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Ellie parkte hinter dem Chronicle und ging durch die schmale Gasse zur Hauptstraße. Sie beschloss, sich zuerst noch einen Kaffee zum Mitnehmen zu holen.

Ihr Blick schweifte über die hübschen Details des Cafés – die von der Markise hängenden Blumenkörbchen, die farbenfrohen Kunstwerke und Poster an den Wänden, den kleinen Bücherschrank in der Mauernische. Draußen wurden bereits die Tische gedeckt. Sie bestellte ihren Kaffee am Straßenverkaufsfenster, und während sie darauf wartete, nahm sie ein Buch zur Hand und blätterte es durch.

»Bist du das, Ellie?«

Sie drehte sich um. Neben einem der Tische stand ein Mann etwa in ihrem Alter, vielleicht auch ein bisschen jünger. Er trug Jeans, ein zerknittertes T-Shirt und Loafer und machte mit seinem wilden Lockenkopf und dem mehrere Tage alten Bartschatten einen etwas ungepflegten Eindruck.

Die vertrauten Züge ließen sie stutzen. Sie sah noch einmal genauer hin, und als bei ihr der Groschen fiel, verzog sich sein Mund zu einem Lächeln.

»Ben? Ben O’Neill?«

Sein Anblick brachte sie ein wenig aus der Fassung. Ihr war, als hätte sie diese Begegnung durch das gestrige Gespräch über seine Familie geradezu heraufbeschworen.

Ben schlenderte zu ihr. »Wusste gar nicht, dass du in der Stadt bist. Lebst du jetzt hier?«

»Nein, in Melbourne. Ich besuche meinen Opa.«

»Macht er immer noch die Zeitung?« Ben warf einen kurzen Blick zur Zeitungsredaktion auf der anderen Straßenseite.

»Na klar. Er kann es nicht lassen. Und was ist mit dir, was treibst du so? In der Schule hast du immer gesagt, du willst Tierarzt werden.«

»Ich? Ach was. Ich bin das schwarze Schaf in der Familie.« Er grinste. »Ich bin Künstler. Hab mich in der Welt herumgetrieben und dies und das versucht. Und du?«

»Ich habe in der IT-Branche gearbeitet.« Ellie wechselte rasch das Thema. »Bist du auch zu Besuch hier?«, erkundigte sie sich.

»Ja. Zum fünfundneunzigsten Geburtstag meiner Großmutter.«

»Wow, wie geht es ihr?«

»Keine Ahnung. Hab sie noch nicht zu Gesicht gekriegt. Anweisung der Familie.«

Ellie blinzelte. Was meinte er damit? »Das ist schon ein ganz besonderes Jubiläum.«

»Großmama ist außergewöhnlich. Sie herrscht immer noch über den Clan.« Ben lächelte. »Meine Mutter war lange krank, und nach ihrem Tod hat Großmama sich um mich gekümmert.«

»Ja, es tat mir sehr leid, davon zu hören. Deine Großmutter muss eine bemerkenswerte Frau sein. Wie steht es um ihre Gesundheit?«

»Wenn du wissen willst, ob sie geistig noch fit ist – da kannst du Gift drauf nehmen! Früher bin ich auf Craigmore gern mit ihr in ihrem Garten spazieren gegangen. Sie kurvt noch heute mit einem kleinen Elektromobil dort herum. Und kennt jede Pflanze wie ihr eigenes Kind.«

»Oh, ich habe schon von diesem Garten gehört. Es soll ein ganz toller Park sein. Hat sie ihn angelegt?«, erkundigte sich Ellie.

»Ich glaube, den Anfang hat meine Urgroßmutter gemacht, aber Großmama hat sehr viel Arbeit in ihn investiert. Und der Botanische Garten neben dem Campingplatz wurde ein weiteres Lieblingsprojekt von ihr. Sie ist eine passionierte Gärtnerin und hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die Parks zu dem wurden, was sie heute sind. Hey, hast du Lust auf einen Kaffee?«, fragte Ben.

Ellie schüttelte den Kopf. »Hab gerade einen zum Mitnehmen bestellt, danke. Lebst du auf Craigmore?«

»Nein, das ist mir zu weit draußen. Ich wohne in der Stadt.«

Ellie dachte an die Gerüchte, die sich bereits in seiner Kindheit um Ben gerankt hatten. Sie kannte ihn nur aus ihrer kurzen gemeinsamen Zeit an der Highschool von Storm Harbour. Damals wurde gemunkelt, er sei ein kleiner Rebell. Er hatte als Einziger der O’Neills eine örtliche Schule besucht.

»Bleibst du länger hier?«, fragte sie.

Ben zog eine Grimasse. »Eine Weile noch. Auf alle Fälle bis zu Großmamas Geburtstag. Mal sehen, vielleicht kann ich ja bis dahin sogar ein paar Aufträge ergattern.«

Der Mann an der Ausgabe reichte Ellie ihren Becher Kaffee. »Vorsicht, heiß. Bringen Sie den Becher bitte zurück oder lassen Sie ihn noch einmal auffüllen.«

»Danke.« Sie trat beiseite, damit Ben seine Bestellung aufgeben konnte. »Tja, ich geh dann mal zu Opa rein«, sagte sie zu Ben.

»Und ich setze mich in die Sonne und lese Zeitung.« Ben wies auf den noch druckfrischen Chronicle auf jedem Tisch. »Wie lange bleibst du hier?«

»Weiß nicht. Ich habe noch keine Pläne«, antwortete sie leichthin, dann hielt sie inne und musterte ihn. Hinter Bens draufgängerischer Fassade erahnte sie einen verletzlichen Kern. »Na, dann viel Spaß, Bennie. Wir laufen uns bestimmt wieder über den Weg.«

Ben starrte mit abwesendem Blick an ihr vorbei. »So hat mich seit der Schulzeit keiner mehr genannt.« Dann richtete er seine tiefblauen Augen wieder auf sie. »Spaßig wird es eher nicht werden. Ich hoffe, wir sehen uns noch mal. Bis bald, Ellie.«

Sie lächelte ihn an, bevor sie über die Straße in die Redaktion des Chronicle ging.

Als sie eintrat, hob Maggie den Blick. »Wie schön, dich zu sehen, Ellie. Ich bin so froh, dass du wieder da bist. Tut mir leid, dass ich dich gestern verpasst habe.«

Maggie war groß und hielt sich kerzengerade. Ein üppiger Schopf blonder Locken, die allmählich grau wurden, umrahmte ihr Gesicht. Ellie kannte sie seit ihrer Schulzeit, und soweit sie sich erinnern konnte, hatte Maggie schon immer zur Redaktion des Chronicle gehört.

»Ich freue mich auch sehr, dich wiederzusehen, Maggie.«

In diesem Augenblick kam Jon aus dem Kabuff des Chefredakteurs gerollt.

»Hier riecht es so gut nach Kaffee. Hi, Ellie.«

»Hi, Jon. Wie läuft’s?«, fragte sie.

»Das Übliche. Sieben Artikel und Aufmacher gleichzeitig. Patrick wollte dich auf den neuesten Stand bringen, wenn du kommst.«

Ellie hob die Augenbrauen. »Okay, dann wage ich mich mal in die Höhle des Löwen.«

Patricks Schreibtisch war mit Aktenstapeln und Papieren übersät, aber Ellie wusste, wenn er etwas suchte, hatte er es im Handumdrehen parat.

»Guten Morgen, Liebes. Wie geht’s Sam?«

»Ganz gut. Als ich gefahren bin, hat er sich in die alte Decke gekuschelt, die du ihm hingelegt hast.« Sie setzte sich auf den Stuhl gegenüber von Patrick. »Du glaubst nicht, wen ich gerade getroffen habe – Ben O’Neill. Er ist zum Geburtstag seiner Großmutter hier.«

»Das ist ja witzig, wo wir erst gestern über ihn gesprochen haben. Was treibt Benjamin inzwischen so?«

»Genau weiß ich das nicht, aber angeblich irgendwas Künstlerisches.«

Patrick hob die Augenbrauen. »Das kommt bei seiner leistungsorientierten Familie bestimmt nicht gut an.«

»Wenn du mich fragst, schien er durchaus stolz darauf, aus der Art zu schlagen. Er hat erzählt, dass seine Großmutter fünfundneunzig wird.«

»So alt ist Kathryn schon?«, rief Patrick. »Ich habe sie vor ein paar Wochen bei einer Veranstaltung in der Bibliothek getroffen. Kluge Frau.«

»Mmm. Laut Ben hat sie im Clan immer noch das Sagen. Erinnerst du dich an ihren Ehemann?«

»Boyd O’Neill? Ich kannte ihn nicht besonders gut. Er ist vor über zehn Jahren gestorben. Kathryn war immer die Diplomatin, das freundliche Gesicht der Familie. Und die treibende Kraft hinter einigen sozialen Einrichtungen, die die Familie gestiftet hat.« Patrick begann, auf dem Notizblock auf seinem Schreibtisch herumzukritzeln. »Ihr Geburtstag wäre eine gute Gelegenheit, sie zu würdigen, mit einem Rückblick auf die Familiengeschichte. Ich habe mich schon des Öfteren gefragt, wo sie eigentlich herkommt.«

»Stammte sie aus reichem Haus, oder war es eine echte Liebesheirat, was meinst du?«

»Ich habe nicht den leisesten Schimmer. Wir sollten sie fragen, solange sie noch gesund und munter ist. Wo sie aufgewachsen ist, wovon sie träumte. Und dann zu ihrem Geburtstag ein hübsches kleines Feature bringen.« Patrick sah sie an. »Möchtest du es schreiben, Ellie?«

