Die Izanami, im Orbit um die Splitterwelt der Ooken
I zanamis Avatar schwebte mit rot blitzenden Augen über dem Boden der Brücke, gekleidet in traditionelle japanische Kleidung, über die sie eine fein gearbeitete Rüstung trug. Sie machte keinen Versuch, menschlich zu wirken. Das Gesicht ihres Kriegs-Avatars erschien so glatt wie bemalter Stein und die Luft um sie herum flimmerte sporadisch. »Meine Königin, ich werde mit meinem gesamten scharfgemachten Arsenal auf deinen Einsatzbefehl warten, dazu bereit jederzeit mit allen Flammenwerfern anzugreifen.«
»Du hast Flammenwerfer an Bord?«, hakte Michael verblüfft nach.
Er grinste Bethany Anne an, die ihre Augen verdrehte und sich wieder an das Anlegen ihrer Rüstung machte. »Das ist im Weltraum nicht gerade die praktischste Waffe. Aber diese neue Rüstung liebe ich einfach.« Für das neueste Modell benötigte man keine der üblichen Waffengurte oder Geschirre. Man klatschte sich einfach das Schwert auf den Rücken und konnte direkt loslegen.
Izanami blickte Hilfe suchend zu Eve hinüber.
Eve feixte kopfschüttelnd. »Du brauchst mich gar nicht anzuschauen. Du bist schon eine große KI.«
Zögernd wandte sich Izanami wieder Bethany Anne zu, die ihren Fuß auf eine der Sofas gestellt hatte, um ein paar Messer in ihre Stiefel zu stecken. Dann lächelte sie mit stolz erhobenem Kinn. »Mir steht viel mehr als ein einfacher Flammenwerfer zur Verfügung. Ich wurde für meine Königin geschaffen. Deswegen bin ich auch ›mit allen Schikanen‹ ausgestattet, wie Jean es so treffend formulierte, als sie meinen Sprungtorantrieb installierte.«
Daraufhin warf Bethany Anne Eve einen ironischen Blick zu. »Also war es Jean, die sich den Sprungtorantrieb ausgedacht hat, der unsichtbare Tore schafft?«
»Sie hat meine Entwürfe installiert«, stellte Eve sofort klar. »Vielleicht hat sie auch ein wenig daran herumgefeilt, aber das kann nie etwas Schlechtes sein, wenn es Jean ist, die daran herumtüftelt. Izanami ist wie Shinigami , aber ohne all die, ähm … Macken.«
Bethany Anne zog sarkastisch eine Augenbraue hoch. »Shinigami hat Macken? Vielleicht hat sich Barnabas bei den laufenden Berichten etwas zurückhaltend ausgedrückt.«
Die Androidin schaute gerade verlegen weg, als Izanami ihr Gespräch unterbrach. »Wir nähern uns der Kolonie.«
Bethany Anne kniff die Augen zusammen. »Gutes Timing, Izanami . Was zeigen deine Scans an?«
Izanami runzelte die Stirn und schaffte das irgendwie, ohne dass ihr perfektes Gesicht Falten sehen ließ. »Ich bin mir nicht sicher. Dort unten gibt es einen leeren Fleck, der sich über die gesamte Länge der Schlucht erstreckt und von dem ich nichts empfange. Irgendetwas blockiert mich.«
Verblüfft legte Eve ihren Kopf zur Seite. »Oh. Mich auch. Aber wie?«
»Spiele es auf dem Bildschirm ab«, Bethany Anne ging um ihre Couch herum, um sich die Monitore genauer anzusehen. Auf ihnen wurden endlose Felder von Maschinen angezeigt, die abrupt endeten, als das Land steil abfiel. »Da unten ist nichts.«
»Doch, da ist etwas«, beharrte Eve hartnäckig. »Schaut mal, ich habe eine Drohne geschickt.«
Die winzige, insektenförmige Drohne ließ sich von der Klippe fallen und sofort verschwand dann ihr Signal auf dem Monitor.
Bethany Anne runzelte die Stirn. »Na schön, du hast recht. Da unten ist offenbar irgendetwas .«
Izanami verschwand und tauchte eine Sekunde später wieder auf. »Ich habe eine geothermische Messung vorgenommen. Das ist das Beste, was ich hinkriegen kann.«
Sie projizierte die Daten auf die Bildschirme. Bethany Anne, Michael und Akio standen auf und gingen langsam im Kreis, um sie genauer zu überprüfen.
