Lenins zweite Emigration, die nach seiner Flucht aus Finnland begann, war in hohem Maße geprägt vom Bewusstsein der Niederlage und einer vergeudeten Chance. Zumindest in der ersten Phase des erneuten Exils entwickelte sich vieles nicht gerade nach Lenins Wunsch. Die Meinungsverschiedenheiten zwischen jenen Bolschewiki, die sich gegen die Beteiligung der Partei an der Duma aussprachen, und jenen, die Lenins diesbezüglichen Vorgaben folgten, trieben eine Spaltung innerhalb der Fraktion voran. Die sogenannten »Otsowisten« und »Ultimatisten«, die die bolschewistischen Mandatare der dritten Duma unter Androhung des Parteiausschlusses zum Rückzug aus dem Parlament zwingen wollten bzw. gegen die Anerkennung parteiloser Organisationen wie etwa der Gewerkschaften auftraten, forcierten ihrerseits die Distanz zu Lenin.1 Diese ergab sich auch aus unterschiedlichen Ansichten über die Art und Weise, wie die Arbeiter an die Lehren des Sozialismus herangeführt werden sollten. Für Alexander Bogdanow etwa war Lenins Überzeugung von den Intellektuellen als »Erzieher« des Proletariats falsch. Er sprach von einer eigenen »proletarischen Kultur« und betonte damit das Potenzial der Arbeiterschaft. Diese Ideen mündeten u. a. in die Gründung einer Parteischule, die bei Maxim Gorki auf Capri eingerichtet wurde. Lenin etablierte daraufhin eine eigene in Longjumeau bei Paris. »Parteischule« war allerdings eine hochtrabende Umschreibung für ein paar Vorträge vor einer Handvoll Parteigenossen.
Als fundamentalen Angriff gegen den Marxismus wertete Lenin indessen die philosophischen Untersuchungen, die Bogdanow in seinem Buch Empiriomonismus anstellte und die u. a. als Folge der Rezeption der Lehren des Österreichers Ernst Mach und seines Empiriokritizismus entstanden waren.2 Lenin, der seine Enttäuschung über die gescheiterte Revolution mit einer zeitweiligen Flucht in philosophische Gedankenwelten kompensierte, wandte sich scharf gegen den Machismus und seine Epigonen. 1909 legte er eine umfangreiche Abhandlung mit dem Titel Materialismus und Empiriokritizismus vor, die als kategorische Zurückweisung explizit auch von Bogdanows Anschauungen verfasst wurde. Dessen Skeptizismus und das Relativieren von Kategorien, die Lenin für feststehend hielt, rückten den Kritisierten seiner Meinung nach in die Nähe von Mystikern und entfernten ihn vom Weltverständnis des Marxismus. Lenin verurteilte dabei bezeichnenderweise auch Machs, wie er meinte, im Grunde »verschleierten Solipsismus«,3 wohingegen andere Sozialdemokraten »die Darstellung der Abhängigkeit der Elemente voneinander« als eine der zentralen Ergebnisse der Mach’schen »Durchforschung der gesamten Physik« würdigten.4 Dazu konnten sich nicht alle aufraffen. Mach erkläre, meinte zum Beispiel der deutsche Philosoph Ernst Bloch, die Materie zum »Schein« und den »Materialismus« zur »Metaphysik«. »›Genau‹ solche Metaphysik«, fügte er hinzu, »wie der christliche Jenseitsglaube (gegen den der Materialismus dann einen bloßen Bruderkampf führt), wie der Glaube der Australneger [!] an Geister und Dämonen.«5 Damit schloss er sich Lenins Kritik an, um gleichzeitig jene säkulare Religion anzusprechen, die sich im Leninismus Bahn brach. »Ubi Lenin, ibi Jerusalem«, soll Bloch noch 1937 vor dem Hintergrund des Großen Terrors unter Stalin gesagt haben.6
Lenin konnte keine Lehre akzeptieren, welche »die objektive Welt und das menschliche ›Weltbild‹« nicht gleichsetzte, sondern auf das Filtern und Selektieren von »menschlichen Wahrnehmungs- und Begriffsapparaten« verwies.7 Das »objektiv reale Sein« betrachtete der Materialismus als etwas, das unabhängig war von Empfindungen oder Erfahrungen. Wer sich von ihm entferne, behauptete Lenin, gehe der »bürgerlich-reaktionären Lüge« auf den Leim, um am Ende ganz und gar in den Idealismus hineinzugeraten.8
Wie viele andere Texte auch verfasste Lenin sein Opus wider den Empiriokritizismus, das trotz oder aber wegen seines fast schon esoterischen Tenors später zu einem »Grundlagentext des Marxismus-Leninismus erhoben« wurde,9 in Form einer Streitschrift. Tatsächlich orientierte er sich in seiner ganzen Publizistik an einer damals üblichen Form verschriftlichter Kommunikation mit Kritikern oder Andersdenkenden, welche die eigenen Positionen herausforderten. Während aber etwa der Anti-Dühring nachträglich den einflussreichsten Schriften des Marxismus zugezählt wurde, schränkte Lenin mit seiner Art des Schreibens den Kreis des potenziellen Zielpublikums von vornherein ein. Mit einer Unzahl an kryptischen oder extrem verkürzten Andeutungen über die Aussagen dieses oder jenes Philosophen bzw. Autors wandte er sich de facto nur an eine Handvoll Wissender.
Dabei zweifelte Lenin offenbar selbst an seinen Kompetenzen als Philosoph. Und damit war er nicht allein. Seine Analysen erschienen manchen oberflächlich oder allzu hastig zu Papier gebracht. Binnen nur weniger Monate hatte Lenin, urteilte etwa der österreichische Sozialdemokrat sowie studierte Mathematiker und Physiker Friedrich Adler, »wirklich alle Literatur durchgebüffelt«, aber keine Zeit erübrigt, »um sich hineinzudenken«.10 Nicht ohne Grund hielten und halten viele Lenins Streitschrift daher für eine einigermaßen unausgereifte und fehlerhafte, ja geradezu stümperhafte Abhandlung. Die überwiegende Mehrheit seiner Mitstreiter konnte bezeichnenderweise nichts mit dem Werk des Bolschewikenführers anfangen. Sie verstanden es schlicht und einfach nicht.11 Das galt in gewisser Weise auch für Ernst Mach, den Lenins Argumente in Erstaunen versetzten. Er fühlte sich bzw. seine Aussagen falsch interpretiert und sprach von unnötigen »Tüfteleien« und einem konstruierten Gegensatz zwischen seinen Positionen und jenen des Marxismus bzw. der Sozialdemokratie.12
Seine eigenen Zweifel an einer ausreichenden philosophischen Befähigung für einen Kampf gegen den »Machismus« taten Lenins Furor aber keinen Abbruch. Seine Ausführungen reicherte er wie gewohnt mit polemischen Entgegnungen an. Erst recht, wenn er zum Schluss kam, dass jemand den Marxismus als unumstößliches, ewig gültiges Denksystem infrage stellte.13 Diese »Sünde« konnte er Bogdanow damals noch weniger verzeihen als dessen »Otsowismus«. So jedenfalls wollte er seine Gegenposition verstanden wissen – als Widerspruch eines wahrhaften Marxisten. Dass er die philosophischen Überzeugungen des versierten Naturwissenschaftlers, Arztes, Philosophen und Publizisten für falsch und sogar »schädlich«, ja für »philiströs und pfäffisch« hielt, ließ er diesen dann auch ohne Umschweife wissen.14 Lenin strebte nach Eindeutigkeit – in jeder Hinsicht. Die Mach’sche Skepsis gegenüber den menschlichen Erkenntnismöglichkeiten und Bogdanows Versuche, sie mit dem dialektischen Materialismus zu verbinden, rührten scheinbar an Elementarem. Versöhnungsangebote, wie sie Bogdanow offenbar – wenn auch unter Beibehaltung eigener Standpunkte – formuliert hatte, schlug er aus. Wer sich so wie Lenin ganz und gar dem revolutionären und somit »praktischen« Marxismus verschrieben hatte, reagierte auf Kritik an den Grundfesten der eigenen Überzeugungen, die Lebenssinn generiert und Lebensinhalt bestimmt hatten, nicht nachsichtig, sondern emotionell. Der »wahrhaft Gläubige« war auf einen Abtrünnigen, einen »Renegaten« gestoßen.
Andere Motive für Lenins Schrift wider den Genossen und dessen Ansichten sind prosaischer Natur: Bogdanow drohte ihn zu übertrumpfen, ihm den Rang eines wahrhaften Revolutionärs streitig zu machen. Immerhin fiel die Auseinandersetzung zwischen den beiden in eine Phase, in der man Lenin unterstellen konnte, seinen Radikalismus, wenn nicht aufgegeben, dann zumindest gemildert zu haben. Während er sich ungeachtet früherer Tiraden gegen die Duma für den parlamentarischen Kampf aussprach, hatte Bogdanow das Abrücken von konkreten Vorbereitungen für die Revolution scharf kritisiert. Lenin wehrte sich und widersprach. Tatsächlich war er nie davon abgewichen, Volksvertretungen generell als »bürgerliche Unterdrückungswerkzeuge« zu betrachten. Ihm ging es darum, die Duma als Bühne zu nutzen: Die bolschewistischen Abgeordneten sollten die »verlogene« Politik der übrigen Parteien entlarven. Dass er damals von eigenen Genossen als Opportunist beschimpft wurde, weil er den Boykott der Duma ablehnte, beklagte er noch Jahre später. Dabei konnte er sich auch in dieser Hinsicht auf seine »Meister« berufen, die der Sozialdemokratie eine strikte Oppositionspolitik angeraten hatten, ohne damit ein grundsätzliches Fernbleiben von demokratischen »Veranstaltungen« zu verbinden. Den Rat, sich in entlarvender Opposition zu üben, beherzigte er im Übrigen auch 1917, als er gegen die Provisorische Regierung wetterte und eine klare Gegenposition bezog.15
Für alle sichtbar und unmissverständlich wieder gewohnt kämpferisch wahrgenommen zu werden, ergab sich dann aber für Lenin wie von selbst. Angesichts einer fortschreitenden kapitalistischen Entwicklung in Russland rückte das Trauma der erfolglosen Revolution nach und nach in den Hintergrund: Das Industrieproletariat in Russland wuchs zwischen 1909 und 1913 auf eine Zahl von 2,46 Millionen an und gab sich immer wieder aufmüpfig.16 Da außerdem die Oberschicht anscheinend wenig aus den Ereignissen der ersten Revolution gelernt hatte, sondern ihre Maßnahmen zur Unterdrückung von Streiks eher verschärfte, regte sich aus Lenins Perspektive begründete Hoffnung auf ein neuerliches Aufbegehren der Massen. Diese Perspektive ließ sich außerdem mit den an Schärfe zunehmenden Konflikten unter den europäischen Mächten und mit einer labiler gewordenen politischen Großwetterlage ideal verknüpfen.
