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Sie nehmen dir alles, wenn es so weit ist. Alles, was du noch hast. Den Wohnungsschlüssel, die Möbel, die Gummipalme. Sie nehmen dir das Recht, aufzuwachen, wann du willst, und einzuschlafen, wann du willst. Das Recht, keine Schonkost zu essen, keine Vitamintabletten zu schlucken und so viele Schlaftabletten, wie du willst.

Das Recht, einsam zu sein.

Und wenn sie dir alles genommen haben, dann geben sie dir einen Biographiebogen. Das ist ihr erstes Geschenk an dich, es werden noch andere kommen, zum Beispiel die Liste mit dem Freizeitangebot oder der Fragebogen über deine Erfahrungen beim letzten Gedächtnistraining, aber der Biographiebogen ist das erste.

Er ist ein Geschenk, also sei nicht undankbar, bleib locker und hör vor allem auf, so zu tun, als sei die Gummipalme echt gewesen und die Einsamkeit gewollt. Als sei dein altes Leben in Ordnung gewesen, bevor sie es dir genommen haben.

Hör auf damit.

Schöne Sache, so ein Biographiebogen. Da steht alles drin, was du früher einmal warst. Berufstätig, aktiv, erfolgreich. Deine Hobbys stehen drin, also die, die du früher einmal hattest. Radfahren, Glasmalerei, Modelleisenbahn. Sie fragen dich, ob du früher eher glücklich warst oder eher unglücklich, ob du chronische Krankheiten hattest, ob du depressiv warst. Sogar nach deiner Lieblingsfarbe fragen sie dich und schreiben Schwarz in die Rubrik und machen einen Verweispfeil zur Rubrik Depression, wo ein fettes X steht.

Wenn du sagst, dass deine Lieblingsfarbe neuerdings Gelb ist, so ein warmes, nahrhaftes Dottergelb, dann interessiert sie das einen Scheißdreck.

Du sagst: Ich habe die Glasmalerei aufgegeben und würde jetzt lieber Kampfsport betreiben.

Keine Reaktion.

Du sagst: Ich war früher immer eher unglücklich und würde jetzt lieber glücklich sein, wenn sich das machen lässt.

Keine Reaktion.

Dann fragen sie dich, ob du noch alleine aufs Klo gehen kannst, wie dein Waschwasser temperiert sein soll und ob du für deine Bestattung vorgesorgt hast.

So viel zum Thema Zukunft.