Ein Kapitel für Wegbegleiter:
Selbstfürsorge und Selbstreflexion

Eigene Betroffenheit • Sekundär-Traumatisierung •

Glaubenszweifel • Selbstfürsorge als Wegbegleiter

• Selbstfürsorge ganz privat • Begrenzungen

erkennen – Zusammenarbeit wagen •

Ein Plädoyer für gute Zusammenarbeit

Dieses Kapitel betrifft die Wegbegleiter selbst. Der erste Teil behandelt die Themen Selbstwahrnehmung und Selbstfürsorge. Nicht nur die Betroffenen, auch die Wegbegleiter sind den Herausforderungen des Wiederherstellungswegs ausgesetzt, leiden mit, setzen ihre Kraft und oft ihr ganzes Herz ein. Sie müssen lernen, sorgsam mit sich selbst umzugehen und auf guten Ausgleich zu achten. Zum Abschluss geht es um Überlegungen zur eigenen Arbeitsweise und den Möglichkeiten, die sich durch gute Zusammenarbeit eröffnen.

Selbstfürsorge

Die Begleitung eines Wiederherstellungsweges ist auf der einen Seite faszinierend und bereichernd, auf der anderen auch für uns anstrengend und mühsam. In der Begegnung mit Betroffenen müssen wir nicht nur unser Gegenüber im Blick behalten, sondern auch uns selbst überprüfen: Was macht das Geschehen mit mir? Wie geht es mir als Wegbegleiter? Sorge ich genügend für entlastenden Ausgleich? Diese Thematik wird als Selbstfürsorge oder Psychohygiene bezeichnet.

Eigene Betroffenheit

Die Themen und Aspekte der Begleitung eines traumatisierten Menschen können in uns Wegbegleitern eigene Erinnerungen hervorrufen und Bereiche berühren, die unsere persönliche Geschichte betreffen. Es ist sehr wichtig, dies wahrzunehmen und nicht zu verleugnen. Eigene Belastungen nicht zu bearbeiten kann sich verhängnisvoll auswirken: Das, was gehört wird, vermischt sich mit den eigenen Erfahrungen; das Gehörte wird anhand des eigenen Hintergrunds interpretiert; das Schlimme kann nicht ertragen werden, muss also verkleinert und überhört werden. Wegbegleiter beginnen zu manipulieren und ihr Gegenüber für eigene Verarbeitungsprozesse zu benutzen. Vielleicht reagieren sie sogar täterloyal, indem sie die Berichte der Betroffenen abwehren, bezweifeln, den Wahrheitsgehalt infrage stellen oder alle Schuld bei den Betroffenen sehen.

Wegbegleiter müssen verantwortlich reagieren! Eigene Themen haben keinen Platz in den Gesprächen mit Betroffenen. Gegebenenfalls müssen wir selbst seelsorgerliche oder therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.

Sekundär-Traumatisierung

Wegbegleiter, die sehr sensibel sind, können von der Dramatik des Geschehens überfordert sein. Wenn sie nicht gelernt haben, sich selbst zu schützen und die Lasten loszulassen und an Jesus abzugeben, können sie von dem, was sie hören und miterleben, ebenfalls traumatisiert werden. Man spricht von Sekundär-Traumatisierung. Warnsignale können große emotionale Erschöpfung, Schlafprobleme, Gereiztheit oder ungewohnte Hoffnungslosigkeit sein. Dann ist Hilfe für den Helfer nötig.

Glaubenszweifel

Schwere Traumatisierungen, Geschehnisse, die furchtbar und fast nicht zu fassen sind, Glaubenskrisen der Betroffenen können auch in uns Glaubenszweifel auslösen. Unser bisheriges Gottesbild und unsere tiefen Glaubensüberzeugungen kommen ins Wanken, die eigene Stabilität ist bedroht. Gerade in solch herausfordernden Zeiten sind der Austausch mit anderen Wegbegleitern, Intervision und Supervision wertvolle Hilfen. Wir Wegbegleiter brauchen Ermutigung und Gebetsunterstützung, auch wir dürfen einmal schwach sein.

