Immersives Freizeit- und Trainingsscenario:
Schiffbruch im Weltraum
A lexis kam auf Händen und Knien aus der Wartungsluke gekrochen. »Das war die letzte Energiezelle. Wie viel Zeit haben wir noch, Tante Addix?«
Addix sah in ihrem Handbuch des Spiels nach. »Drei Stunden, mehr oder weniger.«
Das Mädchen runzelte irritiert die Stirn. »Ist es jetzt nun mehr oder ist es weniger?«
»Spielt das eine Rolle?«, konterte Gabriel leicht gereizt.
Seine Schwester verdrehte die Augen, während sie ihr Werkzeug zusammensuchte. »Ja, das tut es! Wenn uns nämlich noch zwei Stunden Arbeit bevorstehen, um das Schiff zu reparieren und wir aber nur eine Stunde und fünfzig Minuten Zeit haben, um es zu schaffen.«
»Vorausgesetzt, die von dir am EI-System vorgenommenen Provisorien halten, dann bleibt euch noch drei Stunden und zwölf Minuten Zeit, in der ihr schätzungsweise vierzig Minuten an Aufgaben zu erledigen habt.«
Alarmiert kniff Alexis die Augen zusammen und dachte angestrengt nach. »Wir müssen irgendetwas übersehen haben. Das ist zu viel Zeit, die uns bleibt. Ich wusste, dass es zu einfach war, als wir nur den Kern neu starten mussten. Schnell, ruf Phyrro auf, Gabriel.«
Er gehorchte seiner Schwester mit einem halb grimmigen und halb hoffnungsvollen Gesichtsausdruck. »Oder wir haben es wirklich gut gemacht und dieses Szenario in Rekordzeit geschafft.« Er drückte auf die Knöpfe und Schalter, aber nichts geschah.
Mit zu Fäusten geballten Händen stampfte Alexis wütend mit dem Fuß auf. »Ich wusste es doch!«
Aber dann flackerte der Holoprojektor doch noch auf und Phyrros freundliches Gesicht erschien. »Meinen Glückwunsch, Kinder. Ich habe euch beobachtet, und ihr habt euch beide bis jetzt außerordentlich gut geschlagen.«
»Bis jetzt?«, hakte Gabriel misstrauisch nach.
Die EI nickte ernst. »Wenn ihr mal einen Blick hinter euch werft, dann seht ihr dort ein rotes Licht blinken.«
Das Mädchen betrachtete stirnrunzelnd die Reihen von blinkenden roten und orangenen Lichtern rund um die Kommandozentrale. »Welches denn?«
Addix lachte unterdrückt.
»Gute Frage«, räumte Phyrro ein. »Dasjenige, auf das ich mich beziehe, gehört zu dem Deck mit den Stasis-Pods, deren Notstromversorgung in Kürze zu Ende geht. Die Energie kann erst wiederhergestellt werden, wenn die Transformatorenstation für dieses Deck repariert ist.«
»Was ist denn damit passiert?«, erkundigte sich Gabriel.
Phyrros Kopf wurde durch eine Karte des Schiffes ersetzt. Auf der Karte waren zwei Punkte zu sehen, ein grüner und ein roter. »Wir halten uns bei dem grünen Punkt auf. Der rote Punkt kennzeichnet den Transformator, der während des Stromstoßes durchgebrannt ist.«
»Reparieren die Wartungsroboter ihn nicht?«, fragte der Junge erstaunt.
»Nein«, erwiderte Phyrro. »Im Augenblick wird die gesamte verfügbare Energie von unnötigen Systemen abgezogen, um die Stasis-Pods in Betrieb zu halten.«
Addix’ Mandibeln zuckten nervös. »Das klingt für mich so, als ob die Gefahr bestünde, dass das gesamte System überlastet wird.«
»Das ist eine der möglichen Konsequenzen«, gab Phyrro nüchtern zu. »Allerdings ist es eher unwahrscheinlich, dass es dazu kommt … wenigstens sofern Alexis und Gabriel rasch genug handeln.«
»Kann ich ihnen dabei nicht helfen?«, schlug die Ixtali vor.
Phyrro verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Ich bezweifle stark, dass dir die Umgebung gefallen würde, Addix.«
Entschlossen hob Alexis ihre Werkzeugtasche auf und schlang sie sich über die Schulter. »Jetzt kommt schon. Die Zeit drängt.«
Die Ixtali begriff Phyrros früheren Einwand sofort, als sie an der Zugangsluke ankamen. Es handelte sich um eine knapp sechzig Zentimeter große, quadratische Platte, die sich am Fuß der Wand des Wartungskorridors zwischen dem Stasisdeck und dem darunter liegenden Deck befand. »Fühlt ihr euch bei der Aussicht wohl, da hineingehen zu müssen, Kinder?«, vergewisserte sie sich fürsorglich.
Alexis warf ihr einen spitzen Blick zu und kniete sich hin, um auf dem Bauch hineinzukriechen. »Aber natürlich, Tante Addix.« Sie rückte ihre Werkzeugtasche zurecht und drückte die Kamera- und Taschenlampentaste an ihrem Headset.
