Eine Geschichte der Menstruation
Kontakt mit [Menstruationsblut] lässt Wein sauer werden, Ernte, die damit in Berührung kommt, verdorrt, Setzlinge sterben, Saatgut in Gärten trocknet aus, die Früchte fallen von den Bäumen, die Schärfe des Stahls und der Schimmer des Elfenbeins werden getrübt, Bienenstöcke sterben, sogar Bronze und Eisen werden plötzlich von Rost überzogen, und ein fürchterlicher Gestank erfüllt die Luft; von seinem Geschmack werden Hunde verrückt, in ihrem Biss steckt dann ein Gift, von dem man nicht geheilt werden kann […] Sogar diese winzig kleine Kreatur, die Ameise, soll empfindlich darauf reagieren und Getreidekörnchen, die danach schmecken, wegwerfen und nie wieder anrühren.
Plinius der Ältere[1]
Nur wenige andere Körperfunktionen rufen eine derart starke und universelle Reaktion hervor wie die Menstruation. Auch wenn Plinius seine Ansichten zu den offenbar apokalyptischen Eigenschaften von Menstruationsblut vor knapp zweitausend Jahren äußerte, zeigt bereits ein kurzer Blick in die ungelenk mit »Hygieneprodukte für die Frau« überschriebene Abteilung im Supermarkt, dass wir uns als Gesellschaft trotz aller Fortschritte mit diesem Thema noch heute nicht so richtig wohlfühlen.
Aber ein verschämt beschriftetes Hinweisschild ist unser kleinstes Problem. Erst im Jahr 2005 verbot die nepalesische Regierung die alte Hindutradition Chhaupadi, die menstruierende Frauen und Mädchen zwingt, ihre Familien für die Dauer ihrer Periode zu verlassen und in sogenannten Menstruationshütten zu schlafen.[2] Die Praxis rührt von der Überzeugung her, Menstruationsblut – und im erweiterten Sinn die menstruierende Frau – sei unrein. Chhaupadi bedeutet so viel wie »unberührbare Person«. Um andere vor Beschmutzung zu schützen, darf die Menstruierende kein Essen berühren und nicht frei mit anderen interagieren. Leider konnte das Verbot von 2005 diesem Ritual kein Ende bereiten. Als 2018 mehrere Frauen erfroren oder infolge des Versuchs, ihre Hütte mit einem Feuer zu erwärmen, an Rauchvergiftung starben, sprach die Regierung Nepals eine Strafe für das Durchführen der Chhaupadi-Praxis aus – drei Monate Gefängnis oder ein Bußgeld in Höhe von dreitausend Rupien.[3] Menstruierende Mädchen und Frauen werden nicht nur in Nepal quarantänisiert, und auch wenn die Tradition langsam auf dem Rückzug scheint, findet sie noch immer in weiten Teilen der Welt statt. In Äthiopien zum Beispiel ziehen sich noch heute menstruierende jüdische Frauen in eine Hütte im Dorf zurück, die Margam Gojo genannt wird, »Fluch-Hütte«.
»Farrs patentierter Damen-Menstruations-Auffangbehälter«, Anzeige im American Druggist, Januar 1884.
Die American Anthropological Association untersuchte 1974 die Menstruationstabus von vierundvierzig Gesellschaften weltweit, und das hier sind, in absteigender Reihenfolge, die häufigsten:
Die pauschale Überzeugung, die Menstruationsflüssigkeit sei widerwärtig, unrein oder gefährlich.
Menstruierende sollten keinen Geschlechtsverkehr haben.
Den Menstruierenden werden persönliche Einschränkungen auferlegt, etwa bei Essen, Bewegung, Sprechen etc.
Menstruierende dürfen mit bestimmten Dingen des männlichen Alltags nicht in Berührung kommen, etwa mit persönlichen Gegenständen, Waffen, Gerätschaften, die in Landwirtschaft und Fischfang eingesetzt werden, mit Werkzeugen, »Männer-Feldfrüchten« und religiösen Symbolen und Schreinen, deren Hüter Männer sind.
