Suite der Queen, Raumflottenstützpunkt,
High Tortuga
C heryl Lynn verzog bei Tabithas Entscheidung entsetzt das Gesicht. »Das schaue ich mir ganz gewiss nicht an. Das ist absolut lächerlich.«
Tabitha sah beleidigt aus. »Ich kann nicht glauben, dass du einen Film ablehnst, der deine gesamte Generation geprägt hat.«
»Mich hat er bestimmt nicht geprägt.« Cheryl Lynn schniefte abfällig. »Ich will Ghost sehen.«
Bethany Anne prustete amüsiert. »Und ich will lieber Stirb Langsam sehen, aber heute ist ein Filmabend für Frauen. Ich glaube, wir müssen uns wieder für Cheryl Lynns Wahl entscheiden.«
»Aber du hast gesagt, ich dürfte mir den nächsten Film aussuchen«, maulte Tabitha verstockt. »Was ist mit Ghostbusters ?«
»Das ist keine Liebeskomödie«, warf Bethany Anne ablehnend ein. »Wie wäre es mit einem Film mit Tom Hanks? Den mag doch jeder.« Ihr Finger schwebte unschlüssig über dem Auswahlmenü. »Was haltet ihr von …?« Sie grinste und traf ihre Wahl. Der Vorspann von Harry und Sally erschien auf dem Bildschirm.
Cheryl Lynn strahlte begeistert. »Ähm, da spielt zwar Billy Crystal die Hauptrolle, aber egal, es ist trotzdem perfekt!« Sie schob sich ein Stück Popcorn in den Mund und lehnte sich zurück, um den Film zu genießen.
Tabitha sprang auf, wedelte wild mit den Händen und versuchte verzweifelt, die Aufmerksamkeit der beiden Frauen zu erregen. »Ich hab’s! Ein Film, der uns alle drei zufriedenstellen wird.«
Cheryl Lynn warf ihr ein Stück Popcorn an den Kopf und zeigte nachdrücklich auf die Leinwand. »Wir haben uns bereits entschieden! Und es geht auch schon los!«
Tabitha schnitt eine Grimasse. »Aber den hasse ich wirklich. Wer möchte schon Meg Ryan dabei zusehen, wie sie einen Orgasmus vortäuscht?« Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen. »Ich würde mich jetzt lieber mit einem Haufen Piraten rumschlagen. Such dir etwas anderes aus. Irgendetwas anderes, egal was.«
Bethany Annes Mundwinkel hoben sich, als ihr plötzlich eine geniale Idee kam. Sie blickte die beiden Frauen neben ihr mit hochgezogener Augenbraue vielsagend an und schürzte ihre Lippen. »Ganz wie Ihr wünscht .«
Cheryl Lynn klatschte voller Vorfreude. »Oh, das ist perfekt!«
Tabitha sah mit einem misstrauischen Gesichtsausdruck von der schmunzelnden Bethany Anne zu der strahlenden Cheryl Lynn und runzelte die Stirn. »Was ist perfekt?«
Bethany Anne grinste breit und wischte über das Tablet. »Warte es nur ab, meine Kleine.« Das Titelbild des Vorspanns erschien und sie hielt den Film an. »Möchte jemand etwas zu trinken? Ich habe Coca-Cola und …« Sie feixte. »Wen will ich hier eigentlich auf den Arm nehmen? Natürlich habe ich nur Coca-Cola im Kühlschrank.«
Cheryl Lynn kicherte. »Als ob ich etwas anderes erwarten würde. Aber Coca-Cola ist in Ordnung.«
Tabitha verzog skeptisch die Lippen und ihre Augen wurden schmal. »Die Braut des Prinzen? «
»Da drin kommen Piraten vor. Es wird dir gefallen, das verspreche ich«, versicherte Cheryl Lynn ihr eifrig. »Oh, fast hätte ich das Popcorn vergessen.«
Tabitha lehnte sich mit dem Rest des Eises und dem Löffel in der Hand zurück. Sie rümpfte schon bei dem angezeigten Vorspann des Films kritisch die Nase. »Sollten die Jungs nicht in Kürze von ihrer Jagd zurückkehren?«, fragte sie hoffnungsvoll.