Kurze Zeit später runzelte Akio die Stirn. »Ich kann zwar grobe Umrisse erkennen, aber absolut nicht ausmachen, was sie sind.«
Eve stand ebenfalls auf und wies auf den Bildschirm, der das andere Ende der Schlucht zeigte, die in Wirklichkeit das Ergebnis eines uralten verheerenden Vulkanausbruchs war. »Dort gibt es eine weitere Anomalie. Sie betreiben die Kolonie mit geothermischer Energie. Die Dampfschlote hier und die Wärmesignatur, die ins Tal zurückführt, sind ein deutlicher Beweis dafür.«
»Gut erkannt.« Bethany Annes Blick folgte den verdächtig geraden Hitzelinien, die in einem nur ein wenig dunkleren Quadrat auf dem Bildschirm mündeten. »Es geht von hier raus«, erklärte sie.
Eve nickte. »Das dürfte ihr Kraftwerk sein.«
»Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Sicherheitskräfte der Kolonie in einem der nahe gelegenen Gebäude untergebracht sind«, fügte Izanami hinzu. »Vielleicht in diesem hier.« Sie markierte ein größeres Gebäude und danach noch ein weiteres, viel größeres Objekt im Zentrum der Kolonie. »Obwohl dieses große hier vermutlich ein weiterer Kandidat ist, der mit hoher Wahrscheinlichkeit sogar der Ort sein könnte, an dem sie ihre Geiseln festhalten.«
»Okay, wir haben also Außerirdische mit geistigen Kräften. Sie haben nur EIs, aber diese sind verdammt mächtig. Sie haben Zugang zu Technologien, die meine Bemühungen, vor dem Springen einen Blick hineinzuwerfen, blockieren können. Weiterhin setzen sie Technologie auf völlig unterschiedlichem Niveau ein … und die stammen von verschiedenen Spezies.« Bethany Anne, die nervös hin und her geschritten war, blieb abrupt stehen. »Verdammte Scheiße, sie sehen sogar aus, als ob sie aus verschiedenen Spezies geschaffen worden wären. Was sind das für Leute? Sind es Plünderer?«
»Was sollten die Kurtherianer denn mit einer Plünderer-Kultur anfangen?«, wandte Akio ein.
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich habe nicht die geringste Ahnung. Bei dem letzten Mal, als wir aufeinander getroffen sind, habe ich sie ganz schön angeschlagen zurückgelassen.« Unruhig setzte sie sich wieder in Bewegung. »Ihnen ist vielleicht keine andere Wahl geblieben, nachdem ich ihnen die Scheiße aus ihrem erbärmlichen Leib geprügelt habe. Ich frage mich nur, woher diese Aliens eine Technologie haben, die meine übertrifft, wenn sie nicht von den Kurtherianern kontrolliert werden?«
Darauf fiel niemandem eine Antwort ein.
»Keine Ideen?« Bethany Anne seufzte ungeduldig. »Dann ziehen wir halt los und finden allein heraus, was da unten ist. Akio, Eve, ihr übernehmt das Gebäude in der Nähe des Kraftwerks. Michael und ich knöpfen uns das in der Mitte der Kolonie vor. ADAM, du machst dein Ding und sorgst dafür, dass wir nicht von denjenigen erwischt werden, die hier als Sicherheitskräfte gelten.« Sie streckte Eve auffordernd eine Hand hin. »Lasst uns gehen.«
Bethany Anne und Michael brachten die beiden anderen durch das Aetherische vom Schiff auf den Planeten hinunter. Sie kamen ein paar Kilometer von dem Rand der Schlucht entfernt heraus, der nach ihren Erkenntnissen den äußeren Rand der Kolonie markierte.
Sobald sie unten waren, spürte Bethany Anne die Hitze und wünschte sich fast, sie könnte schwitzen. »Warum muss es bei diesen Einsätzen nur immer so verdammt heiß sein? Langsam verstehe ich, was Tabitha meint. Bei der nächsten Mission gehen wir an irgendeine Stelle, die in etwas gemäßigteren Breitengraden liegt, damit ich nicht in meiner Rüstung koche.«
>>Das kann ich in Ordnung bringen.<< ADAM justierte die inneren Temperaturregler der Rüstung entsprechend.
Danke! Bethany Anne atmete erleichtert auf, als sich die Kühle über ihren Körper ausbreitete. »Schön, das ist schon etwas besser. Lasst uns losziehen, um ein paar gottverdammte Wichser mit sich schlängelnden Mäulern zu vermöbeln und Peter nach Hause zu Tabitha zu bringen… und ihrem Baby. Und das am besten, ehe sie besagtes Baby bekommt.«
Michael zog eine Augenbraue hoch. »Es ist nicht mehr sehr weit bis zur Kolonie und wir haben eine ungefähre Vorstellung davon, wo sich unsere Ziele befinden.«
>>Ich bin in ihren Systemen.<< ADAM schwieg kurz. >>Okay, ich habe die Kontrolle über die Sicherheitsmaßnahmen der Kolonie. Ähm …<<
Ähm, was? , verlangte Bethany Anne zu wissen.