»Ich? Ach du meine Güte, nein. Ich bin IT-Projektleiterin, keine Journalistin. Das ist definitiv Jons Gebiet.«

»Im Prinzip schon, aber bei Lokalzeitungen schreiben längst nicht nur Journalisten. Dafür gibt es einfach zu wenige! Bei uns reichen alle möglichen Leute aus den verschiedensten Bereichen Artikel ein. Wenn ich mich recht erinnere, hast du in der Schule ziemlich gut geschrieben, und ich könnte mir vorstellen, dass die alte Kate O’Neill gegenüber einer jungen Frau, die hier neu ist, aufgeschlossen reagiert.«

»Schulaufsätze haben mir das Schreiben eher verleidet.« Ellie biss sich auf die Unterlippe. »Aber ich habe im Job ellenlange Ausschreibungen formuliert und auch der Marketingabteilung gelegentlich beim Texten geholfen. Vor ein paar Jahren habe ich sogar eine Kurzgeschichte über Fitzroy bei einem Wettbewerb eingereicht. Ich sollte also auch für die Zeitung etwas zusammenschustern können.«

»He, unsere Artikel werden nicht einfach in die Tastatur gehämmert. Sie müssen gut recherchiert, wahrheitsgemäß, gehaltvoll, handwerklich sauber und mit Herzblut geschrieben sein. Es geht nicht nur um die nackten Fakten«, erklärte Patrick. »Dir würde bestimmt ein spannendes Porträt gelingen, Ellie.«

Er lächelte sie ermutigend an, und zu ihrer eigenen Überraschung nickte sie: »Na gut, ich versuch’s.« Nachdem sie kurz überlegt hatte, fügte sie hinzu: »Aber nur über Kathryn. Die O’Neill-Männer sind oft genug in den Medien.«

Patrick lehnte sich zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Wunderbar! Du kannst dich jederzeit an mich wenden, wenn du Hilfe brauchst, aber ich bin sicher, dass du es großartig hinbekommen wirst.«

»Vielleicht erzählst du mir erst einmal ein bisschen was über die Geschichte der O’Neills, ich hätte gern ein paar Hintergrundinformationen. In was für eine Familie hat Kathryn da hineingeheiratet?«, erkundigte sich Ellie.

Patrick nickte. »Die O’Neills gehörten zu den ersten Siedlern hier in der Gegend – echte Viehzüchter-Aristokratie«, erklärte er. »Boyd O’Neill war eine starke Persönlichkeit – gewiefter Geschäftsmann, Rinderbaron und Merinozüchter. Sein Sohn Seamus erbte nach Boyds Tod das Familienunternehmen, und seither ist es noch größer und erfolgreicher geworden. Das verleiht ihnen enorme Macht.«

»Macht? Weil sie reich sind?«, fragte Ellie. »Glauben sie etwa, dass sie deshalb tun können, was sie wollen?«

»Nicht offensichtlich, aber ich bin sicher, dass da einiges hintenherum läuft. Früher hatten die O’Neills ›ihren‹ Mann im Stadtrat, der ihre Interessen vertrat. Heute haben sie einen Mittelsmann und einen Anwalt, die sich um den Stadtrat kümmern. So können sie selbst im Hintergrund bleiben«, erklärte Patrick.

»Und warum ist Ben offenbar ein Außenseiter? Hat er irgendetwas angestellt oder sich nur geweigert, nach der Pfeife der Familie zu tanzen?«, fragte Ellie. »Früher in der Schule ist er nie aufgefallen. Wenn ich mich recht erinnere, hat er sich eher abgekapselt. Wobei er kein Schwächling war, der sich alles gefallen ließ.«

»Bist du denn mit Schulfreunden von hier in Verbindung geblieben?«, fragte Patrick.

»Eigentlich nicht. Du darfst nicht vergessen, dass ich nur neun Monate hier auf der Highschool war, als Mum wegen ihrem Kurs mit Dad nach London gegangen ist. Und ich habe eher versucht, mit meinen alten Freunden in Melbourne in Kontakt zu bleiben, statt hier neue zu finden. Ich war so sauer, weil ich von Julie getrennt war. Nicht, dass es mir hier nicht gefallen hätte«, ergänzte sie eilig. »Es war schon eine ganz besondere Zeit mit dir und Oma …«

»Ja. Und wir hatten dich sehr gern bei uns.« Er lächelte liebevoll, dann straffte er die Schultern. »Du kannst also ein wenig Zeit erübrigen, um einen Artikel über unsere berühmte Patriarchin Kathryn O’Neill zu schreiben, die demnächst ihren fünfundneunzigsten Geburtstag begeht. Wenn du Ben das nächste Mal über den Weg läufst, trink doch einen Kaffee mit ihm und frag ihn ein bisschen über seine Familie aus. Vielleicht gibt es ja irgendwelche Leichen im Keller, die nie ausgegraben wurden.«

Ellie gluckste. »Du bist unverbesserlich!«

»Hmmm«, brummte Patrick und blätterte in seinem Schreibblock, während Ellie aufstand.

Sie ging zurück ins andere Büro, wo Jonathan gerade sein Telefon, sein Notizbuch, ein Aufnahmegerät und eine Kamera in seiner Tasche verstaute.

»Du fotografierst immer noch mit der großen, klobigen Kamera? Warum nimmst du nicht dein Smartphone?«, erkundigte sich Ellie neugierig.

»Es gibt nichts Besseres als eine Leica, da kann die Handykamera noch so gut sein. Das Smartphone habe ich sicherheitshalber auch dabei. Manchmal fühlen sich die Leute durch die Kamera eingeschüchtert, bei einem Smartphone hingegen sind alle entspannt. Nicht, dass ich jemals jemanden ohne sein Wissen fotografieren oder aufnehmen würde«, fügte er hastig hinzu.

»Ich mochte ja diese großen alten Blitzlichtkameras, die die Fotoreporter früher hatten«, mischte sich Maggie ein. »Damals hat es in den Nachrichtenredaktionen ganz anders ausgesehen. Heute kann doch keiner mehr Steno – außer mir. Jetzt heißt es überall Technik hier, Technik da. Bis die Technik den Geist aufgibt.«

Ellie lachte. Wie meilenweit entfernt sie hier doch von den umfangreichen IT-Projekten war, die sie bisher gemanagt hatte! »Dürfte ich deinen Computer benutzen, solange du außer Haus bist, Jon? Dann muss ich nicht nach Hause zu meinem Laptop.« Sie lächelte die beiden verschmitzt an: »Ich wurde nämlich gerade eingestellt!«

»Hey, das ist ja großartig!«, rief Jon.

»Wurde auch Zeit«, meinte Maggie trocken.

»Natürlich kannst du an meinen Computer«, sagte Jon und kritzelte das Passwort auf einen Zettel. »Bis später. Ich bin nach dem Mittagessen zurück, Maggie.«

Ellies Handy klingelte, und das Display verriet ihr, dass Mike anrief. Sie setzte sich an Jons Schreibtisch. »Hallo, Mike! Wie läuft’s in Melbourne?«

»Wie immer. Wollte nur mal nachfragen, ob du dich schon an das ruhige Leben gewöhnt hast. Wie geht’s deinem Großvater?«

»Gut, danke. Tatsächlich sitze ich gerade in der Redaktion.«

»Hilfst du ihm etwa bei seiner Zeitung?«

»Ja. So viel zum ruhigen Leben! Du wirst es nicht glauben, ich bin dabei, einen Artikel zu schreiben. Allerdings muss ich die Technik hier auf den Stand des 21. Jahrhunderts bringen. Und dabei hatte ich mich schon gefragt, was ich hier den lieben langen Tag tun soll.«

»Wolltest du nicht einfach ein bisschen herumhängen und deinem Großvater Gesellschaft leisten?«

»Ja, schon. Aber er ist definitiv kein hinfälliger alter Mann, um den man sich kümmern muss. Ganz im Gegenteil, neben ihm komme ich mir ein bisschen lasch vor.«

Mike lachte. »Und was für einer heißen Story bist du auf der Spur?«

»Die Patriarchin der Stadt wird fünfundneunzig, weshalb ich Nachforschungen zu ihr und ihrer Familiengeschichte anstelle. Die alte Dame scheint geistig noch ziemlich fit zu sein. Im Augenblick bin ich dabei mir zu überlegen, wie ich es am besten anpacke.«

»Wenn sie schon so lange dort lebt, nimm dir doch zuerst mal die Stadtgeschichte vor. Und nicht nur die schriftlichen Quellen, auch was die Einheimischen über sie erzählen«, schlug Mike vor.

»Daran hatte ich auch schon gedacht. Das Problem ist allerdings – die Familie scheut das Licht der Öffentlichkeit«, sagte Ellie.