Die Unzufriedenheit vieler Bolschewiki mit einem für sie nicht immer nachvollziehbaren Parteikurs mündete zuvor aber in immer heftiger werdende Streitigkeiten. Bogdanows Ablehnung der von Lenin befürworteten bolschewistischen Präsenz in einem Parlament, das selbst der ehemalige Ministerpräsident Sergej Witte als »Lakaienduma« bezeichnete,17 bescherte der Partei schwere Differenzen. Querschüsse konnte Lenin in Anbetracht seiner hochtrabenden Pläne für die Führungsrolle der Bolschewiki innerhalb der russischen Sozialdemokratie aber ebenso wenig brauchen wie einen potenziellen Konkurrenten. An Bogdanows Parteiausschluss führte kein Weg vorbei. Die Trennung von dem zuvor geschätzten Weggefährten, der die Bolschewiki überdies mit nicht unerheblichen Summen gesponsort hatte, vollzog Lenin ungeachtet verschiedentlicher Einwände konsequent. Vorgeblich erfolgte der Bruch aufgrund der Überzeugung, Bogdanow habe sich vom Marxismus abgewandt. Dass er in Wahrheit einen lästigen Rivalen hatte loswerden wollen, stritt Lenin beharrlich ab. Ungeachtet dessen verweisen seine Biograf:innen darauf, dass die Abkehr von dem früheren Weggefährten erst vollzogen wurde, als eine Erbschaft Geld in die leere Parteikasse zu spülen versprach: Nikolaj Pawlowitsch Schmit, Neffe eines reichen Industriellen, der mit den Bolschewiki sympathisiert hatte, war – offenbar als Folge von Misshandlungen während einer Haftstrafe – früh gestorben und hinterließ seinen zwei Schwestern ein stattliches Vermögen. Um die Gelder aus der Verlassenschaft für Parteizwecke zu lukrieren, sollten zwei Bolschewiki den jungen Damen den Hof machen und sich dann den Zugriff auf das Erbe sichern. Tatsächlich landeten die zwei Paare vor dem Traualtar. Lenin und seine Heiratsschwindler hinderten bei der Ausführung ihres Plans keinerlei Skrupel. Die frisch vermählten Ehemänner händigten Lenin nach der Hochzeit zwar nicht die gesamte Summe aus, die infolge der Erbschaft verfügbar war, der Betrag war aber hoch genug, um den späteren Revolutionsführer zufriedenzustellen.18 Diese Version der Affäre des überaus versierten Lenin-Biografen Robert Service, in der nicht zuletzt die aufgrund niedriger Beweggründe ramponierte Gefühlswelt der jungen, anscheinend hintergangenen Damen betont wird, unterscheidet sich in einigen Details von einer anderen Darstellung, die lange davor der deutsche Historiker Dietrich Geyer vorgelegt hatte. Darin scheint Schmit als vermögender Eigentümer einer Moskauer Möbelfabrik auf. Tatsächlich dürften Lenin und weitere Bolschewiki dafür gesorgt haben, dass ein noch minderjähriger Bruder den Besitz des Verschiedenen den beiden Schwestern überließ. Zumindest eine von ihnen, die beim Ableben ihres älteren Bruders bereits mit einem »fraktionell nicht gebundenen Sozialdemokraten« verheiratet gewesen war,19 gab sich allerdings äußerst widerspenstig, als es um die Auszahlung der begehrten Beträge an die Bolschewiki ging. Es bleibt offen, ob sie sich überhaupt von ihrer Erbschaft oder auch nur einem Teil davon trennte. Die zweite Schwester, die bereits mit einem Bolschewiken liiert war und dennoch eine bald wieder aufgelöste Scheinehe mit einem Strohmann einging, um Lenin und seinen Genossen den Weg zur Ausschüttung des Vermögens zu ebnen, überließ Letzteren ebenfalls keineswegs alles, was ihr die beachtliche Verlassenschaft des Verstorbenen eingebracht hatte. Dass freilich die Bolschewiki finanziell vom Tod Schmits profitierten und trotz der Aufsässigkeit der Erbinnen immer noch beträchtliche Summen flossen, ist indessen unumstritten.20 Allerdings folgte auf den undurchsichtigen Coup eine Vielzahl an Unannehmlichkeiten, da sich auch die Menschewiki und sogar der mittlerweile von Lenin erbittert bekämpfte Alexander Bogdanow für das Erbe interessierten und Anspruch auf bereits ausbezahlte Summen erhoben.21 Die Zwistigkeiten innerhalb der SDAPR und schließlich die weitgehende organisatorische Trennung der beiden Fraktionen verkomplizierten die Lage immens.
Lenin setzte in der Folge alle Hebel in Bewegung, um die Schmit’schen Gelder für die Parteikassa zu verbuchen. Ohne ausreichende Finanzmittel war an die Herausgabe von Periodika, die den bolschewistischen Kurs nach außen vertraten und ein geeignetes Gegengewicht zu den Blättern konkurrierender Gruppen darstellen sollten, nicht zu denken.
Lenin selbst blieb in seiner Lebensführung verhältnismäßig bescheiden. Das bescheinigen ihm fast alle Biograf:innen. In tatsächlich ärmliche Verhältnisse abzurutschen, drohte er lange Jahre nicht. Seine vielen Reisen, die explizit der Erholung oder touristischen Aufenthalten galten, schließen eine Existenz am Abgrund aus. Seine ökonomische Lage begann sich erst während des Ersten Weltkriegs zu verschlechtern – derart, dass er darüber klagte, nicht mehr zu wissen, wovon er leben sollte.22 Mitverantwortlich für diese Misere war der Tod der geliebten Mutter, die den Sohn bis zu ihrem Ableben unterstützt hatte. Und auch die Schwiegermutter, deren finanzielle Zuwendungen wohl ebenfalls unangenehme budgetäre Engpässe verhindert hatten, starb während des Kriegs. Das Geld wurde nun u. a. auch wegen Nadeschdas Basedow-Krankheit knapp, da sie ihr Leiden dazu zwang, »länger in den Bergen« zu leben. Das, meinte Lenin gegenüber Alexandra Kollontaj, die nach dem Oktoberumsturz Volkskommissarin für soziale Fürsorge wurde, sei eben »teuer«. Interessanterweise bat er damals die Genossin nicht für sich, sondern für seine Frau um die Vermittlung von Arbeit bei einem Verlag – als Übersetzerin oder aber für »eine pädagogisch-publizistische« Tätigkeit.23 Er selbst, so schien es, hatte keine Zeit für solche Nebengeschäfte. Lenin blieb trotz eines beklagten Geldmangels während des Kriegs jene bittere Armut erspart, die Plechanow zu einem verhärmten Menschen werden ließ und viele andere im Exil zu abwegig erscheinenden Tätigkeiten nötigte. So etwa stellte Pawel Axelrod, um seine Familie zu ernähren, in der Schweiz eine Kefir-Firma auf die Beine, die schließlich erfolgreich genug lief, um sich Gewissensbisse über sein Doppelleben als »Kapitalist« und Revolutionär zu machen. Bei alledem fand der unfreiwillig zum Spezialisten für kaukasische Sauermilchproduktion gewordene Dissident keinen Schlaf, weil er davon ausging, die Gläser, in denen das mit speziellen Bakterien angereicherte Produkt abgefüllt wurde, alle zwei Stunden schütteln zu müssen.24
Während Lidija Dan als wohlwollende Weggefährtin Axelrods später von dessen »idiotischem Kefir-Geschäft« sprach und diesem »Business« die Zerfahrenheit des geschätzten Genossen zuschrieb, mussten Lenin und seine Frau derart »wesensfremden« Arbeiten niemals nachgehen.25
Unterdessen erwies sich die Gefolgschaft des Bolschewikenführers auch nach der Entfernung Bogdanows aus der Partei als widerspenstig. Zornig registrierte Lenin ein Abgleiten seiner Mitstreiter in den Menschewismus. Sein Konzept der Nationalisierung des Bodens traf unter diesen Vorzeichen nicht einmal in den eigenen Reihen auf ungeteilten Zuspruch. Einige hielten Lenins Vorschlag für unzulänglich, da wenig attraktiv. Auf diese Weise seien die Bauern nicht für die Revolution zu gewinnen. Das Land müsse in das Eigentum der Bauern überführt werden, ohne Wenn und Aber, hieß es.26 Lenin aber hielt die Annäherung an Genossen, die sich – so sein Urteil – nicht entscheiden konnten oder wollten, welcher der Fraktionen sie sich nun tatsächlich zugehörig fühlten, für überflüssig. Der vorgeschlagenen Zusammenarbeit mit Trotzki, der gegen die Spaltung der Partei auftrat und in Österreichs Hauptstadt erfolgreich seine Zeitung, die sogenannte Wiener Prawda, redigierte, konnte er daher erwartungsgemäß wenig abgewinnen. Nur widerwillig erteilte er ihr dann aber doch seinen Segen.27
1910 fand eine Plenarsitzung des Zentralkomitees in Paris statt, die auch als Vereinigungsplenum bezeichnet wurde. Aus Lenins Perspektive hatten hier die »Versöhnler« die Mehrheit. Das von den Menschewiki dominierte Gremium verlangte das Ende von Lenins Privat-ZK, dem »Bolschewistischen Zentrum«, und die Übergabe des Schmit’schen Vermögens an eine treuhänderische Verwaltung, die Karl Kautsky, Franz Mehring und Clara Zetkin übernahmen.28
Der Niedergang der SDAPR als Folge der Repressionen in Russland ging mit der Verhaftung führender Funktionäre, der Auflösung bestehender lokaler Strukturen und einer daraus resultierenden defensiven Haltung bei vielen Menschewiki einher. Die sogenannten Liquidatoren, die angesichts der weitgehenden Verunmöglichung einer effektiven Parteiarbeit im Zarenreich die Auflösung der SDAPR forderten und lieber in legalen, offiziell geduldeten Arbeiterorganisationen wirken wollten, verdammte Lenin in unzähligen Schriften. Den Menschewiki unterstellte er mehr oder weniger pauschal, sich als »Zerstörer« zu betätigen. Zu Unrecht, wie Julij Martow meinte. Er erkannte die Gefahren dieser Strömung und die dadurch evidente Negation des »alten Menschewismus« durchaus.29 Plechanow zum Beispiel machte gar keinen Hehl aus seiner Ablehnung des Liquidatorentums.30 Trotzdem fehlte es den Menschewiki an einer einheitlichen Linie. Jeder schien seine eigenen Vorstellungen von der Partei zu haben – und genau darin lag das Problem. Den Slogan der Bolschewiki, im Sinne einer ideologischen Annäherung geschlossen gegen Abweichungen von links und rechts aufzutreten, lehnte Martow jedenfalls ab. Schon deshalb wahrscheinlich, weil er das Liquidatorentum ebenso wie beispielsweise seine Schwester, Lidija Dan, bei aller Skepsis eher als Versuch verstand, eine künftige Revolution in Anbetracht der Misserfolge von 1905 auf eine breitere Basis zu stellen. Ein kleiner illegaler Zirkel, wie ihn Lenin präferierte, war dazu offenbar nicht in der Lage gewesen.31 Noch während der Revolution hatte Pawel Axelrod sich für die Einberufung eines großen Arbeiterkongresses starkgemacht, der putschistischen Bestrebungen von Parteigenossen eine klare Alternative entgegensetzen sollte. Dieses Konzept lief letztlich schon damals auf eine neue Partei hinaus.32 Aus Lenins Sicht aber hatte sich das Zeitfenster, das sich mit dem Oktobermanifest für die Schaffung einer Massenpartei oder vielmehr für die Rekrutierung einer revolutionären Armee aus dem Proletariat geöffnet hatte, mit dem gescheiterten Dezemberaufstand gleich wieder geschlossen.