>>Immer langsam mit deinen jungen Pferden, wenigstens einen Augenblick lang. Sie verfügen über etwas Ähnliches wie CEREBRO, nur dass diese EI-Gruppe vollständig versklavt ist.<<
Bethany Anne runzelte die Stirn. Bekommst du das in den Griff?
ADAMs trockener Tonfall war nicht zu überhören. >>Sind die Skaine zum Stehlen, Lügen und Betrügen geboren?<<
Dann viel Spaß beim Erledigen des Problems.
>>Ich werde mein Bestes tun<< , antwortete er und im nächsten Moment war seine Präsenz verschwunden.
Der Wortwechsel erhöhte Michaels Sorgen beträchtlich. Hat er gesagt, ob er noch die Kontrolle über die Sicherheitskräfte der Kolonie hat?
Bethany Anne wusste es nicht und ADAM antwortete zurzeit nicht. Izanami, haben wir die Kontrolle?
Im Moment nicht , erwiderte die KI. Und ich bin gerade ziemlich damit beschäftigt, ADAM zu unterstützen.
Was ist denn los? , mischte sich Eve ein. Benötigt ihr meine Hilfe?
Nein. Wir haben das hier im Griff , versicherte Izanami ihnen. Allerdings rate ich zur Vorsicht bei der Anwendung von aetherischen Kräften.
Völlig überrascht zog Bethany Anne ihre Augenbrauen hoch. Glaubst du etwa, dass sie das Aetherische wahrnehmen können?
Das weiß ich eben nicht , gab die KI zu. Deshalb rate ich euch ja auch, dass ihr euch unseres mangelnden Wissens bewusst seid und entsprechend handelt.
In dieser Hinsicht werden wir die Vorsicht in Person sein , verkündete Bethany Anne allen. Wir sind zwar alle resistent gegen Gedankenkontrolle, aber das bedeutet auch, dass wir nur zu viert gegen Tausende von aggressiven Außerirdischen antreten … und das in ihrem Hinterhof. Sie blickte stirnrunzelnd zu dem Labyrinth dieser ganzen Maschinen hinüber. Aber ich habe volles Vertrauen, dass wir alle lebend herausbringen können, ohne dass gleich die gesamte Kolonie mitbekommt, dass wir hier sind.
Akio trat neben Bethany Anne und schaute ebenfalls über das Meer von Maschinen hinweg. Allerdings müssen wir als Erstes unbemerkt die Entfernung zwischen unserer derzeitigen Position und der Kolonie überwinden.
Die vier bahnten sich vorsichtig ihren Weg durch endlose Reihen von Bewässerungspumpen, die immer größer wurden, je tiefer sie in die Felder vordrangen, bis die Lastkräne, an denen sie vorbeikamen, gigantische Metallungetüme waren, die große Teile des Himmels verdunkelten und die Landschaft überragten.
Sie gingen paarweise vor und gaben sich gegenseitig Deckung, während sie nach dem besten Weg zwischen den Kränen suchten und die mit Wachtürmen gekrönten Lagertanks weiträumig umgingen.
Können wir wirklich nicht durch das Aetherische gehen? , erkundigte sich Eve nach einer Weile.
Bethany Anne schüttelte den Kopf. Das würde es ihnen zu leicht machen, wenn sie tatsächlich den Einsatz aetherischer Energie entdecken können. Sie führte sie zu dem Punkt im Labyrinth, an dem sie sich trennen würden. Es war eine Kreuzung, die das Netz von Eisenbahnschienen verband, das überall verlief, wo sie hinsahen. Aber ich würde es auch dann nicht tun, selbst wenn sie das nicht könnten. Nein. Es ist einfach zu mühselig, deinen metallenen Hintern da durchzuschleppen und ich weiß nicht, was sich da unten befindet.
Eve zuckte mit den Schultern und ging weiter.
Die vier schlängelten sich durch die Lücken zwischen den Gleisen. Es gab eine Menge anderer, wahrscheinlich essenzieller Maschinen, die alle lautstark im Hintergrund arbeiteten. Der Lärm übertönte bei Weitem die wenigen Geräusche, die sie verursachten.
Bethany Anne führte die Gruppe in den Schatten unter der Stütze eines der Kräne. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Bereich frei war, wandte sie sich an die anderen und stellte fest, dass diese sich mit ähnlich wachsamen Blicken umsahen. »Ruft die Karten auf.«
Michael und Akio vollführten automatisch die erforderlichen Augenbewegungen, um die grobe Karte auf ihren Helm-HUDs einzublenden.
