Legal, illegal, scheißegal

Gleichzeitig standen hüben wie drüben zahlreiche Wohnungen leer. Im Westen waren es Ende der 1970er knapp 10.000, im Osten hatte man aufgrund der vielen Karteileichen keinen wirklichen Überblick über die Wohnungssituation. Der Leerstand beruhte v. a. auf den geplanten Flächensanierungsmaßnahmen: Ganze Straßenzüge sollten abgerissen und neu bebaut werden. Doch das setzte voraus, dass erst einmal alle Häuser leer standen. Aber noch bevor der letzte Mieter draußen war, zogen in die unbewohnten Häuser in der Nachbarschaft schon wieder die ersten Hausbesetzer ein. Eines der Zentren der Hausbesetzerszene im Westteil wurde Anfang der 1980er Kreuzberg - Räumungen gingen oft mit regelrechten Straßenschlachten einher. Wo nicht geräumt wurde, wurden aus den Hausbesetzern „Instandbesetzer“, die später Miet- oder Kaufverträge erhielten und denen Berlin heute einige der schönsten Straßenzüge zu verdanken hat. Auch in Ost-Berlin wurden Häuser besetzt. Dort aber betrachtete das Regime Hausbesetzer nicht als Problem. Bei dem herrschenden Wohnungsmangel war man eher froh, wenn sich Studenten selbst um eine Unterkunft kümmerten. Auch Angela, die spätere Kanzlerin, wählte die Hausbesetzung als Notlösung, weil die Behörden nicht in der Lage waren, ihr eine Wohnung zuzuweisen.
Am Platz des 9. November
Die Mauer verlieh dem Westteil nicht nur etwas Bedrohliches, sondern auch etwas Kuscheliges. Das freie West-Berliner Leben ganz nach dem Motto „Tu-Nix, Geht-Nix, Macht-Nix“ wurde zum Mythos. Wer dem Wehrdienst im Westen entfliehen wollte, verlegte seinen Wohnsitz hierher. Hier war die Sponti-Bewegung aktiv, die aus der 68er-Bewegung hervorgegangen war. Deren großer „Tunix“-Kongress (1978 an der TU) gilt als die Geburtsstunde der Grünen, der taz und des Berliner Christopher Street Day. Berlin, zumindest der Westteil, war wieder eine spannende Stadt geworden, die nicht mehr nur als Stadt des Kalten Krieges wahrgenommen wurde. Am neuen Image hatten auch David Bowie und Iggy Pop mitgewirkt, die in der zweiten Hälfte der 1970er nach Schöneberg gezogen waren - der genialen Krautmusik, der legendären Hansa-Studios und des Drogenentzugs wegen. Letzteres dürfte verdammt schwer gewesen sein in der damaligen „Hauptstadt der Fixer“ (Die Zeit). West-Berlin stand Anfang der 1980er für Punk, Rock und die Neue Deutsche Welle. Auch Nick Cave war von der damaligen Stimmung angetan und kam. In den Clubs spielten die Einstürzenden Neubauten, Ideal und Nina Hagen. Und Udo Lindenberg rockte mit seinem Panikorchester gar den Palast der Republik (1983).