11
E igentlich wollte ich gar nicht direkt zu dir fahren.
Zu sehr hat mein Vater mich auf die Palme gebracht, um zu erkennen, dass er Recht hat.
Du siehst in ihm den Helden und mich macht das zunehmend wütend.
Doch auf dem Weg zu meinem Loft ist mir eingefallen, dass du gar nicht so viele Kleidungsstücke in meiner Wohnung hast. Also habe ich spontan entschieden, zu deinem Elternhaus zu fahren.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass du vorerst gar kein Interesse daran hast. Daran, das Haus zu betreten. Nach dem Tod deiner Mutter fällt dir das sicher schwer.
Also bin ich doch nicht der Arsch, für den du mich hältst. Immerhin bin ich in dein Elternhaus eingebrochen, um Kleidung für dich zu holen.
Es war komisch, allein in diesem Haus zu sein. Vor allem wegen der Erinnerung daran, als ich das letzte Mal hier war. Was sich hier abgespielt hat, macht das Ganze nicht wirklich besser.
Ich blende mein Gefühl, meine Unsicherheit und auch meine Zukunftsängste aus und gehe geradewegs in dein Zimmer. Nachdem ich den Koffer unter dem Bett herausgezogen und sämtliche Kleidungsstücke, die ich finden konnte, in diesen hineingeschmissen habe, verlasse ich das Haus mit einem viel schlimmeren Gefühl und setze mich an das Steuer. Eine schwere Last liegt auf meinen Schultern. Ich will dich jetzt nicht sehen. Ich kann es noch nicht einmal.
Denn alles in mir ist zerbrochen und ich fühle mich verletzt wie nie zuvor.
Mein Vater ist der Böse, aber du liebst ihn.
Ich weiß, dass ich tief in deinem Herzen noch einen Platz habe. Aber ich weiß nicht, ob das wirklich etwas mit Liebe zu tun hat oder mit Gewohnheit.
Wahrscheinlich sind die Gefühle, die du noch für mich hast, nur durch unsere Vergangenheit vorhanden. Oder ob es tatsächlich unsere bedingungslose Liebe ist, die sich niemals aufhalten lässt?
Es ist schwierig, das alles einzuschätzen, während mein Kopf und mein Körper nur weglaufen möchten. Einfach weg. Raus hier. Ich will davonrennen. Egal wohin. Einfach dorthin, wo du nicht bist. Wo dieser ganze Scheiß nicht ist. Wo ich neu anfangen kann. Weg von all den Trümmern, die mein Vater hinterlassen hat.
Weit entfernt von all dem Schmerz, den du mir mit der Liebe zu ihm antust.
Und auch ganz weit weg von dem Wissen, dass ich dafür verantwortlich bin, dass du zerstört bist.
Dennoch bin ich auf dem Weg zu der Wohnung. Ebendort, wo du bist. Wo mir all das Böse vor Augen gehalten wird, wo einst mal nur das Harmlose war.
Denn aus dem heiteren, glücklichen, naiven Mädchen ist eine zerstörte Frau geworden – und das nur durch mich. Meine Hand und mein Verhalten sowie Fehleinschätzung und das Vertrauen gegenüber meinem Vater haben all das Gute in und an dir zunichtegemacht.
Als ich in der Wohnung ankomme und den schweren Koffer die Treppen hochschleppe, habe ich fast das Gefühl, dass du nicht da bist.
Kein Geräusch ist zu hören und selbst dein Duft nach Rosen ist nicht zu erahnen, der sonst in der Luft schwebt, wenn du hier bist. Den Koffer lasse ich im Flur stehen und betrete erst einmal die Küche. Da stelle ich fest, dass du nichts gegessen hast. Die Lebensmittel sind unangerührt, als wärst du nicht hier gewesen.
Es ist mittlerweile später Nachmittag und du hast nichts zu dir genommen.