Sie nickte zufrieden. Dann schaltete sie auf die interne Kommunikationsverbindung ihres Helms um. »Eve und Akio, ihr wisst, wo ihr hin müsst.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
Der Japaner erwiderte ihr Nicken mit einer winzigen Neigung seines Kopfes.
Die Androidin grinste erwartungsvoll. »Wir werden in einem aktiven Vulkan herumstochern, um nach unseren Leuten zu suchen.« Sie legte den Kopf schief. »Ach ja, und natürlich jederzeit bereit sein, ein totales Chaos anzurichten, wenn es notwendig werden sollte, um alle zu retten.«
Missbilligend schürzte Michael die Lippen. »Du siehst bei der Aussicht, Chaos zu stiften, wirklich viel zu begeistert aus.«
»Was soll ich sagen?« Eve zuckte mit den Schultern. »Ich hatte schon seit ewigen Zeiten keinen guten Kampf mehr.« Sie blinzelte und machte sich auf den Weg, weil sie das Warten satthatte. »Akio, lass uns gehen.«
Bethany Anne winkte ihren Mann weiter und duckte sich in den Schatten eines Lagertanks am Ende des Ganges, während sie auf ihn wartete. »Aber bleibt in Verbindung«, rief sie ihnen hinterher, »und haltet euch außer Sichtweite. Mir gefällt es nicht, dass ihr beide allein unterwegs seid, während wir uns mitten in Tentakel-City aufhalten.«
Akio lachte leise. Es wird alles perfekt gut gehen. Hast du schon vergessen, dass wir auf der Erde eine ganze Weile ohne einen von euch ausgekommen sind?
Als die beiden ein paar hundert Meter entfernt im Schatten der Maschinen verschwanden und in Richtung Kraftwerk gingen, verdrehte Bethany Anne die Augen. Dann vergewisserte sie sich kurz, dass sich die Punkte, die sie auf ihrer Karte im HUD darstellten, auch entsprechend bewegten.
Währenddessen wandte sie sich mit Michael in Richtung der Schlucht. Dort hofften sie, einen einigermaßen sicheren Weg zu finden, um die steilen Klippen hinabzusteigen, die die Ooken vor Entdeckung schützten.
Michael überholte Bethany Anne und ging vor ihr her, um die weiter vorne liegende Kreuzung zwischen dem Pfad, auf dem sie sich befanden, und einem Gleis für Eisenbahnwaggons auf feindliche Bewegungen zu überprüfen. Er hob eine Hand, um Bethany Anne aufzuhalten, und wies auf zwei Ooken-Wächter hin, die sich nur eine kurze Strecke vor ihnen an der Mündung der Passage postiert hatten. Sie standen genau dort, wo Bethany Anne und Michael als Nächstes hingehen mussten.
Schütze dich selbst. Ich habe nämlich einen neuen Trick gelernt , wies Michael sie an. Er stieß eine Welle der Verzweiflung aus, die eine schwächere Frau in die Knie gezwungen hätte.
Natürlich hatten die Ooken keine Vorwarnung. Daher führte Michaels an die Hirnströme um ihn herum angepasster Fokus bei ihnen zu einer augenblicklichen Lähmung. Ihre Tentakel zuckten wild, während ihre Körper durch Unentschlossenheit paralysiert wurden.
Bethany Anne zog nur anerkennend eine Augenbraue hoch und winkte ihrem Mann mit der Hand zu, als die beiden Wachen auf die Knie fielen und ihre Tentakel immer noch unkontrolliert zuckten. Das ist nett.
Ihr Mann grinste wölfisch. Deine Lektionen waren überaus lehrreich, mein Liebling. Wissen Akio und Eve eigentlich, wo sie abgeholt werden?
Sie zuckte mit den Schultern und tippte vielsagend gegen ihren Helm. Frag sie doch.
Er warf einen Blick auf sein HUD. Ach, ja. Natürlich. Eve, hast du die Standortdaten für unser Rendezvous gespeichert?
Ja, Papa , erwiderte Eve sarkastisch. Wir waren auch schon auf der Toilette und unsere Namen sind auf unsere Unterwäsche gedruckt. Ich weiß auch, dass ich mein Gemüse aufessen und ‘Ja, Sir’ und ›Ja, Ma’am‹ sagen muss. Dürfen wir jetzt gehen und endlich unsere Arbeit erledigen?« Es trat eine kurze Pause ein, bevor sie sich erneut meldete und dieses Mal klang ihre Stimme etwas zerknirschter. »Bitte?«
Über die geistige Verbindung war Akios Kichern im Hintergrund deutlich zu hören.