Martow zog indessen eigene Lehren aus der Vergangenheit und plädierte viel eher für eine Kombination von legaler und illegaler Arbeit – ein Mittelweg, der Lenin nach eigenen Aussagen nicht befriedigte. Für die Sozialisten-Revolutionäre wurde unterdessen die Frage der Strategie ebenfalls zur zentralen Auseinandersetzung über die Zukunft der Partei. Nicht anders als bei den Sozialdemokraten tobte auch unter ihnen ein erbittert geführter Streit über einen Kurs pro oder wider die legale Parteiarbeit. In Anbetracht des repressiven politischen Klimas im Zarenreich drohte diese aber auf ein nur bescheidenes Wirken und damit auf ein bloßes Dahinvegetieren hinauszulaufen.33
Martow aber hielt dagegen. Er bemühte das deutsche Beispiel. Der frühere Lenin-Intimus verglich die nunmehrigen Aufgaben der Partei mit den Herausforderungen, denen sich die SPD in der Verbotsära unter Reichskanzler Bismarck gegenübergesehen hatte. Seine Orientierung an die deutsche Partei sah dennoch völlig anders aus als diejenige, die Lenin zu Beginn der Jahrhundertwende vor Augen hatte, als er sich auf die radikalen Wurzeln und revolutionären Ansagen der SPD bezog und ihre inhaltliche Ausrichtung befürwortete. Lenins Bindung an die SPD war eher ideeller Natur und fand konkrete Anknüpfungspunkte für die Parteiarbeit in noch weiter zurückliegenden Perioden, als Martow sie benannte. Auf Pawel Axelrods Ankündigung einer angestrebten »Europäisierung« der Partei, d. h. auf den Plan, diese »auf den Fundamenten aufzubauen, auf denen der Parteibau der europäischen Sozialdemokratie ruht«, reagierte Lenin daher mit derselben Häme wie auf Martows Ankündigungen.34 In seiner Kritik an den Losungen der Menschewiki bedient er sich ähnlicher Argumente wie in Was tun?. Er stellte außerdem klar, dass eine konsequente Anlehnung der russischen Partei an das Vorbild der SPD nichts anderes sei, als sich als »nackter Wilder« einen »Zylinderhut« aufzusetzen und dann zu hoffen, für einen »Europäer« gehalten zu werden. Mit anderen Worten: Eine »europäische Partei« sei in Russland eben nicht zu verwirklichen – nach der gescheiterten Revolution von 1905 weniger denn je. Eine solche Konstruktion entbehrte nach Lenins Einschätzungen der erforderlichen Grundlagen: Wo keine Verfassung, da auch keine konstitutionelle Opposition und folglich auch keine entsprechende Betätigungsmöglichkeit.35 Die »Europäisierung«, welche die Liquidatoren verfolgten, misslang, so meinte später auch Fjodor Dan, weil sie diese allumfassend und orientiert an einer bereits seit Langem erfolgreichen Arbeitsweise im Westen umzusetzen versuchten und so an der russischen Realität vorbei agitierten.36
Haarsträubend fand Lenin auch Martows Visionen einer »besseren« Partei, die jetzt – allen Hindernissen zum Trotz – auf den Weg gebracht worden sei. Dieser prognostizierte nämlich bei allem Zweifel an den Positionen des Liquidatorentums als Resultat der unterschiedlichen Strategien die Gründung einer gefestigten, legalen Partei, die sich auch auf nicht-parteigebundene Arbeiterorganisationen wie Gewerkschaften, Bildungsvereine oder Genossenschaften stützen sollte.37 Lenin hielt davon gar nichts. Weder eine zur Diskussion stehende »offene« Partei noch eine Neugründung sah er als erstrebenswerte Ziele. Er beharrte außerdem auf einem ins Jahr 1908 datierenden Parteibeschluss, der realiter beide Abweichungen, also jene der Liquidatoren und die der Otsowisten, klar verurteilt hatte. Warum sollte er gnädiger gegenüber den »Abweichlern« der gegnerischen als gegenüber denjenigen aus der eigenen Fraktion sein?38
Die Partei zerfiel immer weiter – mehr noch: Auch die Bolschewiki rieben sich im Kleinkrieg wechselseitiger Anfeindungen auf. Gestritten, ja gekämpft wurde mit harten Bandagen.39 Lenins Bericht über die Zusammenkunft in Paris, den er Maxim Gorki zukommen ließ, klang dementsprechend alles andere als optimistisch. Vielmehr ließ sich daran ablesen, dass Lenin von all den Querelen bereits zermürbt war: »Und so quälen wir uns denn jetzt ab. Entweder werden wir – bestenfalls – die Eiterbeulen« – damit meinte er »Abberufler« sowie Liquidatoren – »aufschneiden und den Eiter herauslassen, das Kind heilen und aufziehen. Oder – schlimmstenfalls – das Kind stirbt. Dann werden wir eine Zeitl[an]g kinderlos bleiben (das will heißen: wir werden die b[olschewistische] Fraktion wiederherstellen), und dann werden wir ein gesünderes Kind zur Welt bringen.«40
Die bei den Sitzungen des ZK gegenüber den Menschewiki gemachten Zugeständnisse, die u. a. auf die Organisation eines gemeinsamen Parteitags hinausliefen – im Mai 1911 fand lediglich eine weitere ZK-Sitzung in Paris statt –, blieben wertlos.41 Auch deshalb, weil einige Menschewiki das Vertrauen in die Versprechungen der Bolschewiki völlig verloren hatten. Umgekehrt fürchtete Lenin als Folge der geschlossenen, »höchst vagen« Kompromisse mit den »Minderheitlern« die komplette Sprengung der Bolschewiki. Nichts deutete bei alledem auf ein Abrücken von bereits bezogenen Positionen hin.42 Allerdings galt das für alle Seiten. Die ohnehin zaghaft betriebene Annäherung wurde erneut vereitelt. Weitere Gespräche erschienen obsolet. Dem kleinen Häuflein von Delegierten, das sich im Frühjahr 1911 abermals in Paris zusammenfand, gehörte nur ein Menschewik an, der obendrein als Anhänger der Liquidatoren galt und kaum, dass sich die Runde konstituiert hatte, auch gleich wieder verschwand.43
Anfang 1910 hatten die Bolschewiki ihre Fraktion unter der Bedingung der Auflösung auch anderer Gruppen begraben. Ende des Jahres wurden die in Wirklichkeit niemals wirklich »beerdigten« Bolschewiki als eigene Fraktion reaktiviert, weil Lenin nun sogar eine verstärkte »Absonderung« unter dem Rest der Genossen festgestellt hatte. Er selbst aber musste sich eingestehen, dass seine Anhängerschaft nicht unerheblich geschrumpft war.44 Während sich ungeachtet der vorhandenen Plenarbeschlüsse weiterhin alle möglichen Gruppierungen in verschiedenen Zeitungen ihre Ansichten über die Aufgaben der russischen Sozialdemokratie an den Kopf warfen, fehlte es den Abtrünnigen bzw. »Abweichlern« an einer Autorität, die Lenin ebenbürtig gewesen wäre. Martow vermochte es nicht, den Erosionserscheinungen seiner Fraktion entgegenzutreten. Außerdem schreckte er zunächst sogar vor einem offenen Kampf mit Lenin zurück, da er als Resultat einen unerwünschten Rechtsruck bei den Menschewiki befürchtete.45 Der, wie es hieß, notwendigen Reorganisierung der Partei »nach dem Muster der fortgeschrittenen europäischen Länder« standen eine schädliche »Sektenroutine« und die »Diktatur kleiner abgekapselter Zirkel« gegenüber.46
Diese Kritik zielte hauptsächlich auf Lenin ab. Doch der blieb unbeeindruckt von der Schelte. Er konterte seinen Gegnern gewohnt scharfzüngig. Was immer notwendig erschien, um seine Widersacher zu desavouieren, brachte er vor. So verwendete er etwa die Bezeichnungen »Menschewiki« und »Liquidatoren« noch konsequenter als bisher synonym und schilderte deren angeblich verderblichen Einfluss auf die Arbeiterschaft in den düstersten Farben. Der verbliebenen kleinen Gruppe orthodoxer Menschewiki warf er vor, die Liquidatoren nicht mit entsprechender Entschlossenheit bekämpft zu haben. Sie stünden daher vor den Trümmern ihrer Partei bzw. Fraktion, ihre Anführer seien unfähig, dem Kreislauf wechselseitiger Zerfleischung zu entkommen. Der Rest, bemerkte er hämisch, habe mehr mit den Bolschewiki gemeinsam als mit den früheren Genossen, von denen viele überdies zu den Liberalen übergelaufen seien.47 Der Rundumschlag mündete in eine Analyse, die keinen Zweifel daran ließ, wer die Schuld an der Lage trug: Die Bolschewiki hatten die dem kompletten Untergang entgegentaumelnde Partei gerettet, die Menschewiki sie hingegen beinahe zerstört und in der Folge sich selbst. Sogar jene »Minderheitler«, die zu Lenin auf klare Distanz gegangen waren, mussten die fast vollkommene Zerrüttung der Partei zugeben.48
Bei seinem Feldzug gegen die Liquidatoren sparte Lenin niemanden aus, auch frühere Vertraute nicht. Ins Visier nahm er vor allem Alexander Potresow, seinen ehemaligen Weggefährten und einen der Mitgründer der Iskra. Ihn überschüttete er regelrecht mit derben Beschimpfungen. Aber auch Vera Sassulitsch entging seinen Beleidigungen und erniedrigenden Belehrungen nicht. Der bereits im siebten Lebensjahrzent stehenden Veteranin der revolutionären Bewegung hielt er nicht nur »peinliche« Fehler bezüglich ihrer Positionen zum Liquidatorentum vor, sondern sprach ihr darüber hinaus die Fähigkeit zu jedweder vernünftigen Beurteilung der Lage und der Aufgaben der SDAPR glattweg ab. Ihre »Theorie der breiten Schicht an Stelle der Partei« vernichte die Aussicht auf jegliche Einheit unter den russischen Sozialdemokraten. Aufseiten der Liquidatoren, denen er auch Sassulitsch selbst zuzählte, sah er dementsprechend lediglich charakterlose Intellektuelle, die »sich vom konterrevolutionären Strom der Mutlosigkeit, des Unglaubens, des Spießertums« hatten »mitreißen lassen« und nun »den Liberalen« hinterhertrotteten.49 Es gebe in Anbetracht solcher Verirrungen nur ein »Entweder – Oder«. Einen Mittelweg, betonte er, »gibt es hier nicht«. Und es sei undenkbar, eine Annäherung der verschiedenen Gruppen anzustreben: »Hier kann man nichts ›aussöhnen‹«, bekräftigte er. Und man könne darüber hinaus, ätzte Lenin weiter, »die alte Partei« nicht »›ein bißchen begraben‹ oder die neue«, die sich Sassulitsch und andere Genossen als »legale« dachten, »›ein bißchen gründen‹«.50
Hinzuzufügen ist, dass die bereits betagte Revolutionärin auch von Plechanow, dem sie so ergeben gewesen war, einigermaßen rüde als unberufene Kommentatorin abgekanzelt wurde. Sie hätte, meinte dieser, lieber geschwiegen. Sassulitsch konterte und entgegnete, dass eine Untergrund-Partei nur dann von Nutzen sei, wenn sie ihren Führungsanspruch zurückstelle. Sie müsse der Bewegung dienen und sie nicht einfach dirigieren wollen.51 Ihre Haltung reflektierte die ständige Sehnsucht nach Überwindung der innerparteilichen Gegensätze. Realistisch erschienen ihre Analysen bzw. Handlungsanleitungen tatsächlich nicht. So befanden sich die Menschewiki in einem Zustand größtmöglicher Desorientierung. Das entging auch vielen ihrer prominentesten Vertreter keineswegs. Fjodor bzw. Theodor Dan bekannte in seiner Skizze zur Geschichte der russischen Sozialdemokratie nach 1908 offen: »Während der bolschewistische Teil der Partei sich in eine Kampfphalanx verwandelte […], griffen in ihrem menschewistischen Teil mehr und mehr organisatorische Zerrissenheit und Gleichgültigkeit um sich. Jene Elemente des Menschewismus, die unter Anerkennung der entscheidenden Wichtigkeit der legalen Tätigkeit und der legalen Organisationsformen gleichzeitig darauf drängten, daß diese Tätigkeit durch eine unter den obwaltenden Verhältnissen notwendige illegale Parteitätigkeit und durch fraktionellen Zusammenhalt konsolidiert und vereinigt werde, waren ohnmächtig, da ihnen nicht die genügende Anzahl von Parteifunktionären zur Verfügung stand und die absolute Leere der Parteikasse sie daran hinderte, selbst dann, wenn sie diesen Weg hätten beschreiten wollen, einen wenn auch nur kleinen Apparat von ›Berufsrevolutionären‹ ins Leben zu rufen.«52
