Donnerstag, 6. November, 13.03 Uhr, Braderuper Straße, Kampen

Bastian Kreuzer sitzt mit Silja Blanck im Gästezimmer des Winterberg’schen Hauses vor einem altmodischen Videorecorder, der an einen ebenfalls nicht ganz neuen Fernseher angeschlossen ist. Nachdem Silja vergeblich versucht hat, ein Gerät aufzutreiben, das die Aufnahmen der Spielhallenbesitzerin wiedergeben kann, hat sie bei den Kollegen unten in der Dienststelle rumgefragt. Als auch von denen niemand helfen konnte, ist ihr der alte Apparat im Winterberg’schen Gästezimmer eingefallen, auf dem sie schon mal mit Anja einen alten französischen Film gesehen hat, während die Männer unten Fußball geguckt haben. Also ist sie kurzerhand zu Anja nach Kampen gefahren, um sich das Video anzusehen. Vor einer Weile ist dann auch Bastian zu ihr gestoßen.

Gerade ist die Videokassette bis zum Ende durchgelaufen. Bastian schaltet das Gerät mit einem tiefen Seufzer aus und sieht Silja ratlos an.

»Eines ist sonnenklar. Marvin Schöne hat seine Tante nicht

Bevor Silja antworten kann, klopft es zaghaft an die Tür.

»Komm ruhig rein, wir sind fertig«, ruft die Kommissarin.

Anja Winterberg öffnet die Tür mit einem Ellenbogen. In den Händen hält sie ein Tablett mit Kaffee und Keksen.

»Du bist ein Schatz!« Bastian greift sich einen Keks und steckt ihn sich in den Mund.

»Und du bist ein ungehobelter Kerl«, schimpft Silja und nimmt Anja das Tablett ab. »Bedienst dich, anstatt mal zu helfen.«

»Sorry, soll nicht wieder vorkommen. Aber nach der Enttäuschung eben habe ich ein bisschen Nervennahrung echt nötig.«

»Ihr kommt nicht voran?«, fragt Anja zurückhaltend.

»Wenn es nur das wäre. Aber Fakt ist doch, dass hier alle paar Tage eine Frau bestialisch umgebracht wird und wir hilflos zusehen müssen«, erklärt Bastian kauend. »Wir warten jetzt auf das Resultat einer Hausdurchsuchung. Drück uns mal die Daumen, dass wir was Belastbares finden.« Bastian greift sich den nächsten Keks und nimmt einen großen Schluck aus seinem Kaffeepott. »Köstlich, beides«, nuschelt er mit vollem Mund. »Wir sollten endlich unsere olle Maschine im Kommissariat ersetzen.«

»Wer macht denn die Hausdurchsuchung, wenn ihr hier seid?«

»Ich habe die Operation am Anfang koordiniert und sie dann an die uniformierten Kollegen delegiert«, antwortet

»Seit wann sind die Kollegen eigentlich da zugange?«, will Silja jetzt wissen.

Bastian blickt auf seine Armbanduhr. »Knapp drei Stunden sind es jetzt auch schon. Aber so was kann dauern. Du weißt ja, wie das ist. Die kriechen in jeden Winkel, und den Keller müssen sie sich auch noch vornehmen.«

Wenige Sekunden später meldet sich Bastians Handy. Nach einem Blick aufs Display, murmelt er erstaunt: »Wenn man vom Teufel spricht.«

»Ist das Sven?«

Bastian nickt und nimmt den Anruf entgegen.

»Und? Seid ihr fertig?«

Die aufgeregte Stimme am anderen Ende der Leitung ist auch für Silja und Anja gut zu hören.

»Warum schreit er denn so?«, fragt Silja gerade, als Bastian triumphierend mit der flachen Hand auf den Tisch schlägt, auf dem die Kaffeebecher stehen und plötzlich gefährlich wackeln.

»Warte einen Moment, okay«, fordert er den Kollegen auf, stellt den Lautsprecher an und bedenkt Anja mit einem entschuldigenden Blick.

Sie versteht sofort. »Kein Problem. Ich bin schon weg. Ich muss sowieso wieder runter zu Mäxchen. Aber super, dass ihr endlich weiterkommt.«

Als Anja den Raum verlassen hat, ruft Bastian ins Handy: »So, und jetzt Butter bei die Fische!«

»Kannst du haben«, antwortet Sven. »In Hübners Keller gibt es stapelweise alte Zeitschriften. Die sind schon halb

»Woher weiß Sven davon? Das ist Täterwissen und steht in keiner Zeitung. Eigentlich sollten wir ihn doch aus den Ermittlungen heraushalten«, flüstert Silja Bastian zu.

Aber Sven, der ihre Worte offensichtlich gehört hat, lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. »Hey, Silja, beruhige dich mal wieder. Die erste Leiche hat Mette gefunden, schon vergessen? Und mit der Zeugin, die die zweite Leiche entdeckt hat, habe ich als Erster telefoniert. Sowohl Mette als auch diese Zeugin haben völlig geschockt von der grellgrünen Leine gesprochen. Und vorhin bin ich kurz am dritten Tatort vorbeigefahren. Das wird ja wohl noch erlaubt sein.«

»Entschuldige, ja natürlich. Ich wollte dich nicht kompromittieren. Ist mir nur so rausgerutscht.«

»Seid ihr fertig mit eurem nutzlosen Geplänkel?«, geht Bastian dazwischen. »Also doch Hübner. Hätte ich nicht unbedingt drauf gewettet. Den Kerl schnappen wir uns jetzt endgültig.«

»Da musst du wahrscheinlich noch ein bisschen warten, denn er ist weg.«

»Hübner ist nach seinem kleinen Zusammenbruch, den ich ehrlich gesagt für vorgetäuscht halte, erstaunlich schnell wieder genesen. Und dann ist er uns die ganze Zeit auf die Nerven gegangen mit seinem Genöle, wir würden vollkommen grundlos seine Wohnung auf den Kopf stellen. Doch ausgerechnet, als wir damit fertig waren und uns den Keller vornehmen wollten, ist er abgedampft. Aufs Rad gestiegen und davongeradelt.«

»Wo wollte er hin?«

»Frag mich was Leichteres.«

»Irgendwann wird er schon wieder auftauchen, und dann war’s das für ihn«, erklärt Bastian unbeeindruckt.

»Kannst du in der Zwischenzeit Leo vorbeischicken? Der müsste doch demnächst am Tatort fertig sein. Dann könnte er sich das grüne Seil gleich mal ansehen. Und ich hab auch noch was anderes, das ich mit ihm besprechen wollte.« Den letzten Satz sagt Sven mehr zu sich selbst als zu den beiden anderen. Silja und Bastian wechseln zwar einen irritierten Blick, aber keiner von beiden fragt nach.

»Ich ruf Leo gleich mal an«, erklärt Bastian stattdessen. »Solange bleibst du vor Ort. Und falls Hübner wieder auftaucht, bringst du ihn ins Kommissariat. Ich habe eine Menge Fragen an den Kerl.«