Eines Abends kommt er mit einem Grillhähnchen und Pommes nach Hause, teilt es in drei Portionen, legt die Tüte in die Mitte des Tischs und erklärt meiner Schwester und mir – als ob wir es nicht wüssten –, dass Moma ihm jeden Monat Geld schicken wird.

»Damit baue ich oben eine zweite Wohnung aus. Ich bau einen Balkon an, schmeiß die verfaulten Balken raus und zieh neue ein, und das Dach decke ich auch neu. Aber das ist erst der Anfang, Kinder: Ich weißele das Haus, bau einen Zaun drumrum, reinige die Tenne … Eure Mutter soll nämlich wie eine Dame wohnen, und einen Ort, wo sie in Ruhe malen kann, soll sie auch endlich haben!«, sagt er enthusiastisch, in der Hand ein Hühnerbein. Angelica und ich sitzen sprachlos da und starren ihn mit offenem Mund an.

Um die Wäsche und das Essen kümmerte sich jetzt Oma Rosa. Ach ja, bevor ich’s vergesse, will ich auch etwas über sie sagen, über diese winzige Frau, die ich immer nur in schwarzer Kleidung und in Lederpantoffeln gesehen habe und mit einem Kopftuch, das die wenigen Haare bedeckte, die ihr geblieben waren.

Oma strickt und gärtnert gern, damit verbringt sie ganze Tage. Ihr Vater war Zöllner, deshalb ist sie in Nisporeni geboren, hinter der moldawischen Grenze, aber sie fühlt sich als Rumänin, so wie Opa. Wenn Gäste kommen, erzählt sie immer aus ihrer Kindheit am Ufer der Nârnova und zeigt stolz die eingerahmten Urkunden aus der

 

Alles lief halbwegs glatt bis zum Sommer. Klar, ohne Moma fiel uns vieles schwer, aber wir haben fest auf die Zähne gebissen. Papa arbeitete in der Mansarde, Oma kümmerte sich um die Hausarbeit, damit Angelica lernen konnte, ich hielt mich wacker in der Schule, und Moma wiederholte jeden Abend das Versprechen: »Im Juli bin ich wieder da.«

Und als sie tatsächlich wieder da war – die Sonnenblumen hatten sich gerade geöffnet und bildeten eine einzige gelbe Fläche, die das Land mit Licht überflutete –, ist mir das Herz aufgegangen. Wie sie da über die Straße angefahren kam, auf dem Wagen von Marin, die Koffer im Stroh, war es wie

Papa hatte ihr zu Ehren eine Überraschungsparty organisiert, und Moma hatte uns so viele Geschenke mitgebracht, dass es wie Weihnachten war. Die leckeren italienischen Süßigkeiten hatten so tolle Verpackungen, dass ich eine noch immer im Regal aufbewahre, zusammen mit der Illy-Dose. Und dann das neue Handy, die Bluetooth-Kopfhörer, das Tablet … Es war ganz leicht, sie zu überreden, den Kram zu kaufen, man musste nur sagen: »Dann können wir besser telefonieren.«

 

Aber der Sommer flog vorbei wie nichts. Die Sonnenblumen beugten ihre Köpfe, von den Maisfeldern blieben nur die ausgebleichten Stoppeln, der Herbst brachte seine melancholischen grauen Wolken, die Schule fing wieder an, und wenn wir mit Moma telefonierten, war von Rückkehr nicht mehr die Rede. Ich war immer noch einer der Besten in der Klasse, ich ließ Vlad, diese Niete, abschreiben, mit meinen Freunden kam ich gut klar, und die Lehrer waren nicht übel, aber ich wollte trotzdem

Aber das war es nicht allein, es war alles zusammen. Es war lächerlich, wie Angelica das Familienoberhaupt spielte, an manchen Tagen hätte ich ihr am liebsten eine gescheuert. Papa hatte das mit dem Umbau bald satt, morgens stand er nicht mehr auf, und wenn ich ihn wecken wollte, bevor ich in die Schule ging, brachte er nur peinliche Ausreden vor – »Um die Uhrzeit ist es zu kalt, da bindet der Zement nicht« – und drehte sich auf die andere Seite. Bis zum Abend blieb er auf dem Sofa liegen, schaute Wrestling und beklagte sich, dass er keine Arbeit fand. »Unter Ceauşescu war’s besser«, hörte ich ihn brummen. Oma Rosa war ich dankbar dafür, dass sie sich um alles kümmerte und für uns kochte – nicht umsonst war auch sie Haushälterin in Moskau gewesen –, aber oft wusste ich nicht, was ich mit ihr hätte reden sollen. Manchmal half ich ihr dabei, die Pflanzen zu gießen, weil ich auch gärtnern lernen wollte. Aber wenn ich zusammen mit ihr im Haus war, redete ich meistens

