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Alle sahen übernächtigt aus, als sie sich am nächsten Vormittag zur Auswertung trafen, und alle wirkten recht niedergeschlagen.
»Also, meine Herren – Entschuldigung«, Bayerl beugte sich zu Maria, »meine verehrte Dame und meine verehrten Herren, das war dann wohl leider ein ziemlicher Schlag ins Wasser. Oder ist jemand anderer Ansicht?« Niemand widersprach ihm. »Aber das geht auf meine Kappe. Hab ich mir halt zum Schluss noch die Narrenkappe aufgesetzt, was soll’s. Ich fürchte, wir haben nullkommanichts.«
»Wir haben die illegale Kopieranlage«, sagte Sitte, »und wir haben die Porno-Kassetten, die in dem VW-Transporter waren, der gerade vom Gelände wollte. Wir sind dabei, die Kassetten durchzusehen. Wenn wir nur einen Porno finden, der in dem Keller gedreht wurde …«
»Ja, wenn. Ich kann nur hoffen, dass Sie etwas finden. Aber wie ich diesen Halunken einschätze, hat er alles beiseiteschaffen lassen, was ihn direkt belastet. Ich glaube nicht, dass er damit gerechnet hat, dass unsere Kollegin den Mordanschlag überlebte, aber er wird befürchtet haben, dass sie jemandem gesagt hat, dass sie ins Waldschlösschen wollte. Und die Kassetten in dem VW – wie wollen wir beweisen, dass Pohlmann damit zu tun hatte? Was sagt der Fahrer?«
»Dass er sich nur in der Abfahrt geirrt hatte und gerade zur Autobahn zurück wollte. Was er da geladen hat – keine Ahnung.«
»Und die Spedition?«
»Eine Warschauer Firma.«
»Also nichts. Es sei denn, Sie finden doch etwas, das im Waldschlösschen produziert wurde, aber ich habe da wenig Hoffnung.«
»Nach der Einrichtung des Kellers«, sagte Sitte, »ist es doch offensichtlich, dass da …« Bayerl winkte ab.
»Pohlmann wird darauf bestehen, dass er diesen Kellertrakt überhaupt nicht kennt. Er kann sicher nachweisen, dass er auf den Bauplänen, die dem Mietvertrag beiliegen, nicht verzeichnet ist. Was ist mit Fingerspuren?«
»Bisher nichts«, antwortete Bräuer.
»Was haben wir noch – Rauschgift?« Bayerl blickte Nolte an. »Fehlanzeige. Schade, dass ich Ihre Wette nicht angenommen habe, sonst würde mir jetzt Ihre Seele gehören.«
»Tut sie das nicht schon?«, brummte Nolte leise. Maria, die unmittelbar neben ihm saß, hatte es doch vernommen und musste schmunzeln.
»Was gibt’s da zu lachen?«, erkundigte sich Bayerl.
»Nichts«, erwiderte Maria.
»Find ich auch. So ein Aufgebot und dann nichts. Nichts! Na, schlimmstenfalls gehe ich nun doch in den Ruhestand und angele im Starnberger See.«
»So schlimm wird es ja wohl nicht kommen«, sagte Nolte.
»Würden Sie das wirklich schlimm finden?«, fragte Bayerl.
»Ja«, antworteten Maria und Sitte wie aus einem Mund.
»Ach was, Sie wollen mir nur nicht meinen ruhigen Lebensabend gönnen. Die Fahndung nach den beiden Ganoven …«
»Ringo und Boxer«, half Maria.
