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Dara und George gehen mit mir zu Brads Party. »Mach keine Szene«, warnt mich Dara. »Nicht da.«

»Warum nicht?«

Sie rümpft die Nase. »Du willst es wie in einem John- Hughes-Film haben. Große Rede vor großem Publikum.«

Ich lächle ein wenig. »Ich mag John-Hughes-Filme.«

Es ist eine Lunchparty, Mitte August, kurz bevor Brad sich auf die Reise macht. Vom Golfklub hat man einen Blick aufs Meer, grüne Hügel bis zur Brandung.

Riley weigert sich mitzukommen. »Ich muss arbeiten«, sagt sie. Ich dränge sie nicht.

Ich trage ein langes, grasgrünes Kleid aus kühler Baumwolle mit Flügelärmeln.

George lächelt, als ich aus meinem Auto steige. »Zum ersten Mal sehe ich Sie in einem Kleid.«

»Möglicherweise wird es auch das einzige Mal bleiben.« Ich ziehe das Kleid hoch, um nicht zu stolpern.

Er trägt eine blau-weiße Baumwollhose und ein weißes Polohemd. Er bietet mir seinen Arm an, um mir über den holprigen Parkplatz zu helfen. »Das erinnert mich an die gestreifte Cordhose, die mir meine Mutter in den Siebzigern zu Partys angezogen hat. Die war allerdings grün und pink.« Er lacht. »Da kann man jedes Kinderfoto von mir nehmen. Wenn ich diese Hose anhabe, bin ich garantiert auf einer Party.«

Ich kichere. »Dafür hatte ich einen Matrosenanzug.«

»Oh. Das tut mir leid. Das ist schlimmer.«

Wir gehen langsam zu dem Gebäude.

Dara erwartet uns an der Tür. »Hey, Leute.« Sie sieht atemberaubend aus in ihrem weißen Sommerkleid mit Kamelien und einer Katze darauf, die Haare offen und irgendwie unbehelligt von der Meeresbrise.

»Hey, Dara.« Mir fällt auf, dass George nichts zu ihrem Aufzug sagt. Sie lächeln sich freundlich an.

Mir fällt auf, dass ich mich an Georges Arm klammere, und weiche errötend zurück. Daras Augenbrauen zucken hoch, aber sie sagt nichts.

»Miss Garner!« Brads Vater schüttelt mir die Hand. Seine Haare sind gegelt, und sein Gesicht – vom Rasieren zerschnitten – wirkt ernst. »Danke, dass Sie gekommen sind.«

Ich nicke hilflos. »Vielen Dank für die Einladung. Was für ein schöner Ort für eine Feier.«

Er nickt, beugt sich vor und flüstert: »Ich putze hier nachts. Man hat für mich eine Ausnahme gemacht.«

Ich lächle unwillkürlich. »Man scheint Sie zu mögen.«

»Bitte. Nehmen Sie sich zu essen und zu trinken. Viel Spaß.«

Ich schaue mich um. Die meisten Leute habe ich in der Schule schon gesehen: Eltern, Schüler, Lehrer. Samantha ist anscheinend nicht da. Alle wuseln herum, mit Tellern in der Hand. Am liebsten würde ich ihnen die kleinen Teller aus den Händen schlagen und schreien, dass alles Betrug ist, eine große Ungerechtigkeit.

»Alles in Ordnung?« Dara nippt an ihrem Eistee.

»Klar.« Ich schwitze. Ich sollte lieber mehr Flüssigkeit zu mir nehmen. Ich schenke Wasser in einen Plastikbecher.

Da entdecke ich ihn, den Mann der Stunde, Brad. Am Fenster, mit einem Glas Cola in der Hand, blickt hinaus, brütend wie der Held einer Liebesromanze für junge Leute. Was er natürlich nicht ist. Zielstrebig gehe ich auf ihn zu.