Selbstfürsorge als Wegbegleiter

Lasten abgeben

Alle Wegbegleiter sollten sich von Zeit zu Zeit überlegen, welche Rolle sie in Bezug auf die traumatisierte Person einnehmen. Die Gefahr ist groß, zum Retter zu werden. Dann ist schnelles Umdenken vonnöten. Retter ist und bleibt Jesus. Wir sind nur Begleiter!

Trotzdem haben Lasten, die wir im Gespräch wahrnehmen, Gefühle, die wir beim anderen spüren, Not, die wir miterleben, Auswirkungen auf uns. Verantwortlich sind unsere Spiegelneurone, die im Miteinander aktiv werden. Sie bewirken, dass wir Emotionen mitempfinden und diese regelrecht ansteckend wirken können. Immer wieder müssen wir bewusst aus dem Mitfühlen aussteigen. Die ärztliche Psychotherapeutin Christine Rost nennt dies „entspiegeln“.1

Eine wertvolle Möglichkeit ist, am Ende der Begegnung alles, was wir gehört oder auf uns geladen haben, alles, was uns beschwert, ganz bewusst an Jesus abzugeben. Ihm liegt das Wohl der traumatisierten Person noch mehr am Herzen als uns. Wenn jemand Verantwortung für sie trägt, dann er. Er kann sie auf sich nehmen und wird davon nicht überlastet. Wir dürfen alles im Gebet vor Jesus hinlegen, ihm auch unsere Gedanken und Gefühle sagen, die mit den Betroffenen zusammenhängen, unsere Enttäuschung darüber, wie viel Schlimmes auf der Welt geschieht, und unseren Zorn über all die Ungerechtigkeit. Bei Gott können wir unser Herz ausschütten, zur Ruhe kommen, in seiner Gegenwart Trost und Ermutigung erfahren und uns immer wieder mit seinem Frieden füllen lassen.

Oft ist es hilfreich, körperlich spürbar aus der Rolle des Wegbegleiters auszusteigen, indem wir aufstehen und die Lasten abschütteln. Ich gehe nach den Gesprächen gerne ins Freie, atme die frische Luft, spüre Wind und Sonne. Wenn möglich gönne ich mir einen kurzen Gang durch meinen Garten, betrachte jede neue Blüte, freue mich an Duft und Farben und genieße all das Schöne. Es tut gut, wenn wir nach dem Schweren und Traurigen, das wir in den Gesprächen gehört und mitgetragen haben, Erfreuliches, Lebendiges und Auferbauendes in uns aufnehmen.

Besonders wichtig sind diese Ratschläge für ausgesprochen sensible Wegbegleiter und „Lastenträger“2. Da Letztere meist von Kindheit an gelernt haben, Lasten anderer zu erspüren und auf sich zu nehmen, fühlen sie sich von der Not der traumatisierten Person schier erdrückt. Wenn Wegbegleiter nicht mehr unterscheiden können, welche Not, welche Lasten, welche Gefühle zu ihnen gehören und welche nicht, brauchen sie selbst dringend Hilfe.

Gebetsunterstützer

In sehr herausfordernden Gesprächen oder Situationen bitte ich immer um Gottes Schutz und Führung. Es entlastet mich, wenn nicht ich diejenige sein muss, die Lösungen anbietet, sondern mein Gegenüber und ich durch den Heiligen Geist an Gottes Wirken und seinen Ideen Anteil haben können. Beter im Hintergrund sind eine enorme Unterstützung, ihre Fürbitte kann auf geistlicher Ebene Schritte vorbereiten, die vorher fast undenkbar waren.

Intervision und Supervision

Äußerst wertvoll ist der Austausch mit anderen Wegbegleitern. Zur Intervision treffen sich Wegbegleiter, die auf gleicher Ebene stehen, um sich gegenseitig zu stützen, zu ermutigen und zu beraten. Supervision erfolgt durch Fachleute, die über mehr Wissen und Erfahrung verfügen. Bei diesen Gelegenheiten können Wegbegleiter ihre Fragen stellen, eigene Ratlosigkeit und Betroffenheit formulieren und mögliche Fehler ansprechen. Sie erhalten Ratschläge, hören neue Ideen und andere Sichtweisen, die immer vorhandenen „blinden Flecke“ werden beleuchtet. Dazu sind Vertrauen und gutes Miteinander nötig. Gerade in Krisenzeiten brauchen Wegbegleiter Menschen, die sie stützen, ihnen weiterhelfen oder für sie beten können. Die Zusammenarbeit mit anderen Wegbegleitern, mit Fachleuten und Beratungsstellen entlastet und bereichert.