Cheryl Lynn, die gerade mit einer frischen Ladung Popcorn wieder hereinkam, lachte laut auf. »Sehr unwahrscheinlich!«
Bethany Anne reichte Tabitha und Cheryl Lynn ihre Getränke. »Dieser Mann irrt durch die Wildnis, ohne eine einzige Frau, die ihm sagt, was er tun soll.« Sie schnappte sich die Strickdecke, die über der Rücklehne des Sofas hing und kuschelte sich hinein, um den Film zu sehen. »Heute Abend erwarte ich ihn jedenfalls noch nicht zurück.«
»Gut!« Tabitha streckte herausfordernd ihr Kinn in die Luft und fauchte leise vor sich hin. »Das bedeutet, dass Peter auch nicht zurückkommen wird. Vielleicht habe ich ja Glück und der T-Rex frisst diese dämliche Nervensäge zum Abendessen.«
Bethany Anne, die gerade nach der Schüssel Popcorn greifen wollte, hielt mit ausgestreckter Hand inne und zog verwundert die Augenbrauen hoch. »Bist du wirklich so wütend auf ihn?«
»Ja! « Tabitha starrte in den Eisbehälter hinunter und kratzte mit dem Löffel einen Moment lang schweigend und aggressiv am Boden. »Nein. Wir werden das schon noch klären.« Sie beugte sich vor, um die leere Packung auf den Tisch zu stellen und schnappte sich das Tablet, um den Film zu starten. »Es geht los.«
Die Zeit verging viel zu schnell. Ehe Bethany Anne es merkte, hatten sie ihren ganzen Popcornvorrat aufgebraucht und sämtliche Taschentücher, die sie für die rührseligen Szenen auf dem Tisch bereitgelegt hatte, benutzt. Außerdem hatte sie keine Coca-Cola mehr und Tabitha sah von Minute zu Minute unruhiger aus, wahrscheinlich weil sie der hauptsächliche Grund dafür war, dass Bethany Anne die Getränke ausgegangen waren.
Genervt von Tabithas Zappelei unterbrach Bethany Anne den Film. »Toilettenpause«, verkündete sie.
Cheryl Lynn stöhnte entsetzt auf, aber Tabitha stürmte sofort los. »Bin gleich wieder da. Hast du noch Coca-Cola?«, rief sie über die Schulter zurück.
Bethany Anne stand auf und löste damit eine Mini-Lawine aus herunterfallenden Popcorn und Taschentüchern aus. »Verdammte Scheiße.«
Dann musste sie sarkastisch schnauben, denn sie erinnerte sich an die Zeit, ehe sie Alexis und Gabriel bekommen hatte. Damals hätte sie sich über so eine Sauerei schon geärgert, noch bevor sie überhaupt den Boden erreicht hatte. Sie schaltete das Licht ein, reichte Cheryl Lynn das Tablet und bückte sich, um den Müll aufzusammeln.
Während sie aufräumte, setzte sie sich kurz mit ADAM in Verbindung.
>> Oh, jetzt gelüstet es dich also nach meiner Gesellschaft… wenn du auf den Knien liegst und mit einer Katastrophe fertig werden musst.<<
Bethany Anne verdrehte bei der Übertreibung die Augen. Ich habe dich doch eingeladen, bei uns zu bleiben.
>>Du weißt doch, dass ich das nicht ernst meine. Was ist los? Solltest du nicht den Filmabend genießen?<<
Ich genieße den Filmabend durchaus. Aber …
>>Aber du wolltest trotzdem einen Blick darauf werfen, wie es Michael und den Kindern geht?<<
Eigentlich wollte ich in der Küche etwas zu essen bestellen. Ich habe die Überwachung von Michael abgebrochen und ich vertraue Addix, dass sie meine Kinder nicht bei einem Einkaufsbummel in einer Konsum-Welt verliert, sonst hätte ich ihr erst überhaupt nicht erlaubt, sie mitzunehmen. Du kannst unser Essen jetzt bestellen und mich später für meine Zurückhaltung loben.