Also suche ich Raum für Raum ab und finde dich schließlich im Schlafzimmer. Wie ein kleiner Engel liegst du auf dem Bett. Zwischen den Kissen und Decken wirkst du schwerelos. Für einen Augenblick lehne ich mich an die Zarge und beobachte deinen sanften Schlaf und deinen Körper, der seitlich liegt. Betrachte deine Brust, die sich durch deine Atmung leicht auf und ab bewegt. Du bist herrlich zerstört. Deine Haut ist dunkel verfärbt und deine Haare sind kaum mehr vorhanden. Dein Gesicht ist fahl und doch bist du die schönste Frau, die ich je gesehen habe. Hier in diesem kleinen Raum, mit diesen vielen schönen Erinnerungen von uns beiden und deinem Rosenduft in der Luft.
Fast hätten wir eine Zukunft haben können, aber du wirst nicht abtreiben und ich werde dieses Kind nicht großziehen. Auch wenn ich nichts gegen eine Miniversion von dir habe, geht das zu weit, Rose.
So sehr ich dich hasse für all das, was du getan hast. Der Liebe, die du jemand anders geschenkt hast und dein Körper jemanden hingegeben hast, der es nicht verdient hat, kann ich dich nicht akzeptieren.
Wiederum liebe ich dich zu sehr, um dich komplett aufzugeben und dich fallenzulassen.
Zu sehr beeinflusst mich auch die Tatsache, dass du lebst. Es hat mir vor Augen gehalten, wie sehr ich dich brauche. Was mich letzten Endes an einen Scheideweg führt, an dem ich eine Wahl treffen muss.
Ich weiß nicht, was ich tun soll.
Gehe ich für immer und leide unter der Sehnsucht nach dir? Oder bleibe ich und zerbreche an dem Schmerz, weil du von meinem Vater schwanger bist?
Schließlich stoße ich mich vom Rahmen ab, komme auf dich zu und spüre beim Näherkommen schon deine Wärme. Vor der Matratze stehend gleite ich mit den Fingerspitzen über deine Haut und du wirst wach.
Verschlafen öffnest du die Augen und siehst mich an. Was du denkst und fühlst, kann ich nicht erahnen. Zu bedeutsam sind meine Stimmen in mir, die laut schreien und sich gegen dich wenden.
Weil ich mir dumm dabei vorkomme, wie ich dich ansehe, äußere ich mich gleichgültig:
»Du musst etwas essen, Rose. Ich habe dir Kleidung mitgebracht und werde dir jetzt Badewasser einlassen. Danach essen wir zusammen. Ist das in Ordnung für dich?« Ich bleibe neutral, fast sachlich und du nickst. Ich bemühe mich, freundlich zu dir zu sein, obwohl ich am liebsten sofort tot umfallen möchte. In mir ist ein großer Zwiespalt aufgetaucht, den ich so noch nie gespürt habe. Denn bislang wusste ich immer, was ich wollte. Jetzt stehe ich am Rande der Verzweiflung.
Bevor ich mich damit auseinandersetze, verlasse ich den Raum.
Wie ich dir versprochen habe, lasse ich das Badewasser einlaufen. Während die Badewanne mit warmem Wasser vollläuft, gehe ich in die Küche und überlege, was ich dir zubereite. All meine Gedanken, Zweifel und Ängste schiebe ich zurück. Denn jetzt muss ich mich um dich kümmern. Ich muss mich um dich kümmern, damit du zumindest ein wenig heilst und ein Leben hast – auch ohne mich. Das bin ich dir für das, was dir zugestoßen ist, schuldig. Ich muss dafür sorgen, dass es dir gutgeht und du woanders weiterlebst. Nicht für mich, sondern nur für dich.
Du wirst viel Kraft brauchen, um an die Zukunft denken zu können. Du hast es verdient, zu überleben. Auch wenn ein ganz großer Teil in mir glaubt, dass du nie die Möglichkeit dafür bekommen wirst, es zu nutzen. Du niemals so leben kannst, wie du es bisher getan hast.
Deine heile Welt ist an der Wirklichkeit zerbrochen. Ich hätte dich wirklich springen lassen sollen, aber jetzt lebst du und dann sollst du damit auch glücklich werden.
Spontan entschließe ich mich dazu, eine Pizza zu bestellen. Mit dem Handy gebe ich alles ein und bringe dir den großen Koffer ins Schlafzimmer.
Ich lasse dich allein und warte im Badezimmer darauf, dass du kommst. Versuche, so wenig wie möglich darüber nachzudenken, wer wir einmal waren. Schließlich betrittst du ungewohnt nervös und verunsichert den Raum. Mit Kleidungsstücken in deinen Armen bleibst du vor mir stehen.