Menstruierende dürfen nicht für Männer kochen.
Menstruierende werden für die Dauer ihrer Periode in Menstruationshütten verbannt.[4]
Im Laufe der Geschichte wurden Menstruationshütten von den Tohono O’Odham (amerikanische Ureinwohner*innen), den Cheyenne (ebenso), den Bewohner*innen der Ifalik-Inseln, den Dahomey (auch Fon) im heutigen Benin, den Tiv in Westafrika, den Madia Gonds in Chandrapur, Indien, den Southern Paiute (amerikanische Ureinwohner*innen) und den Aschanti in Westafrika genutzt.[5] Nuaulu-Frauen von der indonesischen Insel Seram wurden noch bis in die Achtzigerjahre hinein in Hütten verbannt, außerdem war es ihnen während der Menstruation verboten, bestimmte Fleischsorten zu essen.[6]
Die Studie von 1974 geht auch den verschiedenen Ursprungsmythen zur Menstruation innerhalb dieser Kulturen auf den Grund. Demnach wird in vielen von ihnen angenommen, die Menstruation sei vom Mond verursacht, ausgenommen die Madia Gond, die glauben, dass die Vulva einst Zähne besaß, die ihr gezogen wurden, wodurch eine Wunde entstanden war, die nie geheilt ist, und die Arunta in Australien, die »den Fluss mit Dämonen erklären, die mit ihren Fingernägeln an den Wänden der Vagina kratzen und sie so zum Bluten bringen«.[7]
Die mit Abstand am stärksten verbreitete Überzeugung war, dass Menstruationsblut unschön oder gefährlich sei, dies konnte für dreißig der vierundvierzig untersuchten Kulturen verzeichnet werden. Und obwohl die Studie nun schon über vierzig Jahre alt ist und die Menstruationshütte glücklicherweise seltener wird, betrachten noch heute viele Menschen die Menstruation als etwas Unschönes. Ich selbst habe sie oft als unangenehme Erfahrung empfunden. Es gibt diejenigen, die vom »Besuch von Tante Flo« (ausgesprochen wie flow, »Fluss«, »fließen«; 1954) nicht viel mehr mitkriegen als ein Zwicken im Unterleib. Und dann gibt es solche wie mich, die fest davon überzeugt sind, dass ihr Uterus während der Periode die Schlacht an der Somme nachzuspielen versucht.
Für diejenigen unter euch, die noch nie starkes PMS oder Menstruationsschmerzen erlebt haben, möchte ich das hier mal nachzeichnen. Es ist verdammt scheiße. Du bist aufgebläht, deine Titten tun weh, und du kriegst unkontrollierte Schweißausbrüche. Deine Vulva fühlt sich an wie eine Sumpflandschaft, und in deinem Kopf hämmert es unaufhörlich. Du fühlst dich, als hättest du eine Erkältung – Zittern, Schmerzen, Übelkeit –, und deine Zündschnur ist so kurz, als hättest du drei Tage nicht geschlafen. Aber das ist noch nicht alles. Die heftigen Krämpfe in deinem Unterleib sind schlimmer als jeder Durchfall – und tatsächlich kriegst du auch Durchfall, zusätzlich zu deinen Heulattacken. Während sich deine inneren Organe zusammenziehen und sich gefühlt zerreißen, damit du ein Ei legen kannst, wirst du von Wellen des Schmerzes überrollt. Der ist manchmal so schlimm, dass du dich zusammenkrümmst und kaum atmen kannst, bis er abebbt und wieder dem dumpfen, anhaltenden Schmerz Platz macht. Nichts kann das Fressmonster befriedigen, das in deinem Bauch losgelassen wurde. Es brüllt nach Zucker und Kohlenhydraten wie ein fettes Yak. Von manchen Nahrungsmitteln wird dir schlecht. Bei manchen Gerüchen dreht sich dir der Magen um, und du musst würgen. Du weißt nicht, was du essen willst, aber du willst viel davon essen. Du blutest so stark, dass alle »Hygieneprodukte für die Frau« versagen – als würde man versuchen, einen Lavastrom mit einem Topflappen zu stoppen. Du machst dir Sorgen, die Leute könnten deine Periode riechen. Du hast eine Woche lang Angst, dich irgendwo draufzusetzen oder aufzustehen, weil ja was durchgeblutet haben könnte. Und während du da so sitzt, ein einziges heulendes, schwitzendes, zittriges, pickliges, stinkendes Wrack, fragt dich irgendein Penner: »Ist es wieder so weit, Schatz?« Und da musst du ihm leider den Kopf abreißen.