Ihr Bruder grinste unbekümmert. »Das ist aufregend«, versicherte er ihr. Er nahm ein langes Seil in die Hand und schlang eine Schlaufe, um die Tasche mit den Ersatzteilen an seiner Taille zu befestigen. Dann wickelte er sich den Rest des Seils über die Schulter und folgte seiner Schwester mit dem Kopf voran in den Kriechgang. Die Tasche zog er dabei an dem Seil hinter sich her.
Addix verfolgte ihre Fortschritte über die von den Kameras übertragenen Videos. Nachdem die Zwillinge sich auf dem Bauch durch ein kurzes Stück hinter der Zugangsluke geschlängelt hatten, wurde der Kriechgang breiter und ab da konnten sie sich auf Händen und Knien weiter vorarbeiten.
Von dort aus brauchten sie nur noch wenige Minuten bis zum Zugang zu der Transformatorenstation, und kurz darauf hatten sie das Zugangspaneel entfernt, sodass Gabriel mit dem Seil seine Schwester in den Raum hinunterlassen konnte, damit sie den ersten Transformator reparierte.
Alexis warf einen kurzen Blick auf den Aufkleber mit den Sicherheitshinweisen an der Zugangsplatte. »Wenn wir nur genügend Zeit für die Jetpack-Anzüge hätten.«
Zustimmend starrte ihr Bruder auf die Anzüge, die in einem Spind ganz in der Nähe aufbewahrt wurden. »Wir könnten doch … «
Aber Alexis schüttelte entschieden den Kopf. «Nein. Sie stellen ein klassisches Ablenkungsmanöver dar. Der einfache Weg ist niemals wirklich der einfache Weg, hast du das noch nicht begriffen?« Ungeduldig nahm sie Gabriel das Seil ab und band es unter ihren Achseln fest. »Lass mich einfach hinunter.«
Der Junge warf noch einmal einen sehnsüchtigen Blick auf die Jetpack-Anzüge und nahm aber das andere Ende des Seils. Er band es vorsichtshalber um seine Taille und spannte sich dann an, um ihr Gewicht zu halten.
Alexis landete in der Dunkelheit und löste das Seil. Das erste, was sie wahrnahm, war der Geruch von geschmolzenem Plastik oder etwas ähnlich Ekligem. Sie ließ den Lichtkegel ihrer Stirnlampe durch den Raum schweifen, während sie zwischen den hoch aufragenden Transformatoren hindurchging und nach der Quelle des beißenden Geruchs suchte.
»Alexis«, rief Gabriel von oben. »Pass auf, ich lasse dir die Ausrüstung runter.«
Gleich darauf schlug die Werkzeugtasche mit einem leisen Knall auf dem Boden auf. Alexis drehte sich gerade rechtzeitig um und sah, wie sich das Seil zurück zur Zugangsluke schlängelte. »Was tust du da?«
»Ich stelle nur sicher, dass du da unten nicht stecken bleibst, weil das Seil heruntergefallen ist«, gab ihr Bruder zurück.
Nickend griff Alexis nach der Tasche. »Gute Idee.«
Er ließ seine Taschenlampe ein paar Mal im Raum aufblitzen. »Du bist nicht die Einzige, die schlau ist.«
Seine Schwester seufzte nur und machte sich erneut auf die Suche nach dem durchgebrannten Transformator. Ihre feine Nase führte sie schon bald zu dem defekten Gerät, aus dessen Oberteil noch immer Rauchschwaden aufstiegen, wie sie beim Näherkommen sah. Sie zog an der manuellen Entriegelung und der Tank öffnete sich.
Ungeduldig klopfte Alexis mit dem Fuß auf den Boden, während sie darauf wartete, dass der Transformator aus dem Kühlmittel aufstieg. Als er endlich ganz oben war, begann sie damit, die geschmolzenen Spulen auszubauen und auszutauschen.
Siebenunddreißig Minuten später stand sie wieder unter der Luke und rief zu Gabriel hinauf: «Ich bin fertig!«
In der Luke oben zeigte sich sofort das grinsende Gesicht ihres Bruders, und das Ende des Seils kam gleichzeitig nach unten gepurzelt. »Großartig!«
Sie fing das Seil geschickt mit einer Hand auf und befestigte es wieder unter ihren Armen. Dann überprüfte sie noch einmal kurz ihre Ausrüstung, um sicherzugehen, dass sie nichts vergessen hatte und zerrte zweimal ruckartig an dem Seil, damit Gabriel sie hochzog.
Die Ixtali war nur froh, dass die Zwillinge heil und in einem Stück zurückkehrten. Die drei machten sich sofort auf den Weg zurück in die Kommandozentrale.
Als sie endlich dort ankamen, stürzte Alexis aufgeregt zu ihrer EI hinüber. »Haben wir es geschafft, Phyrro? Sind die Kolonisten in Sicherheit?«
Phyrros Kopf erschien wieder, aber diesmal umgeben von goldenen und silbernen Funken. »Herzlichen Glückwunsch, Kinder. Ihr habt diese Phase des Szenarios erfolgreich abgeschlossen.«
Jubelnd tauschten die Kinder einen High-five aus.