Ich weiß, was du fühlst, da ich dasselbe empfinde. Ungewohnt erfüllt mich die Nervosität. Keine Ahnung, wie wir uns gegenüber verhalten sollen, wo so viel zwischen uns steht. Wie Fremde begegnen wir uns und das gefällt mir noch weniger.
Wenn man eine Beziehung beendet, dann geht man. Mit viel Glück trifft man nicht mehr aufeinander. Man kann den ganzen Scheiß begraben.
Daran glaube ich zumindest, aber ich hatte vor dir noch nie eine Beziehung. Jetzt stehen wir einander gegenüber, können uns kaum ansehen, wissen nicht, was wir sagen sollen, und das bekräftigt meine Idee, einfach zu verschwinden.
»Ich lass dich mal in Ruhe baden«, beende ich unser Hadern. Mit deiner Hand auf meinem Arm hältst du mich auf, als ich den Raum verlassen möchte.
»Nein, bleib hier.« Leise verlassen dich die Worte und ich zögere. Leider konnte ich dir noch nie etwas abschlagen – so wie jetzt. Kurz nickend setze ich mich auf die Toilette.
Der Kloß in meiner Kehle wird immer größer, ich fixiere meine Schuhe und beobachte dich nicht, während du dich ausziehst, schaue auch erst wieder auf, als ich höre, wie das Wasser Geräusche macht, während du dich in die Wanne setzt. Trotzdem sehe ich dich noch nicht einmal an und blicke mich unbeteiligt im Raum um, als würde ich ihn zum ersten Mal sehen und als wäre das nicht mein Zuhause.
Das Ganze ist so merkwürdig. Zwar spüre ich noch unsere Verbindung, aber gleichzeitig waren wir uns noch nie so entfernt.
Selbst als ich dich gesucht, vermisst und nicht gefunden habe, spürte ich in meinem Herzen deine Nähe. Deine unverwechselbare Anwesenheit, als würdest du mich auf meinem Weg begleiten. Als könnte ich in Gedanken mit dir sprechen und du würdest jedes einzelne Wort hören. Selbst als ich dachte, du seist tot und ich wäre für immer verloren ohne dich, warst du mir so nah.
Nur jetzt ist alles anders. Du bist zwei Armlängen von mir entfernt und es fühlt sich wie eine ganze Welt an. Als wärst du nicht meine Rose.
Du bist zu einer Fremden geworden. Einer Unbekannten in meinem Badezimmer.
»Vicco?«
Ich hebe die Hand, ohne dich anzusehen, als hättest du meine Anwesenheit wie in der Schule geprüft.
»Das ist komisch, oder?«
»Ja. Ist es. «
»Du willst gehen.«
»Ich will, dass es dir gutgeht. Mehr will ich nicht.« Zumindest, wenn du noch Rose bist, woran ich immer mehr zweifele.
»Okay.« Deine Stimme ist so weich und samt und so stark verunsichert. Dieses Gefühl kenne ich zu gut. Ich fühle mich gerade nicht anders.
»Denkst du nicht, dass es wieder wie früher werden kann?«
»Ist das Wasser warm genug?«, lenke ich direkt ab, weil ich darüber nicht mit dir sprechen möchte. Nicht jetzt und am besten gar nicht. Wir beide kennen doch schon längst die Antwort.
»Ja, das Wasser ist perfekt. Bleib doch nicht da sitzen. Komm zu mir rüber. Es ist so merkwürdig, wenn du da sitzenbleibst und dich nur umschaust.«
Ich zögere eine Reaktion heraus. Denn in meinem Inneren diskutiere ich mit mir selbst, ob das eine gute Idee ist oder ob es nicht viel besser wäre, wenn ich jetzt einfach gehe. Nicht nur das Badezimmer verlasse, sondern auch die Wohnung. Die Stadt und am besten das Land. Meine Liebe zu dir ist aber so viel größer. Es ist unmöglich, mich gegen deine Anziehungskraft zu wehren. Mir ist klar, dass du längst nicht mehr meine Rose bist. Wir sind kaputt wie der Rest meiner Welt. Allerdings liegt etwas in deiner Stimme und in der Luft, was ganz nach dir klingt. Ich spüre auch das dünne Band zwischen uns, welches mich nun dazu zwingt, aufzustehen.