Bethany Anne schnaubte belustigt. Das nehme ich doch an. Passt auf euch auf, Kinder.
Oh, das werden wir , versprach Eve.
Mechanische Felder, Außenbezirke der Kolonie,
Splitterwelt
Bethany Anne und Michael hielten sich, soweit es möglich war, außer Sichtweite und überquerten schnell die Kreuzungen, an die sie kamen. Dabei nutzten sie alles, was die Umgebung an Deckung bot, während sie sich vorsichtig auf den Rand der Schlucht zubewegten.
Sie müssen schon eine ganze Weile hier sein , bemerkte Bethany Anne und nickte in Richtung einer rostigen Maschine, deren riesiges Stützwerk von jahrelangem Rankenbewuchs bedeckt zu sein schien. Um all das hier zu bauen. Natürlich nur, sofern sie nicht einfach die ursprüngliche Bevölkerung getötet haben und hier eingezogen sind.
Ihrer Einschätzung musste Michael zustimmen. Diese Art der Infrastruktur kann man sicherlich nicht über Nacht errichten. Sie näherten sich dem Ende der mechanischen Felder, die sich ins Unendliche zu erstrecken schienen. Die ständig pumpenden Maschinen wechselten sich mit riesigen Tanks ab, die Bethany Anne die Sicht auf den richtigen nach draußen führenden Weg versperrten.
Ich muss mir eine andere Perspektive verschaffen , bemerkte sie beiläufig.
Daraufhin zuckte Michael ungerührt mit den Schultern. Ich denke, dass du in dieser Sache ein recht gutes Urteilsvermögen gezeigt hast.
Sie blickte ihren Mann mit zusammengekniffenen Augen giftig an und deutete vielsagend mit dem Daumen auf eine Leiter, die an der Seite eines nahe gelegenen Tanks hochführte. Ich meinte, dass ich da hinaufklettern sollte, um mir einen Überblick zu verschaffen.
Zusammenzuckend zog er eine Grimasse und wechselte rasch das Thema. Das wäre eine gute Idee. Wir hätten ein paar von Eves Minidrohnen mitnehmen sollen. Er sah erleichtert aus, weil ihm eine Ausrede eingefallen war, um sie abzulenken.
Dem Fettnäpfchen bist du noch lange nicht entkommen , versicherte ihm Bethany Anne drohend. Sobald wir wieder zu Hause sind, darfst du mir gerne genauer erläutern, wie oft du mein Urteilsvermögen für unzureichend gehalten hast. Sie duckte sich, um einem Gewirr von gewundenen Rohren auszuweichen, die zwischen den riesigen Tanks verliefen und von denen Kühlflüssigkeit in die staubige Erde darunter rieselte.
Bethany Anne bemerkte, wie das verschüttete Kühlmittel zu klebrigen, glänzenden Pfützen zusammenlief. Sie achtete sorgfältig darauf, nichts von dem zähflüssigen Dreck auf die Stiefel ihrer Rüstung zu bekommen, als sie sich auf den Weg zur Leiter machte.
Es fiel Michael schwer, ein Lachen zu unterdrücken. Du läufst wie eine Frau, die in dem Stall eines Bauernhofes Louboutins trägt , stichelte er gut gelaunt.
Bethany Anne drehte ihren Kopf und warf ihrem Mann einen bösen Blick zu. Ich laufe wie eine Mutter, die keine Verbrennungsmale tragen will, während sie ihre Kinder heute Abend ins Bett bringt.
Aufmerksam hielt Michael geistig Ausschau, um sich zu vergewissern, dass ihre nähere Umgebung sicher war, während Bethany Anne an der Seite des Tanks hochkletterte. Wenige Augenblicke später lehnte sie sich über den Rand. Wir sind schon fast am Rand der Schlucht.
Glaubst du wirklich, dass wir heute Abend schon zu Hause sein werden? Michael lächelte versonnen, als Bethany Anne geschmeidig neben ihm landete. Das wäre schön. Wir sind schon zu lange von Alexis und Gabriel getrennt.
Es fühlt sich wirklich so an, als ob wir in letzter Zeit oft weg gewesen sind. Bethany Anne bewegte sich vorsichtig vom Schatten einer klobigen Maschine zur nächsten und seufzte. Ich lasse sie wirklich nur ungern zurück, aber welche Wahl bleibt uns denn? Wir können sie ja nicht mit in einen ausgewachsenen Krieg nehmen.