Addix’ Mandibeln zuckten vor Stolz. »Ihr habt diese Etappe mit einem zeitlichen Vorsprung von über einer Stunde beendet und ich finde, ihr habt euch damit eine Belohnung verdient. Was haltet ihr von einer Pause? Ich wette, eure Tante Tabitha würde sich über einen Besuch freuen.«
Mit einer geübten Geste rief Gabriel sofort sein Spielmenü auf. »Du hast immer die besten Ideen, Tante Addix!«
»Dann können wir auch Mama und Papa anrufen«, fügte Alexis hinzu. Sie rief ihr eigenes Menü auf und wählte das Ausgangsprotokoll. »Ich hoffe, sie haben es schon geschafft, die Bösewichte plattzumachen.«
Sie wachten in den Vid-Docs auf, neben denen Eve stand.
Die Androidin nickte in Richtung der Sitzecke. »Ich habe die Verbindung für euch bereits hergestellt. Euer Vater wartet schon auf euch.«
Die Zwillinge flitzten sofort zur Couch hinüber, wenn auch noch etwas wackelig auf den Beinen, nachdem sie eine Weile im Vid-Doc gewesen waren.
Addix und Eve beobachteten die Kinder liebevoll, während sie ihnen einen proteinreichen Imbiss zubereiteten. Sie hörten dem Gespräch nicht weiter zu, als Michael seinen Kindern erklärte, dass Bethany Anne im Augenblick telefonierte und dann nach ihrer Lektion fragte.
Die Ixtali nickte in Richtung des Mädchens. »Sie hat dein Szenario recht mühelos durchschaut.«
Eves gleichmütiges Gesicht verzog sich leicht. »Ich weiß. Dieses Kind hat den hellsten Verstand. Ich kann nur sagen, dass ich dankbar bin, dass sie nicht zur Zerstörung neigt.« Anmutig bewegte sie ihren androiden Körper um den Tisch herum und servierte den Imbiss. »Sie ist schon fast für die nächste Version des Spiels bereit.«
Addix’ Mandibeln schnappten erstaunt kurz auf. »Du hast ein neues Spiel gebaut?«
Aber Eve schüttelte den Kopf. »Nein, nur eine neue und verbesserte Version von diesem hier. Es befindet sich in der Endphase der Entwicklung. Im Grunde genommen handelt es sich größtenteils um das gleiche Spiel, bloß eben mit ein paar Verbesserungen. In psychologischer Hinsicht ist es jedoch ein großer Sprung für die Kinder. Ich habe John und Scott gebeten, es zu testen, aber aus irgendeinem Grund waren sie nicht besonders scharf darauf, sich in das ungetestete Modell zu wagen.«
Die Ixtali kicherte spöttisch. »Ich kann gar nicht verstehen, warum.«
In dem Augenblick kamen die Kinder lachend und miteinander plaudernd zu ihnen hinübergerannt.
Addix wies einladend auf den Tisch. »Ein kleiner Imbiss, meine Schätze, und dann sind wir bereit für den Rest des Tages.«
»Papa will noch mit euch beiden reden«, rief Alexis über ihre Schulter zurück.
»Ich glaube, wir machen eine Pyjamaparty!«, jubelte ihr Bruder begeistert.
Die Ixtali ging zum Sofa hinüber, stellte sich dahinter und stützte sich mit den Händen auf der Lehne ab. Eve stand direkt neben ihr, den Kopf zu Michaels Gesicht auf dem Bildschirm erhoben.
Harte Linien zeichneten sich jetzt in seinem Antlitz ab. »Meine Kinder haben mir gesagt, dass sie ihre Lektion frühzeitig abgeschlossen haben.«
Addix nickte stolz. »Das haben sie. Deswegen werde ich mit ihnen vor dem Abendessen Tabitha besuchen. Wie kommen die Dinge bei euch voran?«
Michael warf einen Blick zum Tisch hinüber, um sich zu vergewissern, dass die beiden Geschwister noch immer vollauf mit ihrer Mahlzeit beschäftigt waren, und senkte seine Stimme. »Die Situation ist eskaliert. Wir sind im Begriff, in das betreffende System aufzubrechen, obwohl wir uns sicherlich nicht viel länger als noch einen oder zwei weitere Tage dort aufhalten sollten.«
Die Ixtali nickte verständnisvoll und legte eine Hand auf ihre Brust. »Du und Bethany Anne könnt euch fest darauf verlassen, dass ich alles tun werde, um die Zwillinge bis zu eurer Rückkehr sicher und gesund zu halten.«
Michael lächelte liebevoll zu Alexis und Gabriel hinüber. »Ich weiß, dass wir uns auf dich verlassen können … deshalb habe ich auch kein Problem damit, dass Bethany Anne um Eves Anwesenheit ersucht.«
Bei dieser Erklärung horchte Eve interessiert auf. »Es wird auch langsam mal Zeit, dass ich etwas Action zu sehen bekomme.«
Er zog bei Eves Tonfall sarkastisch eine Augenbraue hoch. »Heute sind wir wohl ziemlich blutrünstig drauf, was?«
Von der Neckerei unbeeindruckt, zuckte die kleine Androidin nur mit den Schultern. »Diese Bastarde haben unsere Leute entführt. Ich habe Peter und Jian sehr gerne, insbesondere Jian, da wir viel Zeit damit verbracht haben, gemeinsam über die Existenz nachzudenken. Daher will ich sie zurückholen und diejenigen vernichten, die sie entführt haben.«
Daraufhin nickte Michael verständnisvoll. »Gut. Schnapp dir auch noch Akio, ehe du dich auf den Weg machst.«
Fragend legte Eve ihren Kopf zur Seite. »Was ist mit dem Rest der Bitches?«
Aber er schüttelte den Kopf. »Diese Außerirdischen verfügen über geistige Kräfte und Bethany Anne will ihre Jungs nicht gefährden. Daher nur du und Akio, aber bitte so schnell wie möglich. Du hast unsere Koordinaten.«
Nach einem knappen Nicken machte Eve sich sofort auf den Weg.