Weiterbildung und geistliche Nahrung

Es ist normal, dass wir Wegbegleiter in der Begegnung mit traumatisierten Menschen immer wieder an unsere Grenzen stoßen. Dennoch führt das Erleben eigener Hilflosigkeit zu vermehrtem Stress. Erfahrung, Wissen und Gottvertrauen helfen, auch schwierige Situationen gelassener zu meistern. In Fortbildungen können wir unser Wissen ausbauen, tieferes Verständnis gewinnen, neue Aspekte kennenlernen und unsere Handlungskompetenzen erweitern. Alle Wegbegleiter sollten sich solche auferbauenden Zeiten gönnen.

Auch gute geistliche Nahrung ist wichtig: eine Gemeinde, in der wir fundierte, ausgewogene Lehre bekommen; Stärkung für unseren Verstand, aber auch Herzens-Berührungen und Begegnungen mit Gott Vater, Jesus und dem Heiligen Geist. Gerade Wegbegleiter dürfen sich auch einmal dienen und für sich beten lassen oder selbst ein ermutigendes seelsorgerliches Gespräch in Anspruch nehmen.

Selbstfürsorge ganz privat

Wegbegleitungen dürfen nicht das gesamte Leben in Beschlag nehmen, auch nicht in den Gedanken oder schlaflosen Nächten! Im privaten Leben brauchen wir guten Ausgleich und Zeiten, in denen wir ausspannen, uns mit Schönem und Ermutigendem füllen und neue Kraft schöpfen.

Ressourcen

Wie steht es um unsere eigenen Ressourcen? Wegbegleiter dürfen sich fragen: Was macht mir Freude? Was tut mir gut? Was habe ich mir schon längere Zeit nicht mehr gegönnt?

All die Möglichkeiten, die wir zusammen mit den Betroffenen erarbeitet haben, bereichern auch unser Leben: Aktivitäten in der Natur, die eigene Kreativität, Sport als körperlicher Stressabbau, Zusammensein mit lieben Freunden, Spaß haben und lachen, unbeschwert und fröhlich sein. Ich persönlich genieße es, in Begleitung meiner beiden Hunde Fahrrad zu fahren und sie zu beobachten: ihre Freude, wenn wir starten; die Begeisterung, wenn sie über die Wiesen laufen; die Anmut, mit der sie über Gräben springen, Lebendigkeit und Lebensfreude, die sie ganz erfüllen und auch auf mich Wirkung entfalten. Für diese Aktivitäten müssen wir Zeit einplanen und einräumen! Längere Auszeiten helfen Abstand zu bekommen, einmal ganz anderes zu sehen und die Herausforderungen des Alltags eine Zeitlang zu vergessen: ein Kurztrip, ein Wochenendbesuch bei Freunden oder ein längerer Urlaub.

Oft fällt es schwer, sich diese Freiräume zu schaffen, wichtige Aufgaben fordern Zeit und Aufmerksamkeit. Ich kenne das aus eigener Erfahrung, aber ich weiß auch, wie entspannt ich bin, wenn ich mir diese wichtige Zeit doch gegönnt habe! Leere, verausgabte Wegbegleiter sind nicht nur ein schlechtes Vorbild, sondern haben auch nicht viel zu geben.

