem Leben sind vergessen. Meine Fingernägel graben sich in Kaydens Schulterblätter, und ich habe das Gefühl, zu den Sternen vor dem Fenster hinaufzuschweben. Sekunden später falle ich zurück auf die Erde. Laut keuchend strecke ich die Hände aus, als Kayden erstarrt.

Dann setzt er sich auf und packt meinen Arm. Er steigt vom Bett und zieht mich auf die Bettkante. Ich begreife gar nicht, was geschieht, als er meinen Kleidersaum fasst und mir das Kleid in einer geschmeidigen Bewegung über den Kopf zieht. Mein Herz macht einen Sprung. Das Haar fällt mir auf die Schultern. Kayden beugt sich über mich und hakt meinen BH auf. Ich ringe nach Atem, als er die Träger herunterschiebt und mir den BH abstreift. Meine Brust hebt und senkt sich viel zu schnell, und in Gedanken rede ich auf mein Herz ein, sich zu beruhigen. Ich greife nach Kaydens Shirtsaum. Jetzt wird sein Atem unregelmäßig, weil ich meine Hände bis zu seiner Brust hinaufschiebe und mich zugleich aufrichte, bis ich vor ihm stehe und ihm das Hemd ausziehen kann. Eine meiner Hände lasse ich über seinem Herzen, das unregelmäßig schlägt.

Als ich die Wunde an seiner Seite ansehe, die immer noch nicht vollständig verheilt ist, muss ich schlucken. Trotzdem male ich sie behutsam nach, während mir bei dem Gedanken, wie sie entstand, Tränen in die Augen steigen. Es ist unfassbar, was er durchgemacht hat – was er noch durchmachen muss.

»Callie …«, beginnt Kayden und legt einen Finger unter mein Kinn, damit ich ihn ansehe. Gleichzeitig umfängt er mein Handgelenk und hebt meine Hand an seine Lippen, um ihre Innenseite zu küssen. Sein Atem auf meiner Haut bringt mich zum Beben. »Mir geht es gut.«

Nein, tut es nicht, möchte ich sagen. Dein Vater wollte dich erstechen, und du hast die Schuld ganz allein auf dich genommen. Es kann dir gar nicht gut gehen.

Er lässt meine Hand los und greift in seinen Nacken. Mit einem leichten Ziehen hat er sein Shirt ganz ausgezogen und lässt es neben meinem Kleid und meinem BH auf den Boden fallen. Sein Haar steht in alle Richtungen ab, und seine Lippen sind rot, weil er mich so intensiv geküsst hat. Mein Blick wandert wieder von seinem Gesicht zu seinen Narben. Die meisten sind klein, aber einige auch nicht. Die größte zieht sich seine Brust hinauf und ist sehr uneben.

»Ich bin bei einem Schlag meines Vaters auf eine Harke gefallen«, erklärt er so ruhig, als würde es nichts bedeuten. Als würden solche Sachen eben passieren und hinterher nicht mehr wichtig sein.

Ich könnte heulen. Während ich versuche, genau das nicht zu tun, streiche ich die Knoten entlang und stelle mir unweigerlich vor, wie schmerzhaft es gewesen sein muss. »Kayden, ich …«

Er bringt mich mit seinen Lippen zum Schweigen, als er sich auf mich fallen lässt, sodass wir beide wieder auf dem Bett liegen. Nachdem seine Zunge jeden Millimeter meines Mundes erforscht hat, hebt er den Kopf. »Ich weiß, du möchtest, dass ich mit dir darüber rede, und das werde ich auch, aber jetzt gerade will ich dies hier machen.« Er streicht mit dem Finger über meinen Wangenknochen, und meine Augenlider senken sich flatternd. »Jetzt will ich nur dich.«

Seine Berührung macht mich auf eine Weise wahnsinnig, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Ich nicke, denn ich will dies hier genauso. Ein angedeutetes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht, dann küsst er mich und hebt die Hüften von mir. Er zieht seine Jeans und die Boxershorts aus, bevor er mir den Slip abstreift. Dann holt er ein Kondom aus seinem Portemonnaie, wirft seine Jeans beiseite und ist wieder über mir, seine Arme seitlich von meinem Kopf aufgestützt. Er sieht mich an.

»Du kannst es mir jederzeit sagen, wenn ich aufhören oder langsamer machen soll oder du nur reden willst, okay?«, fragt er, um meine Nerven zu beruhigen. Die haben es wirklich nötig, obwohl ich schon mit ihm geschlafen habe.

»Ja, ich weiß.« Ich atme ein und aus. Um ein Haar sage ich ihm, dass ich ihn liebe, denn es zurückzuhalten fällt mir so unglaublich schwer.

Dennoch tue ich es, und dann küsst er mich, während er in mich hineingleitet. Es tut nicht weh wie beim ersten Mal, und meine Beine öffnen sich ihm bereitwilliger, als er sich wiegend in mir bewegt. Ich halte mich an ihm fest, und mein Körper driftet wieder an jenen Ort ab, an dem ich frei bin, an dem er und ich einfach zusammengehören.