»Addix.«
Sie blickte in Michaels strenges Gesicht. »Ja?«
»Meine Frau und ich würden gerne wissen, wie deine Ermittlungen in Bezug auf die Entführung unserer Kinder voranschreiten.«
Die Mandibeln der Ixtali zuckten. »Ich werde meinen Bericht bei eurer Rückkehr fertig haben, Michael. Für morgen früh habe ich eine Unterrichtsstunde mit den Kindern geplant und ich erwarte bis zum Ende des Tages eine Rückmeldung von meinen Mitarbeitern.«
Er nickte langsam. »Noch eins. Finde eine Möglichkeit auch dafür zu sorgen, dass die Kinder anfangen zu lernen, wie sie sich in der realen Welt verteidigen können. Dieser Vorfall hat uns beide erschüttert, auch wenn die Kinder davon unberührt erscheinen.«
»In der Tat«, erwiderte Addix mit einem unterdrückten Lachen. »Wenn man Alexis und Gabriel reden hört, könnte man meinen, sie hätten das einfach nur im Spiel erlebt. Die beiden sind sehr widerstandsfähig, so wie ihr sie erzogen habt.«
»Das haben wir zum guten Teil auch dir zu verdanken«, erklärte Michael ihr warmherzig. »Du bist ihnen eine gute Tante.«
Büro im Lagerhaus, Erste Stadt, Devon
Sabine stand am Geländer und überblickte die lebhafte unten stattfindende Party von dem Laufgang aus, der sich vor dem Büro erstreckte. Die Veranstaltung war eindeutig viel beliebter, als sie es ursprünglich geplant hatten. Sabine hätte sogar den Befürchtungen von Demon Glauben geschenkt, wenn nicht der geschwätzige Xnarlon gewesen wäre und die Garantie, dass er/sie/es die Nachricht so weit verbreiten würde, wie die Leute nur bereit waren, dafür zu bezahlen.
»Wir haben Angreifer, sie treffen in fünf Minuten ein«, rief Ricole aufgeregt aus dem Büro.
»Verstanden«, bestätigte Sabine. Sie steckte sich die Finger in den Mund und stieß einen durchdringend schrillen Pfiff aus. »Alles klar, ihr hässlichen Arschgeigen! «
Daraufhin hagelte es gut gelaunte Beschwerden und Buhrufe seitens der Partygäste.
»Wen nennst du da hässlich, Schätzchen?«, rief eine Stimme gut gelaunt.
Sabine bedachte den Guardian mit einem strengen Blick und ließ ihre Augen aufblitzen. »Wen nennst du hier Schätzchen? Denn das ist ein guter Weg, um rausgeschmissen zu werden, bevor der Spaß überhaupt beginnt.«
Der Mann war so klug, die Klappe zu halten und hinter ein paar seiner Kumpels zu verschwinden.
Jacqueline kicherte, als sie die Treppe hinaufkam. Sie gesellte sich zu Sabine am Geländer und rief den Guardian Marines zu: »Dank dem Holzkopf McArschgesicht da drüben haben wir gerade unseren Zeitvorteil verloren. Die erste Gruppe ist schon an uns dran. Versucht, euch bei eurem Bemühen den südlichen Hof zu erreichen, nicht zu sehr zu verletzen … Ihr wisst schon? Da, wo der Kampf gerade losgeht.«
Es setzte ein wildes Gedränge ein, als die Menge aus dem Raum stürmte.
»HEY!«, brüllte Sabine ihnen tadelnd hinterher. »Was seid ihr eigentlich, ein Haufen Kleinkinder? Wo bleibt eure Disziplin! « Sie drehte sich zu Jacqueline um und schüttelte den Kopf. »Ehrlich, kaum schüttet man ein paar Drinks in sie hinein und schon vergessen sie, wie man sich benimmt. Alors tu vois, c’est vrai. Petits enfants, tous .«
Ihre Freundin zog verblüfft eine Augenbraue hoch. »Was genau hast du eigentlich in den Punsch gemischt, um die Werwölfe betrunken zu machen?«
Sabine tippte sich bedeutungsvoll an die Nase. »Eine Kleinigkeit, die Tabitha Akio geschickt hat und die er an mich weitergegeben hat.« Sie duckte sich hastig, als eine Drohne bedrohlich nah an sie heranflog. »Ricoooole! «, brüllte sie auf.