»Brad.«

Auf seinem Gesicht breitet sich ein offenes Lächeln aus. »Wie geht es den Rosen?«

»Ganz gut.« Mir ist nicht danach zumute, ihm von Rileys Rose zu erzählen. Ich nehme einen Schluck Wasser und mustere ihn so eingehend, dass er blass wird. »Könnte ich dich mal draußen sprechen?«

Wir treten durch die Schiebeglastüren auf eine leere Terrasse mit Tischen und Schirmen hinaus. Ich schmecke das Salz in der Luft. Der Wind pfeift, und ich erhebe meine Stimme. »Ich weiß, was du getan hast.«

»Was ich getan habe?« Er grinst, nimmt einen Schluck Cola.

»Du weißt genau, wovon ich rede.«

Das Wasser spiegelt sich in der Iris seiner Augen. »Ich habe nichts getan.«

Ich trinke aus. Seine Miene ist gleichmütig. Ich merke, wie sich eine Woge von selbstgerechter Empörung in mir aufbaut. Ist es ihm denn egal, dass er einem anderen Schüler eine Chance weggenommen hat? »Deine Mutter wäre nicht erfreut.«

Da wendet er sich mir zu, mit plötzlich wütender Miene. »Sie haben keine Ahnung, worüber sich meine Mutter freuen würde.«

Ich weiche zurück. Da hat er recht. Was weiß ich schon über ihn oder über sonst wen?

Er holt tief Luft. »Ich weiß, dass Sie sauer sind, weil ich Sie hintergangen habe, Miss Garner. Aber es ist nichts Persönliches.« Er dreht den Kopf wieder in Richtung Meer. »Ich musste es einfach tun.«

Ich zerdrücke meinen Plastikbecher und überlege mir meine Worte. Ich muss daran denken, wie hart er in meinem Rosengarten gearbeitet hat. Wie er sich die ganzen Pflanzennamen eingeprägt hat. Wie gut er im Sport war. Daran sollte ich mich erinnern, an all das Gute, zu dem er in der Lage ist. Ich kann nur hoffen, dass er so weitermacht. Er hat es nicht getan, um mich zu kränken. Er hat sich nur selbst geschadet. Ich atme ein. »Du bist schlau, Brad. So was hast du nicht nötig.« Ich mache mich auf den Weg zurück zur Party, bleibe aber noch mal stehen und sehe mich um. Die heiße Nachmittagssonne treibt ihm den Schweiß auf die Stirn, aber er wischt ihn nicht weg. Starr blickt er aufs Wasser hinaus. Ich kann nicht sagen, wie ihm zumute ist.

Mein Zorn ist verraucht. An seine Stelle tritt Trauer. »Ich wünsch dir alles Gute. Von ganzem Herzen.«

Er rührt sich nicht.

Ich schiebe die Terrassentür auf, und Partylärm schallt mir entgegen.

Brads Vater stößt beinah mit mir zusammen. »Wollen Sie schon gehen, Gal?«

Er hat immer noch dicke Tränensäcke unter den Augen, und sein Gesicht wirkt eingefallen. Im Grunde ist sein ganzer Körper eingefallen.

»Der Erste aus unserer Familie, der aufs College geht.« Er steckt die Hände in die Hosentaschen und blickt zu seinem Sohn. »Den Hausmeisterjob in der Schule anzunehmen hat sich ausgezahlt.« Er grinst schief.

Spontan umarme ich ihn.

Eine Sekunde bleibt er starr, dann klopft er mir unbeholfen auf den Rücken. »Danke, Miss Garner. Für alles, was Sie getan haben.«

Brad hat sich von seinem Posten am Meer nicht wegbewegt. Ich hoffe, er behält mich als jemanden in Erinnerung, der sich für ihn ins Zeug gelegt hat. Ich hoffe, er schickt mir eines Tages eine Karte vom College.

»Das war doch selbstverständlich«, sage ich.

Ich hebe meine Hand, um George und Dara zum Abschied zu winken, die mich vom anderen Ende des Raums her beobachten.