Ich fange an zu schwitzen, und Kaydens Muskeln an Armen und Brust wölben sich, als seine Bewegungen schneller werden. Alles Denken verschwindet aus meinem Kopf. Ich wünschte, ich könnte mich an diesen Moment klammern, ihn einfangen und für immer aufbewahren, denn dann wäre mein Leben vollkommen, atemlos, real.

Es wäre perfekt.

Kayden

Bei ihr habe ich mich überhaupt nicht unter Kontrolle. So viel dürfte inzwischen feststehen. Mit jedem Blick stiehlt sie mir ein Stück meiner Seele. Und im Gegensatz zu den meisten anderen Leuten ist es ihr egal, dass die längst beschädigt ist. Sobald wir uns küssen, bin ich geliefert. Der gebrochene, seelenlose, leere Kayden, das Produkt endloser Prügel, existiert nicht mehr. Jetzt gehöre ich ihr, und ich will nichts sehnlicher, als bei ihr sein.

Ich hebe sie hoch und trage sie ins Schlafzimmer, weil das, was ich mit ihr tun will, nicht am Strand stattfinden kann. Solange ich kann, küsse ich sie, reibe mich an ihr und beobachte fasziniert, wie sie sich vollkommen öffnet. Doch ich brauche mehr, deshalb stehe ich auf und bringe sie ins Haus, wo ich sie entkleide. Dann zieht sie mir das Shirt nach oben. Ich weiß, dass sie meine Narben ansieht und überlegt, wie sie entstanden sind. Als ich das Hemd ganz ausziehe, wandert ihr Blick zu der größten in der Mitte meiner Brust.

»Ich bin bei einem Schlag meines Vaters auf eine Harke gefallen«, erkläre ich ihr, auch wenn ich selbst nicht begreife, warum ich das erzähle. Normalerweise hasse ich es, darüber zu reden, doch auf einmal will ich, dass sie es weiß, weil es mir dann besser geht und das Gewicht auf meinen Schultern ein wenig leichter wird.

Sie sieht aus, als wollte sie etwas sagen, das den Moment ruinieren könnte, deshalb küsse ich sie, dass uns beiden der Atem stockt. Ich falle auf sie, fange allerdings mein Gewicht mit dem Arm ab, denn sie wirkt so klein und hilflos unter mir.

Nachdem ich uns beide vollständig ausgezogen habe, sieht Callie genauso verängstigt aus, wie ich mich fühle. Ihre Augen sind riesig, und ich spüre, wie sie bei jedem Atemzug zittert.

»Du kannst es mir jederzeit sagen, wenn ich aufhören oder langsamer machen soll oder du nur reden willst, okay?«, sage ich, um sie zu beruhigen. Und das meine ich ernst. Ich würde aufhören, wenn sie mich darum bittet, wie ich überhaupt alles für sie tun würde.

Sie sagt aber nichts, und ich gleite in sie hinein, fühle ihre Wärme und wünsche mir, ich könnte einfach dort bleiben, sie einfach nur fühlen. Es ist beruhigend, beängstigend, perfekt – so vieles auf einmal, das zu empfinden ich mir niemals erlauben würde, außer ich bin bei ihr. Nur in ihrer Nähe ist es erträglich, meine Gefühle zuzulassen.

Meine Arme sind neben ihrem Kopf aufgestützt, und ich wiege mich in ihr. Ihre Beine fallen auseinander, während sie sich mit den Händen fester an mich klammert, als ich tiefer in sie dringe. Mir ist sofort klar, dass nichts je so sein wird wie das hier. Ich bewege mich in ihr, beobachte fasziniert, wie ihre Augen glasig werden und ihr Kopf nach hinten kippt. Sie biegt sich mir entgegen, und wir stoßen ineinander, während ich sie weiter antreibe. Sie beißt sich auf die Unterlippe, streckt den Hals durch und bohrt ihre Fingernägel in meine Haut. Mir ist extrem unheimlich, wie sehr ich es genieße, und doch kann ich nichts dagegen tun. Selbst mit ihr unter mir ist es da, lauert das Verlangen nach Schmerz anstelle von Gefühlen noch in mir.

»Kayden«, stöhnt sie und verliert sich in unseren Bewegungen.

Sie hält sich an mir fest. Unser beider Haut ist klamm, und wir atmen angestrengt, als ich in ihr erstarre. Mein Kopf ist nach vorn geneigt, und ihr Atem weht über meine Wange, während ihre Finger an meinem Rücken auf und ab streichen. Als ich mich wieder unter Kontrolle habe, küsse ich Callie auf die Wange und beginne, mich zurückzuziehen, doch sie umklammert mich mit ihren Beinen, will mich nicht weglassen.

