»Verdammt, ich hätte dich fast erschossen.« Kostas’ erschütterte Stimme wurde von den Felsen zurückgeworfen.

»Das wäre nicht gut gewesen«, antwortete Giorgios trocken. »Meine Lebensversicherung zahlt bei Schusswaffeneinsatz nicht. Alte Regel aus Kriegszeiten.«

»Na, da hat Adonis aber Glück gehabt«, sagte Kostas. »Was machst du hier?«

»Ich nehme an, etwas Ähnliches wie du. Suchst du nicht auch den Schatz von Bellapais?«

»Nein, ehrlich gesagt sind mir die Ikonen total egal. Ich suche einen Mörder.«

»Den Mörder von dem jungen Türken?« Kostas nickte.

»Der wiederum ist mir egal. Ist immer schade, wenn ein junger Mann diese Welt verlässt, aber offenbar hat er sich selbst in Gefahr gebracht …«

»Woher weißt du von dieser Mine?«

»Ich sage dir doch schon seit Jahren, dass du die Tür des Containers abschließen musst. Aber nun bin ich ganz froh, dass du nicht auf mich gehört hast.«

»Du hast die Karte gefunden …«

»Ja, aber nun sei mal nicht so sauer. Durch mich wisst ihr doch überhaupt erst, wonach ihr suchen müsst. Mir ging das Gespräch mit Sofia nicht aus dem Kopf. Du weißt doch, dass sie mich am Strand befragt hat?«

»Na, siehst du. Ich habe die ganze Nacht wach gelegen und gedacht: Vielleicht sind die Schätze doch nicht verloren. Was, wenn sie noch im Süden sind? Und: Vielleicht versuchen die Türken erst jetzt, sie doch noch zu sich zu holen. Das will ich verhindern. Ich will, dass die Ikonen hier im Süden bleiben, bis Bellapais eines fernen Tages endlich wieder unser Land sein wird. Dann können meine Erben die Schätze ins Kloster zurückbringen, und vielleicht gibt es dann eine Plakette, die an mich erinnert.«

»Ich wusste gar nicht, dass du so ein rührseliger Patriot bist, Giorgios.«

»Du hattest deine große Liebe. Ich habe meine, und die heißt Zypern. Es scheint, wir haben beide im Laufe unseres Lebens ein großes Stück Liebe verloren.«

»Wenn du so weiterredest, dann schieße ich vielleicht doch noch.«

»Nun komm schon, Bulle. Suchen wir den Schatz.«

Kostas wandte sich um, hielt die Waffe aber weiter in der Hand. Er hätte seinen Arsch verwettet, dass von Großvater Giorgios keine Gefahr ausging – andererseits: Er war hier, in dieser Nacht.

»Wer hat den Tunnel so verborgen, dass er ein gutes Versteck bietet?«, fragte der alte Mann.

»Ich bin mir sicher, dass ich weiß, wer es war. Aber ich hoffe, wir waren schneller als er.«

Im Schein der Funzel seines Handys ging er voran, Giorgios hatte seinerseits eine lichtstarke Taschenlampe dabei, die Kostas’ um Längen überstrahlte. Doch hinter der nächsten Kurve hätten sie fast kein Licht mehr gebraucht. Das Glänzen und Funkeln in der Sackgasse vor dem geschlossenen Felsen war einfach unübersehbar.

»Bei Zeus«, sagte Giorgios, »es ist ein Wunder.«

»Der Schatz von Bellapais«, sagte der alte Mann.

In diesem Moment knallte es fürchterlich, sodass Kostas den Kopf senkte und mit seinen Händen schützte, ein Dröhnen drang durch die Höhle, die Druckwelle holte ihn von den Beinen und warf ihn einige Meter weiter, ausgerechnet vor die Beine vor Großvater Giorgios, der natürlich noch auf beiden Füßen stand. Wer war dieser Mann? Zeus’ Ur-mal-tausend-Enkel? Kostas stand unter Mühen auf.

»Verdammt, das war eine Explosion.«

»Ja, das würde ich auch sagen. Klang wie sehr viel Sprengstoff.«

»Meinst du …«

»… dass uns jemand verschütten will? Ja, das meine ich.«

Kostas durchfuhr die kalte Angst, er fürchtete sofort, die Luft würde knapp werden.

»Was nun?«, fragte er den Alten. Doch jemand kam Giorgos’ Antwort zuvor.

»Der Schatz und seine Opfer«, tönte die kalte Stimme ganz in ihrer Nähe. Giorgios und Kostas wandten sich zeitgleich um, Kostas wollte gerade die Waffe hochreißen, da ging ein helles Licht an, und er blickte in den Strahler und darüber in eine schwarze Mündung.

»Hände hoch, die Herren – und du, Karamanlis, wirf deine Waffe hierher.«