3
Das Physik-Institut war ein längliches Gebäude mit anschließendem Wohnhaus, und der Beobachter hatte sich zur Rückseite begeben, um sich auf der Bank zu erholen. Es war angenehm gewesen, in das neblige Dunkel hinauszutreten, durchzuatmen, die Lungen mit frischer Nachtluft zu füllen und zu spüren, wie beruhigend die Kühle wirkte. Die wirbeligen Gedanken seines überhitzten Denkapparates verlangsamten sich, gingen allmählich in einen zähflüssigen Zustand über. Sie wurden zwar durch die Beobachtung jenes Unbekannten, der im Lichtkreis der Straßenlaterne erschien, im Dunkel verschwand und im nächsten Lichtkreis erneut sichtbar wurde, nochmals kurz angeregt. Doch der Beobachter war zu erschöpft, um sich zu fragen, was genau ihn durch das Erscheinen und Verschwinden des Fremden berührt hatte, und sowohl die Beobachtung wie seine Gedanken verloren ihre Aufmerksamkeit an ein Kribbeln, das einen heftigen Niesanfall auslöste. Die Nasenschleimhäute schwollen an, das eben noch genossene freie Atmen in der Nachtluft wurde mühsam, und etwas beunruhigt betastete er sein Gesicht. Augenlider und Wangen fühlten sich leicht geschwollen an, und er fragte sich, wie es möglich sei, sich in dieser kurzen Zeit zu erkälten? Vielleicht war es unklug gewesen, hinaus in Wind und Nebel zu treten. Im Auditorium des Instituts war es stickig gewesen, die Auseinandersetzungen hitzig. Er hätte wenigstens seine Jacke anziehen müssen. Auch hatte er kaum etwas gegessen und zu wenig getrunken, lediglich ein paar Kekse zum Tee um vier Uhr. Während der kurzen Unterbrechung oben in der Wohnung des Professors war das Gespräch fortgesetzt worden. Das Atommodell, das sein Mentor entworfen hatte, erklärte einige Eigenschaften im Verhalten von Atomen, die mit den empirischen Daten übereinstimmten. Andere Eigenschaften konnte es nicht erklären, und die Berechnungen verletzten die physikalischen Gesetze. Änderten sie geringfügig die Bezugsgrößen, gelang es mathematisch, die physikalischen Gesetze einzuhalten, doch die Ergebnisse deckten sich nicht mit den experimentellen Befunden. Wo lag der Fehler, was mussten sie ändern, damit die Annahmen des Atommodells den physikalischen Gesetzen entsprachen? Es war kaum denkbar, dass im atomaren Bereich andere Gesetze gelten sollten als in der herkömmlichen Physik.
Der Beobachter, zurückgelehnt auf der Bank hinter dem Institut, fühlte sich inzwischen nicht mehr nur müde, sondern krank. Er entschloss sich, seine Jacke und die Tasche im Auditorium zu holen und seine Pension aufzusuchen. Er würde nicht mehr zurückerwartet und wahrscheinlich war der Professor bereits wieder hoch in seine Wohnung gegangen. Der Beobachter rappelte sich auf, trat hinaus auf den Weg, um zurück zum Eingang des Instituts zu gehen. Während er durch die Lichtkegel der Straßenlaternen lief, dachte er keinen Augenblick an den Unbekannten, den er kurz zuvor noch beobachtet hatte und der in umgekehrter Richtung einmal im Licht aufgetaucht und dann im Dunkel wieder verschwunden war.