Ich hebe den Kopf und sehe sie fragend an. »Alles okay?«

Sie hat einen komischen Gesichtsausdruck. »Ja, ich will dich nur noch nicht loslassen.«

Unwillkürlich muss ich lächeln. Und das ist echt, nicht aufgesetzt, wie meistens bei mir. Ich küsse sie mit allem, was ich an Leidenschaft zu geben habe. »Gönn mir ein paar Minuten«, sage ich und drehe meine Hüfte zur Seite. »Dann bin ich wieder dabei.«

Diesmal lässt sie mich los, und ich lege mich auf den Rücken, einen Arm unter dem Kopf. Ich schaue zur Decke hinauf. Im Moment bin ich mir meiner Narben extrem bewusst, und jede von ihnen fühlt sich irgendwie kleiner an. Mir wird etwas klar – etwas, von dem ich nicht sicher bin, ob ich es begreifen möchte. Callie schafft es, dass ich mich besser fühle, und ich frage mich, ob das bedeutet, dass ich mit ihr zusammen sein soll. Allerdings will ich nicht, dass es das heißt. Ich möchte, dass sie frei ist, nicht mit meinen Problemen belastet.

Callie zieht die Decke über sich, dreht sich auf die Seite und streicht ihr Haar aus dem Gesicht. »Woran denkst du?«, fragt sie, wobei sie mit ihrem Finger auf die Falte zwischen meinen Brauen drückt.

Ich sehe zu ihr. »Willst du das wirklich wissen?«

Sie nickt, nimmt die Hand herunter und legt sie auf ihre Hüfte. Ich mustere ihre zarte Figur. »Das will ich immer.«

Ich rolle mich auf die Seite, sodass wir einander zugewandt liegen. »Ich denke, dass du mich verlassen solltest.«

Sie stockt. »Du willst, dass ich gehe?«

Rasch bedecke ich ihre Hand mit meiner. »O nein, ich möchte absolut nicht, dass du gehst. Ich will, dass du nie gehst, für immer hierbleibst, bei mir. Aber ich wünsche mir, dass du nicht mit mir zusammen sein willst, weil ich will, dass du glücklich bist. Verstehst du, was ich meine?«

Sie überlegt, nagt an ihrer Lippe, und ich würde mich zu gern vorbeugen und hineinbeißen, aber das würde dem widersprechen, was ich gerade gesagt habe. »Ich verstehe, was du sagst, aber ich stimme dir nicht zu. Du bist der Einzige …« Ihre Lippe bebt, als sie nach Luft ringt. »Du bist der einzige Mensch, bei dem ich mich jemals ganz fühle.«

»Das kannst du nicht wissen.« Ich versuche weiter, sie von mir wegzutreiben. »Es könnte leicht noch andere da draußen geben.«

Sie schüttelt den Kopf. »Gibt es nicht – u-und ich will da nicht sein.«

»Callie«, sage ich leise, berühre ihre Wange und streiche mit dem Daumen über das Muttermal an ihrer Schläfe. »Ich bin nicht gut für dich. Du verdienst etwas Besseres.« Es laut auszusprechen versetzt mir einen Stich in die Brust. Trotzdem muss es gesagt werden.

»Es gibt nichts Besseres«, erwidert sie ruhig, starrt zum Fußende des Bettes und blinzelt schnell. »Das muss dir nur klar werden.«

»Ich will doch bloß, dass du frei bist – von meinem ganzen Mist und meinem beschissenen, komplizierten Leben.«

»Aber ich will nicht frei sein. Ich will einfach hier bei dir sein. Mir sind dein beschissenes, kompliziertes Leben und deine Probleme egal. Ich will dich – und ich möchte, dass du glücklich bist. Das hast du verdient.«

Mist. Das hat noch keiner zu mir gesagt. Ich bin mir nicht mal sicher, was Glück ist. Was ich weiß, ist, dass ich mich nicht mehr unter Kontrolle habe. Jede meiner Narben pocht, und ich brauche Callie, damit es aufhört. Ich beuge mich zu ihr, greife mit einer Hand in ihren Nacken und küsse sie mit solcher Intensität, dass es alle meine Wunden aufreißt. Dann drehe ich Callie auf den Rücken und streichle ihre Brust. Zitternd zieht sie ihre Beine nach oben, sodass ich zwischen sie falle. Ich küsse sie und knabbere an ihrer Lippe, während ich sie überall berühre. Als ich endlich den Kopf hebe, kann ich kaum noch atmen. Ich male Küsse auf ihr Kinn, ihren Hals, ihr Schlüsselbein, schabe leicht mit meinen Zähnen über ihre Haut und sauge an ihr. Gleichzeitig schlingt sie ihre Beine um meine Hüften. Ich rutsche tiefer, und sie biegt sich mir entgegen, als ich meine Zunge um ihren Nippel kreisen lasse, bevor ich ihn in den Mund nehme. Callie stößt ein erotisches Wimmern aus und vergräbt ihre Hände in meinem Haar. Ich sauge fest, brauche mehr von ihr, bevor ich mich der anderen Brust zuwende. Auch sie streichle ich mit der Zunge, bis ich es nicht mehr aushalte.

Ich stütze mich auf und nehme mir ein neues Kondom. Sekunden später bin ich wieder in ihr und wünsche mir, dass alles für immer so bliebe: Nur sie und ich, ohne den Lärm und die Schwere der Welt. Ohne die beschissenen Komplikationen des Lebens.