Kinder Gottes

Als Kinder Gottes dürfen wir zu jeder Zeit in seine Gegenwart kommen, bei ihm auftanken und uns neu mit seiner Liebe, Kraft und Zuversicht füllen lassen. In der Gemeinschaft mit anderen Christen können wir füreinander beten, uns auf Gott ausrichten, gemeinsam auf ihn hören und uns gegenseitig stärken und ermutigen. Lobpreismusik, schöne Melodien und gute Texte berühren das Herz und heben den Blick zu dem, von dem alle Hilfe kommt. Gottes Sichtweise gewinnt wieder Raum. Wenn wir uns diese Zeiten mit Gott einräumen, zulassen, dass seine Liebe unsere Herzen berührt, wenn wir mit ihm reden und von ihm hören, wird uns bewusst, wir sind nie allein, wir sind begleitet und getragen. Wir dürfen ihn um Wegweisung bitten und müssen uns nicht verzetteln mit all den Anforderungen und Aufgaben, die unsere Gedanken beschäftigen. Wir nehmen unseren Stand als geliebte Königskinder ein und tun das, wozu er uns berufen hat.

Selbstreflexion

Dieses Buch wendet sich an alle, die traumatisierte Menschen ein Stück ihres Wiederherstellungswegs begleiten. Da verletzte Menschen besonders verletzlich sind, müssen wir achtsam mit ihnen umgehen und unsere Begleitung so gut und verantwortungsvoll wie möglich gestalten! Wir sollten jederzeit offen sein, dazuzulernen, um Rat zu fragen, bereit sein, eigene Fehler zuzugeben und daran zu wachsen, zu erkennen, womit wir überfordert sind und was nicht in den eigenen Kompetenzbereich gehört.

Begrenzungen erkennen – Zusammenarbeit wagen

Unterschiedliche Wegbegleiter haben unterschiedliche Schwerpunkte. Je nach Erfahrung, Wissensstand und beruflichem Hintergrund können die Anregungen dieses Buches Informationen liefern, Verständnis fördern, konkrete Hilfen geben oder Vorbild für die eigene Arbeit sein. Im Folgenden werde ich versuchen die Möglichkeiten und Einsatzbereiche der verschiedenen Wegbegleiter kurz zu beschreiben.

Mitchristen und Freunde

Die Gruppe der Mitchristen und Freunde kann sich sehr vielfältig gestalten, Hauskreisleiter, Gemeindeverantwortliche, Pastoren gehören genauso dazu wie Freunde und Familienangehörige. Deshalb fällt es schwer, ihre Aufgaben genau zu fassen. In erster Linie ist ihr Auftrag Begleiten im ursprünglichen Sinn: sich an die Seite der Betroffenen stellen und den Weg mitgehen. Da sein, zuhören, ganz praktische Hilfe anbieten, ermutigen und stärken, den Alltag und die Freizeit mitgestalten, zusammen lachen und zusammen weinen, mittrauern und trösten, zuhören, gute Fragen stellen und verstehen, gemeinsam beten oder die Betroffenen im Gebet tragen, letztendlich einen Raum schaffen, in dem die Betroffenen die Erfahrung machen können: Hier bin ich angenommen, darf sein, wie ich bin, mit allem Guten, aber auch allem Schwierigen. Sie sollen die Reaktionen der Betroffenen aufgrund der typischen Merkmale der Traumafolgestörung erkennen und einordnen können und ihnen helfen, ihre innere Not in Worte zu fassen: „Ich habe den Eindruck, du bist jetzt sehr wütend“ … Gerade sehr nahestehende Wegbegleiter brauchen immer wieder Abstand und gesunden Ausgleich, um selbst nicht auszubrennen. Es ist nicht nötig, dass sie all die schrecklichen Zusammenhänge wissen. Ehepartner brauchen Sachinformationen und Ermutigung. Sie sind herausgefordert, Liebe und Annahme zu geben und zugleich gesunde Grenzen zu setzen. Seelsorge oder Beratung sollten in einem Setting außerhalb der Familie oder des Freundeskreises stattfinden. Hilfreich ist, wenn die verschiedenen Wegbegleiter voneinander wissen, sich vernetzen und gegenseitig informieren.