Nur bei Opa Mihai fühlte ich mich wohl. Es gefiel mir, im Garten zu erledigen, was er mir auftrug: Unkraut jäten, kleine Löcher stechen und Tomatensamen hineinlegen, die Erde wässern. Oder ich verkroch mich im Waggon. Kein Witz, im Garten von Opa Mihai stand wirklich ein alter Eisenbahnwaggon, den er irgendwann mal für wenig Geld im Bahnhofdepot gekauft hatte. Wenn ich früher als kleiner Junge keine Lust auf Mittagessen hatte, habe ich mich immer dort versteckt. Dort verstaute er alles, Rechen und Astscheren, Blechdosen und Tresterflaschen, und in einer Ecke stapelweise alte Journale aus Sowjetzeiten.

»Möchtest du wieder Kind sein?«

»Verkriechst du dich denn nie hier?«

»Seit ich vor vielen Jahren deiner Oma

Opa merkte, dass etwas nicht stimmte. Anders als meine Schwester, die mich nur rumkommandieren wollte, oder meine Mutter, die mich ausfragte, oder mein Vater, der gar nicht mitbekam, dass es mich auch noch gab, war er mir nah, ohne mich die Last meiner Niedergeschlagenheit spüren zu lassen. Manchmal versuchte er herauszubekommen, was mich beschäftigte, aber ganz beiläufig, während er die Hecke stutzte.

»Was möchtest du eigentlich später mal werden?«, fragte er mich. Wenn ich nur die Achseln zuckte, ließ er es damit bewenden, bis er nach einer Weile wieder fragte: »Komm schon, Junge, alle wollen etwas werden.« Und dann, während ich Äste und Blätter vom Boden auflas, um ihm nicht ins Gesicht schauen zu müssen, gestand ich, dass ich keinen Bock mehr auf Schule hatte. Oder dass ich mir wünschte, Moma käme zurück oder nähme mich beim nächsten Mal mit. Dann schaute Opa Mihai in den Himmel und dachte eine Weile darüber nach, bevor er sagte: »Dann müssen wir einen Weg finden.«

 

Jedenfalls bin ich weiter zur Schule gegangen, auch wenn sie mich langweilte und nervte und mir bis

Zu Hause hieß es die ganze Zeit nur: »Das hat sie für uns getan«, »Wir sollten ihr dankbar sein«, »Was sie alles auf sich nimmt für die Familie« … Mich überzeugte das kein bisschen. Und wenn mein Vater Sachen sagte wie: »Sie wischt den Alten den Arsch ab, damit du studieren kannst«, hätte ich ihm am liebsten geantwortet: und damit du dich auf dem Sofa mit Bier volllaufen lassen kannst.

Ich hasste unseren Austausch über Sprachnachrichten, die ich auf dem Weg zur Schule hörte, und über Videocall nach dem Abendessen. Weil Moma in diesen abendlichen Telefongesprächen nämlich hunderttausendmal die gleichen Fragen stellte und so Sachen sagte wie: »Sag bloß, dir wächst schon

Aber das Schlimmste war, dass Moma mir alles durchgehen ließ. Und als ich merkte, dass ich keinen Rüffel zu erwarten hatte, wurde ich erst

Ich muss gestehen, ich bin wie Papa. Vielleicht nicht ganz genau gleich, aber ich komme gut mit den Leuten aus, solange ich mich verstanden fühle, wenn nicht, dann können sie mich mal. Genau das ist zwischen Moma und mir passiert: Wir haben das Handtuch geschmissen. Die Zeit, in der wir bei laufendem Autoradio und mit heruntergekurbelten Fenstern Besorgungen machten, die Abende,