»Wo bleibt mein Drink?«, erklang die nörgelnde Stimme der Noel-ni aus dem Büro.
Jacqueline neigte den Kopf vielsagend in Richtung Tür. »An deiner Stelle würde ich sie lieber nicht sehr lange warten lassen.«
Sabine knurrte die nächste Drohne an, die im Sturzflug herangejagt kam. »Ricole! Hör sofort damit auf, oder ich werde Mark nicht sagen, dass er dich ablösen soll.« Sie stolzierte hinter den letzten Nachzüglern her.
Eine Angehörige der Marines—und das musste sie sein, denn ein Guardian hätte den Alkohol inzwischen verarbeitet—lehnte mit dem Rücken an der Kiste, die von der Bowlenschüssel gekrönt wurde. Die Arme locker um einen Stützbalken geschlungen, schnarchte sie leise.
Irgendein Komiker hatte es witzig gefunden, nicht nur dafür zu sorgen, dass seine Teamkollegin sich in einer halbwegs aufrechten Seitenlage befand – offensichtlich für den Fall der Fälle – sondern auch, dass sie den Stützbalken zu umarmen schien, als wäre er ihr bester Freund. Nämlich dank des Kabelbinders, mit dem sie sie daran gefesselt hatten.
Aus den Mundwinkeln der Bewusstlosen lief Speichel.
Was zum Teufel …?
Trotzdem schoss Sabine rasch ein paar Fotos für später und begann dann zu joggen, um Jacqueline einzuholen. Hier unten gibt es noch massenweise zu essen und zu trinken , erklärte sie Ricole. Du musst dich halt nur beeilen, es dir hochzuholen, dann geht das schon.
Mit langen Schritten folgte sie der Werwölfin durch die Tür.
Die Banden waren bereits in das Lagerhaus eingedrungen, als Sabine den langen Korridor erreichte, der zu den kleineren Lagerräumen führte. Um sie herum tobte der Kampf, und sie war mehr als bereit, hier und da zur Unterstützung eine Hand oder ihren Fuß anzubieten … oder sogar ihren harten Kopf … wie im Fall des Skaine, den sie im Vorbeigehen mit einem gezielten Kopfstoß ausschaltete.
Um welche der Banden handelte es sich hier? Das war schwer zu sagen, denn auf Devon gehörten die Mitglieder der Gangs praktisch allen Spezies an und keiner der Arschlöcher trug irgendetwas, um sich von den anderen zu unterscheiden, weil sie sich alle verdammt gut vom Sehen kannten.
Schätzungsweise war es nicht besonders schwierig, sich ein Gesicht zu merken, auf dem man schon einmal herumgetrampelt war.
Sie stand plötzlich direkt einem der Guardians gegenüber. Wenn sie sich nicht irrte, dann hieß er Jai. Der Werwolf war immer noch in seiner menschlichen Gestalt.
Automatisch hob er seine Dienstwaffe, die sie mit einem verächtlichen Blick wegschlug. »Du blöder Vollidiot, was treibst du denn damit hier unten?« Sie warf ihm ihre Ersatzwaffe zu, eine kleine, mehrschüssige Handfeuerwaffe, die sie bei einem der vielen zwielichtigen Waffenhändler in der Stadt erworben hatte. »Du bist heute Abend nicht im Dienst, also warum hast du die hierher gebracht? Willst du unbedingt vor einen Richter geschleift werden, um es zu erklären?«
Sie zog ihre JD Special, als sie das Heulen eines Blasters hörte, der sich in der Nähe entlud. Ein Energieblitz schoss über ihren Kopf hinweg und verfehlte sie nur um Millimeter. »Dämliches Arschloch!«, schrie sie den Baka mit dem Blaster an.
Diese verdammten Straßenbanden mit ihren geheimnisvollen Waffen. Sie hatten sich schnell mit den Straßenbanden rund um die Erste Stadt und ihrer Vorliebe vertraut gemacht, Schwarzmarktwaren zu verwenden, um noch mehr Schwarzmarktwaren zu erwerben. Das entsprechende Geheimnis bestand in der Regel darin, ob die Waffen nun schießen oder einfach vor den Augen des Benutzers explodieren würden.
Die von diesem Baka schien jedoch gut zu funktionieren. Er lud den Blaster für einen weiteren Schuss, aber Sabine war schneller. Ihre JD zuckte einmal in ihrer Hand hoch und der Blaster des Baka fiel zu Boden.
Sabine wollte sich gerade weiter durch den überfüllten Korridor drängen, als ihr verbessertes Gehör das bedrohliche Wimmern einer Rückkopplungsschleife auffing. Sie warf einen Blick nach hinten und sah den Blaster des toten Baka auf dem Boden neben seinem früheren Besitzer vibrieren.
Heiliger. Scheißdreck. »RÄUMT SOFORT DEN KORRIDOR!« , brüllte sie warnend.
Jacqueline schnellte von dem Gewirr an Noel-ni hoch, denen sie gerade etwas Verstand einprügelte. »Wa…?« Ihre Augen weiteten sich, als sie über dem Lärm des Handgemenges das Unheil verkündende Wimmern hörte.