In die Phase seines Ringens um die Kontrolle über die Bolschewiki ebenso wie über die Gesamtpartei fiel auch Lenins Affäre mit Inessa Armand – eine außereheliche Beziehung mit einer Revolutionärin, die eine bemerkenswerte Vita aufzuweisen hatte und als überaus anziehend beschrieben wurde. Der Romanze haben sich einige Lenin-Biograf:innen mit großem Interesse und erstaunlichem Hang zu Details angenommen.53 Nicht wenige der dazu verfassten Buchseiten kreisten um die prosaische Frage »Hat er oder hat er nicht?«. Trotz der bewussten Beseitigung seiner Briefe an Inessa durch Lenin selbst erscheint gesichert: Er hat. Mehr noch: Lenin soll auch anderweitige »Frauenbekanntschaften« gepflegt haben. So wird auch behauptet, dass der Bolschewikenchef in Paris in einschlägigen Etablissements verkehrte und sich als Folge davon mit Syphilis ansteckte.54 Darüber hinaus sagte ihm Grigorij Alexinskij, welcher der bolschewistische Fraktionsführer in der zweiten Duma gewesen war, ein Techtelmechtel mit seiner Ehefrau nach und verspürte offenbar keine Hemmungen, Geschichten über diesen »Skandal« auch an mäßig Interessierte heranzutragen.55
Während Nadeschda die Abwege ihres untreuen Ehemanns allem Anschein nach mehr oder weniger stoisch zur Kenntnis nahm und Inessa Armand zeitweilig sogar mit den »Lenins« zusammenlebte, dauerte das Verhältnis zwischen dem Bolschewikenführer und Inessa offenbar nur kurz. Ungeachtet einer unmissverständlichen Zurückweisung blieb die einstige »Herzdame« offenbar hartnäckig. Tatsächlich offenbarte sich aufseiten Inessas ein Hang zur Selbsterniedrigung und Unterwürfigkeit gegenüber ihrem Liebhaber, der aufmerksamen Beobachtern nicht verborgen blieb. Diese stellten in Summe eine geradezu außergewöhnliche Ergebenheit Inessas fest. Sie sei »vollständig von der Autorität und Unfehlbarkeit des Meisters erfüllt« gewesen.56 An dieser bedingungslosen Loyalität konnten weder ihr revolutionäres Engagement noch ihre angebliche Promiskuität oder aber ihre von Lenin scharf kritisierten schriftlich niedergelegten Ausführungen über die Vorzüge und moralische Überlegenheit der freien Liebe etwas ändern. Vorhandenen Unstimmigkeiten zum Trotz hegten beide aber eine lang andauernde Zuneigung füreinander, die bis zum Tod Inessas anhielt.57
Lenins Prioritäten waren freilich klar. Während Inessa sich tatkräftig für Frauenrechte einsetzte und seine als Kränkung empfundene Distanziertheit verlogenen, selbstbetrügerischen Schuldgefühlen gegenüber Nadeschda zuschrieb, kämpfte der Bolschewikenführer bereits wieder an anderen Fronten: Die Partei befand sich weiterhin auf Schlingerkurs. Und Lenin ergriff die Gelegenheit, aus einer wackeligen Position heraus wieder ganz Herr der Lage zu werden. Seine Pläne kreisten nun um eine Gesamtrussische Konferenz, um auf ihr seine Anhängerschaft endgültig als maßgebliche Vertreter der Partei zu etablieren. Für die Organisation der Konferenz rekrutierte Lenin den Georgier Sergo Ordschonikidse, den seine Predigten über die Niederringung des Zarismus nachhaltig beeindruckt hatten. Der Genosse sollte nun für die Dominanz der Bolschewiki auf dem einzuberufenden Kongress sorgen. Tatsächlich fanden sich 1912 in Prag nur 18 Teilnehmer ein und lediglich zwei von ihnen waren Menschewiki. Lenin legte es bewusst darauf an, unliebsame Elemente auszuklammern. Diese Vorgehensweise bewog Trotzki, in Wien eine Gegenkonferenz abzuhalten, der allerdings wenig Erfolg beschieden war. Die Zusammenkunft in der österreichischen Hauptstadt im August 1912 war Abbild eines geradezu hoffnungslosen Nebeneinanders unterschiedlicher Meinungen und Positionen aufseiten der nicht-bolschewistischen russischen Sozialdemokraten. Obwohl die Delegierten – ungeachtet der offenliegenden Differenzen – die Wiedervereinigung als Ziel weiterer Bemühungen beschworen, blieben am Schluss alle wesentlichen Fragen offen.58 Der sogenannte Augustblock erwies sich als brüchig. Die verschiedenen Gruppen gingen bald wieder ihre eigenen Wege oder es bildeten sich neue Fraktionen.59 Trotzkis Vorhaben, mit der Zerstörung des Leninismus die Einheit der Partei wiederherzustellen, scheiterte.60 Und Lenin seinerseits schlachtete den Zerfall des Augustblocks genüsslich aus. Er verhöhnte dessen Sympathien für westeuropäische sozialdemokratische Parteien und deren Mechanismen interner Konfliktlösung. Solchen angeblichen Vorzügen hielt er eine Tugend entgegen, die er für viel wichtiger hielt: »Prinzipienfestigkeit«.61
Aber nicht nur Trotzki war mit seiner Wiener Aktion gescheitert. Auch Lenin erreichte sein Ziel in Prag nicht ganz: Viele Bolschewiki distanzierten sich von der Art und Weise, wie die Menschewiki in Prag ausgebootet worden waren. Kurz vor dem Kongress hatten ein paar Genossen noch schnell Einladungen an prominente Menschewiki geschickt. Obwohl sie erwartungsgemäß ausgeschlagen wurden, tobte Lenin über den Alleingang der Versöhnungswilligen. Sie könnten natürlich einladen, wen sie wollten, und sich mit wem auch immer vereinigen. Dann aber, bekräftigte der Bolschewikenführer gegenüber den Genossen, ganz sicher ohne ihn und mit dem Resultat, dass es in diesem Fall eben zwei Konferenzen geben werde – seine und die »andere«.62
Der Beschluss zur Verlagerung der Organisations- und Parteiarbeit hauptsächlich nach Russland und weg von den Emigrantenzirkeln führte indessen zu einem weiteren personellen Aderlass der Partei. Die Ochrana verhaftete maßgebliche Funktionäre, sobald sie russischen Boden betreten hatten. Verschont blieb der Doppelagent Roman Malinowski, der nicht nur im neuen bolschewistischen Zentralkomitee saß, sondern obendrein noch einen Sitz in der vierten Staatsduma innehatte. Ansonsten aber musste die Bilanz der Verfolgungen, denen die russischen Sozialdemokraten ausgesetzt waren, erschüttern. Die Repressionen machten den Aufschwung zunichte, den die Partei durch den Zulauf ab 1905 verzeichnete. Seit 1907 reduzierte sich die Zahl der zuvor etwa 150.000 Parteimitglieder auf ca. ein Fünftel.63 Die vielen Verhaftungen von Genossen im Zarenreich brachten die Partei auch im Exil in personelle Bedrängnis. Lenin vermochte es dennoch, neue, loyale Mitstreiter zu rekrutieren. Das festigte seine eigene Stellung. Diese verdankte er zu einem Gutteil seiner unerschütterlichen Hartnäckigkeit und wahrlich nicht immer der unumschränkten »Treue« bisheriger Anhänger.
Die Prager Gesamtrussische Konferenz der SDAPR, die auch als »Prager Parteitag« bezeichnet wird, wurde in der Historiografie sehr unterschiedlich bewertet. Robert Service beurteilte den Ausgang der Zusammenkunft und ihre längerfristigen Folgen als eher nachteilig für Lenin. Die nun verstärkte konspirative Arbeit habe die Reihen der Genossen zusätzlich gelichtet. Lenin sei überdies gezwungen gewesen, die eher unerfreulichen Folgen einer Begünstigung der Parteiarbeit im Zarenreich für die eigene Tätigkeit zu akzeptieren. Das Auslandsbüro bzw. das Russische Büro des ZK sei nämlich auf eine Minimalbesetzung zusammengeschrumpft. Lenin teilte sich nun die mühsame Organisationsarbeit lediglich mit Grigorij Sinowjew und der eigenen Ehefrau.64 Andererseits aber war der »Parteitag« in der cisleithanischen Reichshälfte der k. u. k. Monarchie ein von Lenin selbst vorangetriebenes Projekt und somit vor allem eines gewesen: ein Befreiungsschlag.65 Die Trennung von den Menschewiki bzw. vielmehr den Liquidatoren – in den Dokumenten zu den Prager Beschlüssen war immer noch auch von »parteitreuen« Menschewiki die Rede, zu denen bei aller Ablehnung die Tür noch nicht ganz zugeschlagen wurde66 – mündete nun in zwei separate Parteistrukturen. Das Organisationskomitee bzw. OK der Menschewiki konnte – und damit behielt Lenin recht – gleichzeitig keine mit den Bolschewiki vergleichbare Partei etablieren. Schon deshalb erübrigte sich das hinter den Parteinamen in Klammer gesetzte »B« oder »b« für Bolschewiki, das vielmehr die sowjetische Historiografie später bereits für diese Phase reklamierte, um die Sonderstellung von Lenins Partei zu betonen.67 Darüber hinaus beendeten die Beratungen in Prag die aus Lenins Sicht höchst unerfreuliche Zusammenarbeit in der von Menschewiki und »Versöhnlern« dominierten Organisationskommission im Ausland, die 1911 zur Vorbereitung einer Konferenz der SDAPR gebildet worden war.68 Selbiges galt für weitere Gremien, die sich ebenfalls mehrheitlich gegen die Bolschewiki gestellt hatten.69 Außerdem ließen sich mit der Trennung von den Menschewiki unsaubere Machenschaften rund um die gemeinsame Parteikasse bereinigen. Darüber hinaus sollte ein wirkliches »Parteizentrum« geschaffen werden, das, meinte Lenin, zwischen 1908 und 1911 gar nicht existiert habe.70 Jene Partei, wie er sie in Was tun? oder in Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück skizzierte, hatte es in Wirklichkeit nie gegeben. Die Partei, die er als Summe sozialdemokratischer Organisationen beschworen hatte, sah sich realiter vielen verschiedenen Gruppierungen gegenüber, die sich nicht um Lenins Visionen einer alles bestimmenden und kontrollierenden Zentrale kümmerten. 1912 bot sich ein vielversprechender Neustart an. Jetzt, meinte Lenin, müsse man »zum Wiederaufbau der illegalen Organisation der SDAPR« schreiten.71
Während sich Lenin, der das schier endlose Hin und Her zwischen Kooperation mit und Distanz zu den anderen Parteigruppen satthatte, endlich wieder in seinem Element fühlte, attestierten ihm selbst Unterstützer ein völliges Unverständnis für die Bedeutung einer einheitlichen Organisation der russischen Sozialdemokraten. Die Lage erschien fast schon hoffnungslos verworren.72 Auch wenn Rosa Luxemburg viele Schuldige für die Zerrüttung der Partei ausmachte, waren es ihrer Meinung nach vor allem der »hirnlose Leninismus« und der notorische Hang des Bolschewikenchefs zu Spaltungen aller Art, die die SDAPR zu einem Konglomerat von Klein- und Kleinstgruppen gemacht hatten. Den Höhepunkt dieser Verirrung sah sie im Zwist unter den Bolschewiki selbst, die sich gegenseitig aus den Gremien ausschlossen und Prügel vor die Füße warfen.73
