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Ich lass Pohlmann gleich holen«, sagte Bayerl. »Ich habe den sauberen Herrn erst einmal in einer Besenkammer unterm Dach auf Eis gelegt.«
»Eine Besenkammer?« Maria lachte.
»Wir haben ihm einen Stuhl hineingestellt, und frische Luft hat er da genug, eine kleine Dachluke – aber sonst nix. Wenn man diese Ganoven eine Weile im eigenen Saft schmoren lässt, werden sie oft mürbe. Vor allem bekommt er da nicht mit, was hier unten geschieht, was wir gefunden haben und was nicht. Ich denke, wir gehen in sein Büro, da ist ein Nebenzimmer, wo sie erst einmal den Lauscher hinter der Tür spielen können.« Bayerl seufzte. »Ganz nobel der Privattrakt des Herrn Pohlmann, so etwas hätte ich gerne im Präsidium, aber die Polizei ist nun mal nicht so komfortabel eingerichtet wie ein Zuhälter.«
Maria war überrascht. Das Privatgemach von Pohlmann war recht bescheiden, doch geschmackvoll eingerichtet, eher sachlich, kein Liebesnest für einen Quicky mit einem Gast oder einer Angestellten; neben dem Büro ein kleines Bad und ein Raum zum Ausruhen mit Sessel, Radio, Fernseher, einer breiten Liege. Sie zog die Tür bis auf einen Spalt zu, rückte sich den Sessel zurecht. Bayerl saß Probe an Pohlmanns Schreibtisch.
»Können Sie so sehen?«, fragte er.
Maria rückte den Sessel noch ein wenig nach links, so hatte sie durch den Spalt sowohl Bayerl als auch den Stuhl, auf dem Pohlmann sitzen würde, im Blickfeld.
Pohlmann gab sich entspannt, fast heiter, er nahm auf dem Stuhl Platz, als ginge es um ein Gespräch unter Freunden. Bayerl fragte, ob er ihm eine Zigarette anbieten dürfe und schob Pohlmann dessen eigene vergoldete Dose zu.
»Ich rauche nicht«, sagte Pohlmann, »aber wenn ich ein Wasser bekommen könnte«, er lächelte, »die Gastronomie in der obersten Etage ist noch ein wenig unterentwickelt.«
Bayerl gab dem Beamten an der Tür ein Zeichen.
»Was haben Sie denn nur im Waldschlösschen gesucht?«, fragte Pohlmann. »Bei dem Aufgebot dürften das ja wohl nicht unverzollte Zigaretten oder geschmuggelter Whisky gewesen sein, oder? Und ich bin sicher, Sie haben nicht einmal das gefunden, es sei denn, einer der Gäste hatte eine Schachtel polnischer Marlboro in der Tasche. Rauschgift?« Er blickte Bayerl mit schiefgehaltenem Kopf an, der lächelte. Er ließ Pohlmann reden; wenn der eine Pause machte und auf Antwort oder Widerspruch wartete, schwieg Bayerl lächelnd, bis Pohlmann die Stille nicht länger ertrug und weiterredete.
»Nicht bei mir«, sagte Pohlmann. »Wenn wir einen Gast beim Fixen erwischen, fliegt er raus. Unbarmherzig. Also, was haben Sie nun gesucht? Und was haben Sie gefunden? Wessen werde ich beschuldigt? Ich will jetzt, und zwar auf der Stelle …«
»Weiß schon«, brummte Bayerl, »Ihren Rechtsanwalt anrufen, gell?«
»Nein«, sagte Pohlmann erstaunt. »Ich brauche keinen Rechtsanwalt. Nicht jetzt. Morgen werde ich mich mit ihm beraten und Beschwerde einreichen. Wegen Schädigung des Geschäftsbetriebes, Hausfriedensbruch – oder haben Sie nur vergessen, mir den Durchsuchungsbefehl zu zeigen? –, wegen Freiheitsberaubung … Oh, ich denke, da kommt eine ganze Latte zusammen. Sie haben meine Gäste unberechtigt belästigt und verfolgt, diese Aktion ist doch absolut ungesetzlich.«
»So, Sie sind also ein reines Unschuldslamm«, sagte Bayerl belustigt. »Und was ist mit Ihrem Porno-Studio im Keller?«
Pohlmann lachte laut auf.
»Oh«, sagte er, »das würde ich mir gerne mal ansehen. Ein Porno-Studio? In meinem Keller? Das ist ja lachhaft.«
»Wir wissen, dass im Keller Pornos produziert wurden. Mit Kindern und Halbwüchsigen – das ist kein Kavaliersdelikt, Herr Pohlmann, das allein bringt Ihnen ein paar Jahre ein!«
»So, das wissen Sie«, sagte Pohlmann erregt. »Warum weiß ich das nicht? Im Keller? Wo denn da?«
»Am Schwimmbecken, zum Beispiel.«
Pohlmann schüttelte den Kopf. »Nein, selbst wenn einer meiner Leute auf diese Idee gekommen wäre, das hätte ich mitbekommen. Das Schwimmbecken ist außer Betrieb, solange ich das Waldschlösschen leite.«
»Und wie kommt es dann, dass auf dem Boden des Bades Wasserpfützen sind?«
»Das kann ich Ihnen erklären. Ich habe angeordnet, das Becken zu säubern. Wir werden das Bad wieder herrichten. Es wird eine der zukünftigen Attraktionen meines Etablissements sein. Auch die Sauna werden wir wieder einrichten.«
»Wir haben auch die Anlage für die Video-Massenkopien gefunden«, sagte Bayerl.