>>Ich werde dich jetzt schon ein wenig loben. Du hast mich beeindruckt.<<
Sie richtete sich auf und warf den Müll in den Papierkorb. Ich nehme an, dass die Möglichkeit mich auf andere Dinge zu konzentrieren mir geholfen hat, mich ein klein wenig zu entspannen.
Cheryl Lynn schnäuzte sich lautstark und rief mit ungeduldig erhobener Stimme in die Richtung, in der Tabitha verschwunden war. »Jetzt komm schon, verdammt noch mal! Wir kommen doch gerade zu der Stelle, wo sie ihn den Berg hinunterstößt!«
Bethany Anne lachte leise. Sie konnten bei jedem ihrer Abende fest mit Cheryl Lynns Gefühlsausbrüchen rechnen.
»Das ist doch der beste Teil«, murmelte ihre Freundin schniefend, während sie sich die Augen trocken tupfte.
Tabitha kam aus dem Bad zurück. Bethany Anne schmunzelte und hob entschuldigend die Hände, als sie den Raum durchquerte. »Die Natur ruft, meine Damen.«
Die ehemalige Rangerin stocherte in den Resten der Snacks auf dem Tisch herum. »Langsam bekomme ich Appetit auf richtiges Essen.«
»Ich glaube, wir sollten uns etwas bestellen, das wir hier essen können«, rief Cheryl Lynn sofort Bethany Anne hinterher.
Diese blieb kurz in der Tür stehen, um ihr zu antworten. »Keine Sorge. Ich habe schon bestellt. Und es sollte bald geliefert werden. In …«
>>In fünfzehn Minuten. <<
»Ich hoffe, es dauert nicht mehr lange«, warf Tabitha ein und leerte die letzten Popcornkörner aus der Schüssel. »Mein Appetit ist auf jeden Fall wieder da.«
»In zehn Minuten.« Und richte ihnen aus, sie sollen sich höllisch beeilen, ADAM. Tabitha wird mir sonst noch die Haare vom Kopf fressen.
Künstlerviertel, Colonnara
Addix war froh, dass sie vier Augen hatte, denn sonst wäre es ihr schwergefallen, die Kinder im Auge zu behalten und gleichzeitig nach Gefahren Ausschau zu halten. Um ehrlich zu sein, hätte sie unter den gegebenen Umständen das Angebot eines zusätzlichen Paares in ihrem Hinterkopf nicht abgelehnt. Sie hatte gehört, wie Bethany Anne darüber scherzte, dass sie so etwas schon gebraucht hatte, als die Zwillinge noch ganz klein waren.
Nach einer Stunde Einkaufsbummel war ihr klar geworden, dass Bethany Annes Erklärung im Grunde genommen eigentlich kein Scherz gewesen war. Alexis und Gabriel huschten unablässig zwischen den Ständen hin und her. Dabei löcherten sie die Verkäufer mit Fragen zu jedem Schmuckstück, das ihnen mit ihrem Blick einer Elster auffiel, den sie beim Betreten des ziemlich schäbigen Kunstviertels entwickelt hatten.
Dies war ein Planet voller wohlhabender Menschen. Er musste wie ein gut gefüllter Fischteich auf die Art von Kriminellen wirken, die es auf die Reichen abgesehen hatten.
Daher würde es Addix überhaupt nicht überraschen, wenn sich solche Schurken irgendwo in der Nähe herumtreiben würden. Sie war sich sogar fast sicher, dass es welche gab . Das, was Peter neckisch ihren ›Spinnensinn‹ nannte, aber in Wirklichkeit das krönende Ergebnis ihres langen Lebens als Spionin war, verriet ihr, dass es töricht wäre, diesen Verdacht auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu verwerfen.