Wenn wir neue Stützpunkte bauen, wird es für uns einfacher sein, gemeinsam zu reisen. Michael wich geschickt der nächsten Pfütze aus und gesellte sich zu ihr in den Windschatten der massiven, rasselnden Pumpe. Ihre Kräfte werden sich sehr früh manifestieren und dann können wir sie überallhin mitnehmen, wo wir hingehen. Er brauchte das Gesicht seiner Frau nicht zu sehen.
Er konnte ihre hitzige Missbilligung förmlich spüren.
Bethany Anne stöhnte auf. Doch nicht das schon wieder, oder?
Ihr Mann übernahm erneut die Führung. Ja. ›Das‹, wie du es so schön ausdrückst, ist eine Entscheidung, die wir treffen müssen, und zwar bald. Beabsichtigst du unsere Kinder etwa auf High Tortuga zurückzulassen, wenn wir die Kurtherianer aufspüren?
Der Gedanke, für längere Zeit ohne ihre Babys zu sein, ließ Bethany Anne schwankend werden. Scheiße! Nein? Ein paar Wachen kamen in Sicht. Wir können jetzt nicht darüber reden.
Richtig. Es kann warten, bis wir zu Hause sind , räumte Michael ein und schob sich an Bethany Anne vorbei, um den Wächtern die Köpfe abzuschlagen, ehe die beiden sie entdeckten. Du musst zugeben, das ist ein kluger Ort für ein Versteck.
Inwiefern das denn? , erwiderte Bethany Anne und lief eilig an ihm vorbei, während er sie deckte. Es ist so dumm wie Schifferscheiße, an so einem Ort wie diesem unterzutauchen.
Zur Verdeutlichung wies sie auf die große Pfütze am Fuß des Tanks, den sie gerade als Deckung benutzte, während Michael die Kreuzung überquerte. Das schreit doch geradezu danach, in Flammen aufzugehen. Ein verirrter Funke an der falschen Stelle und BUMM. Sie drehte sich wieder zu Michael um und demonstrierte die Explosion mit ihren Händen. Diese ganze Klippe wird durch einen Krater ersetzt und damit ist dann auch jegliche Chance dahin, dass wir irgendjemanden oder auch nur uns selbst hier lebend herausbekommen.
Ich habe schon Schlimmeres überlebt als ein bisschen Feuer. Michael übernahm wieder die Führung. Und genau das meinte ich gerade. Da wir wissen, dass die Ooken zumindest einigermaßen intelligent sind, wären wir nie auf die Idee gekommen, hier zu suchen, wenn uns nicht zufälligerweise die Informationen zur Verfügung gestanden hätten, die uns den Weg gewiesen haben.
Er deutete auf eine weitere Patrouille und Bethany Anne machte sich auf den Weg, um sich um sie zu kümmern.
Das stimmt wohl , gab Bethany Anne dann zu und wartete darauf, dass er sie wieder einholte. Peter, Jian und die anderen stecken irgendwo da unten. Sie müssen es einfach sein.
Michaels Gesicht war hart. Gott helfe den Ooken, wenn das nicht zutreffen sollte.
Aber daraufhin schnaubte Bethany Anne nur abfällig. Kein Gott wird die Arschlöcher retten, die sie entführt haben. Man muss ihnen beibringen, so einen Scheiß nicht noch einmal zu machen.
Abwechselnd die Führung übernehmend, drangen sie weiter vor, bis sie eine größere Kreuzung erreichten, die aus zwei entgegengesetzt führenden Hauptwegen gebildet wurde. Sie hielten inne und sahen sich unschlüssig die beiden Pfade an.
Bethany Anne meldete sich wieder kurz bei den anderen. Akio, Eve, habt ihr einen Weg nach unten gefunden?
Eves Antwort kam sofort. Ja, aber wir sind noch nicht auf das Kraftwerk gestoßen, nur auf die Aliens. Bethany Anne? Sie haben Waffentechnologie, die hundertprozentig aus den verschiedensten Quellen stammt. Vielleicht ist deine Plünderer-Theorie doch nicht so abwegig.
Ein Quartett von Ooken-Wachen tauchte aus einem Seitenweg auf, den sie zuvor übersehen hatten, und nahm ihnen die Entscheidung ab. Die Wächter streckten in Vorbereitung auf den Angriff eifrig ihre Tentakel aus.
Das würde mich überhaupt nicht überraschen. Macht weiter und gebt mir Bescheid, wenn ihr etwas findet.
Das werden wir , bestätigte Eve knapp und unterbrach die Verbindung.
Bethany Anne zog ihre Schwerter vom Rücken und stürmte auf die Wächter zu. Ihre Klingen blitzten immer wieder auf, als sie sich mit geübten Schritten durch die Gruppe bewegte.