Pohlmann tat, als fiele er aus allen Wolken. »Wo soll denn das sein?«
»Tun Sie doch nicht so. Sie kennen nur zu genau den heimlichen Durchgang in dem Wandschrank.«
»Nein, kenne ich nicht!«, rief Pohlmann. »Ein Durchgang im Schrank? Das muss noch aus der Stasi-Zeit stammen. Davon weiß ich nichts. Was immer Sie dort entdeckt haben, damit habe ich nichts zu tun, das kann ich beschwören.«
»So, das können Sie beschwören – also auch noch Meineid.«
»Sie wollen mir nur was anhängen«, brüllte Pohlmann, »ich verbitte mir diese Methoden, das ist ja wie bei der Stasi; was haben Sie denn damals …?«
Bayerl grinste. »Da habe ich die Bezirksverwaltung der Stasi in München geleitet.«
»Entschuldigung«, sagte Pohlmann, »ist mir nur so rausgerutscht. Aber wenn Sie mich so bedrängen …«
»Wir haben auch reichlich Porno-Kassetten gefunden«, sagte Bayerl, »und die stammen eindeutig nicht von der Stasi, die sind neuesten Datums. Und unsere Techniker suchen die Räume im Keller Zentimeter für Zentimeter nach Spuren ab. – Sind Sie so sicher, Herr Pohlmann, dass wir Ihre Fingerabdrücke nicht dort unten finden werden?«
»Ich sage jetzt gar nichts mehr.«
»Gut, machen wir morgen weiter. Sie sind vorläufig festgenommen.«
»Ich protestiere!« Pohlmann war nun offensichtlich aufgebracht und bis an die Grenze seiner Kontrolle wütend. »Jetzt will ich doch meinen Rechtsanwalt hinzuziehen, das ist ja die reine Willkür. Sie haben nichts in der Hand, nichts! Weshalb wollen Sie mich festnehmen, wie lautet die Anklage?«
Bayerl lehnte sich belustigt zurück. »Versuchter Mord«, sagte er gelassen.
»Das ist ja, das ist – lachhaft. Und das wissen Sie. Ich, ein Mörder? Pah!«
Maria war bereits aufgestanden. Als sie jetzt durch die Tür trat, starrte Pohlmann sie an, als sei sie ein Gespenst. »Scheiße!«, rief er.
»Ja, da haben Sie ausnahmsweise mal die Wahrheit gesprochen«, sagte Bayerl.
Pohlmann hatte sich wieder in der Gewalt.
»Wer ist das?«, fragte er. »Ich kenne diese Frau nicht.«
»Oh, Sie kennen mich sehr genau«, sagte Maria. »Und Ihre Reaktion soeben hat sie verraten. Das hätten Sie sich nicht in Ihren schlimmsten Träumen träumen lassen, nicht wahr?«
»Ja, Pohlmann«, sagte Bayerl, »das Spiel ist aus. Wie Sie sehen, gibt es einen Augenzeugen für Ihre Porno-Produktion. Und für den Mordanschlag.«
»Alles Quatsch!«, schrie Pohlmann. »Sie wollen mir nur was anhängen.«
»Jetzt ist aber Schluss!«, brüllte Bayerl in einer Lautstärke zurück, dass auch Maria zusammenzuckte. »Denken Sie, wir lassen es Ihnen durchgehen, wenn Sie unsere Leute umbringen? Nein, mein Lieber, das war ein verhängnisvoller Fehler. Keine Polizei der Welt duldet es, dass man ihre Leute umbringt.«
»Ich kenne diese Frau nicht«, beharrte Pohlmann. »Ich habe sie nie gesehen. Kann sein, dass sie hier mal Gast gewesen ist, fragen Sie mein Personal, aber ich …« Er schüttelte den Kopf.
»Ja, Ihr Personal«, sagte Bayerl. »Was sagen Sie, wenn ich Ihnen verrate, dass Ringo und Boxer längst festgenommen sind und bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt haben?«
»Das, das kann nicht wahr sein!«, rief Pohlmann. »Jetzt sage ich gar nichts mehr. Wenn Sie diesen Idioten …«
»Ja, wenn ich diesen Idioten …?«
Pohlmann presste die Lippen zu dünnen Strichen, stand auf und hielt Bayerl die Arme hin, als solle der ihm Handschellen anlegen.
»Abführen!«, sagte Bayerl zu dem Beamten, der gerade mit einer Flasche Perrier hereinkam. »Und das Wasser geben Sie her. Mir ist speiübel.«