Zuerst hatte sie das vielsagende Jucken in ihrem Nacken auf starrende Gaffer geschoben, die es nicht gewohnt waren, eine Ixtali zu sehen. Doch das Jucken wurde nur noch stärker, selbst nachdem sie ihr Gesicht mit der Kapuze bedeckt hatte.
Glücklicherweise waren die Kinder sich ausnahmsweise einmal nicht der Situation bewusst. Addix hatte kein Problem damit, dass es dabei blieb, bis der Zeitpunkt kam, an dem sie handeln mussten. Schließlich begleitete sie die Zwillinge, um sie zu beschützen, also würde sie die beiden den Markt in vollen Zügen genießen lassen.
Alexis kam mit ihrem Bruder aufgeregt zu ihr hinübergelaufen. »Tante Addix, wir haben ein Geschenk gefunden! Komm und sieh es dir an!«
Nachgiebig ließ Addix sich von dem Kind an der Hand zu einem kleinen Gebäude ziehen, auf dessen Reklameschild ein ›nicht alltägliches Seherlebnis, das nicht von dieser Welt ist‹ versprochen wurde. Die Ixtali hielt am Schaufenster inne, um vorsichtshalber einen Blick hineinzuwerfen, aber das Glas war getönt.
Gabriel eilte schnurstracks zur Tür. »Komm schon, Tante Addix, wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir unseren Termin.«
Die Mandibeln der Ixtali zuckten interessiert. »Unseren Termin?«
Das Mädchen verdrehte die Augen und deutete zur Erklärung auf ein kleines Schild neben der Tür, auf dem ›Spezialisten für Reinszenierungen‹ stand. »Ja, Tante Addix. Ich habe Phyrro gebeten, uns einen Termin zu vereinbaren, nachdem wir dieses Schild entdeckt haben.« Sie lächelte die Ixtali strahlend an. »Wir werden Mami ein Video von ihren besten Szenen machen.«
Jetzt war Addix gründlich verwirrt. »Ihre besten Szenen?«
Gabriel nickte nachdrücklich. »All die Augenblicke, in denen sie den Leuten den Hintern aufgerissen hat!«, rief er erhitzt. »Können wir jetzt endlich reingehen? Bitteeeeee! «
Addix fiel es schwer, abzulehnen.
Warum hatte es bloß solche starken Auswirkungen auf sie, wenn die Zwillinge sie mit so großen Augen ansahen? »Selbstverständlich.« Sie verkniff sich den Hinweis, dass sie dieses Video auch zu Hause und dazu außerdem mit besserer Technik machen könnten. Letztendlich war es ihr Geschenk und sie sollten es sich aussuchen können. »Verfügt Phyrro über das nötige Material, das ihr für die Herstellung des Videos benötigt?«
Alexis warf der Ixtali einen durchtriebenen Blick zu und antworte in einem so gezwungen nachsichtigem Tonfall, wie es nur junge Menschen hinbekamen. »Tante Addix, es ist nicht diese Art von Video. Wir werden uns verkleiden und die Rollen spielen, so wie Mama es getan hätte, als sie in unserem Alter war. Der Künstler macht dann daraus so etwas wie einen Film.«
Gabriel hüpfte aufgeregt an der Seite seiner Schwester auf und ab. »Ich kann es kaum erwarten, Mamas Gesicht zu sehen, wenn wir ihr das Geschenk überreichen.«
Addix wollte sie gerade hineinführen, als sie von hinten geschubst wurde. Glas klirrte, als sie sich knurrend umdrehte, um die Bedrohung abzuwehren, und dabei fast mit dem Baka zusammenstieß, der sie angerempelt hatte und dem dabei ein Glasgefäß aus der Hand gefallen war.
