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I wanowski arbeitete noch. Das Labor im zweiten Stock des Gebäudes war – das musste er zugeben – hochmodern. Bloom hatte ihm die besten Geräte zur Verfügung gestellt, einschließlich der Geräte zur Illumina-Genomsequenzierung. An diesem Abend arbeitete Iwanowski mit einer HiSeq 4000, einem sehr schnellen System, das selbst die schwächsten genetischen Signale deutlich verstärkte.

Er hatte seine Arbeit mit Isabellas Blut begonnen. Zwei Stunden hatte er damit verbracht, etwas zu generieren, das er eine „Bibliothek“ nannte: Eine Glasplatte mit Mulden, „wells“, trennte das genetische Material verschiedener Zellen. Iwanowski wandelte die RNA der Zellen in DNA um, zerteilte die DNA und fügte dann zu den DNA-Fragmenten jeder Zelle Marker hinzu, um jedes Fragment zu dem „well“ zurückverfolgen zu können, aus dem es gezogen worden war. Nachdem die Fragmente so markiert waren, sammelte er sie in einem Reagenzglas und sequenzierte sie.

Er hatte eine ganze Reihe von Tests veranlasst, aber am meisten interessierten ihn die Ergebnisse desjenigen, der selbst die kleinsten Marker von Tumor-DNA in Isabellas Blut aufspüren würde. Er konnte die unterschwellige Angst nicht abschütteln, dass Isabella, wie so viele seiner Forschungsergebnisse, durch einen heimtückischen Fehler geschwächt sein könnte, dem er nichts entgegenzusetzen hatte. Er wagte es nicht, zu sehr zu hoffen, bis er überzeugt war, dass sie ihm nicht – zumindest vorläufig – durch die Finger gleiten würde wie die anderen.

Er schob seine Brille höher auf die Nase. Der Timer des Sequenzers zeigte an, dass die Verarbeitung in siebenundzwanzig Minuten abgeschlossen sein würde. Iwanowski wusste, dass er unmöglich schlafen konnte, bis die Analyse fertig war, also blieb er auf und arbeitete weiter.

Er schaute sich um. Das Labor war gut, aber er würde Personal benötigen. Bloom hatte versprochen, ein Team zusammenzustellen, eine Gruppe von Militärwissenschaftlern und zivilen Genetikern, die alle durch den potenziellen Ruhm dessen, was sie erreichen könnten, für das Projekt gewonnen werden könnten – und deren Schweigen mit diesem Versprechen, einer erheblichen Entschädigung und dem Gesetz über Staatsgeheimnisse gewonnen würde. Isabellas Festnahme versprach Entdeckungen, die er nicht mehr für möglich gehalten hatte, nachdem er die M-Kohorte an den Krebs verloren hatte. Er wusste, dass viel Arbeit auf ihn wartete, aber er hatte sich vorgenommen, den Rekrutierungsprozess zu überwachen, um sicherzustellen, dass ausschließlich hochkarätige Wissenschaftler ins Team aufgenommen würden.

Er warf wieder einen Blick auf den Sequenzer.

Fünfundzwanzig Minuten.

Er brauchte einen Kaffee. Iwanowski stand vom Schreibtisch auf und ging zur Küche. Er war noch nicht durch die Tür, als plötzlich das Licht ausging.

Er blieb stehen, wartete, dass es wieder anging.

Was nicht passierte.

Iwanowski fluchte.

Er griff nach seinem Handy, doch bevor er es aus der Tasche nehmen konnte, hörte er das unverkennbare Geräusch eines Schusses.

Er verharrte.

Schüsse.

Er erstarrte, war unsicher, was er tun sollte, dann schwankte er durch die Dunkelheit zu der Alarmvorrichtung an der Wand. Er schlug mit der Handfläche auf den Knopf, doch statt eine Sirene auszulösen, passierte gar nichts. Stille.

Himmel.

„Sir?“

Iwanowski wirbelte herum. Es war einer der Wachposten. Er konnte mit Mühe erkennen, dass er eine Pistole in der Hand hielt. Der Posten war ein wenig außer Atem.

„Wir müssen gehen. Es ist jemand Unbefugtes eingedrungen.“

„Ich kann hier nicht weg“, antwortete Iwanowski fassungslos. „Die sind wegen des Mädchens gekommen. Wir müssen sie hier rausschaffen.“

„Es ist nicht sicher …“

„Sie müssen mir helfen, sie hier wegzubringen“, wischte Iwanowski seine Bedenken kurzerhand beiseite. „Sie ist wertvoller, als sie sich auch nur annähernd vorstellen können. Alles andere ist nebensächlich – verstehen Sie das?“

Der Wachposten zögerte. Iwanowski ballte die Fäuste und wurde ungeduldig, während der Mann seinen Befehl, für Iwanowskis Sicherheit zu sorgen, gegen diese Aufforderung abwog.

Iwanowski wandte sich ab und machte sich auf den Weg zur Treppe. Wenn es sein musste, würde er es eben ohne Hilfe schaffen; der Wachposten würde ihn schon mit Gewalt aus dem Gebäude schaffen müssen, und Iwanowski glaubte nicht, dass er das tun würde.

Er hatte recht.

„Bleiben Sie hinter mir“, sagte der Mann. „Wir holen sie, und dann verschwinden wir von hier.“

Iwanowski ließ den Wachposten vorausgehen, dann überquerte er im schwachen Licht der Mondsichel, das durch die Fenster schien, den Flur und erreichte die Treppe, die zu den Krankenzimmern führte.