Kapitel 4

 

 

ICH SCHLÜPFTE früh aus dem Bett und ging in die Küche. Dort setzte ich den Kaffee auf und begann damit, Blaubeerpfannkuchen zu machen und Schinken zu braten. Ich dachte, der Duft würde Dane hereinlocken, aber er tauchte nicht auf, also ging ich zurück ins Schlafzimmer, um nach ihm zu sehen.

Er schlief immer noch, aber jetzt murmelte er im Schlaf, angespannt und aufgewühlt, und Schweiß rann ihm übers Gesicht. Ich beugte mich hinunter und berührte seine Schulter, um ihn aufzuwecken.

„Dane? Dane, Frühstück ist -“

Er sprang mich mit einem alarmierten Schrei an und warf mich um. Noch ehe ich mehr sagen konnte, lagen wir beide auf dem Fußboden, er auf mir, und er versetzte mir schmerzhafte Schläge in den Bauch.

„Dane! Dane, hör auf! Ich bin`s, Josh.“

Er sah mit einem benommenen Gesichtsausdruck auf mich herunter, schüttelte seinen Kopf und sah mich erneut an.

„Scheiße. Josh, was hast du gemacht? Oh, Scheiße.“

Er rollte sich von mir runter und ließ sich auf dem Boden nieder. Ich setzte mich auf und rieb mir den Bauch, versuchte, wieder zu Atem zu kommen.

„Was ist passiert?“, fragte ich schließlich.

Aber Dane sah mich nicht an. Er machte ein furchtbar finsteres Gesicht, seine Kiefer fest zusammengepresst. Er schien irgendwo in weite Ferne zu schauen. Einen kurzen Augenblick später zuckte sein Kopf herum und er war wieder im Raum. Und er war wütend.

„Mach das nie wieder mit mir“, brüllte er. „Fuck. Ist egal. Es wird nicht wieder vorkommen.“

Er rollte sich auf die Füße, stand auf und machte sich auf den Weg zur Tür.

„Was meinst du damit? Was zum Henker ist hier passiert?“

„Nichts.“ Er warf mir einen Blick zu und zuckte zusammen. „Fuck.“

Er rieb sich mit einer Hand übers Gesicht und schien erstaunt, als er den Schweiß fühlte. Einen Moment lang starrte er seine Handfläche an, als würde er versuchen herauszufinden, was er wegen der Feuchtigkeit unternehmen sollte; dann wischte er seine Hand an seiner Hüfte ab und starrte zu Boden, dann an die Decke.

„Sag mir was los ist, Dane. Was auch immer es ist -“

„Lass uns einfach sagen, ich bin wieder zu Verstand gekommen.“ Er schüttelte seinen Kopf und sah immer noch überall hin, bloß nicht zu mir.

„Was soll das heißen?“

Er holte tief Luft. „Cowboy, dein Bruder ist mein bester Freund. Wahrscheinlich mein einziger Freund. Ich weiß nicht, ob er über dich Bescheid weiß, aber er weiß, so sicher wie das Amen in der Kirche, nicht über mich Bescheid, und das darf ich nicht vermasseln.“

Dann war er durch die Tür und den Flur hinunter. Als ich ins Wohnzimmer kam, hatte er bereits Hose und Hemd angezogen und hielt seine Stiefel in der Hand.

„Es tut mir leid.“ Sein Rücken war mir zugewandt und er warf die Worte über seine Schulter, während er die Vordertür öffnete. Dann knallte er sie hinter sich zu, wie ein letztes Wort, als ich den Raum durchquerte. Ich zog sie wieder auf.

„Dane, warte `ne Minute! Wahrscheinlich ist Jane immer noch bei Jesse. Ich mache Frühstück. Komm zurück.“

Aber das tat er nicht. Er lief barfuß über die steinige Zufahrt, als wäre sie aus weichem Sand. Kein Rucken oder Verhalten in seinem Bewegungsablauf, ganz egal, worauf er trat. Als er seinen Truck erreichte, warf er seine Stiefel hinein und kletterte hinterher. Dann knallte er die Tür zu. Er sah mich nicht mehr an.