Seelsorger und Berater

In Seelsorge und christlicher Beratung geht es primär um das Heil der Seele und damit um die Wiederherstellung der gestörten Beziehung zu Gott, zu sich selbst und zu anderen Menschen. In genau diesen drei Bereichen liegen die Hauptprobleme der Betroffenen. Viele Christen, die in bestimmten Lebenssituationen nicht zurechtkommen, wenden sich zuerst an Seelsorger oder Berater. In den anfänglichen Gesprächen wird meist noch nicht deutlich, dass die aktuellen Lebensprobleme Auswirkungen einer traumatischen Vergangenheit sind. Erst im Lauf der Zeit können Seelsorger und Berater, die über Hintergrundwissen zum Thema Trauma verfügen, die Probleme und Schwierigkeiten der Betroffenen einordnen und entsprechend reagieren. Falls Betroffene instabil sind und sich ausgeprägte Störungen zeigen, müssen sie ermutigt werden, sich weitere fachliche Hilfe zu suchen. Auch die genaue Diagnosestellung kann nur durch den Arzt oder Therapeuten erfolgen. Falls die betreffende Person dazu noch nicht bereit ist, kann zunächst am Aufbau von Vertrauen und Sicherheit gearbeitet werden.

Bei ausreichender Stabilität, zur Überbrückung der Zeit bis zum Therapiebeginn oder parallel zu einer Therapie sind Seelsorger und Berater, die über die Themen Trauma, Dissoziation und Folgeprobleme informiert sind, ausgesprochen wertvolle Wegbegleiter. Mit ausreichender Erfahrung und qualifizierter Ausbildung können sie ganz entscheidende Schritte mit den traumatisierten Menschen gehen:

Probleme des Alltags werden bearbeitet, Glaubensfragen besprochen und Vertrauen gestärkt, die Stabilisierung gefördert, Ressourcen entdeckt und praktisch eingesetzt, eine tragende Gottesbeziehung aufgebaut. Wegbegleiter geben Vorbild für gute und gesunde Beziehungen und helfen den Betroffenen, eigene Beziehungen zu klären, ungute abzubrechen und hilfreiche zu stärken oder neue zu knüpfen. Das gemeindliche Umfeld bietet hier viele Möglichkeiten und einen sicheren Rahmen. Wenn seelsorgerliche und beratende Wegbegleiter sich auf dem Gebiet der Distanzierung und Reorientierung weitergebildet haben, können sie diese Fertigkeiten mit den Betroffenen einüben. Die Frage „Wer bin ich eigentlich und warum handle ich auf diese Art und Weise?“ leitet zur Arbeit mit dem Inneren weiter. Eine Entdeckungsreise zu den verschiedenen Bereichen und Anteilen der Person, die erkannt und verstanden werden wollen, beginnt. Veränderungsprozesse werden gefördert und begleitet, allein dadurch kann die betreffende Person immer mehr eins werden. Auf diesem Weg werden Seelsorger und Berater auch traumatischen Erinnerungen begegnen, die aber nicht Mittelpunkt der gemeinsamen Gespräche sind. Aber durch Jesu Wirken können Traumabilder Veränderung erfahren, innere Anteile und die betreffende Person selbst Geborgenheit und Heilung erleben. Allein Gottes Gegenwart vermittelt Trost und Hoffnung, sein göttliches Wirken ist immer heilend. Falsche Denkmuster, Festlegungen und Bindungen werden entdeckt, die aufgrund der Verletzungen entstanden sind und die Betroffenen so viele Jahre gefangen gehalten haben. Lügen werden entlarvt und durch Wahrheit ersetzt. Vergebungsprozesse können in Gang kommen, Versöhnung innen und außen findet statt. Schritt für Schritt geschieht Wiederherstellung. Die Begleitung während der Trauerprozesse und bei der Umsetzung der lebensverändernden Schritte im Alltag ist unendlich wertvoll. Die Betroffenen dürfen durch Gottes Zuspruch und Zusagen in ihrer Identität wachsen, ihren Stand als Königskinder einnehmen und ihre Würde zurückgewinnen. Schließlich können sich neue Zukunftsperspektiven entwickeln.

SEELSORGER UND BERATER MÜSSEN DIE STABILITÄT DER BETROFFENEN IM AUGE BEHALTEN UND IMMER WENN NÖTIG, LIEBER ZU FRÜH ALS ZU SPÄT, ÄRZTLICHE ODER THERAPEUTISCHE HILFE EINBEZIEHEN.