Von solchen Bezichtigungen ließ sich Lenin nicht beirren. 1912 war er voller Elan. Er wurde, wie seine Frau vermerkte, »ein anderer; er war auf einmal viel weniger nervös, war konzentrierter«.74 Diese Zuversicht knüpfte sich an verbesserte Arbeitsbedingungen in Russland selbst, da die steigende Anzahl von Streiks das Regime dazu zwang, die Repressalien gegenüber den Sozialdemokraten abzuschwächen und das Erscheinen von Zeitungen zu gestatten.75 Kraftvolle Lebenszeichen regten sich außerdem unter regimekritischen Kräften in Polen, als das Zarenreich angesichts der damaligen Balkankrise in einen Konflikt mit dem Habsburgerreich einzutreten schien.76 Darüber hinaus verzeichnete die SPD bei den Wahlen 1912 ihr bestes Ergebnis. Ganz Europa stand damals, meinten manche, bereits »am Rand des Sozialismus«.77 Für Aufsehen hatte zuvor eine Rede August Bebels im Deutschen Reichstag gesorgt. Dieser prophezeite im Dezember 1911 vor dem Hintergrund der Marokkokrise eine »Götterdämmerung der bürgerlichen Welt«. Er leitete aus einem kommenden Krieg allerdings vor allem »Massenbankerott«, »Massenelend« und »Massenarbeitslosigkeit« ab.78
Dem Glauben an die eigene Durchsetzungskraft und der Überzeugung, eine Mission erfüllen zu müssen, konnte die Schwierigkeit der gesetzten Ziele nichts anhaben. Eine gehörige Portion an Eigensinn legte der Bolschewikenführer außerdem in Zusammenhang mit der Wiedererlangung der mittelweile von den deutschen Genossen treuhänderisch verwalteten Gelder aus der Schmit’schen Erbschaft an den Tag. Jetzt hatte man sich schließlich auch formal von den lästigen Konkurrenten und somit »Mitbewerbern« um das begehrte Vermögen getrennt. Doch Kautsky und Mehring, die sich die ganze Zeit über bemüht hatten, die diesbezüglichen Streitigkeiten zwischen Bolschewiki und Menschewiki zu schlichten, warfen das Handtuch und legten ihre Funktion als vorläufige Vermögensverwalter zurück. Die im Gremium verbleibende Clara Zetkin bekam es in der Folge mit unentwegten Ansuchen Lenins zu tun, der sogar mit rechtlichen Schritten drohte, um seinen Willen durchzusetzen. Schließlich sollte sich auf Betreiben Kautskys, den Lenins insistierende Forderungen zunehmend vor den Kopf gestoßen hatten, das Internationale Sozialistische Büro in Brüssel der heiklen Angelegenheit annehmen und einen Kompromiss zwischen den beiden Gruppen ermöglichen. Lenin reagierte alles andere als begeistert. Nicht zu Unrecht fürchtete er, dass das Internationale Büro allen »Trennungskonferenzen« zum Trotz eine Versöhnung von Bolschewiki und Menschewiki anbahnen würde.79
Gleichzeitig musste Lenin, so wichtig es ihm war, den Feldherrensessel einzunehmen, akzeptieren, dass bolschewistische Politik auch außerhalb seiner Reichweite betrieben wurde. So etwa in Form der 1912 gegründeten Prawda, die sich trotz der im Zarenreich geltenden Restriktionen eine möglichst scharfe Blattlinie verordnete. Das innenpolitische Klima war rau, aber es bot, bei allen Verboten und willkürlichen Eingriffen, doch auch Betätigungsfelder für oppositionelle Aktivitäten. Diese »Freiheiten«, so oft sie nach der Konsolidierung des Regimes ab Ende 1905 auch beschnitten worden waren, speisten sich aus der Erkenntnis der Behörden, wonach eine erfolgreiche Bekämpfung staatsfeindlicher Strömungen nicht durch ihre vordergründige Zerschlagung, sondern vor allem durch begleitende Kontrolle erfolgen könnte. Das dadurch begünstigte Wirken von Doppelagenten machten sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Bolschewiki zunutze. Es war ein gefährliches Spiel und eines, das einer äußerst schwierigen Balance zugrunde lag.80 Abseits solcher Arrangements, mithilfe derer aus Sicht der Ochrana die radikale Opposition gelenkt werden konnte, bestanden keine Zweifel, wer im Zarenreich wirklich den Ton angab. Tatsächlich war selbst nach dem Urteil Konservativer das politische Pendel in Russland weit nach rechts ausgeschlagen – als Reaktion auf den Terrorismus, der sich wie »Lepra« immer »tiefer in den Volksorganismus« hineingefressen habe,81 und als Folge einer Politik, die sich nach außen einem ultranationalistischen und nach innen einem klar antidemokratischen Kurs verschrieben hatte. Daran änderte auch die Existenz des Parlaments nichts. Den Chauvinismus der russischen Elite trugen auch die Mitte-rechts-Parteien mit. Die Stärke des Reichs wurde solcherart an die Hegemonie der Großrussen über die »Fremdstämmigen« geknüpft. Deren zahlenmäßige Überlegenheit änderte nichts an diesem Anspruch auf eine Vorrangstellung. Die Zurücknahme jener Konzessionen, die den ethnischen Gruppen als Folge der Revolution gemacht worden waren, gehörte zur Begleitmusik eines von nationalen Ambitionen geprägten Klimas.82
Das vorrevolutionäre Russland atmete den Geist der Reaktion. Auftrieb für die Sozialdemokraten bewirkten vor diesem Hintergrund die Folgewirkungen eines Massakers an der Lena, als etwa 500 Bergarbeiter, die sich gegen unmenschliche Arbeitsbedingungen aufgelehnt hatten, einfach niedergemetzelt wurden. Nun setzte eine gewaltige Streikbewegung ein, die bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs viele Hunderttausende Arbeiter auf die Straßen brachte.83 Nicht wenige dieser Erzürnten begannen sich weg von den moderaten Menschewiki hin zu den radikaleren Bolschewiki zu wenden. In den von der Obrigkeit geduldeten Gewerkschaften, wo bisher vor allem die »Minderheitler« dominiert hatten, fanden die aggressiveren Parolen von Lenins Partei nun mehr Anklang.84 Während die nachrevolutionäre »mühselige und qualvolle Arbeit um die Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeiterorganisationen« in Russland »fast ausschließlich von jenen Sozialdemokraten« geleistet wurde, die die Bolschewiki im Ausland als »Liquidatoren« oder deren »Beschützer« titulierten, profitierten am Ende eher die Anhänger Lenins von den nunmehrigen Entwicklungen in der Arbeiterschaft als die Menschewiki.85 Als der Erste Weltkrieg ausbrach, kontrollierten die Bolschewiki in den großen Städten und Fabrikzentren des Landes beinahe »alle Arbeiterorganisationen, Gewerkschaften und Versicherungskassen«.86 Sie hatten sich in diesem Zusammenhang überdies einen erbitterten Kampf mit den SRy geliefert, um sie aus den Arbeiterorganisationen zu verdrängen.87 Aufseiten der Menschewiki aber, beklagten selbst deren Führer, herrschte Lethargie: »Die Unseren sind träge, […] sie sind zu sehr Marxisten, und deshalb denken sie, daß alles sich von selbst ergeben werde!«88
Lenin bevorzugte indessen Eigeninitiative. Um seinen Einfluss auf die Parteiarbeit in Russland nicht zu verlieren, verlegte er im Juni 1912 seinen Wohnsitz von Paris nach Krakau im österreichischen Teil der k. u. k. Monarchie. Etwa ein Jahr danach ließ er sich mit Nadeschda in Biały Dunajec bzw. Poronin nieder. Die Grenze zum Zarenreich war nicht weit und die Postverbindung in die Heimat funktionierte blendend. Entgegen späteren Darstellungen eines geradezu beschaulichen Lebens am Land, das Lenin und Krupskaja in vielem an ihre Heimat erinnerte, war Krakau eine wichtige Militärstadt, wo sich überdies eine der Hauptkundschaftsstellen der k. u. k. Armee befand. Der verschlafene Winkel, als der Galizien auch in der österreichischen Literatur beschrieben wurde, stellte sich aus Sicht österreichisch-ungarischer Geheimdienstoffiziere vor allem als »hot spot« der Spionage dar. Lenin und seiner Frau sowie weiteren Genossen wie etwa Grigorij Sinowjew, der sich samt Familie ebenfalls in Galizien niederließ, machten die österreichischen Behörden aber keine Probleme. Immerhin war der Zuzug russischer Staatsbürger in eine Region, wo das Zarenreich nicht ganz erfolglos Unruhe stiftete und prorussische Tendenzen nach Kräften unterstützte, sicher nicht unbemerkt geblieben. Die vielfältigen Aktivitäten, die Lenin hier entfaltete, dürften sich schwerlich dem Blickfeld der örtlichen Exekutive entzogen haben. Sie brachten ihn angeblich auch in Kontakt zu exilukrainischen Aktivisten, die von Galizien aus arbeiteten und sich bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs zum »Bund zur Befreiung der Ukraine« zusammenschlossen. Unterstützung erfuhr der Bund in weiterer Folge nicht nur von österreichisch-ungarischen und deutschen Stellen, sondern auch von Alexander Parvus-Helphand.89 Die Beziehungen Lenins zu den ukrainischen Protagonisten des Bundes beschränkten sich offenbar nur auf ein Angebot zur finanziellen Unterstützung, das Lenin aber nicht annahm. Der Bolschewikenführer soll Ende Dezember 1914 die Kooperation mit der, wie er meinte, »national-bourgeoisen« Vereinigung glattweg zurückgewiesen haben. Angeblich mit den Worten »Nam ne po dorogu« – »Wir haben keinen gemeinsamen Weg«.90
Lenins Aufenthalt in Galizien erfolgte mit behördlichem Plazet.91 Solange sich die radikale Ausrichtung der Bolschewiki nicht auf die Sozialdemokratie des eigenen Landes übertrug – und dafür gab es damals zumindest keine besorgniserregenden Anzeichen –, erschienen Verbindungen etwa des k. u. k. militärischen Geheimdiensts mit russischen Dissidenten durchaus willkommen. Und in Anbetracht des Umstands, dass im »Kalten Krieg«, der zwischen den »Diensten« des Zarenreichs und der Donaumonarchie damals ausgetragen wurde, die Agenten Letzterer das Nachsehen hatten, waren womöglich sogar gewisse Absprachen mit einem revolutionären Exilanten, wie Lenin es war, erwünscht. Der offensiven Spionage, die russische Militärattachés und das Personal diplomatischer Vertretungen auf dem Boden der Donaumonarchie entfalteten, wollte man eventuell auf dieser Ebene etwas entgegensetzen. Tatsächlich muss all das aber spekulativ bleiben, weil Belege fehlen.92
Gegenüber politischen Flüchtlingen aus dem Nachbarstaat gaben sich die betreffenden zivilen Instanzen des Habsburgerreichs jedenfalls tendenziell tolerant; so viel kann gesagt werden. Realiter fehlten Gründe, russische Exilanten, die offenbar gegen die eigene Heimat arbeiteten, erbarmungslos zu schikanieren. Wenn Nadeschda Krupskaja erzählte, dass die österreichischen Sicherheitskräfte beide Augen zudrückten, wenn russische Bäuerinnen, die am Krakauer Markt ihre Waren anboten, Lenins Briefe für ein Taschengeld über die Grenze beförderten, dann passte das ins Bild.93 Die Revolutionärin berichtete später geradezu enthusiastisch von den idealen Arbeitsbedingungen in Galizien, wo man unbehelligt von der Polizei blieb und ohne großen Aufwand illegale Grenzübertritte jener Genossen aus Russland organisieren konnte, die dem Bolschewikenführer ihre Besuche abstatteten.94 »In unserer Wohnung«, meinte sie, »ging es wie in einem Taubenschlag zu.«95