»Das ist dort, wo ich aufgewachsen bin, genauso. Auch da kehren die alten Familien ihre Geschichte gern unter den Teppich, vor allem wenn sie ein bisschen schillernd ist. Ein Grund mehr, um tiefer zu graben. Aber du gehörst dort doch quasi dazu, deine Verwandten genießen hohes Ansehen. Da sind die Leute nicht so misstrauisch, sie werden dir bestimmt etwas erzählen.«

Ellie lächelte. Mike versuchte offensichtlich, ihr Mut zu machen. »Okay, aber vergiss nicht, ich bin keine Reporterin und nur vorübergehend hier. Außerdem möchte ich dem Chronicle keine Verleumdungsklage einhandeln.«

»Wirst du nicht. Ich weiß doch, was du alles kannst.«

»Hmm, vielleicht. Und was treibst du so?«

»An drei Abenden die Woche spiele ich Squash mit meinem Kumpel Bill. In letzter Zeit habe ich viel zu viel am Schreibtisch gesessen. Aber ich will dich nicht mit meinem eintönigen Leben langweilen. Ich wollte nur mal hören, ob es dir gut geht, und mich vergewissern, dass du nicht in eine Decke gehüllt trübsinnig auf der Veranda sitzt.«

»Danke, Mike.«

»Tja, die Arbeit ruft. Ich bin sehr gespannt darauf, was du alles über die alte Dame und ihre einflussreiche Familie zutage förderst. Lass mich wissen, wenn du etwas aus der großen Stadt brauchst.«

Nach dem Telefonat fühlte sich Ellie nicht mehr ganz so abgeschnitten von ihrem früheren Leben. Aber es hatte sie auch an die alles überschattende Frage erinnert, was sie nach ihrer Rückkehr in Melbourne tun sollte. Zu ihrer Bestürzung überkam sie ein schon vertrautes mulmiges Gefühl, das ihr die Kehle zuschnürte.

Sie sprang auf und sah sich um. Maggie telefonierte, ihr Großvater auch. Keuchend lief sie ins Badezimmer, setzte sich auf den Toilettendeckel und versuchte, tief durchzuatmen.

Verdammt noch mal. So gut es ihr in Storm Harbour gefiel, ihre Ängste hatte sie aus Melbourne mitgebracht, und sie schienen sie nicht loszulassen.

 

Nach einer schlaflosen Nacht beschloss Ellie, sich mit einem Großputz im Haus ihres Großvaters auszupowern, bevor sie sich in die Recherche zu Kathryn O’Neill stürzte. Aber kaum hatte sie angefangen, war Patrick bereits von seinem Morgenspaziergang zurück und stand mit verschränkten Armen im Wohnzimmer.

»Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen, Ellie. Aber wenn du hier aufräumst, finde ich nie wieder was!«

»Bei dir stapelt sich auf jeder freien Fläche Krimskrams, Opa! Lass uns doch ein bisschen Ordnung schaffen.«

»Ich weiß, was und wo das alles ist.« Er ließ den Blick über den Raum schweifen. »Aber vielleicht könntest du mir bei etwas anderem helfen, was ich mir schon seit einer Weile vorgenommen habe. Im Büro. Wenn es dir nichts ausmacht.«

»Natürlich. Wobei denn?«

»Du kennst doch die Abstellkammer, in der früher die Druckerpresse stand? Ich würde sie gern ausräumen, um ein weiteres kleines Büro zu haben. Nicht dass ich ans Expandieren denke«, schob er hastig nach. »Aber wir könnten einen zusätzlichen Arbeitsplatz gebrauchen, der ein bisschen ruhiger ist oder wo Jon ungestört Interviews führen kann, wenn mein Büro besetzt ist.«

»Das ist eine super Idee. Und wenn ich schon mal dabei bin, bringe ich gleich noch euer Computersystem auf Vordermann«, schlug sie begeistert vor, »und richte eine Website und eine Facebook-Seite für euch ein. Außerdem könntest du überlegen, alles in einer Cloud zu speichern. Das würde euch Geld sparen, und ihr bräuchtet keine Sticks und Festplatten mehr.«

»Du bist die Expertin, Ellie, und ich merke, dass du ganz erpicht darauf bist, den Laden besser zu organisieren«, sagte Patrick lachend. »Aber pass auf, dass du mit deiner Modernisierungswut nicht das Budget sprengst.«

»Keine Sorge.« Ellie strahlte. »Ich fang gleich heute noch damit an.«

 

Am nächsten Tag kurz vor Mittag stemmte Ellie die Hände in die Seiten und betrachtete die Früchte ihrer Arbeit. Die Entrümpelungsaktion hatte ihr gutgetan. Sie hatte große Mengen an Papier durchgesehen und zum Altpapier gebracht, wichtige Unterlagen geordnet und abgelegt und den Nebenraum mit einem Tisch und Stühlen aus dem großen Büro ausgestattet, sodass ein kleines Besprechungszimmer daraus geworden war. Anschließend hatte sie überlegt, wie sich das Computersystem der Zeitung auf den neuesten Stand bringen ließ. Diese Aktivitäten hatten ihr ein ungeahntes Erfolgserlebnis beschert. Sie war wieder ganz in ihrem Element, organisierte, arbeitete mit Computern, überlegte, wie man Dinge anders anpacken konnte. Es fühlte sich gut an.

Sie sah auf, als Patrick hereinkam. Er blieb wie angewurzelt stehen.

»Das ist unglaublich, Ellie, danke!«

»Gern geschehen«, sagte Ellie lächelnd. »Der nächste Schritt wäre dann, alle archivierten Ausgaben des Chronicle in der Cloud zu speichern. Dann können sämtliche Redaktionsmitarbeiter über das Internet jederzeit und von jedem Gerät aus ganz einfach auf jeden Artikel zugreifen, den ihr jemals veröffentlicht habt. Wenn du willst, setze ich auch einen Link zu dem Archiv auf die neue Website, sodass jeder Zugang dazu hat.«

»Ja, klar, das ist keine schlechte Idee! Aber du musst mir das alles noch mal Schritt für Schritt erklären, Liebes.«

»Mir auch«, rief Maggie. »Ich weiß, dass ich mich mit der Cloud inzwischen auskennen sollte, aber ich bin noch nicht dazu gekommen, mich damit zu befassen. Du könntest es mir doch beibringen, Ellie?«

»Mit Vergnügen, Maggie.«

»Ich muss los, bin mit Roly verabredet«, sagte Patrick, während sie zurück ins große Büro gingen. »Ich besorge uns ein paar Sandwiches, die können wir im Botanischen Garten essen. Möchtest du mitkommen, Ellie?«

»Ja, gern.« Als Ellie ihre Tasche und ihr Handy von Jons Schreibtisch nahm, bemerkte sie, wie Maggie beim Durchsehen der Post einen Umschlag ungeöffnet in den Papierkorb beförderte.

»Maggie! Du hast gerade einen Brief weggeworfen, ohne ihn zu lesen«, rief Ellie.

»Ich weiß, von wem der ist. Das ist so ein Spinner, der unentwegt Verschwörungstheorien und solches Zeug verbreitet.«

»Trelawney?«, fragte Patrick. »Was will er jetzt schon wieder? Hält er den Klimawandel immer noch für einen Mythos?«

»Warum schickt er denn keine E-Mail?«, wunderte sich Ellie. »Es macht doch ziemliche Mühe, sich hinzusetzen und einen richtigen Leserbrief zu verfassen.«

»Manchmal mailt er auch. Er denkt wohl, ein richtiger Brief hat mehr Gewicht. Er kann gut schreiben, leidet allerdings unter Realitätsverlust. Die meisten unserer Leser sind gebildet und relativ vernünftig, bis auf Mr Trelawney. Ich überfliege höchstens jeden dritten seiner Briefe«, erklärte Maggie.

Ellie nickte. »Ich hatte auch mal so einen Kunden, einen erfolgreichen Geschäftsmann, der alle möglichen Theorien über seine Konkurrenten vertrat. Anfangs klang das, was er sagte, ganz plausibel, aber wenn ich auch nur den geringsten Einwand vorbrachte, ging er in die Luft und behauptete, ich würde auch zu denen gehören, die ihn fertigmachen wollten. Später habe ich erfahren, dass es sich um einen klassischen Fall von paranoider Persönlichkeitsstörung handelte.«

»Ich vermute mal, das ist auch bei Mr Trelawney der Fall«, meinte Maggie. »Genießt eure Mittagspause.«

Im Café gegenüber bestellten sie die Sandwiches und setzten sich. Als sie darauf warteten, erspähte Patrick einen Bekannten und ging zu ihm, also nutzte Ellie die Zeit und rief Mike an. Ihre Pläne für die Büromodernisierung sahen unter anderem vor, die Computer durch Laptops zu ersetzen, und Mike hatte erwähnt, dass er ihr dabei helfen könnte, ein günstiges Angebot zu bekommen.

Während Ellie telefonierte, fiel ihr eine Frau etwa in ihrem Alter auf, die am Nebentisch saß. Sie hatte das lange rote Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden und trug ein farbenfrohes Halstuch, das auf ihrem schwarzen T-Shirt besonders gut zur Geltung kam.

Nachdem Ellie ihr Gespräch beendet hatte, wandte sich die junge Frau an sie. »Hallo, du bist sicher Estelle, oder? Ich heiße Cassie. Ich habe dich gerade mit Patrick gesehen. Er hat uns erzählt, dass du kommst.«

»Ellie, bitte. Mein Großvater hat anscheinend allen verkündet, dass ich ihn besuche«, lachte Ellie. »Wir holen uns hier nur etwas, um es mit einem Freund vom Campingplatz zu essen.«

Cassie lächelte. »Gute Idee. Mein Mann Steve und ich betreiben den Campingplatz schon seit anderthalb Jahren. Wir sehen Patrick häufig, wenn er Roland besucht.«

Sie plauderten noch eine Weile, dann konnte sich Ellie ein Kompliment nicht verkneifen: »Mir gefällt dein Seidentuch. Ist das handbemalt?«

»Oh, danke. Nein, Siebdruck, selbst gemacht. Das ist viel Arbeit, aber ich mag es, meine eigenen Stücke zu kreieren. In Melbourne hatte ich einen Accessoire-Laden. Vielleicht eröffne ich so etwas irgendwann mal wieder, aber im Augenblick halten uns der Campingplatz und die Gäste genug auf Trab. Es gefällt uns sehr gut hier.«

»Ah ja. Ich kann mir deine Tücher gut in einer schicken kleinen Boutique vorstellen. Wo in Melbourne warst du?«, fragte Ellie.

