Die Natur stellt für uns Experimente an. In manchen Fällen können wir dabei zusehen, wie das Tonband des Lebens noch einmal abgespielt wird, genau wie es George Bailey auf der Brücke in Bedford Falls erging.

Echsen sind praktisch auf allen Karibikinseln zu Hause, von Saint Martin bis nach Jamaika. Mit ihren üppigen Wäldern, offenen Ebenen und Stränden bieten die Inseln ein breites Spektrum einladender Umgebungen, in denen Echsen gedeihen können. Ganze Wissenschaftlergenerationen haben dort ein natürliches Labor vorgefunden, in dem sie die Evolution studieren konnten. Die Karibikinseln hatten für sie eine ganz ähnliche Funktion wie die Galapagosinseln für Darwin: Auf jeder von ihnen kann man beobachten, wie verschiedene Echsenarten sich an unterschiedliche Umgebungsbedingungen anpassen. Ernest Williams (19141998) war einer der großen Amphibien- und Reptilienforscher seiner Generation. Ausgehend von früheren Arbeiten, stellte er fest, dass auf verschiedenen Karibikinseln ähnliche Echsen leben. In den Wäldern sind die Echsen darauf spezialisiert, in unterschiedlichen Teilen eines Baumes zu leben – manche in der Baumkrone, andere am Stamm, wieder andere am unteren Ende des Stammes auf dem Erdboden. Alle Echsen, die in den Baumkronen leben, sind unabhängig davon, auf welcher Insel sie sich befinden, groß; sie haben einen großen Kopf, eine gezackten Leiste auf dem Rücken und eine dunkelgrüne Färbung. Alle am Stamm lebenden Echsen sind mittelgroß, haben kurze Extremitäten, einen kurzen Schwanz und einen dreieckigen Kopf. Und alle, die zwischen Stamm und Erdboden zu Hause

Unter Williams’ Anleitung stellte mein Kollege Jonathan Losos diese Echsen in den Mittelpunkt seiner Wissenschaftlerkarriere. Mit DNA-Analysen erforschte er die Verwandtschaftsbeziehungen der Echsenarten auf verschiedenen Inseln. Betrachtet man ihre Anatomie, so würde man damit rechnen, dass die Echsen in den Baumkronen mit ihren großen Köpfen quer über die Inseln eng miteinander verwandt sind, und das Gleiche sollte auch für die Echsen mit kurzen Extremitäten an den Baumstämmen und die langbeinigen Formen am Erdboden gelten. Losos fand etwas anderes. Die Echsen sind jeweils auf einer Insel am engsten verwandt. Jede Insel besitzt ihre eigene Echsenpopulation und wurde unabhängig besiedelt. Auf jeder Insel wurden einzelne Exemplare vom Meer angetrieben, und deren Nachkommen passten sich unabhängig voneinander an die Bedingungen an. Man kann sich jede Insel als eigenständiges Evolutionsexperiment vorstellen, in dessen Verlauf die Echsen sich auf das Leben am Erdboden, am Baumstamm, auf Zweigen und in der Baumkrone einstellen. Wenn jede Insel ein solches eigenständiges Experiment ist, hat die Evolution immer und immer wieder das gleiche Ergebnis hervorgebracht. Das Tonband der Geschichte wurde auf verschiedenen Inseln abgespielt, und die Evolution lief in allen Fällen auf die gleiche Weise ab.

In größerem Maßstab gilt das Gleiche auch für Säugetiere. Die Beuteltiere haben in Australien seit über 100 Millionen Jahren ihre eigene Evolution durchgemacht, und dabei sind vielfältige Arten mit ganz unterschiedlichem Körperbau entstanden. Das Ergebnis dieses Experiments wurde eindeutig

Solche natürlichen Experimente zeigen, dass die Geschichte des Lebens keine Aneinanderreihung zufälliger Ereignisse ist. Die Würfel sind gezinkt; das liegt einerseits daran, wie Gene und Embryonalentwicklung für den Aufbau eines Körpers sorgen, andererseits aber auch an den physikalischen Beschränkungen aus Umwelt und Vergangenheit. Die Lebewesen jeder Generation haben Rezepte geerbt, und diese Rezepte für den Aufbau von Organen und Körper sind in ihren Genen, Zellen und Embryonen festgeschrieben. Die Vererbung wirkt sich auf die Zukunft aus und sorgt dafür, dass bestimmte Wege des Wandels wahrscheinlicher sind als andere. Im Körper und in den Genen aller Lebewesen mischen sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.