Die Ixtali verlor das Gleichgewicht, stolperte vorwärts und trat wieder einmal auf den Saum ihres verfluchten Gewandes. Der intensive Geruch der schweren Gewürze, der sich in der Luft verbreitete, ließ sie würgen. Ihre vier Füße knirschten über das zerbrochene Glas, während sie sich bemühte der aufsteigenden Wolke aus starken Gewürzen auszuweichen.
Natürlich gewann sie recht schnell wieder ihr Gleichgewicht zurück und schüttelte den Baka ab, der sie angerempelt hatte, um nach Alexis und Gabriel Ausschau zu halten. Aber der Baka klammerte sich hartnäckig an ihren Arm, weigerte sich, sie loszulassen und machte noch mehr Aufhebens. Ärgerlich wirbelte sie zu ihm herum und der Ausdruck in seinen Augen verriet ihr die Täuschung. »Du hast das geplant!«
Ohne zu zögern versetzte Addix dem Baka mit dem Knauf des Messers, das urplötzlich in ihrer Hand aufgetaucht war, einen heftigen Schlag gegen die Kehle.
Ihr Gegner umklammerte würgend seinen Hals und stieß einen erstickten, gurgelnden Schrei aus. Addix zischte zornig, als sie die beiden Kinder nicht sofort entdecken konnte, zog das Messer zurück und brachte den Baka endgültig zum Schweigen.
Die Passanten schrien erschrocken auf und flüchteten nach allen Seiten, da sie solche Gewaltausbrüche nicht gewohnt waren.
Die wütende Ixtali knurrte wild und stürzte sich in die Menge.
»Das wird Tote geben« , schrie sie grimmig.
Südkontinent, High Tortuga
Peter und Akio stürzten sich auf Michael, um ihn zurückzuzerren, bevor er der riesigen Kreatur hinterherspringen konnte, um ihr seine Beute wieder abzunehmen.
Sie zogen sich eiligst zurück, als der Rand des Lochs weiter abbröckelte und die neu entstandene Grube um ein gutes Stück vergrößerte. Die gigantischen Pranken tauchten wieder auf, und ein missmutiges Brüllen erschütterte den Boden. Das Beben erweiterte den Krater mehr als ausreichend, damit die Kreatur ihr unterirdisches Versteck verlassen konnte. Sie stützte ihre unvorstellbar großen Pranken zu beiden Seiten des Lochs auf und zog sich mit einem ohrenbetäubenden Schrei heraus.
Eine haarige, sternförmige Schnauze erschien und schnupperte in der Luft. Ihr folgten der Kopf und ein gigantischer Körper, der kein Ende zu haben schien. Zu guter Letzt befand sich das Wesen über dem Boden und der Himmel verschwand, völlig verdeckt von der Bestie.
Peter boxte Akio gegen den Arm und lächelte erwartungsvoll. »Jetzt schau dir das mal an! Es muss wenigstens siebenmal so groß sein wie der Dinosaurier.«
Akio schlug zurück und grinste befriedigt, als der jüngere Mann daraufhin leise grummelnd seinen Arm rieb. »Ich habe wirklich keine Ahnung, was für eine Art von Kreatur das sein könnte. Allerdings bin ich nicht überzeugt, dass sie genießbarer ist als der Dinosaurier.« Er steckte sein Schwert in die Scheide und zog seine Jean Dukes Special aus dem Gürtel.
»Verdammte Scheiße … Aber vielleicht ist es auch egal.« Peter deutete auf den bis an die Wolken reichenden Kopf des Wesens, das sich zu seiner vollen Größe reckte und ohrenbetäubend kreischte. »Es könnte einfach durch Sauerstoffmangel ohnmächtig werden und durch den Aufprall sterben.« Er wich unwillkürlich zurück, als die Bestie auf alle Viere fiel und zwei Klauenfüße von der Größe einer Kleinstadt auf sie zukamen. »Ja, Scheeiiiiße! Ich hatte recht!«
Die Bestie landete mit einer Wucht, die das ganze Plateau erschütterte und eine gewaltige Schockwelle durch den Berg schickte. Sie öffnete erneut ihr Maul und brüllte, als ob sie verärgert wäre, dass man sie geweckt hatte.