»Brunswick. Mir wäre Fitzroy lieber gewesen, aber dort habe ich nichts Passendes gefunden. Ich hatte einen Laden mit Atelier, was mir sehr gelegen kam.«

»Ich wohne in Fitzroy!«

»Wirklich? Wirklich ein tolles Viertel! Arbeitest du auch dort?«

Ellie zögerte. »Nein, in der Innenstadt. Ich war – na ja, ich bin immer noch in der IT-Branche.«

»In so einem Job steht man wohl ziemlich unter Druck. Kein Wunder, dass du dir eine Auszeit nimmst.«

»Eine Auszeit. Ja, genau«, sagte Ellie. Sie stand auf, weil der Café-Besitzer ihre Sandwiches brachte.

»Tja, wir sehen uns bestimmt mal wieder. Tschüss, Cassie. Hat mich gefreut, dich kennenzulernen.«

 

»Hmmm, so einen schönen Tag muss man einfach draußen verbringen«, bemerkte Patrick, als Ellie sich bei ihm unterhakte und sie gemeinsam das Tor des Campingplatzes durchschritten.

»Passiert es eigentlich oft, dass Leute euch mit ihren verrückten Theorien behelligen?«, fragte Ellie, die an den Brief des schrulligen Trelawney dachte.

»Zu oft. Maggie nimmt sich diese Einsendungen alle vierzehn Tage vor. Das war früher Sallys Aufgabe. Aber ich kann ihr nicht verübeln, dass sie beruflich weiterkommen will. Vermutlich versucht sie es als Nächstes beim Fernsehen, auch wenn sie dann auf ihren schwarzen Lippenstift verzichten muss.« Er lächelte. »Sie ist ein kluger Kopf. Und sie versteht sich prächtig mit Jon, weil beide auf dieses Science-Fiction-Zeug stehen.«

»Wenn sie zum Fernsehen will, ist es wohl ganz gut, erst mal beim Radio einen Fuß in der Tür zu haben«, meinte Ellie.

»Ja, da hast du recht. Sie ist ehrgeizig. Weit mehr als Jon. Er vermisst sie, aber sie hält Kontakt zu uns. Vielleicht, um Informationen abzugreifen.«

Während sie nebeneinanderher schlenderten, bat Ellie: »Du musst mir noch mal erklären, warum Roly, ein angesehener Anwalt, der spektakuläre Prozesse geführt hat, auf einem Campingplatz lebt.«

»Hmmm, das scheint etwas ungewöhnlich, nicht wahr? Allerdings weiß man ja nie, was für Leute eigentlich auf einem Campingplatz wohnen, weil alle so leger gekleidet sind. Er hat sich nach seiner Scheidung hierher verkrochen, etwa zur selben Zeit, als er in Pension ging, vor etwa einem Jahr. Inzwischen ist er Ende siebzig. Er hat mir einmal erzählt, dass er Kleinstädte schon immer mochte, und ich glaube, er wollte einfach eine echte Veränderung.«

»Hat er durch die Scheidung sein Haus verloren?«

»Also, ich weiß, dass er aus dem Haus in Toorak ausgezogen ist und seiner Frau die Herrschaft über die Rosen überlassen hat. Mitgenommen hat er angeblich nur sein Schachbrett, seine Angelausrüstung, einen Laptop, sein Cello und ein paar seiner Lieblingsbücher. Sein großer Plan ist, ein Buch zu schreiben. In welchem Genre, hat er nie verraten, nur dass er keinesfalls irgendwelche langweiligen Memoiren verfassen will.«

»Hat er schon angefangen zu schreiben?«, fragte Ellie.

»Wenn ja, habe ich bisher nichts davon mitbekommen«, erwiderte Patrick.

»Schau, da ist er, genießt die Sonne und wartet auf uns.«

»Ahoi«, rief Roly, der auf einem Klappstuhl vor seiner Hütte saß, und hob grüßend die Hand.

Ellies Blick wanderte über seine Angelausrüstung, die Feuerstelle und einen aufgerollten Gartenschlauch neben einem mit Kräutern bepflanzten Bottich. Es war ein einfaches Leben, aber seine Bleibe wirkte wohnlich und auf Dauer angelegt. Manche von Rolys Nachbarn hatten ein Gärtchen mit Wäscheleine, Blumentöpfen und sogar kleinen Figuren. Die Hütten boten eine gewisse Privatsphäre, da sie durch Rasenflächen und Bäume voneinander abgetrennt waren. Es gab einen Bereich mit Picknicktischen und in der Nähe des Flusses einige Grillplätze, eine Bootsrampe und eine Stelle zum Säubern und Ausnehmen geangelter Fische. Ein Stück hinter den Hütten schlängelte sich ein Radweg am Ufer entlang. Die Hütten bildeten eine unabhängige Gemeinschaft, ein Stück entfernt von der Rezeption, dem Zeltplatz, den Ferienhäuschen zum Mieten, den Wohnwagen und dem Planschbecken und Kinderspielplatz ganz am Ende. Unmittelbar dahinter begann der kleine, aber üppig grünende und blühende Botanische Garten.

»Lust auf eine Stärkung?«, rief Patrick. »Wir könnten durch den Park spazieren und dort essen.«

»Gute Idee.« Roly stand auf und gesellte sich zu ihnen. »Hier entlang. Der Ort ist ein Juwel, obwohl unter der Woche kaum jemand hinkommt. Das mag schade sein, aber für uns hier ist es ein Segen.«

»Ich war erst ein paarmal dort«, sagte Ellie. »Ist es nicht ungewöhnlich, dass es in einer so kleinen Stadt einen Botanischen Garten gibt?«

»Ja, da haben wir ziemliches Glück, meine Liebe«, entgegnete Roly. »Ich glaube, ursprünglich sollte er stufenweise noch weiter ausgebaut werden, aber aus irgendeinem Grund ist es nie dazu gekommen. Und so wurde aus dem Rest des Grundstücks der Campingplatz.«

»Du Glückspilz«, sagte Patrick zu Roly. »Hier lebst du im Paradies.«

»Keine Frage. Und Ellie, wie ist es für dich, zu deinen Wurzeln zurückzukehren?«

»Oh, wunderbar. Obwohl mir etliche Veränderungen aufgefallen sind. Es ist eine Weile her, seitdem ich das letzte Mal hier war.«

»Egal wie gut man einen Ort zu kennen glaubt, man sieht ihn doch immer im Licht der vergangenen und gegenwärtigen Erlebnisse, oder?«, sagte Roly. »Ich denke, was man dabei empfindet, wird durch die Erinnerungen bestimmt.«

Ellie erwiderte nichts darauf, doch er hatte einen Nerv getroffen.

»Da drüben, unter den Kängurubäumen, ist ein freier Tisch«, sagte Patrick.

Ellie packte gerade die Sandwiches aus, als plötzlich ein durchdringender Lärm einsetzte. Sie fuhr zusammen. Jemand hatte eine Kettensäge angeworfen.

»Was zum Teufel soll denn das? Wer benutzt hier eine Kettensäge?«, fragte Patrick.

»Ach, das ist unser Gastkünstler. Ein unglaubliches Talent«, erklärte Roly und nahm sich ein Sandwich. »Geht mal runter zum Wasser und seht es euch an … hier zwischen den Bäumen durch, ihr könnt es nicht verfehlen.«

Als die beiden am Flussufer ankamen, brach Ellie in Gelächter aus. »Das ist ja gigantisch! Toll!«

Kopfschüttelnd betrachtete Patrick einen Mann in kurzer Hose und mit Helm, der mit einer Kettensäge herumfuchtelte wie ein Dirigent mit dem Taktstock. Sägemehl und Späne flogen in alle Richtungen von einem massiven hölzernen Flusskrebs, der vor ihm Gestalt annahm und dessen Scheren so bedrohlich aussahen, als wollten sie ihn gleich zwicken.

»Das ist ja ein halber Baum«, bemerkte Patrick. »Und er muss alt sein, schaut euch bloß den Stammumfang an.«

Der Holzbildhauer trat zurück, um sein Werk zu betrachten. Als er den Helm abnahm und sich die Stirn abwischte, schnappte Ellie nach Luft.

»Das ist ja Ben O’Neill! Hallo, Ben!«, rief sie.

Er drehte sich um und kam grinsend auf sie zu. »Was für eine nette Überraschung!« Er wies auf sein Werk. »Wie findet ihr es?«

»Großartig. Soll es auf dem Campingplatz bleiben?«

»Nein, das wird die Außenwerbung für den neuen Laden der Fischkooperative. Sie wollen damit Touristen anlocken.«

»Das klappt bestimmt. Woher stammt der Baum?«, erkundigte sich Patrick.

»Von unserem Familienanwesen. Cassie und Steve haben vorgeschlagen, dass ich hier daran arbeite, ab vom Schuss. Ich wohne auch auf dem Campingplatz.«

»Wirklich?«, fragte Ellie überrascht.