Michael seufzte und steckte sein Schwert weg. Jedes Mal, Bethany Anne. Jedes verdammte Mal das Gleiche!
Seine Angetraute drehte sich noch einmal um und grinste ihn breit an, bevor sie weiterging. Ihre Schwerter hielt sie dabei in einem lockeren Griff. Was soll ich sagen? Der frühe Vogel fängt nun mal den Wurm. Sie stieß einen ihr im Wege liegenden Tentakel, der noch zuckte, mit dem Fuß an und musterte ihn mit Abscheu, ehe sie mit einem großen Schritt über ihn hinweggingt. Igitt. Was für ekelhafte Würmer.
Er schnaubte abfällig und schlüpfte um sie herum, um einen ersten Blick auf die seitliche Passage zu werfen. Alles sicher.
Der Weg führte ein kurzes Stück hinunter und machte eine Kurve, dann öffnete er sich zu einem rauen Steinvorsprung unterhalb der Felskante. Dieser Vorsprung war mit Ranken bedeckt, die von der Klippe über ihnen herabhingen und sich über den Vorsprung schlängelten, um eine Art Laube zu bilden, die von außen durch einen perlmuttartigen Schein beleuchtet wurde.
Was zum Teufel ist das denn? Bethany Anne blickte sich verwirrt um. Woher kommt denn dieses verdammte Licht?
Michael teilte den Vorhang aus Ranken und enthüllte das schimmernde Kraftfeld über ihren Köpfen. Das würde erklären, warum Izanami auf ihren Scans nicht mehr als die grundlegenden Umrisse der Kolonie ausfindig machen konnte.
Bethany Anne runzelte die Stirn. Was für eine schöne Scheiße. Woher haben die bloß eine Technologie, die unsere blockieren kann? Wir konnten nicht einmal , sie wies mit dem Finger auf das Kraftfeld über ihren Köpfen, das da sehen.
Er ließ die Lianen wieder fallen. Ich würde vermuten, dass sie dies von den Kurtherianern haben. Dieser Feind scheint darin geübt zu sein, Außenstehende über seine Fähigkeiten im Dunkeln tappen zu lassen.
Seine Frau verengte ihre Augen. Dann lass uns ihnen am besten die verdammte Maske abreißen und feststellen, wer sich darunter verbirgt.
Sie drängten sich durch die Ranken, wobei sie sorgfältig darauf achteten wohin sie traten, bis sie einen Weg nach unten fanden … Es handelte sich um einen bröckelnden und offenbar seit Langem nicht mehr benutzten Pfad, der in die Felswand gegraben worden war.
Bethany Anne schaute skeptisch den Pfad hinunter. Das scheint ein heißer Kandidat zu sein.
Er spähte hinunter, wich aber dann schnell zurück, als die Kante unter seinem Stiefel abbrach. Sofern wir vorsichtig sind.
Bethany Anne betrachtete den schwindelerregend tiefen Fall, der ihnen bevorstand, wenn der schmale Fußsteg sie im Stich ließ. Dann sieht es so aus, als ob das unser Weg ist.
Vorsichtig begannen sie abzusteigen, wobei sie bei jedem Schritt sowohl nach oben als auch nach unten blickten, da die Ranken noch immer jede Oberfläche bedeckten.
Dabei riskierte Bethany Anne es nicht einmal, ADAM zu bitten, ihr Gewicht zu reduzieren, obwohl er schon eine Weile geschwiegen hatte. Izanami auch. Sie vertraute den beiden, dass sie ihr Ziel erreichen würden, und ihr blieb im Augenblick keine Zeit, sich zu wundern, was sie wohl vorhatten.
Bethany Anne schob ein Geflecht von Ranken aus dem Weg und sah sich um, um zu überprüfen, ob Michael noch hinter ihr war. Du bist noch gar nicht dazu gekommen, mir zu erzählen, was eigentlich bei deiner T-Rex-Jagd passiert ist.
Michaels Schultern strafften sich. Nein , erwiderte er kurz angebunden. Das habe ich nicht.
Sie warf ihrem Mann einen wissenden Blick zu, den dieser allerdings nicht mitbekam. Du weißt ganz genau, dass ich es sowieso auf die eine oder andere Weise herausfinden werde. Also kannst du es mir genauso gut einfach erzählen.