Michael verdrehte die Augen und hob seinen Rucksack auf, dann kramte er nach seinen Kampfhandschuhen und einer neuen Klinge. Er befestigte die Scheide an seinem Gürtel. »Die Kreatur ist nicht tot, sie ist nicht einmal bewusstlos.«
Hungrig starrte er auf das monströse, unbekannte Biest, über dessen Spezies er nicht einmal eine Vermutung anstellen konnte. Es hatte auf jeden Fall Klauen und eine Menge verdammt großer und spitzer Zähne. »Ich glaube, uns steht eine Schlacht bevor, meine Herren.«
Peter legte Tabithas Gewehr auf dem Boden ab. »Hier gibt es keine Herren. Nur drei Typen, die auf einen Kampf aus sind.« Rasch zog er seine Kleidung aus und rollte sie zu einem Ball zusammen, den er zum anderen Ende des Plateaus warf, um ihn später zu holen. »Sieht so aus, als ob der Kampf, den wir uns alle gewünscht haben, die ganze Zeit unter unseren Füßen geschlafen hat.«
Anschließend bückte Peter sich, um das riesige Gewehr aufzuheben. Als er sich wieder aufrichtete, trug sein Gesicht einen raubtierartigen Ausdruck. Seine scharfen Zähne blitzten in einem wilden Knurren auf und er hatte ein Fell. Sein Pricolici-Grinsen war genauso fröhlich wie das, das er in menschlicher Gestalt gezeigt hatte.
Er krallte seine Pranken um den überdimensionalen Gewehrgriff. »Ess wirrrrd Zeiiit, dassss iich endliich mal zzuum Ssspiiielen kommee!«, heulte er.
Akio schaffte es nicht ein spöttisches Kichern zu unterdrücken, als Peter auf die Bestie zuraste und drehte sich zu Michael um, der gerade den sicheren Sitz seiner Schwerter in der Scheide prüfte. »Es hat ganz den Anschein, dass dir jetzt keine andere Wahl bleibt, als deine Jagdbeute zu teilen.«
Michael zuckte gelassen mit den Schultern. »Was sagen die Frauen doch gleich immer? Teilen macht Freude, nicht?« Er ballte die Fäuste in seinen Kampfhandschuhen, um den Energiefluss aus dem Aetherischen zu aktivieren. Die rohe Macht, die sich über die Haut seiner Arme bis zu seinem Hals ausbreitete, ließ ihn erschaudern. »Es werde Dunkelheit und möge Blitze regnen! «
Daraufhin verdunkelte sich der Himmel sofort.
»Diese Fähigkeit macht dich ja überhaupt nicht überheblich«, bemerkte Akio sarkastisch, als sie nebeneinander her rannten, um Peter einzuholen.
