Per piccola cagione pigliasi il lupo il montone.
Mit einer kleinen Ausrede packt der Wolf das Schaf.
Tage bis Divorando: 16
Alessa hatte Renata niemals wirklich als Kriegerin betrachtet, aber als die ehemalige Finestra Dante zu Demonstrationszwecken als Sparringspartner auswählte, waren Alessa und die Fontes vor Ehrfurcht wie gebannt.
Die zwei wirbelten herum, stießen abwechselnd zu und parierten, beide geschmeidig und leichtfüßig und ohne beim Klirren von Stahl auf Stahl zusammenzuzucken. Es war atemberaubend.
»Waffenstillstand!«, rief Renata lachend. Ihre Haare hatten sich aus dem Dutt gelöst und fielen offen nach unten, und sie grinste fröhlich, weil sie endlich einen würdigen Gegner gefunden hatte. Alessa spürte eine Anwandlung von Zuneigung und Kameradschaft gegenüber der Frau, die einst ein Mädchen gewesen war, das sich selbst einem Divorando gegenübergesehen hatte. »Dante, ich übertrage dir die Verantwortung. Sie müssen noch an … na ja, an so ziemlich allem arbeiten.«
Dante vergaß, seine miesepetrige Distanziertheit aufrechtzuhalten, als Josef einen Messerstoß meisterte und Nina einen Schlag mit ihrem Bo blockte. Und er lächelte sogar, als Saida durch den Raum tanzte, weil sie sich so über einen Volltreffer freute, den sie gelandet hatte.
»Hey, lass das, Nina!«, rief Kaleb, dessen Schwert unter Ninas lieblich unschuldigem Blick wie eine verwelkte Blume schlaff nach unten hing.
Alessa konnte an den Nahkämpfen nicht teilnehmen, aber sie machte sich im Geiste Notizen, während Dante Kamaria und Saida unterrichtete. Alle hielten in dem, was sie gerade taten, inne, als Dante Kaleb aufforderte, sein Sparringspartner zu sein.
»Keine Waffen«, sagte Dante. »Keine Stiefel. Keine Lenden, keine Augen. Ich will Euch heute nicht töten, allerdings werde ich das tun, wenn Ihr etwas Schmutziges versucht.«
Ebenbürtig im Hinblick auf Größe und Gewicht, doch nicht auf ihre Fähigkeiten, umkreisten Kaleb und Dante einander. Beide wirkten entspannter, als sie es seit Tagen gewesen waren. Kaleb mochte verzogen und faul sein, aber er hatte aufgepasst, und er blockte ein paar von Dantes Angriffen, bevor der aufdrehte.
Er verhakte seinen Fuß hinter Kalebs Bein, der daraufhin hart auf dem Boden aufprallte.
Alessa sprang aus dem Weg, als die beiden in einem schweißnassen Wirrwarr aus Gliedmaßen über den Boden rollten.
»Pack ihn, pack ihn, pack ihn«, murmelte Saida.
Josef stieß Nina mit dem Ellbogen an; er wirkte leicht eingeschnappt, weil sie den Kampf so aufmerksam verfolgte.
»Was denn?« Nina zuckte unschuldig mit den Schultern, während sie den Blick ihrer strahlenden Augen weiter auf die zwei kämpfenden Männer richtete. »Es gehört zur Ausbildung.«
Lachend klopfte Kaleb ab, und gleich darauf lagen die beiden schwer atmend ausgestreckt auf dem Boden.
»Guter Kampf, Mann.« Kaleb stupste Dante an der Schulter an.
Die anderen gingen verschwitzt und lachend weg. Alessa und Dante blieben zurück und sammelten die weggelegten Übungswaffen ein.