»Ja, bis ich diesen Auftrag erledigt habe. Ich wollte gerade eine Pause einlegen.«

»Wir sind gerade beim Mittagessen, komm doch mit«, meinte Ellie.

»Hallo, Benjamin, schön, dich zu sehen«, begrüßte ihn Roly, als sie zurück zum Picknicktisch kamen.

Während Ben ein Sandwich nach dem anderen verputzte, erkundigte sich Patrick beiläufig, was ihn wieder in die Gegend geführt hatte.

»Das war eher Zufall. Zuerst habe ich von der Kooperative den Auftrag für den Flusskrebs erhalten, und als Nächstes habe ich gehört, dass während meines Aufenthalts ein Familientreffen stattfindet. Meine Großmutter feiert Geburtstag.« Er hielt inne. »Wenn sie nicht gewusst hätten, dass ich sowieso vor Ort bin, wäre ich vielleicht gar nicht eingeladen worden. Aber so hat es sich eben ergeben.«

»Deine Großmutter weiß bestimmt tolle Geschichten zu erzählen«, meinte Patrick. »Manche der Viehzüchter hier pflegten einen Lebensstil, den man sich kaum vorstellen kann.«

Ben nickte. »Ja. Mein Großvater hielt viel auf feines Benehmen. Er hat oft erzählt, dass er in seiner Jugend zum Dinner einen Smoking tragen musste und überall Diener herumwuselten. Auf allen Anwesen wurden große Bälle, Poloturniere, Galadiners und so was veranstaltet.«

»Ich habe mit einigen Söhnen der Wollbarone zusammen studiert«, sagte Roly. »Mit den Klügeren. Damals war Wolle wertvoller als Gold.«

»Denen, die noch übrig sind, geht’s immer noch ziemlich gut«, sagte Patrick. »Die meisten, die an Konzerne und ausländische Unternehmen verkauft haben, haben sich an der Küste zur Ruhe gesetzt, in Städtchen wie Storm Harbour, während ihre Sprösslinge in Toorak leben.«

»Ja, kann schon sein. Meine Familie hält hier jedenfalls die Stellung, zumindest solange Großmama und Dad noch das Zepter schwingen.«

»Wir überlegen, in der Zeitung einen Artikel über deine Großmutter zu bringen«, sagte Ellie und nahm sich das letzte Sandwich. »Anlässlich ihres Geburtstags. Was hältst du davon, Ben?«

Er zuckte die Achseln. »Mit Großmama kann man gut reden. Außer man ist in Ungnade gefallen, oder Ronans Sekretärin ist in der Nähe. Oder mein Bruder – dann habe ich keine Chance«, fügte er hinzu. »Ich bin immer bestens mit ihr ausgekommen. Allerdings war ich schon eine Weile nicht mehr hier.«

»Du bist also eine Art Herumtreiber?«, fragte Roly unverblümt.

»Roly, so etwas kannst du doch nicht sagen!«, rief Ellie.

Aber Ben kicherte. »Ehrlich, das ist mir total egal. Ich mache einfach mein eigenes Ding, ist leichter so.« Er wischte sich die Krümel von den Händen. »Ich geh dann mal zurück zu Harry. So habe ich den Krebs getauft.« Er grinste. »Danke für die Sandwiches. Wir sehen uns, Roly.«

»Was hältst du von ihm?«, fragte Roly, als Ben außer Sicht war.

»Warum ist er wohl ein solcher Einzelgänger geworden?«, überlegte Patrick. »Will er wirklich als freier Künstler durch die Welt tingeln?«

»Komm, wir müssen zurück, die Arbeit ruft.« Ellie fing an, den Abfall einzusammeln.

»Harry wird mit Sicherheit einen neuen Kundenkreis in den Fischladen locken«, sagte Roly. »Wäre das vielleicht was für die Titelseite? Danke für die Einladung zum Essen.«

»Bis bald«, sagte Patrick, nahm seinen Fedora-Hut ab und wedelte eine Fliege weg.

»Unbedingt.« Roly winkte und schlenderte in Richtung seiner Hütte, während Ellie und Patrick den Weg zur Brücke einschlugen.

»Ich habe heute Cassie kennengelernt, die mit ihrem Mann den Campingplatz betreibt. Sie macht einen sehr freundlichen, warmherzigen Eindruck«, sagte Ellie.

»Ja, und die beiden sind ein nettes Paar. Ich schätze, sie müssen sich ganz schön abrackern, um mit dem Campingplatz was zu verdienen. Der Unterhalt dürfte ziemlich kostspielig sein, obwohl ich vermute, dass auch die Stadt ihren Beitrag leistet. Aber die beiden sind jung, die kriegen das schon hin.«

Ellie hing ihren Gedanken nach. »Ich habe diese Stadt immer geliebt. Ich kann mich noch daran erinnern, Opa, was du mir über die Fischerfamilien und die Geschichte des Walfangs und der Schiffswracks erzählt hast«, sagte sie. »Vielleicht wäre das auch etwas, was man Mrs O’Neill fragen könnte.«

»Na ja, eigentlich wollen wir vor allem Persönliches von ihr wissen. Die Stadtchronik kannst du bei der Historischen Gesellschaft einsehen, über Kathryn selbst hingegen ist kaum etwas bekannt. Wenn du sie interviewst, hör dir die goldenen Worte und Ratschläge einer Frau an, die auf ein langes, erfolgreiches Leben zurückblicken kann. Sie ist unter anderem Expertin für Gartengestaltung und hat sich der Bewahrung der einheimischen Flora verschrieben. Danach kannst du zu Persönlichem übergehen. Und fang bald damit an, sonst kommt Sally uns noch zuvor«, meinte Patrick.

»Hatte Oma eigentlich Kontakt zu Mrs O’Neill?«, fragte Ellie.

»Sie kannten einander, aber nicht besonders gut. Wir führten ein ganz anderes Leben und hatten andere Interessen.«

»Na schön, Opa, ich werde mich in die Recherche stürzen«, versprach sie. »Wenn Jon noch unterwegs ist, kann ich vielleicht an seinem Computer ins Internet gehen?«

»Warum fängst du nicht in der Bibliothek an?«, schlug Patrick vor. »Es mag ja altmodisch klingen, aber nicht alles lässt sich im Internet finden. Eine professionelle Journalistin muss alle Quellen nutzen.«

Ellie lachte. »Ist gut, Opa. Ich werde mal nachsehen, ob die rätselhafte Kathryn O’Neill in einem der Bücher über die Ortsgeschichte erwähnt wird.«

 

Die Bibliothek befand sich in einem eindrucksvollen historischen Gebäude. Als Ellie durch die Tür trat, fühlte sie sich sofort wohl in der konzentrierten Atmosphäre dieser ganz besonderen Welt der Bücher mit dem raschelnden Papier und den Menschen, die an Computern saßen, in den Bücherregalen stöberten oder es sich mit einer Zeitung oder einem Magazin gemütlich gemacht hatten.

Nachdem Ellie mit der Bibliothekarin gesprochen hatte, machte sie sich an die Arbeit, doch ein paar Stunden später fand sie etwas ernüchtert, dass sie vorerst genug recherchiert hatte. Sie packte ihren Laptop ein und legte die Bücher und anderen Materialien, die sie gelesen hatte, auf den Rückgabewagen.

Die Bibliothekarin, laut Namensschild Maureen, blickte auf und lächelte ihr zu, als sie auf den Ausgang zustrebte.

»Haben Sie gefunden, was Sie gesucht haben?«

»Ach, ich weiß jetzt einiges mehr über die vielen gesellschaftlichen Ereignisse in Storm Harbour, an denen Kathryn O’Neill im Lauf der Jahre teilgenommen hat, und auch ein bisschen etwas über die guten Zwecke und die wohltätigen Projekte, für die sie sich einsetzt. Aber ich kann nicht behaupten, dass ich alles gefunden hätte, was ich brauche. Es ist schwer, sich von diesen öffentlichen Auftritten her ein Bild von dieser Frau zu machen und zu ergründen, wie sie tickt. Ich werde weiterbuddeln – man weiß ja nie, worauf man noch stößt«, antwortete Ellie. »Es wäre faszinierend, Tagebücher von Leuten zu lesen, die hier aufgewachsen sind, mit persönlichen Erinnerungen oder Geschichten über Kathryn. Aber wahrscheinlich werden solche Sachen nach dem Tod der Verfasser oft von den Familien entsorgt.«

»Oh, erinnern Sie mich nicht daran! Da haben sich schon wahre Tragödien abgespielt, weil Familienandenken auf dem Müll gelandet sind«, erwiderte Maureen. »Versuchen Sie es doch mal bei Tommys Schatzkiste. Das ist ein Secondhand-Buchladen hinter dem Rangierbahnhof. Sie wissen schon, in dem großen alten Lagerhaus, das jetzt die vielen kleinen Läden beherbergt.«

»Ja, das kenne ich. Meine Mutter hat als Kind dort gespielt, als die Eisenbahn noch hier hielt und es als Lagerhaus genutzt wurde. Vielen Dank, Maureen, vielleicht schaue ich gleich mal dort rein.«

»Viel Glück. Und geben Sie mir Bescheid, wenn Sie etwas Außergewöhnliches entdecken.«

Als Ellie langsam durch die Stadt spazierte, registrierte sie das rege Leben auf den Straßen, die florierenden Läden, die Cafés und Büros. Wie viele Städte litten noch unter den Folgen der verheerenden Buschfeuer und würden sich vielleicht nie wieder erholen? Storm Harbour aber hatte eine Menge zu bieten. Es besaß noch mehr Wachstumspotenzial, doch zu welchem Preis? Wachstum und Entwicklung zu steuern war ein Balanceakt. Wachstum war nicht immer etwas Gutes, wenn dabei das, was einen Ort ausmachte, zerstört wurde. Was zählte, waren Gemeinschaft, Familie, Freunde, die kleinen Dinge; zum Beispiel irgendwo draußen im Freien zu sitzen und den Sonnenaufgang zu genießen. Das Zuhause zählte.