Michael lachte jubelnd. »Was soll ich sagen? Meine Frau weiß genau, wie man das perfekte Geschenk auswählt. Und ich habe fleißig geübt, mein Freund.« Michael griff nach der Energie des Sturms, der sich über ihren Köpfen entwickelte und übernahm die Kontrolle darüber. »Dabei fällt mir ein, ich frage mich wirklich, wie Addix und die Kinder auf Colonnara zurechtkommen.«
Der japanische Vampir schnaubte ungläubig. »Daran denkst du ausgerechnet jetzt? Wir stehen kurz davor, es mit der größten Kreatur aufzunehmen, die ich außerhalb der Videonachrichten gesehen habe und deine Gedanken verweilen bei Alexis und Gabriel?«
Michael ließ die Energie niederprasseln. Der Blitz stach nach der Bestie und trieb sie vom Rand des Plateaus weg, wo sie gerade hinunterklettern wollte. »Selbstverständlich denke ich immer an sie, auch jetzt. Dieser Bestie werde ich es nicht erlauben frei herumzulaufen, um den Planeten, auf dem meine Familie lebt, zu zerstören. Etwas weiter östlich von hier liegt ein großes, dicht bevölkertes Gebiet und wenn dieses Wesen es schafft, von dieser Hochebene herunterzukommen, wäre das eine Katastrophe für die Leute, die dort leben. Mal ganz abgesehen davon … kannst du dir überhaupt vorstellen, was Bethany Anne sagen würde, wenn wir diesen Schlamassel nicht in Ordnung bringen würden?«
Akio grinste spöttisch. »Natürlich geht es nicht so sehr darum, was sie sagen würde, sondern darum, wie sehr es schmerzen würde. Also, wie lautet der Plan?« Er nickte vielsagend in Richtung Peter. »Abgesehen davon, ihn wieder unter Kontrolle zu bekommen.«
»Ganz einfach. Zuerst halten wir diese Bestie davon ab, diese Hochebene zu verlassen. Dann töten, kochen und essen wir es.« Er warf Peter einen liebevollen Blick hinterher. »Weißt du, es ist wirklich schön zu sehen, wie sehr er sich amüsiert. Aber du hast recht, wir sollten ihn lieber ein wenig zurückhalten, während wir uns eine Vorgehensweise überlegen, wie wir die Kreatur am besten zur Strecke bringen können.«
In der Zwischenzeit tanzte Peter bereits leichtfüßig um die stampfenden Pranken des Monsters herum und feuerte mit Tabithas Gewehr wahllos nach oben. Seine Schüsse wechselte er gelegentlich mit bösartigen Hieben seiner Klauen ab und wich knurrend den schlurfenden Füßen der wütenden Kreatur aus.
Peter.
Peter ignorierte Michaels Stimme in seinem Kopf. Seine Pricolici-Instinkte beherrschten ihn völlig, sodass er nur den Wunsch zu töten kannte. Er war entschlossen, die Bestie im Alleingang zu erledigen … ein winziges Stückchen nach dem anderen, wenn es nötig sein sollte.
PETER! BEWEG DEINEN ARSCH HIERHER, BEVOR ICH DICH WIRKLICH ALS KÖDER BENUTZE.
Die Wucht von Michaels Befehl riss ihn aus seiner blinden Aggression. Er sprang geschmeidig zurück, als das Ungeheuer mit einem Fuß auf genau die Stelle stampfte, wo er eine Sekunde zuvor noch gestanden hatte.
Atemlos machte er sich auf den Weg zurück zu Akio und Michael, die ihn auslachten. »Waaas deeennn?«
Michael zog vielsagend eine Augenbraue hoch und zeigte spöttisch nach oben. »Das Gehirn der Kreatur liegt in dieser Richtung.«
Peter senkte verlegen den Kopf. Ich habe es nur auf die Probe gestellt. Das war nicht einmal ein Versuch es wirklich zu töten!
Michael klopfte ihm gut gelaunt auf den Rücken. »Mach dir nichts draus.«
Beide Männer starrten ihn ungläubig an.
Akio zog sarkastisch eine Augenbraue hoch. »Das geht jetzt aber zu weit. Wer bist du und wo zum Teufel ist der echte Michael Nacht abgeblieben?«
Peter winkte dem Japaner mit seiner Pranke zu. »Jaaaa, genau das will ich auch wissen.«
»Michael Nacht befindet sich im Urlaub. Ich bin jetzt gerade nur ein Mann, der mit seinen Freunden auf der Jagd ist. Ein Mann, der in den nächsten Minuten auf dem Rücken dieser Bestie stehen wird, also solltet ihr zwei euch beeilen, wenn ihr ebenfalls eine Kostprobe haben wollt, bevor sie stirbt.«
Peter machte Anstalten, anzugreifen, bremste sich aber mühsam, bevor der Instinkt wieder die Oberhand gewann. »Wie sollen wir eigentlich ein so verdammt riiiiesiges Wesen töten?«
Michael sah zu der Bestie auf und fühlte eine Verwandtschaft mit Insekten, die er bei einem Mann seines Alters und seiner Kraft nicht für möglich gehalten hätte. »Wir greifen das Gehirn oder das Herz an, aber da wir nicht wissen, wo sein Herz ist …« Im Vergleich zu der Herausforderung, vor der er jetzt stand, schien sein Kampf mit dem T-Rex regelrecht zahm gewesen zu sein. »Diese Kreatur ist so groß, dass sie vielleicht nicht einmal begreift, dass wir praktisch direkt vor ihren Füßen stehen.«
»Es gibt viele Käfer, deren Stich einen Menschen töten kann«, gab Akio genüsslich zu bedenken.