»… läuft, ja?«
»Ja«, sagte Maria. »Zum Glück hatten wir sie beide im Computer, aber …«
»Ich habe Pohlmann heute Morgen noch einmal vernommen, Kollegin Baron hat mich gebeten«, ergänzte Sitte, »im Beisein von Staatsanwalt Brückner. Pohlmann streitet nicht ab, dass das seine Angestellten waren, er behauptet jedoch, dass er die beiden schon vor Tagen rausgesetzt hat, weil sie unter der Hand geschmuggelte Zigaretten verkauft hätten.«
Bayerl lachte grimmig. »Welch ein gesetzestreuer Bürger! Also haben wir bisher nichts als die Aussagen von Frau Baron. Ich fürchte, damit können wir dem Untersuchungsrichter nicht mal ein müdes Lächeln entlocken. Hoffentlich lässt er Pohlmann nicht heute wieder frei, und wir finden inzwischen noch etwas. Meine Herren, danke schön, das war’s für jetzt. Und Sie«, er blickte Maria an, »bleiben noch, ja?«
»Also«, begann Bayerl, als die anderen die Tür hinter sich zugezogen hatten, »für die Mordsache Kugler hat uns das Ganze nichts gebracht, stimmt’s? Oder rechnen Sie damit, dass noch ein Video mit der schönen Marion auftaucht?«
Maria schüttelte den Kopf.
»Ich bin nicht einmal mehr sicher, dass sie überhaupt bei Pohlmann mitgemacht hat«, sagte sie.
»Jetzt, da ich Pohlmann kenne – er hätte solch einen Star nicht so schnell umbringen lassen, er hätte wohl andere Mittel gefunden, sie am Reden zu hindern, eine Drohung, zum Beispiel, ihrem alten Herrn solch ein Video zuzuspielen.«
»Sie glauben also jetzt auch, dass das Waldschlösschen für diesen Fall ein Irrweg war«, sagte Bayerl, »aber wo können wir noch anknüpfen? Charejew ist untergetaucht, und ich habe, ehrlich gesagt, keine Hoffnung, dass wir ihn je wiedersehen. So leicht, wie es ist, aus Deutschland zu verschwinden. Wir schaffen es ja nicht mal, die illegalen Einwanderer an der Grenze abzufangen, und das sind ganze Trupps mit Kind und Kegel. Sehen Sie in Marion Kuglers Betrieb noch einen Ansatzpunkt? Bei ihren Kollegen?«
»Sie scheint sich von den anderen ziemlich fern gehalten zu haben«, sagte Maria. »Ihren Chef, Doktor Weber, habe ich befragt, er hat Marion Kugler wie eine Tochter geliebt, wie er sagte; wenn er etwas wüsste, hätte er es mir bestimmt erzählt.«
»Also müssen wir den Fall wohl zu den unerledigten Akten legen, wenn Charejew nicht doch noch auftaucht.« Bayerl stellte sich an das Fenster, trommelte mit den Fingern an die Scheibe, drehte sich plötzlich um. »Haben Sie sich eigentlich mal seine Wohnung angesehen?«
»Nein, warum sollte ich? Er hatte sie ja bereits aufgegeben, er wollte doch nicht mehr zurückkommen.«
»Vielleicht versteckt er sich dort«, meinte Bayerl.
»Gerade da? Er muss sich doch ausrechnen, dass wir ihn dort zuerst suchen?«
»Haben wir? Und wenn er denkt, dass wir denken, dass er so denkt?«
»Ich werde mich erkundigen«, versprach Maria. »Und wenn nicht, fahre ich selbst mal dorthin.«
»Aber nicht wieder alleine«, sagte Bayerl.
Hubich reichte ihr den Hörer, hielt aber die Sprechmuschel zu. »Der Major.« Maria winkte ab. »Ich habe ihm schon gesagt, dass ich Ihren Schritt auf dem Gang höre.«
»Na gut.«
»Endlich«, sagte Georg, »du treibst dich ja mächtig herum. Ich versuche es schon seit Sonnabend. Gehen wir heute essen?«
»Ich bin wirklich unheimlich beschäftigt«, sagte Maria, »tut mir leid. Und morgen wird es auch nichts.«
»Und dann muss ich nach Hannover. Sonnabend?«
»Bin ich bereits verabredet.«
»Mit wem?«
»Ich glaube«, sagte sie, »das geht dich nichts mehr an.«
»Entschuldige. Aber du meldest dich?«
»Bestimmt. Versprochen ist versprochen.«