Nicht sehr witzig, das räume ich ein, aber das erklärt doch nicht diesen abgrundtiefen Ekel, den allein das Wort PERIODE in manchen Menschen hervorruft. Das rechtfertigt doch nicht, dass man in einem Schuppen schlafen muss.
Der Ekel vor der Menstruation mag ein weit verbreitetes Phänomen sein, aber er existiert nicht überall. Die Vaishnava Bauls aus Bengalen glauben, dass Menstruationsblut eine sehr machtvolle Flüssigkeit ist. Die erste Periode eines Mädchens wird von der Gemeinschaft gefeiert, ihr Blut wird mit Kuhmilch, Kampfer, Kokosmilch und Zucker vermischt und dann von Familie und Freund*innen getrunken. Tara, eine Baul-Frau, die 2002 interviewt wurde, erinnerte sich an die Wirkung, die das Trinken ihres Menstruationsblutes auf die an der Zeremonie Teilnehmenden hatte: »Ihre Erinnerungs- und Konzentrationskraft wurden stärker, ihre Haut bekam einen prächtigen Schimmer, ihre Stimmen klangen wundervoll, und ihr gesamtes Wesen wurde von Glück, Heiterkeit und Liebe durchdrungen.«[8] Vielleicht möchtest du deinen Tampon nicht als Teebeutel benutzen, aber für den Glauben daran, dass Menstruationsblut heilende Eigenschaften besitzt, gibt es in der Geschichte noch andere Beispiele.
Der Papyrus Ebers (etwa 1550 v. Chr.) enthält eine Reihe von Heilmitteln, die helfen sollen, das Hängen der Brüste zu verhindern. Eines davon ist das Menstruationsblut eines Mädchens, das gerade erst zu menstruieren angefangen hat, welches man sich auf Brüste und Bauch schmieren soll.[9] Die Benediktinerin Hildegard von Bingen (gestorben 1179) behauptete, Menstruationsblut könne Lepra heilen: »Wenn eine Person wegen Lüsternheit oder Zügellosigkeit an Lepra erkrankt […] soll sie sich ein Bad bereiten […] und so viel Menstruationsblut darein mischen, wie sie kriegen kann, und in das Bad steigen.«[10] Jiajing (1507 – 1567) war der elfte Kaiser der chinesischen Ming-Dynastie. Er soll jeden Tag ein Gebräu namens »rotes Blei« getrunken haben, das aus dem Menstruationsblut von Jungfrauen hergestellt wurde, weil er glaubte, dieses würde sein Leben verlängern. Die Mädchen waren zwischen elf und vierzehn Jahre alt und wurden so grausam behandelt, dass dies 1542 zu einer Verschwörung der kaiserlichen Konkubinen geführt haben soll, die versuchten, den Kaiser zu ermorden. Er überlebte schwer verletzt und verurteilte die Attentäterinnen mitsamt ihren Familien zum Tod durch Lingchi, dem langsamen Abschneiden der Körperteile. Der Kaiser trank weiterhin und bis ans Ende seiner Tage rotes Blei.[11] Blödmann.
