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Er spürte den Umriss einer Theorie, in der einzig beobachtbare Größen in die Berechnungen einfließen sollten. Dieser Ansatz, der den bisherigen theoretischen Überlegungen widersprach, löste einen Drang aus, der ihn fieberhaft vorwärts trieb, ohne an die möglichen Auswirkungen zu denken. Er redete mit den Zahlen, beantwortete, was sie fragten, und diese Antworten führten ihn zu Zahlenreihen, einer Matrix, durch die er hinab auf einen Untergrund sah, in dem Strukturen einer unbekannten Landschaft auftauchten. Er schaute von der Höhe seiner Berechnungen wie von einer Fluh während einer seiner Bergwanderungen auf ein Nebelmeer hinab, aus dem erste Bergrücken sich wölbten, und der Beobachter ahnte, dass dort, unter der sich lockernden Decke, die Antwort auf die Fragen lag, die er und der Professor in Kopenhagen tage- und nächtelang gesucht hatten. Je weiter ihn die Zahlen über die Nebelschicht hinausführten, desto mehr verspürte er eine wachsende Erregung, ein inneres Vibrieren. Er war einer Entdeckung auf der Spur, die ihn als den jungen Wissenschaftler, der er war, in ihrer Bedeutung und in den Auswirkungen weit überschritt, größer war als dieses Ich, das spazieren und schwimmen ging und jetzt da am Tischchen gegenüber dem nachtschwarzen Fenster saß, im zweiten Stock eines Hauses auf Helgoland. Doch gleichzeitig spann sich ein feiner Faden Angst in seine Zahlenreihen. Was wenn er sich täuschte? Wenn die aus dem Nebel auftauchenden Bergrücken sich als Wolkenbänke erwiesen, hochgetrieben von einer Thermik, wie sie auch die Lummen über den Klippen nutzten? Der Begriff »Thermik« löste einen Schreck aus. Ihm wurde bewusst, dass er bei seinen Berechnungen keinen Augenblick an die Thermodynamik gedacht und den Erhaltungssatz der Energie sträflich vernachlässigt hatte. Ohne dessen Einhaltung würde sein mathematisches Schema nichts taugen, und seine Ahnung einer großen Entdeckung erwiese sich als Wolkenkuckucksheim.