Du allein bist in meinem Herz und niemand sonst. Deswegen stehe ich neben der Badewanne, um dir nah zu sein. Zwischen all dem Schaum streckst du den Arm nach mir aus und hältst mir den Schwamm hin.
Deinen Schwamm, den du immer benutzt, wenn du hier badest. Du setzt dich auf und mir bleibt nichts anderes übrig, als mit dem Schwamm über deinen Rücken zu fahren. So, als hätte es die letzten Monate gar nicht gegeben.
Dennoch gibt es kein Zurück mehr.
Es ist zu viel passiert.
Während ich deinen Rücken einschäume, wird mir immer bewusster, wie schmerzhaft es ist, in deiner Nähe zu sein. Mit deiner bloßen Anwesenheit zerstörst du mich mehr. Dein Anblick zerquetscht mein Herz, bis jeder Schlag meines Pulses eine einzige Qual ist. Dein Duft zerfrisst meine Lunge, bis jeder Atemzug wie Nadelstiche schmerzt. Diese Nähe ist genauso schwer zu ertragen, wie wenn ich mehrere Armlängen von dir Abstand halte. Viel weiter muss ich mich entfernen, um nicht daran zu Grunde zu gehen. Das hier geht nicht. Und das wissen wir beide. Ich bin bereit. Du auch?
Nein.
Denn du spürst, was ich jetzt vorhabe. Merkst, dass ich bereit bin, dich aus Selbstschutz für immer zu verlassen. Es muss so sein. Nur du siehst es anders, denn du überzeugst mich genau mitten in meinem Entschluss vom Gegenteil. In der Wanne legst du dich zurück und präsentierst mir deinen nackten Körper, der über den Schaum hinausragt.
Mein Blick wandert über deine fahle Haut, die an dir wie ein Fremdkörper aussieht, und ich kann mich nicht von deinem Anblick lösen. Auch nicht von den Gefühlen, die du damit in mir heraufbeschwörst.
Es fällt mir so schwer, einfach sitzenzubleiben, wo ich doch deine zerbrochene Gestalt erkunden möchte. Feststellen muss, ob unter all dem Kaputten noch meine Rose ist.
Entspannt seufzt du und schließt die Augen. Deinen schneller werdenden Puls erkenne ich am Hals. Obwohl du durch mich nur die Dunkelheit sehen kannst, strecke ich gegen jeden rationalen Gedanken in mir die Hand nach dir aus, um wenigstens den Schaum von deiner verletzten Schulter, da wo der Verband schon durchnässt ist, zu vertreiben.
Doch als ich deine Haut versehentlich berühre, trifft mich ein Schlag. Tausend Erinnerungen, wie du hier schon gelegen hast, prallen auf mich ein. Ich spüre das Glück einer längst vergessenen Zeit und kriege keine Luft mehr, als die damalige Liebe zwischen uns mein Herz umschließt.
Niemals werde ich vergessen können, wie glücklich wir miteinander waren.
All die Bilder von uns erwecken meine Zuneigung zu dir auf ein Neues und entfachen das Feuer in mir. Ohne dass ich das wirklich will, gleiten meine Fingerspitzen vorsichtig über deinen Arm hinab. Ich kann nicht aufhören, an die Zeit zwischen uns zu denken, wo alles so leicht war, oder an die vielen Nächte, die schon ausreichten, um all das Böse aus meiner Welt zu vertreiben.
Ich zwinge mich regelrecht, die Finger von dir zu nehmen, und greife nach dem Schwamm. Leider entscheidet mein Körper selbst, als dieser nun vorsichtig über deine Brust gleitet. Deine Atmung wird flacher und mit der anderen Hand schiebe ich den Schaum von der Wasseroberfläche weg, um deinen Körper genauer zu betrachten. Deinen zerfallenen mageren Körper, wie es mir jetzt auffällt. Trotzdem wirkt er auf mich, schreit nach mir und ich reagiere darauf. So wie immer.
Überrumpelt davon, wie mir diese Erkenntnis ins Gesicht schlägt, lasse ich auch den Schwamm wieder los und berühre dich. Lasse meine Finger über deine Haut tanzen, als wären wir wieder du und ich.