Sie legte einen Säbel in die Halterung und wischte sich über die Stirn. »Du kannst nicht nur mit den Fäusten und mit Messern kämpfen, sondern auch mit dem Schwert und dem Speer. Wie hast du all das gelernt, wenn du doch den ganzen Tag liest?«
»Man kann eine Menge aus Büchern lernen.« Dante hob einen Bo vom Boden auf. »Nachdem ich weggelaufen war, habe ich für alle gearbeitet, die bereit waren, mir etwas beizubringen. Ich lerne schnell. Ich nehme an, es ist eine Gabe.«
Ein Lächeln breitete sich auf Alessas Gesicht aus. »Ich habe eine Idee.«
Dante verharrte. »Das gefällt mir nicht.«
»Du weißt doch noch gar nicht, was für eine.«
»Gemessen an Eurer letzten Idee bin ich ganz sicher, dass sie mir nicht gefallen wird.« Dante verbarg seinen Säbel hinter dem Rücken, als sie näher kam. »Haltet Euch von dem Säbel fern.«
»Ich werde mich nicht selbst verletzen«, sagte Alessa. »Kämpf gegen mich. Nahkampf.«
»Ihr seid nur halb so groß wie ich.«
Sie pikste ihn in den Bauch. »Ich bin eine Kriegerin .«
»Eine magische Kriegerin. Ihr könnt nicht ringen, und schon gar nicht gegen jemanden, der größer und stärker ist.«
Alessa lächelte. »Aber du kannst es. Du hast es sogar als Gabe bezeichnet.«
»Ihr wollt meine Talente gegen mich verwenden?«
»Nein. Ich will sie vergrößern und dich zerstören.«
Er ging in die Hocke und winkte sie zu sich. »Kommt und kriegt mich.«
Alessa hopste aufgeregt hoch, dann streifte sie sich die Handschuhe ab und ballte die Fäuste.
»Du meine Güte!«, sagte er. »Komplett falsch.«
Er löste ihre Finger und positionierte den Daumen richtig.
Eine lange Weile standen sie dicht voreinander, ihre Fäuste in seinen Händen, bis ihr ganzer Körper durch irgendeine unhörbare Frequenz, von der sie nicht wusste, ob er sie auch wahrnehmen konnte, zu vibrieren schien.
»Spürst du etwas?«, fragte sie. Jemand musste etwas sagen. Sie hatte alle möglichen Empfindungen, doch die meisten hatten nichts mit kämpfen zu tun.
»Vielleicht?« Er wirkte so ruhig, so kühl, dass sie hätte schreien können. »Aber ich weiß nicht, was Ihr von mir bekommt.«
Es war an der Zeit, ihre aufgestaute Energie für einen guten Zweck zu kanalisieren. »Finden wir es heraus.« Sie suchte festen Stand und hob die Fäuste.
Dante schlug mit halber Geschwindigkeit zu.
Sie blockte den Schlag, ohne nachzudenken. Reflexe, die nicht ihre waren, übernahmen ihren Körper.
»Oh, das macht Spaß!« Alessa bleckte die Zähne.
Dante tänzelte mit einem übertrieben verängstigten Gesichtsausdruck zurück. Sie umkreisten sich, eine Runde nach der anderen. Sie taxierte ihn ungestraft, schätzte seine Balance ein, sein Gewicht, seine ungeschützten Körperpartien.
Dante hüpfte auf den Fußballen und wartete mit der Geduld von jemandem, der einem Kleinkind bei den ersten Gehversuchen zusieht. Aufgeblasen. Überzeugt von seiner Überlegenheit. Sie unterschätzend. Genau genommen sich unterschätzend. Es war immerhin seine Gabe.
Sie schoss vor und verpasste ihm einen Schlag in den Bauch.
Er hustete. »Ich bin mir nicht sicher, ob mir das gefällt.«
»Mir schon.« Sie schlug erneut zu und streifte seine Seite. »Uh. Es lässt nach.«
»Ist jetzt nicht mehr so witzig, hm?«
Ihr nächster Hieb war so schwach, dass er ihre Faust festhielt, ehe sie ihn treffen konnte. Sie grinste. Wie schnell er vergaß.