Es war ein wunderschöner, klarer Tag. Ellie atmete tief die frische Luft ein und fühlte sich ruhig, sicher und entschlossen. Allmählich lichtete sich der Nebel in ihrem Kopf, der sich seit ihrer Kündigung dort eingenistet hatte. Aber es dauerte länger, als sie gedacht hätte.

Als sie in eine Seitenstraße zum alten Rangierbahnhof einbog, ragte der massive Holzbau des ehemaligen Lagerhauses vor ihr auf. Ellie konnte noch Teile des überwucherten Bahngleises daneben sehen. Eine Rampe mit Treppe führte hinauf zum Eingang, über dem frisch geschrieben The Shed stand.

In dem kühlen, düsteren Innenraum ließ Ellie den Blick hinauf zu dem hohen hölzernen Dachstuhl wandern. Man konnte sich immer noch gut vorstellen, wie sich in diesem alten Gebäude alle möglichen Waren – von Stiefeln über Wollballen und landwirtschaftliche Produkte bis zu Milchkannen – gestapelt hatten, um auf einen der vielen Frachtzüge verladen zu werden.

Jetzt war hier ein wuselnder Marktplatz mit Ständen und kleinen Läden, die kunsthandwerkliche Erzeugnisse, Antiquitäten, Garten- und Küchenzubehör, Haushaltswaren, Lebensmittel sowie frisches Obst und Gemüse feilboten. Es gab auch einen Blumenladen mit Kübeln voller Frischblumen und getrockneter Gräser sowie dekorativen Trockengestecken.

Tommys Schatzkiste befand sich im hinteren Teil des Gebäudes. Die Wände waren von Bücherregalen gesäumt, auf dem Boden lag ein verschlissener Teppich, auf dem zwei durchgesessene Lehnsessel und ein Schreibtischstuhl standen; auf einem Schreibtisch lagen ein Laptop, ein Kreditkartenlesegerät, verschiedene Papiere und ein Stapel Bücher.

Ein Mann, vermutlich der Ladeninhaber Tommy, saß in einem der Sessel und las. Er ging auf die fünfzig zu, sein lockiges Haar hätte einen frischen Schnitt vertragen, und über dem ungebügelten Hemd trug er einen alten Pullover, der allerdings nach Kaschmir aussah.

Als Ellie eintrat, blickte er auf, wartete jedoch einige Augenblicke, bevor er fragte: »Suchen Sie etwas Bestimmtes? Sieht vielleicht nicht so aus, aber ich kann Ihnen genau sagen, welche Titel ich auf Lager habe.«

»Wow, das nenne ich gut organisiert«, meinte Ellie. »Ich interessiere mich für alles, was es über die Ortsgeschichte gibt, besonders über die ersten Siedlerfamilien. In der Bibliothek war ich schon.«

»Geht es Ihnen um Bücher oder um Informationen?«

»Ähm, eigentlich um beides. Warum fragen Sie?«

»Haben Sie ein Seminar an der Uni belegt, wollen Sie etwas schreiben oder betreiben Sie genealogische Studien?«

»Am besten rede ich nicht lange drum herum«, erwiderte Ellie. »Ich schreibe für die Lokalzeitung einen Artikel über Kathryn O’Neill und suche nach Hintergrundinformationen über sie und ihre Familie. Können Sie mir etwas über sie erzählen? Stammen Sie vielleicht selbst von hier?«

»Man sieht mir wohl an, dass ich ein Provinzler bin?« Er wirkte nicht gekränkt, sondern grinste. »Kommt darauf an, was Sie wissen wollen. Die O’Neills achten sehr darauf, niemanden hinter die Fassade schauen zu lassen.«

»Ach ja? Gibt es denn irgendwo schmutzige Wäsche? Oh, ich heiße übrigens Ellie. Estelle Conlan. Mein Großvater, Patrick Addison, gibt den Storm Harbour Chronicle heraus. Sie kennen ihn vermutlich.«

»Ja, natürlich«, nickte er und lächelte. »Ich heiße Tommy, wie Sie vielleicht schon erraten haben.« Er stand auf und schüttelte ihr die Hand. »Bitte, nehmen Sie doch Platz. Es tut mir manchmal weh, wenn ich die Veränderungen und den sogenannten ›Fortschritt‹ in unserer Stadt sehe. Und ich neige dazu, Leute wie die O’Neills dafür verantwortlich zu machen.«

»Wirklich? Wie meinen Sie das? Wissen Sie etwas über ihre Geschäfte?«

»Ich habe mein ganzes Leben hier verbracht und trotzdem nie so richtig herausgefunden, warum sie so viel Macht besitzen. Liegt es nur an ihrem Geld? An ihren Besitztümern? Oder daran, dass sie die ersten Europäer waren, die sich hier angesiedelt haben?« Bedächtig schüttelte er den Kopf.

»Mich interessiert hauptsächlich Kathryn O’Neill. Soweit ich weiß, hat sie sich sehr für den Botanischen Garten engagiert. Und fantastische Arbeit geleistet, er ist wundervoll!«

»Das ist wahr. Nur schade, dass nicht das gesamte Areal umgewandelt wurde. Das wäre eine noch größere Touristenattraktion für unsere Stadt gewesen – das heißt, falls man die Massen anlocken will. Aber der Campingplatz ist sicherlich einer der schönsten im ganzen Land, sei es für Urlauber oder für Dauergäste, finden Sie nicht auch? Das spricht sich offenbar herum, denn es kommen immer mehr Leute. Auch hierher.«

»Dass die Markthalle ein absolutes Muss für Touristen ist, dachte ich mir schon.« Ellie lächelte.

»Sie wissen nicht, wie es hier aussah, als es noch ein Lagerhaus war, dafür sind Sie zu jung. Gott sei Dank wurde es nicht abgerissen. Was genau möchten Sie denn über die O’Neills wissen?«, erkundigte sich Tommy. »Versuchen Sie einen Skandal aufzudecken, um darüber zu berichten?«

Ellie musste schmunzeln. »Nicht ganz. Der Chronicle ist kein Revolverblatt. Aber ich möchte mehr über ihre Geschichte herausfinden. Man kann ja nie wissen. Wie ich gehört habe, geben sie in der Stadt schon seit Langem den Ton an und betätigen sich außerdem als Wohltäter.«

Tommy rümpfte die Nase. »Das ist nur recht und billig, wenn man bedenkt, dass sie hier schon seit Generationen quasi das Sagen haben.« Er schien zu überlegen. »Ich werde einige Nachforschungen für Sie anstellen. Vielleicht besuche ich meine Tante Mary im St.-Bridget’s-Seniorenheim. Sie ist so alt wie Methusalem, aber ihr Gedächtnis ist immer noch tipptopp.«

»Hat sie immer hier gelebt?«, erkundigte sich Ellie.

»Sie ist hier geboren und inzwischen weit über achtzig.« Er deutete auf die Zeitung, die auf dem Stuhl neben ihm lag. »Das Kreuzworträtsel löst sie immer noch schneller als ich.«

»Dann muss sie Kathryn O’Neill kennen«, sagte Ellie.

»Sicherlich nicht persönlich. Sie verkehrten nicht in denselben Kreisen.« Er lächelte. »Okay, überlassen Sie das mir. Hier ist meine Karte.«

Ellie zog ihr Handy heraus und schickte ihm ihre Kontaktdaten.

»Danke für Ihre Hilfe. Ich gehe jetzt besser und halte Sie nicht länger von der Arbeit ab.«

»Der Laden ist eigentlich nur ein Hobby. Ich muss so tun, als würde ich etwas Sinnvolles mit meinem Leben anfangen.«

»Oh. Wie das? Haben Sie im Lotto gewonnen?« Ellie zog eine Augenbraue nach oben.

»Etwas in der Art«, antwortete er verschmitzt.

 

»Ich habe über Mrs O’Neill nicht mehr herausgefunden als das, was auf den Gesellschaftsseiten stand. Und es gab ein paar Zeitschriftenartikel über den Park von Craigmore und den Botanischen Garten«, erzählte Ellie ihrem Großvater beim Abendessen. »Über ihre Hochzeit wurde auch berichtet – ihr Mädchenname war Kelly –, aber ohne Angaben zu Kathryns Herkunft oder ihrer Familiengeschichte. Allerdings habe ich gelesen, dass sie um einiges jünger war als ihr Ehemann. Wenn Kathryn aus ›guter Familie‹ gewesen wäre, hätte man es sicher erwähnt.«

»Hmmm, vielleicht. Obwohl das Hauptaugenmerk vermutlich auf der Familie des Bräutigams lag, die hier in der Gegend großes Ansehen genießt.«

»Kann sein«, sagte Ellie und nippte an ihrem Weinglas. »Seamus wurde erst geraume Zeit nach der Hochzeit geboren, also war es keine überstürzte Sache. Und innerhalb weniger Jahre wurde die ›charmante Gastgeberin und Herrin von Craigmore‹« – Ellie malte Gänsefüßchen in die Luft – »Schirmherrin mehrerer gesellschaftlicher Ereignisse und Wohltätigkeitsveranstaltungen, was sie jahrzehntelang fortführte. Außerdem war sie im Gartenbauverein aktiv und gründete eine Krippe für die Kinder der Wanderarbeiter während der Obsternte und der Schafschersaison.«

»Da hast du es. Ich hatte keine Ahnung, dass Kathryn eine Krippe gegründet hat. Ganz gewiss hat sie nicht viel Aufhebens darum gemacht, und dafür bewundere ich sie«, sagte Patrick. »Hat sie sich bereit erklärt, dir ein Interview zu geben?«

»Ihre Assistentin. Sie wird mir ein ihr genehmes Datum mit Uhrzeit nennen«, erwiderte Ellie und rümpfte die Nase. Sie hatte es über die Firmennummer der O’Neills versucht und war an die persönliche Assistentin der Familie, eine gewisse Susan McLean, verwiesen worden. »Sie klang etwas von oben herab. Ich meine diese Susan, nicht Mrs O’Neill.«

»Dann solltest du besser deine Hausaufgaben machen«, riet Patrick.