Kann ein Mann denn gar nichts für sich behalten? Er schüttelte den Kopf und lachte unwillkürlich über ihren strengen Blick. Offenbar nicht. Die Jagd ist nicht wie erwartet verlaufen, das ist alles, was ich dazu zu sagen habe. Ansonsten schweige ich wie ein Grab zu diesem Thema. Aus Akio kannst du eh nichts herausbekommen, und Peter …
… wird Tabitha alles erzählen , fiel ihm Bethany Anne amüsiert ins Wort, und dann wird sie mir alles berichten. Sie grinste dreckig und lief weiter. So laufen die Dinge hier nun mal. Das solltest du doch inzwischen wissen. Apropos Akio, wann wird er sich um die Sache mit Sabine kümmern?
Michael seufzte. Ist es so offensichtlich für dich?
Sie seufzte tief. Schatz, es ist für jeden offensichtlich, der Augen im Kopf hat. Als ich herausfand, dass die älteren Kinder für eine Weile nach Devon gehen würden, war ich froh, dass sie dadurch etwas Abstand bekam. Sie hob einen Finger, bevor sie mit der Hand eine Ranke in Kopfhöhe wegschob. Ich weiß alles über den Brief. Also … wird Akio das Problem lösen, bevor es zu weit geht?
Michael runzelte die Stirn. Das hoffe ich wenigstens. Auf jeden Fall habe ich es ihm gesagt.
Du hast es ihm gesagt? , wiederholte Bethany Anne ungläubig. Sie schmunzelte. Naaaa schööön. Das sollte ja dann das Problem lösen.
Sein Stirnrunzeln vertiefte sich.
Bethany Annes Lippen pressten sich amüsiert zusammen. Hast du ihm irgendwelche konkreten Anweisungen gegeben?
Er gab einen ziemlich missbilligenden Laut von sich. Akio ist sechshundert Jahre alt. Ich glaube kaum, dass er genaue Instruktionen wie ein pubertierender Werwolf braucht.
Seine Frau ließ sich zu Boden fallen und rutschte auf dem Hintern einen mit Geröll bedeckten Abhang hinunter, in den sich der Pfad aufgelöst hatte. Als sie unten ankam, drehte sie sich um und zeigte neckisch mit einem Finger auf Michael, der vorsichtiger hinabstieg. Er ist ein Mann , erklärte sie fest. Ein Geschlecht, das insgesamt nicht gerade für seine Befähigung bekannt ist, besonders gut zuhören zu können.
Michael zog ungläubig eine Augenbraue hoch. Ich habe dir zugehört, ähm… ich weiß nicht, aber mindestens fünfmal. Wieso ist das keine Fähigkeit?
Bethany Anne verengte ihre Augen. Du kannst froh sein, dass ich nicht weiß, ob sie uns entdecken würden, wenn ich deinem schnippischen Arsch einen Schlag mit aetherischer Energie verpasse.
Er verbeugte sich und grinste. Touché, meine Liebe.
Sie zeigte ihm den Mittelfinger und ging wieder weiter.
Kurz darauf erreichten sie den Grund der Schlucht und drängten sich durch die verflochtenen Ranken. Die ganze Talsohle war dicht mit diesen Lianen bedeckt, die in dichten Knoten auf dem Boden wuchsen und die hohen Bäume erstickten. Es gab nur sehr wenige Lichter, offenbar schliefen alle in der Kolonie.
Aber die beiden Menschen benötigten auch kein Licht.
Ungesehen schlichen zwei Schatten durch die Nacht, die tödlicher waren, als alle anderen.
Das mit Ranken bewachsene Gebiet an der Klippe wich bald grob errichteten Gebäuden auf hohen Stelzen, die bis zu den Baumkronen des weiten Tals reichten. Michael war mit dieser Bauweise vertraut und kannte auch die Gründe für diese Bauweise. Vorsichtshalber testete er den Boden unter ihren Füßen, der aber im Moment kühl und fest war.
Unauffällig glitten sie zwischen den Bäumen hindurch bis zu dem Punkt, an dem die Gebäude begannen. Sie bewegten sich zielsicher auf das Gebäude in der Mitte zu, das Izanami als die andere sehr wahrscheinliche Stelle identifiziert hatte, an dem die Ooken vermutlich so viele Geiseln festhalten würden.
Als sie eine kurze Pause einlegten, fragte Michael rasch nach dem Stand bei Eve und Akio.
Es läuft hier alles gut , erwiderte Akio. Wir haben unser Ziel ohne große Probleme erreicht, aber das ist nicht die Stelle, wo sich das Gefängnis befindet. Dieses Gebäude, das Izanami markiert hat, ist eine Munitionsfabrik.
Als sie das hörte, umspielte ein kaltes Lächeln Bethany Annes Mund. Warum richtet ihr beide dann nicht ein wenig Chaos in der Fabrik an und macht euch anschließend auf den Weg hierher?
Das hört sich doch verdammt gut an , stimmte Eve vergnügt zu.