Österreich beherbergte eine Vielzahl russischer Revolutionäre, die ihrerseits die ganze Bandbreite sozialistischer Strömungen repräsentierten. Lenin war also kein Sonderfall. Vor allem Wien wurde zu einem regelrechten Zentrum der oppositionellen Emigration aus dem Zarenreich, die hier ihrem politischen Geschäft einigermaßen ungestört nachgehen konnte. Trotzki gab hier seine Prawda heraus, Parvus-Helphand hielt sich in der kaiserlichen Residenzstadt für längere Zeit auf und auch Josef Stalin nahm 1913 für einige Monate in der österreichischen Metropole Quartier, um sich der Nationalitätenfrage des Habsburgerreichs zu widmen. Sein diesbezügliches »Studium« blieb allerdings oberflächlich und mündete in eine inhaltlich wie im Umfang eher dürftige Schrift, die nichtsdestotrotz Basis für seine spätere Nationalitätenpolitik wurde. Er selbst meinte gegenüber seinem Freund Roman Malinowski in einem Brief, den er während seines Wien-Aufenthalts verfasste, dass er – bezogen auf seine Untersuchungen über die Nationalitäten – »irgendeinen Blödsinn« schreibe.96 Abseits der Arbeit an seinem Text über den Marxismus und die »nationale Frage« lernte Stalin damals verschiedene in Wien lebende Genossen kennen, die im Haus seines Gastgebers, Alexander Trojanowskij, verkehrten. Darunter Nikolaj Bucharin, der hier als Korrespondent der Prawda arbeitete und Artikel über das österreichische Wahlgesetz und die Parteitage der SDAPÖ verfasste.97
Lenin verfolgte in der Zwischenzeit ambitioniertere Ziele als Stalin, den er eigens nach Wien beordert hatte. Das bereits in Prag erstellte Arbeitsprogramm war Grundlage für seine Tätigkeit in Galizien und die Partei insgesamt. Dementsprechend hieß es nun, die »Schaffung illegaler sozialdemokratischer Zellen, die von einem möglichst weitverzweigten Netz der verschiedenartigsten legalen Arbeitervereinigungen umgeben sind«, voranzutreiben und die Ziele der SDAPR »unter den breiten Massen der Bevölkerung« bekannt zu machen. Und dazu zählte zu allererst der »Sturz der Zarenmonarchie«.98 Jetzt war Lenin anscheinend bereit, sich ganz auf jenes Zusammenspiel legaler und illegaler Methoden einzulassen, das er zuvor so vehement abgelehnt hatte. Dass bereits die Präsenz der Bolschewiki in der dritten Duma ein offenkundiges Zugeständnis an diese »Legalität« gewesen war, lag freilich auf der Hand. Dasselbe galt für das Engagement in Gewerkschaften und in »Selbstverwaltungsorganen der Krankenkassen«. Auch in ihnen waren nämlich Bolschewiki aktiv geworden – die Ausschaltung konkurrierender linker Aktivisten inklusive.99 Allerdings ergab sich gerade in diesem Kontext oftmals die Notwendigkeit eines Neuanfangs. Allein zwischen 1906 und 1910 waren etwa 500 Gewerkschaften im Zarenreich verboten worden, weiteren 600 wurde die Gründung verweigert. 246.000 Mitgliedern im Jahr 1907 standen nur 13.000 zwei Jahre später gegenüber.100
Das eigentlich Neue an der vollzogenen Trennung war aber, dass nun ohne das Störfeuer der Liquidatoren agiert wurde und Lenin sich nicht länger mit den »Abweichlern« abgeben musste. Julij Martow hatte bereits darauf hingewiesen, dass die Bolschewiki in Wahrheit illegale Aktivitäten in legale Organisationen hineingetragen und auf ihre ganz spezielle Weise das getan hatten, was vor allem Lenin nach außen hin so verurteilt und als Ausfluss eines »erbärmlichen Liquidatorentums« bezeichnet hatte. Die Bolschewiki seien daher völlig unglaubwürdig geworden. Niemand würde, behauptete Martow, die von Lenin penetrant vorgebrachten Klagen über die Liquidatoren noch länger lesen wollen.101 Für Alexander Potresow war das Liquidatorentum ohnehin nichts weiter als das »Phantom einer morbiden Imagination« Lenins.102 Oder mit anderen Worten: Lenin erfand das Liquidatorentum, um damit sein eigenes Streben nach Kontrolle zu übertünchen. In Wahrheit versuchten die Bolschewiki vor dem Hintergrund einer evidenten Desintegration der Partei, die sich in unzählige Gruppen und Grüppchen aufspaltete, auf russischem Boden sowohl legal als auch illegal zu arbeiten.103
Tatsächlich ging es Lenin bei all seinem Geschimpfe über die Liquidatoren nicht zuletzt um Hegemonie. Da sich die Partei scheinbar auflöste, war aus seiner Sicht die Führung der SDAPR aber ohnehin vakant. Mochten Potresow oder Martow in seiner permanenten Verurteilung des Liquidatorentums lediglich eine künstliche Erregung erkennen, hätte von Lenins Standpunkt aus ein Gutheißen dieses Kurses schlicht und ergreifend das komplette Ende der Partei bedeutet. Seine aus dem kläglichen Zustand der SDAPR resultierende Verbitterung und Empörung war – bei allem Bestreben, die Partei anzuführen und bolschewistisch zu machen – sicher nicht gespielt. Die Vorstellung einer Parteineugründung womöglich ohne seinen Einfluss rief gleichzeitig blankes Entsetzen in ihm hervor. Mindestens ebenso unannehmbar empfand er die Perspektive einer »offenen« Partei, also einer, die seiner so hartnäckig verteidigten Idee einer geschlossenen, hierarchisch organisierten und Kontrolle über alle Aktivitäten ausübenden Zentrale zuwiderlief. Nicht immer ließen sich aus seinen Texten die tiefer liegenden Gründe für sein Toben gegen die Liquidatoren herauslesen oder vermochte er klar zu argumentieren, was wirklich hinter seiner Aversion stand. Wer aber genau hinhörte, dem wurde bewusst, dass er im Falle eines Rückzugs auf rein bzw. ausschließlich legale Aktivitäten fürchtete, die Aussichten auf Streiks und Unruhen im Zarenreich von vornherein abzuwürgen. Die Arbeiter würden dann ganz ins Fahrwasser des Ökonomismus abgleiten. Damit wäre sein Revolutionsprojekt zu Grabe getragen worden. Legale Methoden lehnte er aber keineswegs prinzipiell ab, nur ein Sich-Einrichten auf die legale Existenz der SDAPR bei gleichzeitiger Aufgabe jeglicher Widerständigkeit. Dementsprechend hatte er schon 1910 erklärt: »Wir wollen die Festigung der sozialdemokratischen Partei, die alle legalen Möglichkeiten und alle Fälle eines offenen Auftretens ausnutzt; die Liquidatoren wollen die Partei zurechtstutzen, bis sie in den Rahmen der legalen und offenen Existenz (unter Stolypin) paßt. Wir kämpfen für den revolutionären Sturz der Stolypinschen Selbstherrschaft, nutzen für diesen Kampf jegliches offene Auftreten aus, verbreitern die proletarische Basis der Bewegung zu diesem Ziel hin. Die Liquidatoren kämpfen für die legale Existenz der Arbeiterbewegung … unter Stolypin.«104 Drei Jahre später, 1913, sprach er noch einmal unmissverständlich aus, was ihn in an den Liquidatoren so gestört und die ganze Zeit über in Rage versetzt hatte. Er betonte nun, dass die Partei, also im Grunde er, nie etwas gegen legale Parteiarbeit eingewendet habe. Aber auf das Schärfste verurteilt werden müsse »die Ersetzung der alten Partei durch irgendetwas Formloses, »Offenes«, das gar nicht als Partei bezeichnet werden kann.«105
Zeitweise unerfreulich gestaltete sich indessen die Zusammenarbeit mit der Redaktion der Prawda bzw. mit anderen sozialdemokratischen Blättern.106 Von über 330 Artikeln, die Lenin bis Kriegsausbruch im August 1914 schrieb, wurden angeblich nicht einmal 50 akzeptiert.107 Selbst jene Beiträge, die publiziert wurden, erschienen nicht ohne redaktionelle Eingriffe. Diese betrafen vor allem Lenins notorische Ausfälle gegen das Liquidatorentum. Martow behielt mit seiner Aussage über das abklingende Interesse an Lenins Tiraden gegen die Liquidatoren recht. Selbst bei der Prawda zeigte man sich ganz offensichtlich wenig begeistert über die Extrempositionen, die der »Chef« in seinen Hasspredigten gegen andere Sozialdemokraten vertrat. Da sie dem eingeschränkten Handlungsspielraum der Linken in Russland nur bedingt Rechnung trugen, erschienen sie einigermaßen deplatziert und drohten, die Parteiarbeiter vor Ort regelrecht vor den Kopf zu stoßen.108 Vermutlich konnten die Genossen außerdem besser einschätzen, was die Zensur in Russland durchgehen ließ und was nicht. Während der im Ausland befindliche Lenin immer wieder die ewig gleichen Themen aufwärmte, mussten die Sozialdemokraten im Zarenreich meist ohnehin nichts anderes zustande bringen, als die legale und illegale Arbeit in Einklang zu bringen. Stalin, der bis zu seiner Verhaftung im Frühjahr 1913 in der Prawda-Redaktion saß, hielt außerdem wenig von den Versuchen des Parteichefs, die evidente Spaltung nun auch noch in die sozialdemokratische Duma-Fraktion zu tragen. Dennoch kam es Ende 1913 auch im Parlament zur Trennung von Bolschewiki und Menschewiki.109 Lenin hatte bereits zum Jahreswechsel 1912/13 deswegen eine Konferenz der bolschewistischen Duma-Deputierten in Krakau abhalten lassen. Dort schwor er diese auf den Bruch mit den Menschewiki ein.110 Ebenfalls auf galizischem Boden fand überdies eine Beratung über die Einberufung eines weiteren Parteitags statt. Im September 1913 wurde beschlossen, den Termin mit dem geplanten Internationalen Sozialistenkongress im August 1914 in Wien zu verbinden.111 Lenin betonte die Wichtigkeit dieser Konferenz, da bisher die Menschewiki die internationale Arena beherrscht hatten. Auf diese Weise war es diesen gelungen, die Fürsprache vieler westeuropäischer Genossen zu gewinnen.112
Die Gesamtzahl der sozialdemokratischen Abgeordneten in der russischen Volksvertretung lag bei knapp über einem Dutzend. Lenins im Vorfeld der Spaltung der Duma-Fraktion erfolgten Angriffe auf eine, wie er meinte, »verlogene Einheit« erschienen schon aufgrund dieser sehr überschaubaren Gruppe von SDAPR-Repräsentanten vielen als ziemlich überflüssig. Den Vorsitz der kleinen Parlamentsfraktion hatte der Menschewik Nikolaj Tschcheidse eingenommen, sein Stellvertreter war Roman Malinowski.113 Ersterer verfolgte nach Lenins Beurteilung einen Kurs, der auf eine Verständigung mit der Regierung hinauslief und seinen eigenen umstürzlerischen Plänen ganz und gar zuwiderlief. Malinowski wiederum war Lenins Protegé. Obwohl dieser sich im Sommer 1914 aus St. Petersburg absetzte, weil sich die Gerüchte über sein Doppelleben als Bolschewik einerseits und Ochranaspitzel andererseits verdichtet hatten, verlor er die Sympathien des Parteiführers erstaunlicherweise nicht. Dieser hielt auch nach einer innerparteilichen Untersuchung der gegen Malinowski zusammengetragenen Vorwürfe zu seinem ZK-Kollegen. Gegen Rufe nach einem Parteiausschluss des Beschuldigten nahm er wortreich Stellung. Erst recht, als er die Quelle der für ungerechtfertigt gehaltenen Bezichtigungen bei den »schmutzigen Martow-Herren« mit ihren »verabscheuungswürdigen« Verleumdungen ausmachte.114