Die meisten Kulturen und Religionen jedoch stigmatisieren die Menstruation als etwas Unreines. Judentum, Christentum, Islam, Hinduismus und Buddhismus – sie alle verhängen Maßnahmen gegen menstruierende Frauen und betrachten deren Blut als unsauber.[12] Bei Levitikus 20, 18 heißt es: »Wenn ein Mann während ihrer monatlichen Periode sexuelle Handlungen mit einer Frau vollzieht, dann hat er die Quelle ihres Flusses freigelegt, und sie hat sie ebenso unbedeckt gelassen. Beide sollen von den Ihren verstoßen werden.«[13] Im Koran, Sure 2, 222 steht: »Sie fragen euch nach der Menstruation. Sagt: ›Es ist eine Unreinheit, also haltet euch währenddessen von den Frauen fern und nähert euch ihnen nicht, bis sie wieder rein sind.‹«[14]
Galens Weiterentwicklung der Viersäftelehre – Blut, schwarze Galle, gelbe Galle und Schleim – dominierte das medizinische Verständnis der Menstruation im Westen bis ins 18. Jahrhundert hinein. Die »Überschuss-Theorie« lehrte, dass die Menstruation durch einen Überschuss an Blut im Körper ausgelöst werde.[15]
Daraus konnte logischerweise geschlossen werden, dass die Menstruation der Weg des Körpers war, mit diesem Ungleichgewicht umzugehen, Frauen waren also natürlicherweise schwächer als Männer und mussten regelmäßig bluten. Galen lehrte außerdem, dass die Menstruation eine Rolle bei der Empfängnis spiele und den Fötus ernähre.[16]
Frau mit anatomischer Unterleibsdarstellung, aus Jacopo Berengario da Carpis Isagoge Breves Prelucide Ac Uberime In Anatomiam Humani Corporis, 1522.
Holzschnitt von 1591 (19. Jahr der Wanli-Regentschaft in der Ming-Dynastie), der die Aku-/Moxapunkte zeigt, mit denen häufig ein unregelmäßiger Zyklus (yuejing bu tiao) behandelt wurde.
Auch die frühe chinesische Medizin begriff die Menstruation als Folge eines körperlichen Ungleichgewichts. Blut und Yin-Energie, so meinte man hier, waren die herrschenden Elemente in einer Frau, und das monatliche Bluten bedrohte dieses Zusammenspiel. Schon 651 n. Chr. brachten Ärzte wie Sun Simiao die Menstruation mit schwacher körperlicher und geistiger Gesundheit in Verbindung.[17] Chinesische Mediziner betrachteten einen gesunden Zyklus daher als Schlüssel zur weiblichen Gesundheit insgesamt. In seiner Abhandlung Comprehensive Good Formulas for Women (1237) schrieb Chen Ziming, »bei der medizinischen Behandlung von Frauen muss als Erstes einmal die Menstruation reguliert werden, darum fangen wir damit an«.[18]
Grundtexte zu indisch-ayurvedischer Medizin wie die Sushruta Samhita, entstanden irgendwann zwischen 600 v. Chr. und dem 1. nachchristlichen Jahrhundert, lehrten, dass die Menstruation eine Art der körperlichen Reinigung sei. Ein Ungleichgewicht zwischen den drei Dosha-Kräften Vata, Pitta und Kapha könne demnach zu einer »schlechten« Menstruation führen und Frauen wirklich sehr krank machen. Ein solches Ungleichgewicht zeige sich am Blut, das nach »faulendem Kadaver oder stinkendem Eiter« rieche oder das »verklumpt oder dünn ist oder den Gestank von Urin und Fäkalien ausströmt«.[19] Um die Reinigung zu unterstützen, empfiehlt die Sushruta Samhita Folgendes:
Eine menstruierende Frau sollte sich (während der ersten drei Tage) auf eine Matte aus Kusha-Gras legen, sie sollte ihr Essen aus ihren Händen, aus irdenen Schalen oder von aus Blättern geflochtenen Tabletts zu sich nehmen. Sie sollte sich an die Habishya-Ernährung halten und in dieser Zeit selbst dem Anblick ihres Mannes abschwören. Nach dieser Zeit, am vierten Tag, sollte sie eine feierliche Waschung vornehmen, ein neues (nicht gerissenes) Gewand und Schmuck anlegen und dann zu ihrem Mann gehen, nachdem sie die Worte der erforderlichen Segnung gesprochen hat.[20]
In der westlichen Welt diskutierten Ärzte noch 1878 darüber, ob eine menstruierende Frau möglicherweise Essen verunreinigen könnte: The British Medical Journal druckte eine Reihe von Briefen ab, deren Inhalt sich damit beschäftigte, ob eine Frau den Schinken ruiniere, wenn »die Maler da seien« (1946; when the painters were in).[21] Im 19. Jahrhundert bildeten sich die Ärzte ein, sie wären rationale Männer der Wissenschaft, dabei war ihr Verständnis von Menstruation noch immer geprägt von Begriffen wie Befleckung und Wahnsinn.