In der nächsten Sekunde brach sie schon in bester Pricolici-Manier durch eine Wand. Sie steckte ihren Kopf durch das gerade von ihr geschaffene Loch wieder in den Gang und schrie über das Getümmel hinweg. »Aaalleeeee rrrraussss!«
Die eingeladenen Partygäste hörten auf Jacqueline und flüchteten eilends durch das Loch, während andere sich ebenfalls einen Weg durch die Wand schmetterten, um in den dahinter liegenden Raum zu entkommen.
Ganz im Gegensatz zu den ungeladenen Gästen.
Zwanzig Sekunden später trugen die zuvor langweilig grauen Wände des nun leeren Gangs einen schönen neuen roten Anstrich und Sabine hatte niemanden mehr, mit dem sie kämpfen konnte.
Ricoles verstärkte Stimme erklang aus jeder Drohne. Neuer Kontakt, westliche Eingrenzung.
Ihre Jean Dukes Specials im Anschlag, lief Sabine in Richtung zur Westseite des Lagerhauses. Auf ihrem Weg zur Tür kam sie an Aalia und Jai vorbei.
»Hey, Sabine«, rief Aalia ihr anerkennend zu. »Verdammt guter Schuss.«
Sie zwinkerte ihr vergnügt zu. »Beeil dich, dann bekommst du noch mehr davon zu sehen.«
Das ist sehr unwahrscheinlich , knurrte Demon von den Dachsparren herab. Jetzt bin ich auf Beutejagd. An mir kommt kein Eindringling vorbei!
Eine Granate krachte durch das Fenster am Ausgang ein. Sabine verlangsamte ihren Schritt nicht im Geringsten. Sie hob das fiese Ding mit einer fließenden Bewegung auf und warf sie zuvorkommenderweise zu ihrem Besitzer zurück, ehe sie hochgehen konnte.
Auch die restlichen Fenster gingen zu Bruch, als weitere Rauchgranaten in das Lagerhaus geschleudert wurden.
Sabine stellte ein paar schnelle Berechnungen an, während sie sich die beiden nächstgelegenen schnappte und diese ebenfalls wieder nach draußen schleuderte. »Wenn ihr den Rauch nicht vertragt, dann solltet ihr schleunigst von hier verschwinden«, brüllte sie spottend und griff nach den nächsten beiden Granaten, die ihren widerlichen Inhalt freisetzten.
Auch diese schleuderte sie zu ihrem Absender zurück, mehr als zufrieden über die erstickten Flüche der Eindringlinge. Dann hörte sie eine Stimme, die schimpfend vorschlug, Sprengstoff zu benutzen, um sich endlich Zutritt zu verschaffen. Dem folgte das Geräusch eines heftigen Schlags und ein scharfer Tadel von einer anderen Stimme, die sicherstellen wollte, dass ihre Beute unversehrt blieb.
Kannst du das mit den Drohnen einfangen, Ricole? , fragte Sabine über ihre interne Teamverbindung.
Sicher , erwiderte Ricole. Warte mal eine Sekunde …
Im nächsten Augenblick wurden die Gespräche der Angreifer draußen von den Drohnen laut wiedergegeben.
» Du wirst dieses Gebäude nicht zerstören, du pilzfüßiger Freak! Wer weiß, wo sie die Beute versteckt haben, wegen der wir schließlich gekommen sind? Willst du dir etwa diese ganze Mühe nur für einen Haufen Asche machen?«
Bei der Erwähnung von Fußpilz rümpfte Sabine angewidert die Nase und beschloss, dass derjenige, der ihn hatte, auf keinen Fall auch nur einen Zeh auf ihr Grundstück setzen würde. Mit ihrem verbesserten Gehör fiel es ihr nicht weiter schwer den Standort des Fußpilzes zu orten und sie tauchte an dem entsprechenden, zerbrochenen Fenster auf.
»Behalte gefälligst deine schimmeligen Füße da draußen«, brüllte sie, während sie ihre Pistole abfeuerte.
Das Aussehen des Eindringlings, auf den sie geschossen hatte, war ihr ein wenig unheimlich, denn er ähnelte tatsächlich irgendwie einem wandelnden Pilz. »Behaltet euren ganzen Schimmel da draußen«, berichtigte sie sich hastig, als sie sah, wie der tote Außerirdische zu feinem Staub zerfiel, der sich im Luftzug verteilte.
Sabine zog sich schleunigst zurück, bevor sie noch versehentlich etwas davon einatmete. Wer zum Teufel wollte schon einen toten Pilzburschen in der Lunge haben?
Von ihrem erhöhten Platz versuchte sie festzustellen, wie es den anderen erging. Überall um sie herum brachen kleine Scharmützel aus. Die ursprüngliche Idee, sich im Inneren zu verschanzen, um die Verteidiger des Turms zu spielen, hatte sich nicht so entwickelt wie Sabine es sich vorgestellt hatte. Aber die gute Nachricht war, dass keiner der Eindringlinge entdeckt zu haben schien, dass der von ihnen sogenannte Beutepreis zur Guardian hinaufgebracht worden war, um ihn dort sicher zu verwahren.