Die eigenwillige Bereitschaft Lenins, sich hinter den umstrittenen Genossen zu stellen, hat Vermutungen darüber genährt, dass Lenin über Malinowskis Doppelleben Bescheid wusste und ihn wissentlich als Informanten der Ochrana benutzt hatte. 1917 hat Lenin darüber im Zuge einer von der Provisorischen Regierung eingesetzten Untersuchungskommission Stellung genommen. Dass Lenin die Causa in große Nervosität versetzte und er seine Aussagen gegenüber der erwähnten Kommission mehr oder weniger angestrengt vom Blatt las, ist bezeugt. Der weitere Verlauf der Ereignisse entledigte den Bolschewikenführer jedenfalls der Verlegenheit, sich womöglich konkreter zu den Machenschaften des Genossen zu äußern, als er dies 1917 gezwungenermaßen tat. Damals stand er selbst unter dringendem Verdacht, ein »Spion« der Deutschen zu sein, und entzog sich in der Folge einer gegen ihn gerichteten polizeilichen Untersuchung durch Flucht. 1918, als immer noch Gerüchte über Lenins Partnerschaft mit dem Deutschen Reich kursierten, die das Ansehen des Revolutionsführers beeinträchtigten, wurde Malinowski gemäß Urteil eines Revolutionstribunals im Moskauer Kreml erschossen. Für Lenin erwies sich die ganze Causa als höchst unangenehm. Dass Malinowski aber die Rolle des Agent provocateur auf Geheiß des Bolschewikenführers spielte, bleibt eine Vermutung. Die probolschewistische Propagandaarbeit unter russischen Gefangenen während des Weltkriegs in Deutschland betrieb der gebürtige Pole jedenfalls nicht ohne entsprechende Kontakte zu Lenin selbst – und das obwohl das Verschwinden des früheren Genossen zu Beginn des Kriegs leicht als Schuldeingeständnis hätte gewertet werden können.115 Die Enttarnung von Doppelagenten ramponierte freilich auch die Glaubwürdigkeit von Vertretern anderer Parteien. So musste im Oktober 1917 auch Maria Spiridonowa von der Partei der Sozialisten-Revolutionäre erfahren, dass ein enger Vertrauter für die Ochrana gearbeitet hatte. Auch sie hatte sich lange Zeit dagegen gesträubt, die Schuld eines Mannes anzuerkennen, der viele Jahre hindurch für die Partei gearbeitet hatte.116
Das wenige Monate nach dem Oktoberumsturz gefällte Todesurteil gegen Malinowski wurde, wie es hieß, im Interesse der Revolution gefällt. Von ihr sollte Schaden abgewandt werden. Milde stand unter diesen Vorzeichen nicht zur Debatte. Das galt Jahre zuvor auch aus Perspektive der Rechten, wenn sie die Nöte des Proletariats zynisch kommentierten und so vor allem die Vertreter der Linken provozierten. Nachsicht gegenüber streikenden Arbeitern und dementsprechend auch gegenüber den Deputierten aus den Reihen der Sozialdemokratie wollte beispielsweise ein Parlamentarier, der keinen Hehl aus seinen radikalen Ansichten machte, von vornherein ausschließen. Als es 1914 in der russischen Hauptstadt zu groß angelegten, von den Bolschewiki maßgeblich mitorganisierten Streiks u. a. wegen der »Vergiftungen« von Arbeiterinnen infolge des Austretens schädlicher Dämpfe in den Werkshallen kam, folgte ein Affront: Wladimir Purischkewitsch vom »Bund des russischen Volkes« forderte von der Tribüne der Duma aus die standrechtliche Aburteilung der linken Volksvertreter. Man solle sie, meinte er, »nach Gesetzen der Kriegszeit« einfach »aufhängen«.117
Ein weiteres Mal kompromisslos gab sich auch Lenin. Seine im Juli 1914 von Inessa Armand auf der Konferenz des Exekutivkomitees des Internationalen Sozialistischen Büros in Brüssel verlesenen Forderungen an die Liquidatoren machten kurz vor Ausbruch des Weltkriegs die martialische Haltung des Bolschewikenführers gegenüber diesen »Abweichlern« erneut deutlich. Nun bot sich ihm bzw. seinen Argumenten – Lenin war nicht persönlich erschienen – jene internationale Bühne, die er zuvor für so wichtig gehalten hatte. »Seine« Partei – das sollte nun klargestellt werden – habe im Januar 1912 in Prag die »Minderheitler«, die er nun pauschal als »Gruppe der Liquidatoren« bezeichnete, mit gutem Grund ausgeschlossen. Mehr noch: Die Partei sei in Prag wiederhergestellt worden, nachdem die Liquidatoren auf deren Sprengung hingearbeitet hatten.118 Für Differenzierungen war kein Platz mehr. In der Vergangenheit hatte Lenin – freilich nicht zu Unrecht – die Menschewiki gerne als ein Sammelsurium untereinander zerstrittener Grüppchen dargestellt und von »parteitreuen« Menschewiki gesprochen, die gemeinsam mit den Bolschewiki gegen die Liquidatoren gekämpft hatten.119 Solche Details, die abseits der beabsichtigten Herabwürdigung seiner Gegner auch auf solidarisches Wirken verwiesen, spielten jetzt keine Rolle mehr.
Die Appelle, die etwa von Rosa Luxemburg gekommen waren, verhallten. Ihre Aufforderung, bestehende Meinungsverschiedenheiten auszuräumen und eine Verständigung zwischen den verschiedenen Fraktionen und Strömungen innerhalb der Sozialdemokratie des Zarenreichs zu suchen, zielten freilich auch auf die Rückeroberung eigener Machtpositionen innerhalb der russischen Partei ab. Noch 1909 hatte sie von den Menschewiki als »die gefährlichste Pest« für die SDKPiL gesprochen, da sie diese als »Protektoren der PPS«, d. h. der Polnischen Sozialistischen Partei, und daher als »unsere erbittertsten Feinde« identifizierte.120 Im Dezember 1913, als das Internationale Sozialistische Büro in Brüssel die »russische Frage« schon einmal behandelt hatte, haderte sie mit den Ergebnissen dieses Gremiums, da sich die Einladung zur Vereinigung der zersplitterten SDAPR auch an die »Spaltergruppe« der eigenen Partei richtete, die sich den Bolschewiki zugewandt hatte. Damals galt ihr Zorn nicht zuletzt dem einzigen anwesenden Vertreter von Lenins Partei, Maxim Litwinow. Diesen betitelte Rosa Luxemburg, die ihre Widersacher stets mit deftigen Schmähungen bedachte und es damit vielen ihrer Genossen gleichtat, als »Vollidioten« und »Deppen«.121 Auch Lenin war empört, denn Kautsky hatte die russische Partei ganz einfach für tot erklärt und gemeint, dass »eine neue erst noch zu schaffen sei«.122
Den Vorwurf, die Lenin’sche Fraktion würde »die Spaltung am meisten« schüren, wies Lenin entschieden zurück. Wer gegen die »Illegalität« und für eine »legale Partei« auftrete, betreibe Desorganisation. Solche Leute, stellte er klar, müssten als »unversöhnliche Feinde unserer Partei« betrachtet werden.123 Und zwar deshalb, weil das Eintreten zugunsten einer »legalen Partei« nichts anderes als die »Verneinung der revolutionären Taktik« impliziere.124 In 13 Punkten führte er die Bedingungen für die Einheit der Partei an, die auf die Kapitulation konkurrierender Elemente hinausliefen und seine zentralistischen Positionen stützten. So verlangte er u. a. das Ende des »jüdischen Arbeiterbundes« als nationale Organisation, den Verzicht auf föderative Organisationsformen oder die obligatorische Bindung gewerkschaftlicher Arbeit an die Beschlüsse der illegalen Partei.125 Ungeachtet solcher Forderungen formulierte Karl Kautsky eine Resolution über die Vereinigung der SDAPR, die mit Stimmenmehrheit angenommen wurde – ohne Beteiligung der anwesenden Bolschewiki.126 Lenin war – wie erwähnt – entgegen früheren Plänen der Sitzung im Juli 1914 bewusst ferngeblieben, weil er wohl antizipierte, was jetzt geschah. Das »Komödienspiel«, meinte er, hätte er nicht durchgestanden, ohne ausfällig zu werden.127 Dass Kautsky sich über seine von Inessa Armand leise und zurückhaltend vorgetragenen Erklärungen hinwegsetzte, bekräftigte Lenins bereits wachsende Distanz gegenüber dem bisher so geschätzten Genossen. Dieser sei, meinte er jetzt, eine charakterlose, »niederträchtige Person«.128
Ungeachtet dessen kam Kautsky Lenin entgegen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt kaum noch daran glaubte, »die verfluchten Russen […] versöhnen« zu können.129 Keineswegs unwesentliche Standpunkte des Bolschewikenführers – wie etwa das Bekenntnis zu den Traditionen der illegalen Partei oder zum revolutionären Marxismus – waren als Grundprinzipien einer Vereinigung der zerstrittenen Gruppen übernommen und auf diese Weise anerkannt worden. Divergenzen in Programmfragen sollten nach Vorschlag eines Schiedsgerichts im Rahmen des kommenden Parteikongresses entschieden werden.
Insgesamt verfolgte die Resolution mit ihren partiellen Zugeständnissen an Lenin nichtsdestoweniger dessen Isolierung. Beabsichtigt war zweifellos ein Werben um Lenins Anhänger, die angesichts des Einigungsangebots der Internationale womöglich von ihm abrücken würden.130
Die Rechnung ging nicht auf. Schon deshalb nicht, weil der Ausbruch des Ersten Weltkriegs die Abhaltung des geplanten Kongresses in Wien verhinderte. Sich geschlagen zu geben, kam Lenin ohnehin nicht in den Sinn. In die österreichische Hauptstadt wollte er mit einer starken bolschewistischen Fraktion reisen, um den Genossen ein für alle Mal verständlich zu machen, wer befugt und befähigt war, die russische Partei zu führen. Auch ohne die Verunmöglichung des Kongresses durch den beginnenden Weltkrieg standen demnach die Chancen auf eine Beilegung des russischen Parteistreits schlecht. Diesbezüglichen Initiativen der SPD bescheinigten Historiker:innen in Summe einen von Unverständnis für die tieferen Ursachen der Spaltung durchdrungenen Dilettantismus, der mit »Leerformeln ohne politische Substanz« und moralischen Appellen operierte.131
Als der Erste Weltkrieg begann, war die SDAPR zerstrittener denn je. Aber nicht nur sie: Die Auseinandersetzungen um den richtigen Weg führten etwa auch zur Spaltung der PPS. Ein linker Flügel formierte sich zur PPS-Lewiza und verschrieb sich dem Ziel einer »Diktatur des Proletariats« für Polen – als Teil eines größeren kommunistischen »Staatsverbandes«.132 Und auch die SDKPiL war in zwei Richtungen zerfallen – eine Entwicklung, die Lenin nach Kräften förderte.133 Vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs schließlich vollzogen sich weitere Spaltungen innerhalb der europäischen Sozialdemokratie, die aus Lenins Perspektive die irreversible Selbstdemontage der Internationale herbeiführten. Als Schlichtungsstelle für die russischen Probleme fiel sie ab 1914 vollständig weg.
1 Robert Service, Lenin. Eine Biographie, München 2000, 254; Gerd Koenen, Die Farbe Rot. Ursprünge und Geschichte des Kommunismus, München 2017, 644f.
2 Vgl. Maja Soboleva, Vom Empiriokritizismus zum Empiriomonismus. Aleksander Bogdanovs Rezeption der Epistemologie von Ernst Mach, in: Friedrich Stadler (Hg.), Ernst Mach. Zu Leben, Werk und Wirkung, Cham 2019, 87–98.
3 LW, Bd. 14, 87.
4 Friedrich W. Adler, Die Entdeckung der Weltelemente (Zu Ernst Machs 70. Geburtstag), in: Der Kampf 6 (1908), 231–240, 240.
5 Zit. nach Friedrich Stadler, Vom Positivismus zur »wissenschaftlichen Weltauffassung«. Am Beispiel der Wirkungsgeschichte von Ernst Mach in Österreich 1895 bis 1934, Wien/München 1982, 22f.
6 Zit. nach Rudolf Burger, Wozu Geschichte? Eine Warnung zur rechten Zeit, Wien/Graz/Klagenfurt 2018, 104.
7 Koenen, Die Farbe Rot, 636.
8 Zit. nach Louis Fischer, Das Leben Lenins, Köln/Berlin 1964, 91.
9 Koenen, Die Farbe Rot, 638f.
10 Zit. nach Dieter Wittich, Lenins »Materialismus und Empiriokritizismus« – Entstehung, Wirkung, Kritik, 83. https://leibnizsozietaet.de/wp-content/uploads/2012/10/02_wittich.pdf (7.2.2023).
11 Dietrich Grille, Lenins Rivale. Bogdanov und seine Philosophie, Köln 1966, 201f.
12 Wittich, Lenins »Materialismus und Empiriokritizismus«, 93, und vgl. Wolfgang Ruge, Lenin. Vorgänger Stalins. Eine politische Biografie, Berlin 2010, 74.
