An der Volksbühne tobt sich „Stückezertrümmerer“ Frank Castorf aus
Straßen voller Galerien und stylisher Flagshipstores, dazwischen die digitale Boheme in angesagten Bars. Shoppen, essen, feiern - willkommen in Berlins cooler Mitte!
Kaum ein Berliner, der zum lässigen Shoppen rund um die Hackeschen Höfe aufbricht, zu einer Vernissage in die unzähligen Galerien oder zum Statusgequatsche in eine hippe Bar, sagt, dass er in die Spandauer Vorstadt geht. Der historische Name des Viertels, das übrigens mit dem Stadtteil Spandau im Nordwesten Berlins nichts zu tun hat, hat in der Alltagssprache fast ausgedient. Man sagt schlicht „Mitte“. Zur coolen Mitte wurde die Spandauer Vorstadt erst in jüngerer Zeit - in ihren Anfängen galt sie als der Hinterhof Berlins. Hier, vor den einstigen Toren der Stadt, hausten die Schwächsten der Schwachen, Wohnungslose und Tagelöhner, Prostituierte und Kleinkriminelle. Ende des 19. Jh. gesellten sich osteuropäische Juden hinzu, die vor Pogromen in Russland und Polen geflüchtet waren. Sie verhalfen dem Viertel zu einer gewissen Blüte. Niedrige Häuserzeilen aus dem 18. und 19. Jh. vermitteln mancherorts noch heute kleinstädtisch-pittoresken Charme. Der Krieg ging aber auch an der Spandauer Vorstadt nicht spurlos vorüber, und zu DDR-Zeiten wurden die Lücken mit hässlichen „Ersatzneubauten“ geschlossen.
Unmittelbar nach der Wende teilte die Spandauer Vorstadt das Schicksal von Prenzlauer Berg und Friedrichshain. Aber viel schneller als dort standen hier auch die Investoren parat. Die Ossi-Omas in Kittelschürze verschwanden, Konsum und Eckkneipe wurden durch Boutiquen und sterile Cafés ersetzt. Heute wirkt im versnobtesten Szeneviertel der Stadt vieles etwas aufgesetzt und touristisch verkitscht. Manche Ecken halten aber noch immer einen Hauch Ostberliner Authentizität parat, dazu überraschen originelle Bars und Clubs aus alten Zeiten. Auch die jüdische Kultur wurde im Kleinen wiederbelebt, es gibt einige jüdische Cafés und Kultureinrichtungen.