Eine Kugel zischte vorbei und ritzte eine heiße Linie entlang Sabines Wange. Sie erwiderte den Schuss mit einer Flechette und der Skaine, der auf sie geschossen hatte, ging zu Boden und stellte das Atmen ein.
»Angreifer von der Seite des Flusses aus«, verkündete Ricole. »Was für ein Glück. Da haben wir endlich Söldner, mit denen wir spielen können!«
»Hört sich schon besser an«, murmelte Sabine vor sich hin. Auf dem Weg dorthin schnappte sie sich Jacqueline, die davon nicht sehr begeistert war.
»Hau ab!«, knurrte die wütende Pricolici sie an. Dann wandte sie sich wieder dem Shrillexianer zu, mit dem sie gerade kämpfte.
Ohne mit der Wimper zu zucken, erschoss Sabine den Shrillexianer einfach, packte dann Jacqueline am Nackenfell und schüttelte sie kräftig durch, um sie zum Zuhören zu bewegen. »Überlass diese dämlichen kleinen Straßenschläger den anderen … es sind Söldner im Anmarsch. Die Konkurrenten unseres Auftraggebers haben endlich ihren Zug gemacht.«
Die Ohren der Pricolici richteten sich interessiert auf, als sie zu ihr heruntersah. »Waarrrum hassst du dasss denn nicht gleich gesssagt?«
Ihre Freundin verdrehte ihre Augen. »Das habe ich doch gerade. Jetzt komm schon, die glauben, sie können sich durch das Flusstor reinschleichen. Ich will deine Fallen in Aktion sehen.«
Sie flitzten durch das Lagerhaus und räumten im Passieren einige unvorsichtige Gegner aus dem Weg. Die beiden erreichten den südlichen Lagerraum in Rekordzeit, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie die erste Söldnergruppe vorsichtig durch das Flusstor trat.
Jacqueline lachte begeistert, als das Netz die erste Gruppe umhüllte und sie mit einem Ruck hochriss, sodass die Söldner dann hilflos unter der gewölbten Decke baumelten. Daraufhin kamen natürlich ihre Kumpels hereingestürmt, um sie zu retten, nur um von einem ganzen Hagel von JD-Munition niedergestreckt zu werden, die Sabine abfeuerte. »Keiner kommt hier durch, ihrrr Arrrrschlöcherrrr!«, brüllte sie vergnügt und erinnerte sich an die Szene aus einer Geschichte, die ihr Vater ihr erzählt hatte. Eine schöne Geschichte, die sie zu ihren heutigen Fallen inspiriert hatte.
Der Rest der Söldner drang ungeachtet dessen trotzdem weiter vor, offenbar unbeeindruckt von der Frau und der Pricolici.
»Ich zähle noch vierzig weitere«, stellte Jacqueline erwartungsvoll fest. »Sie stinken alle nach Schweiß und Verzweiflung.«
»Aber nicht mehr lange …« Sabine drehte sich auf der Stelle um fünfundvierzig Grad und schoss das Seil durch, das die ganzen Fässer festhielt, die sie zu beiden Seiten des Tores gestapelt hatten. »Jetzt!«
Auf das Kommando hin betätigte die Pricolici den Hebel, der das Tor schloss. Zehn Tonnen Schmiedestahl krachten ins Wasser und schnitten den Söldnern jede Fluchtmöglichkeit ab.
Die großen Fässer, nun ja … donnerten rollend ins Wasser, wo sie gegen die Söldner rammten, die es durch das Tor geschafft hatten.
Die Söldner kämpften zappelnd in dem kochenden Wasser um ihr Leben und versuchten die schweren Tonnen abzuwehren, bevor diese sie zerquetschen konnten. Zu ihrer Ehre sei gesagt, dass Sabine und Jacqueline seitens der Söldner keine Panik hörten.
Die Pricolici runzelte missbilligend die Schnauze. »Ach, es ist fast eine Schaaande, wenn wirrr das hierr in eine Schiiießsssbude verwandeln. Die haben bis jetzt jaaa noch nicht einmal Angssst.«
Ihre Kollegin zuckte nachgiebig mit den Schultern. »Wenn du unbedingt möchtest, dann können wir uns den nächsten Teil auch gerne für eine andere Gruppe aufheben. Natürlich müssen wir dann diese ganzen Fässer wieder stapeln, bevor wir das Tor öffnen …«
Nachdenklich schätzte Jacqueline die etwa dreißig großen Fässer ab. »Dass warr schon dass errsste Mal eine verdammte Scheißssarbeit, diessee Tonnen aufzzusstapeln.« Sie schüttelte den Kopf. »Wirrr bleiben bei unserrrem Plan.«
Sabine hob ihre Pistole und schaute Jacqueline an. »Bist du bereit?«
Die Augen der Pricolici leuchteten gelb im Halbdunkel. »Dasss weißsst du doch genauuu.«
Sie wichen rückwärts zum Ausgang zurück und von dort aus feuerte Sabine eine einzige explosive Ladung in ein besonderes Fass, das mit einem leuchtenden ›X‹ markiert war. Dann warfen sie sich durch die Tür und gingen in Deckung.