Ich ging ihm nicht hinterher, aus Angst, mir dann noch lächerlicher vorzukommen, als ich es sowieso schon tat. Ich ging zurück ins Schlafzimmer und zog mich an, ließ das Frühstück in den Pfannen und machte mich auf den Weg zum großen Haus, um den Gästen mit ihrem Gepäck zu helfen. Ich nahm meinen Truck, damit er mich nicht dabei beobachten konnte, wie ich die Straße entlangging. Das war kindisch, nehme ich an, aber es fühlte sich an, als würde ich mich selbst schützen, selbst wenn es nur mein Stolz war. Trotzdem riskierte ich einen kurzen Blick in Richtung seines Trucks. Ich konnte ihn nicht sehen und ich hatte keine Ahnung, ob das bedeutete, dass er in Jesses Haus gegangen war, oder dass er quer über dem Vordersitz lag.

Erst als ich der ersten großen Pfütze ausweiche musste wurde mir klar, dass wir in der Nacht einen ziemlich ernstzunehmenden Sturm gehabt haben mussten. Komisch. Ich fühlte mich, als hätte es auch auf mich heftig eingehagelt.

 

 

ICH GAB bei Bedarf freundliche Kommentare ab und bemühte mich, keinen der Gäste merken zu lassen, dass mein Bauch schmerzte. Ich konzentrierte mich einfach darauf, Taschen zu schleppen. Nichts, was ich trug, wog schwerer als das Unbehagen, das ich verspürte. Ich konnte mir einfach nicht erklären, was passiert war.

Ich hatte gerade Brittanys zwei schwere Koffer in den Wagen ihrer Eltern geladen, als ich hörte, wie sich mir jemand von hinten näherte. Ich wirbelte herum, in der Hoffnung es wäre Dane, aber es war Brittany.

„Hey, alles verstaut. Ich seh dich dann nächstes Jahr.“ Das war ein sinnfreier Kommentar, den ich jedem mit auf den Weg gab.

„Wirst du nicht“, erwiderte sie, als sie an mir vorbeimarschierte.

„Hä?“

„Du wirst mich nächstes Jahr nicht sehen.“ Sie öffnete die Autotür und stieg ein. Die Tür ließ sie allerdings offen. „Ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich diesen Urlaub nie wieder machen werde.“

„Ach Brittany, komm schon. Niemand gibt dir die Schuld am Ausgang dieses Ausritts.“ Sie mochte ein schwieriger Teenager sein, aber ich wollte nicht, dass sie sich wegen des Ausritts selbst fertigmachte. Ich erinnerte mich daran, wie ich in ihrem Alter gewesen war, und wie ich nach Aufmerksamkeit gegiert hatte. „Du willst doch nicht, dass der Spaß aufhört. Nächstes Jahr wird sich niemand mehr daran erinnern.“

„Es gibt kein nächstes Jahr“,wiederholte sie. „Und als ob mich das überhaupt interessieren würde.“ Sie schlug die Tür zu, verriegelte sie von innen und drehte mir den Rücken zu.

Ich machte einen Satz, als Brittany auf die Hupe drückte. Als ihre Eltern sich daraufhin in keiner Weise beeilten, hupte sie erneut. Ich machte mich davon und hielt nach weiteren Koffern Ausschau, die verstaut werden mussten.

Da entdeckte ich Dane auf dem Fußweg beim großen Haus. Er hatte sich hingehockt, um mit Steve Sanderson zu sprechen. Er hörte eine ganze Weile zu, sagte vielleicht auch ein paar Worte. Als Steves Mom dazukam, erhob er sich und sprach mit ihr. Dann klopfte er Steve auf die Schulter, lächelte und ging davon. Steve hatte ein breites Grinsen im Gesicht und Mrs. Sanderson wischte sich die Augen, während sie ihm beide dabei zusahen, wie er in Richtung der leeren Hütten ging.

Offensichtlich war er nicht auf alle wütend.

„Als ob mich das interessieren würde“, sagte ich zu mir selbst. Zur Hölle mit ihm.