»Danke«, sagte sie, und in einer fließenden Bewegung riss sie sich los, packte sein Handgelenk und wirbelte herum, zerrte dabei seinen Arm hinter seinen Rücken.
Dante sank mit einem Geräusch, das irgendwas zwischen einem Ächzen und einem Lachen war, auf die Knie. »Das ist nicht fair.«
»Das Leben ist nicht fair.« Solange sie Kontakt mit seiner Haut hatte, besaß sie Fähigkeiten, aber nur ein oder zwei Minuten ohne, und sie verblassten, sodass Alessa erschreckend unterlegen war.
Es war besser, einen kurzen Kampf zu gewinnen, als einen langen zu verlieren. Sie zwang ihn mit dem Gesicht nach unten auf die Matte, stellte ihm ein Knie auf den Rücken.
»Sieg!« Sie hob triumphierend die Arme und taumelte dann vorwärts, als er sich umdrehte und sie aus dem Gleichgewicht brachte. Sie landete auf ihm, Brust auf Brust, die Beine verheddert.
»Es ist noch nicht vorbei.« Er hielt ihre Arme fest, mied dabei ihre nackten Hände und grinste, als sie sich wand. Der letzte Funke seiner Gabe löste sich in Nichts auf, und sie hörte auf zu kämpfen. Sie atmete schwer. Bei jedem Einatmen drückte ihre Brust noch mehr gegen seine.
Sie konnte seine Wimpern zählen, konnte das Aufflackern von Erkenntnis sehen, als auch er begriff, in welcher Position sie sich befanden.
Sie geriet in Panik.
Dante zuckte zusammen, als sie ihm einen raschen Kuss auf die Wange drückte. Die kurze Berührung ihrer Lippen auf seiner Haut belebte ihre Gabe, und sie befreite sich geschickt aus seinem Griff. Ein totales Versagen, was das Flirten betraf, aber ein wirksamer Zug in einem Kampf.
Dante warf sich zur Seite, packte ihren Knöchel und zog sie zu sich heran.
Sie schlug nach seinen Händen, brachte ihn damit zum Lachen, aber der Kontakt genügte, um sie wieder fit zu machen.
»Ich benutze nicht einmal –« Er stöhnte, als sie sich herumwälzten. »Au! Die Hälfte dessen, was ich kann –« Er packte ihr Knie, bevor es sein Ziel erreichte. »Weil ich Euch nicht verletzen – urgh.«
Sie hatte ihn im Schwitzkasten – oder zumindest war sie ziemlich sicher, dass es so genannt wurde – und drückte zu, bis sein Gesicht einen beunruhigend rötlichen Ton annahm und er wiederholt auf den Boden schlug, dann auf ihren Arm.
»Oh! Entschuldige!« Sie ließ mit einem aufgekratzten Lächeln los. »Ich habe das Zeichen vergessen.«
Dante keuchte. Sein Kopf lag in ihrem Schoß. »Meinen Glückwunsch. Ihr gewinnt. Mit meinen Fähigkeiten. Genau genommen gewinne also ich.«
Sie öffnete den Mund, um seiner Behauptung zu widersprechen, aber der raffinierte Mistkerl bewegte sich plötzlich wieder und brachte sie mit einem absurd komplizierten Manöver auf den Rücken, das sie sich später von ihm zeigen lassen musste.
Er saß rittlings auf ihren Hüften, drückte ihre Arme über ihrem Kopf auf den Boden und lächelte auf sie herunter. »Hab Euch.«
Jemand schrie.
Sie rissen die Köpfe herum und starrten zur Tür, wo die Fontes standen, mit offenen Mündern und entsetzten Gesichtern, als sie sahen, wie ihre heilige Retterin von ihrem Leibwächter auf den Boden gedrückt wurde.
Kaleb schnappte sich ein vierhundert Jahre altes Schwert von der Wand und richtete es auf Dante. »Lass sofort die Finestra los, oder ich töte dich.«