Sanft streichele ich an deiner Brustwölbung vorbei und weiter hinab. Zeichne kleine Kreise über deinen Rippenbogen und erkunde deinen Bauch sowie deinen Bauchnabel. Ich kann mich selbst nicht aufhalten und gleite tiefer.
Doch in dem Moment, als meine Hand unter Wasser an deiner Scham ankommt, stoppe ich, weil deine Anspannung merkwürdig spürbar ist. Zu deinem Gesicht schauend beobachte ich deine Mimik und streichele dich weiter. Deine Augen sind geschlossen und dennoch verhärtet sich dein Ausdruck. Das hier ist fremdartig, was mich aufhorchen lässt.
Zwar ist es still zwischen uns, aber ich spüre, wie laut du mir etwas mitteilst.
Es ist so komisch, so ungewohnt und vor allem anders.
Ich weiß nicht, warum, aber es fühlt sich so an, als wärst du gar nicht hier. Als würdest du nicht hier in der Badewanne liegen und auf meine Berührungen reagieren. Eher bist du weit weg … an einem anderen Ort und versuchst mit aller Kraft, das Hier und Jetzt zu verbannen.
»Rose.«
Weder schläfst du noch reagierst du auf meine Stimme. Dabei ist dein Köper so stark angespannt, dass meine Fingerspitzen auf deiner Haut verharren. Langsam ziehe ich mich komplett zurück und lege dir vorsichtig die Hand an die Wange.
»Rose?«
Plötzlich reißt du die Augen auf. Erschreckst mich, als du unerwartet und sehr ungelenk aufspringst und aus der Wanne kommst, um dich umgehend in meine Arme zu stürzen.
Ich knie noch immer neben der Wanne und du setzt dich direkt und überraschend auf meine Beine. Im letzten Moment bekomme ich den Badewannenrand zu greifen, um uns vor einem Sturz zu bewahren.
Nass, wie du bist, tropfst du auf den Boden. Meine Kleidung zieht sich mit der Feuchtigkeit voll. Deine Nacktheit scheint dir egal zu sein, als du deine Arme um mich schlingst und dein Gesicht in meine Halsbeuge drückst. Völlig verdutzt knie ich da und verstehe nicht, was in dich gefahren ist. Spüre nur dich und wie fest du mich hältst. So, als wäre ich dein Rettungsanker, der dich vor dem Ertrinken schützt. Du weinst.
Mit einer Hand halte ich dich fest, ohne zu begreifen, was hier gerade passiert. Vorsichtig setze ich mich auf den Boden und halte dich.
Wie ein Baby wiege ich dich hin und her und versuche, dich zu beruhigen. Pausenlos weinst du weiter.
Ich streichele deinen nassen Körper verwirrt weiter und spüre unter meinen Fingern deine Gänsehaut, woraufhin ich nach dem großen Badetuch greife, um dich zu bedecken. Und du hörst einfach nicht auf zu weinen.
»Was ist denn los?«, flüstere ich.
»Du bist hier.« Deine Worte gleiten in mein Herz – so leicht und schmerzhaft wie ein Messer durch Butter. Sanft und unscheinbar, aber mit großer Wirkung.
Ich hätte nicht mehr wiederkommen und stattdessen einen Mitarbeiter anweisen sollen, dir die Kleidung zu bringen. Was bin ich nur für ein Idiot? Du wirst denselben Schmerz in meiner Gegenwart spüren wie ich in deiner.
»Gut«, sage ich trocken und drücke dich von mir weg, doch du umschließt mich noch fester, was mich noch mehr verwirrt.
»Nein!«
»Rose, schon gut. Ich gehe.« Erneut will ich dich von mir lösen, doch du heulst lauter auf.
»Nein! Geh nie wieder!«
Überfordert mit der Situation lasse ich die Hände fallen und du wimmerst:
»Du warst immer nur in meinen Träumen bei mir, aber jetzt bist du hier. Bei mir. Bitte geh nie wieder. Lass mich nicht mehr allein.«
Was tust du uns beiden damit an, Rose?
Ich halte die Luft an, als ich dich umarme und dir einen Kuss auf den Kopf drücke.