»Ich habe mich nur auf die Herausforderung gefreut, die vor uns liegt.« Michael ballte seine Hände in den Kampfhandschuhen zur Faust und genoss den Schauer der Vorfreude, der ihm über den Rücken lief, als die aetherische Energie um ihn herum knisterte. »Wir Menschen besitzen unsere besondere eigene Art von Stachel und daher sind wir dieser Aufgabe auch mehr als gewachsen.«
Das gigantische Wesen setzte sich schlurfend unbeirrt wieder in Richtung auf den Rand des Plateaus in Bewegung.
»Seid ihr bereit?«, fragte Michael. »Auf mein Zeichen hin nehmt ihr seinen Kopf ins Visier.«
Sofort hoben Akio und Peter ihre Waffen und machten sich bereit, auf die Bestie zu schießen.
Michael streckte einen Arm aus und rief Blitze auf den Rand des Plateaus herab. Sie blieben dort hängen, eine unmögliche Barriere, die leuchtend in der Luft schwebte.
Die Bestie hielt verblüfft in ihrem Vormarsch inne, um den schimmernden Vorhang zu untersuchen.
Völlig in Ehrfurcht vor dem knisternden Lichtvorhang erstarrt, der den Himmel erfüllte und den Rand der Klippe umhüllte, verpassten Michaels Begleiter ihr Stichwort.
Das Ungeheuer hob grollend eine Pfote und streckte sie aus.
Durch den Schock wurde es heftig zurückgestoßen und der überwältigende Geruch nach verbranntem Haar, der kurzzeitig über die Hochebene wehte, brachte die Männer zum Würgen.
Worauf wartet ihr noch? , beschwerte sich Michael ungeduldig. Er drehte seine Hand und der Vorhang aus Blitzen bewegte sich über das Plateau und trieb die Bestie in ihre Richtung zurück. Das war das Signal!
Reichen die Blitze nicht aus, um es zu Fall zu bringen? Akio konnte wegen des anhaltenden Donners und des ohrenbetäubend kreischenden Tieres, das sich für den Augenblick offensichtlich dazu entschlossen hatte, in die entgegengesetzte Richtung des weiß glühenden Vorhangs zu gehen, der ihm Schmerzen bereitet hatte, nichts hören.
Unglücklicherweise nicht , erwiderte Michael kopfschüttelnd. Das Biest ist einfach zu groß. Ich kann es auf der Hochebene halten, aber wir werden es auf die harte Tour erledigen müssen.
In Peters gelben Augen leuchtete ein ferner Glanz, als er die Kreatur verlangend betrachtete. Offenkundig fest entschlossen, das durch diese Blitze gebildete Hindernis zu überwinden, schlurfte sie wieder auf den Rand des Plateaus zu. Passt mal gut auf! Er rannte unvermittelt los, sprang mit einem Satz in die Höhe und hielt sich an einem der verfilzten Fellstränge des Tieres fest. Dann begann er, sich an der Flanke des Ungeheuers hochzuziehen.
Peter! Komm sofort da wieder herunter.
Ungeachtet Michaels nachdrücklich klingenden Befehls kletterte der Pricolici zielbewusst weiter.
Bleib ruhig, Mann. Ich habe alles im Griff.