13 Koenen, Die Farbe Rot, 38.
14 LW, Bd. 34, 377.
15 LW, Bd. 26, 451; MEW, Bd. 19, 163, aber auch 159.
16 Manfred Hildermeier, Die Russische Revolution 1905–1921, Frankfurt am Main 1989, 110.
17 Paul Miljukow, Rußlands Zusammenbruch, Berlin 1925, 6.
18 Vgl. Service, Lenin, 258–271.
19 Dietrich Geyer, Kautskys Russisches Dossier. Deutsche Sozialdemokraten als Treuhänder des russischen Parteivermögens 1910–1915, Frankfurt am Main u. a. 1981, 21.
20 Ebd., 20–25.
21 Ebd., 25.
22 Hermann Weber, Lenin. Hamburg 1970, 104.
23 LW, Bd. 36, 396.
24 Vgl. Leopold Haimson, The Making of Three Russian Revolutionaries. Voices From the Past, Cambridge 1987, 111, und Uwe Spiekermann, Der Revolutionär als Unternehmer – Pavel Axelrods Schweizer Kephiranstalt. https://uwe-spiekermann.com/2018/05/28/der-revolutionaer-als-unternehmer-pavel-axelrods-schweizerische-kephiranstalt/ (26.2.2023).
25 Haimson, Three Revolutionaries, 114.
26 Robert Service, Lenin. A Political Life, Vol. 1: The Strengths of Contradiction, Bloomintgon 1985, 153.
27 Vgl. Theodor Dan, Die Sozialdemokratie Rußlands nach dem Jahre 1908, in: J. Martow, Geschichte der russischen Sozialdemokratie, Berlin 1926, 225–320, 243.
28 Service, Lenin, 265.
29 Israel Getzler, Martov. A Political Biography of a Russian Social Democrat, Melbourne 1967, 126.
30 Vgl. Samuel H. Baron, Plekhanov. The Father of Russian Marxism, Stanford 1963, 282f.
31 Vgl. Leopold Haimson, Three Revolutionaries, 206.
32 Vgl. J. Martow, Geschichte der russischen Sozialdemokratie, Berlin 1926, 203f.
33 Manfred Hildermeier, Die Russische Revolution 1905–1921, Frankfurt am Main 1989, 123.
34 LW, Bd. 18, 171.
35 Ebd.,172.
36 Theodor Dan, Der Ursprung des Bolschewismus. Zur Geschichte der demokratischen und sozialistischen Idee in Rußland nach der Bauernbefreiung, Hannover 1946, 309.
37 LW, Bd. 20, 261,
38 LW, Bd. 19, 140.
39 Vgl. Adam B. Ulam, Die Bolschewiki. Vorgeschichte und Verlauf der kommunistischen Revolution in Rußland, Köln/Berlin 1965, 315–317.
40 Lenins Briefe an Gorki (1908–1913). https://www.projekt-gutenberg.org/lenin/brigorki/chap002.html (18.3.2023).
41 Service, Lenin, 271.
42 Vgl. W. I. Lenin, Briefe, Bd. II: 1905–November 1910, Berlin 1967, 234f.
43 LW, Bd. 17, 585.
44 LW, Bd. 36, 156f.
45 Getzler, Martov, 131–133.
46 Zit. nach Geyer, Dossier, 49.
47 Vgl. LW, Bd. 15, 458f.
48 Vgl. Dan, Die Sozialdemokratie, 242–245.
49 LW, Bd. 19, 403.
50 Ebd.
51 Vgl. Stephan Rindlisbacher, Leben für die Sache. Vera Figner, Vera Zasulič und das radikale Milieu im späten Zarenreich, Wiesbaden 2014, 288f.
52 Dan, Die Sozialdemokratie, 235f. und vgl. Jürgen Neffe, Marx. Der Unvollendete. München 2017, 586.
53 Vgl. die nicht unumstrittene Biografie von Stefan T. Possony, Lenin. Eine Biographie, Köln 1965.
54 Vgl. die Rezension von R. Suny, Das Buch von Helen Rappaport, in: History Today (May 2020), 60. Zur Syphilis als möglicher Ursache von Lenins Erkrankung bzw. zu seinen Schlaganfällen siehe auch Service, Lenin, 574.
55 Leopold Haimson, The Making of Three Russian Revolutionaries. Voices From the Past, Cambridge 1987, 125.
56 Vgl. Angelica Balabanoff, Lenin. Psychologische Beobachtungen und Betrachtungen, Wien 1959, 49.
57 Vgl. Service, Lenin, 536–540.
58 Robert Service, Trotzki. Eine Biographie, Berlin 2012, 164f.; Dan, Die Sozialdemokratie, 260f.
59 Dan, Die Sozialdemokratie, 263.
60 Geyer, Dossier, 209.
61 LW, Bd. 20, 42f.
62 The non-geometric Lenin. Essays on the Development of the Bolshevik Party 1910–1914, London 2011, 29.
63 Adam B. Ulam, Die Bolschewiki. Vorgeschichte und Verlauf der kommunistischen Revolution in Rußland, Köln/Berlin 1965, 329.
64 Service, Lenin, 286f.; vgl. LW, Bd. 17, 595 (Fn. 129).
65 Klar nachzuvollziehen in: LW, Bd. 36, 154–158.
66 LW, Bd. 17, 453.
67 Lars Lih, How Lenin’s Party Became (Bolshevik), https://links.org.au/lars-lih-how-lenins-party-became-bolshevik (23.1.2023).
68 Vgl. LW, Bd. 17, 586 (Fn. 77).
69 Vgl. ebd., 588 (Fn. 82).
70 Ebd., 453.
71 Ebd., 446.
72 Vgl. O. Pjatnizki, Aufzeichnungen eines Bolschewiks. Erinnerungen aus den Jahren 1896–1917, Wien/Berlin 1927, 187–211.
73 Jörn Schütrumpf (Hg.), »Mit den Leninisten können wir nicht zusammengehen …« oder: Wie Lenin Rosa Luxemburg »besiegte«. https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Online-Publikation_Lenin_Rosa.pdf (12.4.2023).
74 N. K. Krupskaja, Erinnerungen an Lenin, Bd. II, Moskau/Leningrad 1933, 75.
75 Dan, Ursprung des Bolschewismus, 309.
76 Vgl. Georges Haupt, Der Kongreß fand nicht statt. Die sozialistische Internationale 1914, Wien/Frankfurt/Zürich, 1867, 74f.
77 Luciano Canfora, Eine kurze Geschichte der Demokratie. Von Athen bis zur Europäischen Union, Köln 2006, 171.
78 August Bebel, Reden und Schriften 1906–1913, München 1997, 576.
79 Service, Lenin, 289.
80 Vgl. dazu vor allem F. Zukerman, Political Police and Revolution. The Impact of the 1905 Revolution on the Czarist Secret Police, in: Journal of Contemporary History 27/2 (1992), 279–300.
81 Aus dem Nachlass Aehrenthal, Briefe und Dokumente zur österreichisch-ungarischen Innen- und Außenpolitik 1885–1912, Teil 2: 1907–1912, Graz 1994, 573.
82 Orlando Figes, Die Tragödie eines Volkes. Die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924, Berlin 2008, 268.
83 Ebd., 266.
84 Hildermeier, Russische Revolution, 111.
85 Dan, Die Sozialdemokratie, 252.
86 Geyer, Dossier, 238f.
87 Vgl. Lutz Häfner, »Genossen«? Sozialismuskonzeption und politische Praxis der Partei der Sozialrevolutionäre Russlands und ihr Verhältnis zur SPD, in: Archiv für Sozialgeschichte 53 (2013), 67–91, 71.
88 Geyer, Dossier, 239.
89 Peter Schubert, Die Tätigkeit des k.u.k. Militärattachés in Bern während des Ersten Weltkriegs 1914–1918 (1919), Diss. Wien 1978, 26. Siehe aber auch Winfried B. Scharlau/Zbynek A. Zeman, Freibeuter der Revolution. Parvus-Helphand. Eine politische Biographie, Köln 1964, 147, mit denselben Hinweisen, die sich u. a. auch auf Angaben eines österreichischen Diplomaten beziehen.
90 Zit. nach Frank Golczewski, Deutsche und Ukrainer 1914–1939, Paderborn/München/Wien/Zürich 2010, 96.
91 Vgl. Helen Rappaport, Conspirator, Lenin in Exile, London 2009, 210f.
92 Vgl. Verena Moritz, Perspektiven auf die Spionagethematik in der Habsburgermonarchie und den defensiven Kundschaftsdienst der k. u. k. Armee vor dem Ersten Weltkrieg, in: Verena Moritz/Wolfgang Mueller (Hg.), Erkundungen. Militärische Nachrichtendienste, Spionage und Informationsbeschaffung vor dem und im Ersten Weltkrieg, Wien 2022, 33–62.
93 Vgl. Wladislaw Hedeler, Nikolai Bucharin – Stalins tragischer Opponent. Eine politische Biographie, Berlin 2015, 83.
94 Krupskaja, Erinnerungen, 80f.
95 Ebd., 76.
96 Siehe Simon Sebag Montefiore, Der junge Stalin, Frankfurt am Main 2007, 356. Allerdings kommt der Autor ganz ohne Belege aus, was den Aussagewert seiner Darlegungen doch einigermaßen einschränkt.
97 Hedeler, Bucharin, 84f., und Sebag-Montefiore, Stalin, 355.
98 LW, Bd. 17, 464, 467.
99 Vgl. Heinz-Dietrich Löwe, Duma, Regierung und russische Öffentlichkeit, 1906–1916, in: Dittmar Dahlmann/Pascal Trees (Hg.), Von Duma zu Duma. Hundert Jahre russischer Parlamentarismus, Bonn 2009, 283–316, 299.
100 Vgl. Frank Wolff, Neue Welten in der Neuen Welt. Die transnationale Geschichte des Allgemeinen Jüdischen Arbeiterbundes 1897–1947, Köln/Weimar/Wien 2014, 110.
101 Vgl. Martov, Spasiteli ili uprazdniteli? Kto i kak razrušal R.S.D.R.P., Pariž 1911.
102 Zit. nach Abraham Ascher, Pavel Axelrod and the Development of Menshevism, Harvard 1972, 280.
103 Ebd., 282.
104 LW Bd. 16, 84.
105 W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Bd. I, Berlin 1951, 594.
106 Alexej Badajew, Die Bolschewiki in der Reichsduma, Berlin 1957, 364f.
107 Service, Lenin, 287.
108 Heinz-Dietrich Löwe, Stalin. Der entfesselte Revolutionär, Bd. 1, Göttingen/Zürich 2002, 71.
109 Service, Lenin, 288.
110 Badajew, Bolschewiki, 114–117.
111 Ebd., 382f.
112 Ebd.
113 Ebd., 57.
114 V. I. Lenin. Neizvestnye dokumenty 1891–1922, Moskva 2017, 131f.
115 Vgl. Carter Elwood, The Malinovskii Affair. »A Very Fishy Business«, in: Revolutionary Russia 11/1 (1998), 1–16.
116 Lutz Häfner, Die Partei der linken Sozialrevolutionäre in der russischen Revolution von 1917/18, Köln/Weimar/Wien 1994, 135.
117 Zit. nach Badajew, Bolschewiki, 283.
118 LW, Bd. 20, 512.
119 LW, Bd. 16, 18–191.
120 Zit. nach Ernst Piper, Rosa Luxemburg. Ein Leben, München 2018, 338f.
121 Zit. nach Geyer, Dossier, 217.
122 Zit. nach ebd., 218.
123 LW, Bd. 20, 510.
124 Ebd., 511.
125 Geyer, Dossier, 230.
126 LW, Bd. 20, 605.
127 Zit. nach Geyer, Dossier, 229.
128 Ebd.
129 Victor Adler, Briefwechsel mit August Bebel und Karl Kautsky. Gesammelt und erläutert von Friedrich Adler, Wien 1954, 594.
130 Geyer, Dossier, 232f.
131 Ebd., 251.
132 Ernst Piper, Rosa Luxemburg. Ein Leben, München 2018, 337.
133 Ebd. und vgl. von Jena, Polnische Ostpolitik, 189f.