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Ein schwacher Hauch Rasierwasser hing noch wie eine schlimme Erinnerung in der Luft.

Bald, das hatte in dieser SMS gestanden.

Bald.

Rebecca schaute sich auf dem Parkplatz um, sah auf den Rasen, auf die hellen Rechtecke aus Licht in den Häusern und Wohnungen. Sie sah niemanden irgendwo im Schatten lauern. Das hieß nicht, dass er nicht irgendwo da draußen war, sie beobachtete, wartete. Sie starrte die wenigen Autos an, versuchte sich darauf zu besinnen, ob sie sie früher schon hier gesehen hatte, konnte sich aber nicht erinnern. Wer erinnert sich schon an Autos? Sie lauschte auf Geräusche, hörte aber nur das ferne Grollen des Straßenverkehrs.

Rufe jetzt sofort bei der Polizei an, befahl sie sich. Aber weswegen? Wegen eines vagen Gefühls? Sie schloss die Haustür auf, drückte sie weit auf. Sie trat nicht über die Schwelle, sondern linste nur in den Flur, hatte den Kopf schiefgelegt, während sie versuchte, drinnen irgendwelche Geräusche aufzuschnappen. Sie sah kein Licht, hörte keine verhaltenen Schritte.

Sie wartete, aber nichts geschah. Sie schaute erneut über die Schulter, rechnete schon beinahe damit, ihn zu sehen. Da war niemand, aber sie spürte etwas im Nacken, wie einen Atemzug, obwohl keine Bewegung in der warmen Luft war. Sie schauderte, flitzte ins Haus, schloss die Tür hinter sich ab und verriegelte sie. Sie rannte ins Wohnzimmer und linste hinter dem Vorhang zwischen den Lamellen der Jalousie nach draußen. Es hatte sich nichts geändert. Keine finsteren Gestalten tauchten aus dunklen Ecken auf. Niemand lungerte um die Häuser herum.

Hatte sie sich alles nur eingebildet?

Vielleicht hatte Chaz recht. Sie war so erschöpft, dass jeder Schatten sie erschreckte. Reiß dich zusammen, Becks, mahnte sie sich. Woher sollte Bailey überhaupt wissen, wo sie wohnte?

Sie schlief unruhig, aber das war sie gewöhnt. Bei jedem Knarzen riss sie die Augen auf, lauschte angestrengt, um herauszufinden, woher es kam, bei jedem noch so leisen dumpfen Poltern war sie überzeugt, dass jemand in der Wohnung war. Häuser machen nachts seltsame Geräusche: Sie hatte über sich und nebenan Nachbarn, und die Geräusche kamen daher, dass sie sich in ihren Wohnungen bewegten, auf die Toilette gingen, sich vielleicht eine Tasse Tee zubereiteten, wenn sie nicht schlafen konnten. Mehr nicht.

Sie hatte zwei Stunden durchgeschlafen, als sie aufwachte. Das war nicht genug, aber es müsste eben reichen. Niemand hatte eingebrochen, niemand hatte sie bedroht, außer in ihrer eigenen überaus fruchtbaren Fantasie. Wenn Chaz sie heute zu Gesicht bekam, würde sie sich wieder eine Gardinenpredigt anhören müssen. Sie duschte, machte sich so vorzeigbar wie möglich, frühstückte Kaffee und Toast, schaute sich die BBC-Sendung Breakfast an, blickte aus dem Fenster auf einen weiteren wunderschönen Morgen.

Als sie ihr Auto erreichte, sah sie, dass alle vier Reifen aufgeschlitzt waren.