»Schaffst du es denn mit beiden, Daniela?«

»Aber ja, das Meer wird der Kleinen guttun und Gianluca beruhigen. Wir werden schöne Strandausflüge machen.«

»Aber Vorsicht, wenn der Junge das Meer sieht, ist er nicht mehr zu bändigen«, warnte Francesca mich vor.

»Keine Sorge, wenn ich nicht klarkomme, ruf ich sofort an.«

Sie hatten inzwischen großes Vertrauen in mich, im Lauf eines Jahres war unsere Beziehung sehr eng

Am Meer zeigten Carlo und Francesca mir das Haus und meinten, den Kindern sei es ja vertraut. Wir aßen eine Pizza, und abends machten die beiden sich auf den Weg zurück nach Mailand.

»Hier, für alles, was ihr braucht«, sagte Carlo, bevor sie fuhren, und legte eine Kreditkarte auf den Küchentisch.

Die Anwälte habe ich nie beklaut. Bei Giovanni hab ich oft gestohlen: übriggebliebenes Essen, Kleingeld, das auf den Möbeln lag, Wechselgeld von den Apothekeneinkäufen oder anderen Besorgungen, das Ernesto mir gegeben hatte und das ich absichtlich zurückzugeben vergaß. Ich steckte es in eine Plastikhülle, die ich in einem Buch versteckte, und wenn ich niedergeschlagen war, leerte ich sie auf dem Bett aus und zählte sie immer und immer wieder, meine armselige Beute.

 

»Wenn du meinen Eltern sagst, dass ich die Schule geschwänzt habe, rede ich nie wieder mit dir!«, rief er, setzte sich auf und blickte mir in die Augen.

»Leg dich wieder hin und schau in den Himmel, sonst gilt es nicht!«

»Okay, aber schwör, dass du nicht petzt!«

»Nur, wenn du schwörst, dass du es nie wieder tust.«

»Hört doch mal auf zu streiten, du bist dran, Daniela!«, mischte Olivia sich ein.

Daraufhin legte ich die Hände unter den Nacken, schloss die Augen und erzählte etwas. Einmal sagte ich: »Wusstet ihr, dass ich meinen Sohn Manuel Salzkorn nenne?«

Während ich Abendessen kochte, gab Gianluca mir Italienischunterricht. Ich sprach inzwischen sehr gut, doch für jedes neue Wort, das ich lernte, vergaß ich ein altes. Niemand hat mir je so präzise die Bedeutungen erklären können wie dieser Junge, erstaunt lauschte ich ihm. Wie das eine Mal, als ich etwas sagte und er mich mit lauter Stimme korrigierte: »Eben nicht, Daniela! Das ist nicht dasselbe: Ein Knecht hat keine Freiheit und muss immer gehorchen, während ein Diener gehorcht, weil das sein Beruf ist, aber ansonsten ist er ein freier Mensch!«

 

Gianluca und Olivia fuhren gern in ihrem kleinen Schlauchboot, an das ich eine Schnur gebunden hatte. Im Wasser steckte ich sie in den Mund, biss darauf wie ein Hund und schwamm los. Die beiden ließen sich durch die Gegend gondeln und genossen den sanften Wind an diesen friedlichen Tagen.

Ich muss das Bewusstsein verloren haben, denn als Nächstes erinnere ich mich daran, wie eine klobige Hand mir Klapse ans Kinn gibt, während ich versuche, die Augen zu öffnen und sie, als ich ein bärtiges Gesicht so nah an meinem Mund sehe, erschrocken sofort wieder schließe. Gianluca hockte auf dem Sand, erbrach Wasser und versuchte keuchend, zu Atem zu kommen. Er hielt sich eine Hand vors Gesicht und stammelte, er habe Wadenkrämpfe. Olivia kreischte in einem fort, niemand vermochte sie zu beruhigen. Ich wollte aufstehen und zu ihr gehen, ich hatte das Bedürfnis, ihre Hand zu halten, aber der Bademeister befahl mir, sitzen zu bleiben. Erst wollten die Leute, die sich um uns geschart hatten, wissen, ob ich wohlauf sei, dann begannen sie, mir Vorwürfe zu machen, während das Wasser von meinem Körper auf den Sand tropfte: »Mit zwei so kleinen Kindern«, riefen sie fassungslos, »dabei sind Sie ja nicht mal die Mutter!« Vor Scham legte ich den Kopf auf die Beine,

Irgendwer fuhr uns mit dem Auto nach Hause. Das Schlauchboot vergaßen wir am Strand. Die erschöpfte Olivia schlief sofort ein. Gianluca wollte nicht mit mir sprechen, er verbarg sein Gesicht und sagte nur, ich solle weggehen.

Abends trafen die Eltern ein, sagten grußlos, wir würden auf der Stelle nach Mailand zurückfahren, wo wir mitten in der Nacht ankamen. Unterwegs sprachen sie kein Wort mit mir, wenn ich etwas fragte, antworteten sie nicht.

Nachdem Francesca die Kinder zu Bett gebracht hatte, sagte sie: »Geh und pack deine Sachen. Morgen früh um acht will ich dich hier nicht mehr sehen.«

»Darf ich mich wenigstens von ihnen verabschieden?«

»Du kannst dankbar sein, dass wir dich nicht anzeigen.«

»Bitte, bitte, ich möchte mich unbedingt von den Kindern verabschieden.«

»Die Kinder wirst du nie mehr wiedersehen.«