 

Ellie hatte einen großen Zeitpuffer eingeplant, um keinesfalls zu spät zu kommen. Sie ärgerte sich ein wenig, weil sie so nervös war. »Es ist schließlich nur ein simples Interview mit jemandem, der ein erfülltes Leben hatte«, ermahnte sie sich.

Um fünf vor zehn fuhr sie durch die Pforte, vorbei an dem nur mit einer Nummer gekennzeichneten Briefkasten und die staubige Straße entlang zum offiziellen Eingang des Anwesens, auf dessen schmiedeeisernem Torbogen Craigmore stand. Am Pfosten war eine Sprechanlage angebracht, und als sie ihren Namen nannte, schwangen die Torflügel auf.

Ellie holte tief Luft, während sie das große Herrenhaus aus rotem Backstein betrachtete, doch noch eindrucksvoller war der felsige rote Hügel, der sich dahinter erhob. Die Auffahrt schlängelte sich um einen Springbrunnen. Ellie passierte den Säulenvorbau mit der verschnörkelten Eingangstür und parkte das Auto neben einigen anderen.

Als sie ausstieg, trat eine elegant gekleidete Frau um die vierzig aus dem Haus.

Ellie sah sie an und erstarrte vor Schreck.

»Sie müssen Estelle sein. Ich bin Susan McLean, die Assistentin der O’Neills.« Die Frau trat auf Ellie zu und streckte ihr die Hand entgegen, dann hielt sie stirnrunzelnd inne. »Oh.«

»Ja, wir kennen uns bereits«, sagte Ellie kühl. »Ihr Hund hat meinen Hund angegriffen. Sie sollten ihn lieber an der Leine halten.«

»Ich muss mich entschuldigen. Dort begegnet man sonst kaum anderen Hunden. Er ist ein Deckrüde und empfindet andere Hunde als Bedrohung.«

»Deshalb greift er sie einfach so an!« Ellie presste die Lippen aufeinander, um nicht noch mehr zu sagen.

»Hoffentlich geht es Ihrem Hund wieder gut. Ich übernehme gerne die Tierarztrechnung.«

»Nicht nötig. Unser Hund hat eine schlimme Wunde, ist aber Gott sei Dank auf dem Weg der Besserung.« Ellie zwang sich, das Thema zu wechseln. »Kann ich mein Auto hier stehen lassen?«

»Ja. Natürlich.«

Damit drehte sich Susan um und ging ins Haus. »Mrs O’Neill empfängt Sie im Morgenzimmer.«

»Wunderbar, danke.«

»Wie ich gehört habe, kommt der Fotograf ein andermal?«

»Das ist richtig. Jonathan Cubbins meldet sich wegen eines Termins.«

»Gut. Die meisten Pressevertreter wollen auch den Garten fotografieren. Mrs O’Neill wird Sie oder den Fotografen dort herumführen, falls sie sich fit genug fühlt.« Susan schritt voran und Ellie folgte ihr.

Der Flur war gesäumt von opulent gerahmten Fotografien. Sie zeigten hauptsächlich große Merinoschafe mit ihrem üppigen, wertvollen Fell, die mit Schleifen und Siegerpokalen posierten. Ellie betrachtete die vergrößerte Aufnahme eines Wollschecks aus den 1950er-Jahren über eine Million Pfund.

Susan öffnete eine zweiflüglige Teakholztür. »Hier herein, bitte.«

Der Raum wirkte trotz seiner raumhohen Fenster, die auf einen gepflegten Garten hinausgingen, einladend und gemütlich. Es roch etwas muffig, was wahrscheinlich den schweren Brokatvorhängen geschuldet war.

Vor Ellie stand, auf einen Gehstock gestützt, eine betagte Frau mit schlohweißem, zu einem schicken Bob geschnittenen Haar und lächelte. Sie reichte ihr die Hand.

»Guten Morgen, Estelle.« Obwohl sie dünn, fast gebrechlich wirkte, war ihr Händedruck fest. »Bitte setzen Sie sich.« Kathryn O’Neill deutete auf das kleine Sofa gegenüber ihrem Sessel, in dem sie sich vorsichtig niederließ; den Gehstock lehnte sie daneben. Susan wich währenddessen nicht von ihrer Seite, dann sagte sie: »Ich hole den Tee.«

Ellie wies auf den Garten vor dem Fenster. »Susan hat mir erzählt, dass Sie immer noch gern im Garten sind.«

»Ja. Er bereitet mir unendliche Freude. Und ich bin auch stolz darauf. Er war und ist meine große Leidenschaft. Natürlich musste ich nicht bei null anfangen, denn meine Schwiegermutter hatte ein Heer von Gärtnern, die einen Großteil der Arbeit erledigt haben. Wobei man auf den alten Fotos die eher bescheidenen Anfänge erkennen kann. Damals räumte man einem Garten keine Priorität ein«, sagte sie und lächelte zurückhaltend.

»Das kann ich mir vorstellen«, erwiderte Ellie. »Woher kommt Ihr Interesse für den Gartenbau? Sind Sie mit einem Garten aufgewachsen?«

»Nein, gar nicht. Aber ich liebte das wilde Buschland in unserer Umgebung … ah.« Kathryn hielt inne, als Susan mit einer Porzellankanne zurückkehrte, die in einem gehäkelten Teewärmer steckte. Susan schenkte Kathryn und Ellie je eine Tasse ein und stellte die Kanne dann auf einem kleinen Beistelltisch ab.

»Darf ich Ihnen sonst noch etwas bringen?«

»Danke nein, meine Liebe.«

»Tja, also, ich bin dann nebenan, wenn Sie mich brauchen.«

Ellie wusste, was Susan damit sagen wollte: Sie würde die Uhr im Blick behalten und vermutlich auch lauschen. Die Tür ließ sie einen Spalt offen.

Ellie hielt ihr Smartphone hoch. »Stört es Sie, Mrs O’Neill, wenn ich unser Interview aufzeichne? Ich würde später gern darauf zurückgreifen können, weil ich mir vermutlich nicht alles merken kann.«

»Nur zu. Dass uns das Gedächtnis manchmal trügt, davon kann ich in meinem Alter ein Lied singen«, schmunzelte Kathryn.

Ellie drückte auf »Aufnahme«. »Mich interessieren Ihre frühen Erinnerungen daran, wie Sie als frischgebackene Ehefrau hierherkamen. Sie waren damals noch sehr jung – und bildschön.« Ellie hatte auf der Gesellschaftsseite einer alten Ausgabe der Zeitschrift Australian Woman’s Weekly ein offizielles Foto des Paares entdeckt.

»Danke. Nun, damals war Krieg. Aber ich muss sagen, es kam mir trotzdem vor wie im Märchen. Allerdings musste Boyd kurz darauf geschäftlich zurück nach Sydney. Erst nach dem Krieg haben wir die Flitterwochen in Paris nachgeholt. Ich lebe seit meiner Heirat hier auf Craigmore. Aber wir haben im Lauf der Jahre viele Reisen nach Irland unternommen.«

Hier hakte Ellie ein. »Stammt Ihre Familie aus Irland? Ihr Mädchenname lautete Kelly – der Name ist in dieser Gegend nicht sehr verbreitet. Wo sind Sie aufgewachsen?«

Ellie glaubte zu bemerken, wie Kathryn zusammenzuckte, während sie ihren Tee schlürfte und dann die Tasse auf die zierliche Untertasse stellte.

»So viele Fragen auf einmal. Mein Vater war Buchhalter, daher war mein Lebensstil vor meiner Hochzeit ganz anders. Ich hatte sehr wenig mit Schafen zu tun.« Sie lachte leise in sich hinein. »Sie müssen mit meinem Enkel sprechen, wenn Sie mehr über die Züchtung unserer prächtigen Merinoschafe und die Herstellung ihrer superfeinen Wolle wissen möchten, die sie so berühmt gemacht hat. Wir beliefern mittlerweile den chinesischen, den japanischen und den britischen Markt.« Lächelnd fügte sie hinzu: »Auf unserem Anwesen in Queensland züchten wir außerdem die hochwertigen Angusrinder.«

Das war nicht das vertraute Gespräch unter Frauen, das Ellie sich vorgestellt hatte. Sie versuchte es noch einmal.