Zu jeder Zeit sollten Seelsorger und Berater die Stabilität der Betroffenen im Auge behalten und immer wenn nötig, lieber zu früh als zu spät, ärztliche oder therapeutische Hilfe einbeziehen.

Therapeuten

Ärzte oder Therapeuten stellen die Diagnose und sind Experten für alle fachlichen Fragen. Aufgrund ihrer Ausbildung wissen sie mit Krisensituationen umzugehen. Medikamente zur vorübergehenden Unterstützung z. B. in depressiven Phasen können von Ärzten empfohlen und verschrieben werden. Sie sollten auch den Wiederherstellungsweg im Überblick behalten und nötige Interventionen vorschlagen und veranlassen, z. B. eine Therapie verschreiben und durchführen, einen Klinikaufenthalt anregen, eine Kur planen oder andere Fachleute einbeziehen. Auch geplante Traumakonfrontationen mit der Screen-Technik oder EMDR sind therapeutisches Vorgehen. Krankenkassen übernehmen die Kosten für die psychotherapeutische Behandlung. Leider zahlen die Kassen nur eine sehr begrenzte Zahl von Therapiesitzungen. Ein Aufarbeitungsweg kann sich sehr lange, auch über Jahre hinziehen. Wenn jeder Abschnitt, jede Etappe im Rahmen der Traumatherapie abgedeckt werden muss, wird die Zahl der Stunden, die die Krankenkassen zu zahlen bereit sind, bei Weitem überschritten. Wäre es nicht eine Chance, die Möglichkeiten der anderen Wegbegleitern einzubeziehen und noch viel mehr mit anderen zusammenzuarbeiten? Natürlich kostet eine Zusammenarbeit wieder Zeit und zusätzlichen Einsatz, aber für die Betroffenen könnte dieser Schritt wertvolle Bereicherung sein und neue Möglichkeiten eröffnen. Außerdem halte ich persönlich es für sehr erstrebenswert, dass sich Therapeuten, die in ihrer Arbeit bisher Glaubensthemen eher ausgegrenzt haben, auf den lebendigen Glauben der betroffenen Person einlassen, mehr noch, ihn als wertvolle Ressource miteinbeziehen. Dann können Betroffene auch im therapeutischen Rahmen Gottes Zuspruch, Jesu Trost und Hilfe, Befreiung und Heilung erfahren.

WEGBEGLEITER JEDER ART SOLLTEN IN WERTSCHÄTZUNG UND ACHTUNG VOREINANDER DEN MENSCHEN DIENEN, DIE SO SCHLIMMES ERLEBT HABEN!

Jeder Wegbegleiter sollte bereit sein, die eigene Arbeitsweise immer wieder zu reflektieren, und sich auf positive Weise hinterfragen: Bin ich in meiner Wegbegleitung auf der richtigen Spur? Bin ich vielleicht in alten, gewohnten Gedanken und Vorgehensweisen festgefahren? Wie könnte ich meine Arbeit durch neue Anregungen und Möglichkeiten erweitern? Bin ich kompetent und erfahren genug für diese Wegbegleitung? Kann ich mein Gegenüber gemäß seinen Bedürfnissen angemessen unterstützen? Wäre es hilfreich, andere, z. B. Seelsorger, Gemeindemitglieder oder therapeutische Hilfe einzubeziehen? Wie könnte die Zusammenarbeit gestaltet werden?

Ein Plädoyer für gute Zusammenarbeit

Die Trauma-Aufarbeitung ist ein langer und oft sehr beschwerlicher Weg. Betroffene brauchen jede Hilfe und Unterstützung, die sie während dieser Zeit erhalten können. Gerade weil die Not und der Bedarf so groß sind, ist jeder kompetente Wegbegleiter ein Gewinn! Wegbegleiter jeder Art sollten mit offenem Herzen, in Wertschätzung und Achtung voreinander den Menschen, die so Schlimmes erlebt haben, dienen, einander ergänzen und sich gegenseitig unterstützen. Ich bin davon überzeugt, dass die betroffenen Menschen von einer wertschätzenden interdisziplinären Zusammenarbeit nur profitieren können. Und das ist doch unser aller vordringlichstes Anliegen!