Vorsichtig spähte Sabine um den Türrahmen herum, um das Ergebnis zu sehen. Auch Jacqueline kam eine Sekunde später dazu, und sie sahen mit einem breiten Grinsen im Gesicht zu.
Das Fass explodierte und löste eine Kettenreaktion aus, die die Söldner glatt aus dem Wasser sprengte.
Sabines Grinsen verblasste, als sich der Regen aus zersplitterten Fässern und Körperteilen legte und sie den Schaden in dem Raum sah. »Ähm … ich glaube nicht, dass wir unsere Kaution zurückerstattet bekommen, wenn wir dieses Gebäude wieder verlassen.«
Ricoles bellendes Lachen kam aus dem Nichts. Jacqueline, die nun wieder in ihre menschliche Gestalt gewechselt war, und Sabine sahen auf und erblickten die Drohne.
»Großartige Arbeit, meine Damen«, jubelte Ricole begeistert von der Drohne aus. »Übrigens kommen gerade Guardians auf euch zu. Bemüht euch also, sie nicht zu erschießen.«
Es handelte sich um Aalia und Jai, die von Roman aus dem Team Zwei begleitet wurden.
Die drei Werwölfe blieben an der Tür zum Lagerraum stehen und starrten fassungslos auf die angerichtete Zerstörung. Jai strich sich sein dunkelblondes Haar aus dem Gesicht und stieß einen leisen Pfiff aus. »Ich glaube echt nicht, dass ihr eure Kaution für diese Gebäude zurückerstattet bekommt.«
Zu fünft gingen sie durch das Tor und begannen, die Söldner, die noch nicht verstorben waren, rasch und schmerzlos zu erledigen. Gnade und Ehre war ihnen immer noch wichtig. Nur weil die Söldner keine besaßen, bedeutete das nicht, dass die Teams sich so weit erniedrigen würden, die Söldner langsam und qualvoll sterben zu lassen.
Sabine ging an der rechten Seite des Einlaufbeckens entlang und hielt Ausschau nach den tödlich Verletzten. Aalia, Jai und Roman übernahmen die andere Seite.
Neben ihr kicherte Jacqueline vor sich hin. Oh mein Gott, hast du Jai gehört? Ihr zwei seid geradezu füreinander geschaffen , stichelte sie über ihre interne Verbindung.
Sabine warf ihr einen finsteren Blick zu. Das. Wird. Niemals. Passieren.
Die Werwölfin zuckte unbekümmert mit den Schultern. Was denn? Ich meine ja nur. Und es ist ja nicht so, als wäre zurzeit sonst noch jemand auf dem Spielfeld. Es sei denn, du schmachtest immer noch Akio hinterher. Du weißt aber doch, dass er schwul ist, oder? Du hast absolut nicht die richtige Anatomie für ihn.
Sabine sah zur Seite, denn in ihren Augen spiegelte sich ihr Schmerz wieder. Ganz automatisch erledigte sie einen Söldner, der einen riesigen Splitter im Nacken stecken hatte, aber irgendwie trotzdem immer noch darum kämpfte, den Rand des Wasserbeckens zu erreichen. »Lass es einfach sein«, murmelte sie dabei leise.
Jacqueline verzog das Gesicht. »Tut mir leid, heikles Thema.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit der Quelle des gequälten Stöhnens zu, das inmitten des Treibguts zu hören war, welches von der Strömung auf die Überreste des Tors zugeschoben wurde. Dann feuerte sie mit ihrer übergroßen JD Special ein paar Male in die Mitte der kochenden Masse, bis das Stöhnen verstummte. »Du brauchst sowieso keinen Mann. Schließlich ist es ja nicht gerade so, als ob du jetzt schon bereit wärst, sesshaft zu werden und eine Familie zu gründen, oder?«
Sabine zuckte mit den Schultern. »Nein, aber etwas Gesellschaft wäre manchmal schon ganz nett, wenn mein Bett leer ist.«
Daraufhin warf Jacqueline wieder einen vielsagenden Blick zu Jai. »Alsoooo …?«
Ihre Freundin schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein, er ist zwar ganz nett, aber ich fühle keine Verbindung zu ihm.«
Nachdem sie sich um die restlichen Söldner gekümmert hatten, gingen die beiden Frauen näher an das Tor heran, um den Schaden zu begutachten, während die drei Guardians zum zentralen Lagerhaus zurückkehrten.
»Es ist nicht so schlimm, wie es aussieht«, entschied Sabine und begutachtete das leicht zerknittert wirkende Tor. »Du kannst das doch wieder rausschlagen, oder?«
Die Werwölfin nickte zustimmend. »Wahrscheinlich. Für die restlichen Reparaturen müssen wir uns allerdings jemanden besorgen, der sie ordentlich durchführen kann. Müssen wir jetzt eigentlich hier bleiben und das Tor bewachen?«
Ihre Kollegin schüttelte den Kopf, als sie sich wieder der Tür zuwandte. »Nein, das ist überflüssig. Ricole kann eine Drohne darauf ansetzen.«
Daraufhin verwandelte sich Jacqueline erneut, rieb erwartungsvoll ihre Krallen aneinander und grinste ihr wölfisches Grinsen. »Dann lasssss unss endlich zurück zur Parrrtyyy gehen.«