»Und wo haben Sie und Mr O’Neill sich kennengelernt?«

»Ach, das ist alles so lange her, für unsere frühen Jahre interessiert sich doch heute bestimmt niemand mehr. Aber bitte, Sie haben Ihren Tee noch gar nicht angerührt.« Sie beugte sich vor. »Und probieren Sie unser köstliches Shortbread. Die Köchin hat es selbst gebacken.«

Ellie spürte bei Kathryn einen gewissen Widerstand gegen diese Art von Fragen. Waren sie ihr zu persönlich? Sie fand ihre Fragen eigentlich ganz angemessen, aber vielleicht gingen sie Kathryn doch zu weit? Trotzdem hakte sie weiter nach.

»Und wovon haben Sie als junge Frau geträumt, Mrs O’Neill? Was wollten Sie einmal werden, als Sie noch ein Teenager waren?«

»Teenager gab es damals noch nicht. Zu meiner Zeit hatten junge Frauen nicht die gleichen Chancen und beruflichen Möglichkeiten wie heute«, entgegnete Kathryn nüchtern. »Man musste sich an die Gegebenheiten anpassen. Gerade deshalb war es mir immer wichtig, Frauen dabei zu unterstützen, ihre Ziele zu erreichen.«

Resigniert stellte Ellie fest, dass sie auf ihre vielen Fragen nur allgemeine Antworten erhalten würde. Mrs O’Neill war nicht so mitteilsam, wie sie erwartet hatte, und wirkte ziemlich steif, aber Ellie hatte keine andere Wahl, als es weiter zu versuchen.

»Soweit ich weiß, haben Sie einen Sohn, Seamus, zwei Enkelsöhne und eine Enkeltochter in Melbourne. Wie sehen Sie die Veränderungen, die sich seit Ihrer Heirat im Lauf der Generationen vollzogen haben?«, fragte Ellie.

»Damals war eine ganz andere Zeit. Ich denke, dass ich mit zunehmendem Alter fortschrittlicher wurde. Mein Ehemann hat mich jedenfalls sehr unterstützt.«

»Wie ich gehört habe, haben Sie sich stets für wohltätige Zwecke engagiert. Sie scheinen sehr unabhängig gewesen zu sein – wollten Sie vielleicht mit Traditionen brechen? Oder lag es am Einfluss Ihrer Familie?« Ellie lächelte.

»Man macht die Erfahrung, dass eine Frau in reiferen Jahren die Charakterstärke findet, ihrem Instinkt und, wenn möglich, auch ihren Interessen zu folgen. In der heutigen modernen Zeit treten Frauen zunehmend für sich selbst ein, was ich mit Freude beobachte.«

»Es ist nur schade, dass wir immer noch dafür kämpfen müssen und dass gleiche Bezahlung und gleiche Chancen weiterhin nicht selbstverständlich sind«, warf Ellie vorsichtig ein.

Kathryn O’Neill rutschte auf ihrem Sessel herum. »Also, ich muss sagen, es gibt jetzt andere Kämpfe. Entschuldigen Sie meine Offenheit, aber ich halte die heutigen sozialen Medien für gefährlich und verabscheuenswert.«

Ellie beschloss, das Gespräch wieder zurück zu Mrs O’Neills persönlichem Leben zu lenken. »Fühlen Sie sich vom Glück begünstigt, vielleicht sogar privilegiert, wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken und es mit dem als kleines Mädchen vergleichen?«

Es trat eine kurze Pause ein, dann straffte Kathryn leicht die Schultern. »Ich hatte großes Glück. Aber ich habe auch gefährliche Zeiten durchgestanden. Ebenso wie jetzt Ihre Generation. Auch wenn die Herausforderungen unterschiedlich sind, machen sie einen doch zu dem, wer man ist«, erklärte sie.

Ellie seufzte innerlich und fragte sich, wie sie fortfahren sollte. Wenn es so weiterging, würde der Artikel todlangweilig werden, schöne Gärten hin oder her. »Mrs O’Neill, was würden Sie als Ihren bleibenden Beitrag für die Stadt und ihre Umgebung bezeichnen? Gibt es noch irgendwelche Projekte, die Sie gerne …«

In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und Susan kam herein. »Ich hoffe, der Tee hat Ihnen geschmeckt. Wünschen Sie noch einen Rundgang durch den Garten, Ms Conlan?« Bevor Kathryn O’Neill etwas einwerfen konnte, fuhr Susan fort: »Oder vielleicht verschieben wir das besser darauf, wenn der Fotograf kommt …«

Ellie stellte klirrend ihre Tasse hin. »Bitte, machen Sie sich keine Mühe.«

Susan fing an, die Teetassen auf ein Tablett zu stellen. Das Interview war beendet.

»Sitzen Sie bequem, Mrs O’Neill? Ich bringe Ms Conlan noch zu ihrem Wagen«, sagte die persönliche Assistentin.

»Danke für Ihren Besuch, meine Liebe.« Mrs O’Neill griff nach ihrem Gehstock, den Susan ihr reichte. Ellie murmelte ein Dankeschön und einen Abschiedsgruß, bevor sie der forsch ausschreitenden Susan zur Haustür folgte.

 

Patrick kam aus seinem Büro. »Hallo, Ellie. Konntest du der Königin von Craigmore ein paar Perlen entlocken?«

Ellie zog die Nase kraus. »Ich glaube, sie ist eine bessere Pokerspielerin als ich eine Journalistin.«

Patrick lachte. »Tja, ich habe gerade mit der Bürgermeisterin Meredith Havelock telefoniert. Sie ist ziemlich in Rage, weil sie zwar mitgekriegt hat, dass etwas im Busch ist, aber nichts Genaueres in Erfahrung bringen konnte.«

»Um was geht es denn?«

»Meredith hat eine Unterhaltung im Stadtrat aufgeschnappt. Dabei ging es um Land, das Boyd O’Neill vor Jahrzehnten seiner Frau überschrieben hat. Boyd liebte Kathryn und hat ihr im Lauf der Jahre offenbar etliche Grundstücke und Anwesen für ihre wohltätigen Projekte geschenkt. Die Informationen sind ziemlich dürftig, aber Meredith fürchtet, dass da irgendetwas faul ist.«

Ellie schüttelte den Kopf. »Hmm. Ich bin sicher, dass Ben von solchen Machenschaften nichts weiß. Er war ja auch sehr lange weg.«

»Hoffentlich, sonst erzählt er womöglich Sally davon. Wenn ich mich recht entsinne, hatten sie immer ein sehr enges Verhältnis. Und wir wollen ja nicht, dass Sallys Radiosender oder jemand vom Fernsehen uns einen Knüller wegschnappt«, erwiderte Patrick.

»Du solltest mit der Bürgermeisterin in Verbindung bleiben.«

»Da mach dir mal keine Sorgen. Meredith und ich kennen uns schon sehr lange, seit sie und Jim hergezogen sind. Aber Sally besucht als Lokalreporterin sämtliche Stadtratssitzungen und ist ziemlich auf Draht.«

»Vielleicht hängt die Sache ja mit Mrs O’Neills Geburtstagsjubiläum zusammen?«, überlegte Ellie. »Ich glaube ja nicht, dass mir noch ein ›Interview‹ mit ihr gewährt wird, aber ich werde ein bisschen nachforschen. In ihrem Privatleben muss es etwas geben, was sie mir verschwiegen hat.«

Patrick tätschelte ihren Arm. »Gut. Sieht ganz so aus, als hättest du deinen Job noch, Liebes«, fügte er augenzwinkernd hinzu.

 

Ellie hatte es sich in dem gemütlichen Wohnzimmer bequem gemacht, um einen Roman zu lesen, aber sie konnte sich nicht konzentrieren. Sam lag neben ihrem Sessel auf seiner Decke und leistete ihr, den Kopf auf die Pfoten gelegt, Gesellschaft. Schließlich schlug sie das Buch zu, lehnte sich zurück und trank einen Schluck. Im Haus war es ganz still.

Gedankenverloren ging Ellie ins Esszimmer, wo sie ihren Laptop gelassen hatte. Ihr Großvater aß lieber an dem großen Tisch in der Küche und benutzte das Esszimmer nur, wenn Gäste kamen, was selten der Fall war. Ellie erinnerte sich an opulente Mahlzeiten an der mit dem Lieblingsgeschirr ihrer Großmutter gedeckten Tafel, bei denen sie alle viel zu viel gegessen hatten.

Sie setzte sich und klappte den Laptop auf, um noch ein bisschen zu den O’Neills zu recherchieren. Vielleicht sollte sie einmal die aktuellere Berichterstattung heranziehen, anstatt nur ihre Vergangenheit zu erforschen? Doch als sie die Suchbegriffe eingab und Artikel über Seamus und seine Kinder anklickte, stieg erneut das inzwischen vertraute Angstgefühl in ihr auf, vermischt mit etwas Neuem, Akutem. Waren das die Vorboten einer weiteren Panikattacke? Sie knallte den Laptop zu und atmete tief durch.

Sie brauchte frische Luft. Also stupste sie Sam sanft an, der zwar noch nicht ganz gesund, aber schon wieder etwas unternehmungslustiger war, und sie gingen hinaus in den kühlen, feuchten Garten.

Während der Hund an seinen Lieblingsbüschen schnüffelte, blickte sie empor zu den dahinjagenden Wolken und lauschte, wie in der Ferne die Wellen ans Riff schlugen. Das wunderschöne alte weiße Haus und die Bäume darum herum schimmerten im Abendlicht.

Das lebendige, pulsierende Nachtleben von Fitzroy schien sehr weit weg. Und die alten Erinnerungen wirkten plötzlich viel zu nah.