Dr. William Rowley, Professor für Medizin an der Oxford University und Mitglied des Royal College of Physicians, zeigte sich besorgt um die Hysterie, die ein Ausbleiben der Regelblutung bei Frauen verursachen könne: »Die Zunge stockt, zittert, und unzusammenhängendes Zeug wird gesprochen; die Stimme verändert sich; manche brüllen, schreien oder kreischen übermäßig, andere seufzen tief, weinen oder jammern traurig«.[22]
Aber auch eine sehr starke Blutung wurde als gefährlich angesehen und bedurfte daher Behandlungen durch Spülungen, Opiate und körperliche Einschränkungen. Dr. Charles Manfield war außerdem davon überzeugt, dass Menstruation und Wahnsinn untrennbar miteinander verbunden waren. »Diese besonderen Zustände der Gebärmutter tragen oft zur Entstehung von Wahnsinn bei, so scheint es die Tatsache nahezulegen, dass zwischen 1784 und 1794 achtzig Patientinnen ins Bethlem Hospital eingeliefert wurden, deren Störungen kurz nach der Menstruation aufgetreten waren.«[23]
Dem stimmte Dr. Julius Althaus 1866 zu und schrieb, »hysterische Anfälle treten fast immer nach einem plötzlichen Ende des Menstruationsflusses auf«.[24]
Diese Argumente führten zu extremen Schlussfolgerungen und spielten aggressiven Antifeministen wie James McGrigor Allan in die Hände, der sich 1869 an die Anthropological Society of London wandte, um zu erklären, warum Frauen kein Wahlrecht bekommen sollten:
Vaginaluntersuchung in aufrechter Position. Aus J. P. Maygriers Nouvelles Démonstrations D’accouchemens: Avec des Planches en taille-douce, accompagnées d’un Texte raisonné, propre à en faciliter L’explication, 1822.
Wenn die Dauer der menstruellen Periode auch je nach Rasse, Temperament und Gesundheit stark variiert, so darf doch behauptet werden, dass Frauen ihretwegen unwohl sind und das für durchschnittlich zwei Tage im Monat, oder auch einen Monat im Jahr. In dieser Zeit können Frauen keine größere mentale oder körperliche Arbeit leisten. Sie leiden dann unter einer Trägheit und unter Depressionen, die sie zu jeglichen Gedanken oder Unternehmungen unfähig machen, womit extrem zweifelhaft wird, inwiefern sie überhaupt als verantwortungsbewusste Wesen wahrgenommen werden können, solange diese Krise währt. Ein guter Teil des unlogischen Verhaltens von Frauen, ihre Gereiztheit, ihre Launen und ihre Erregbarkeit, könnte direkt auf dies als Ursache zurückzuführen sein […] Was intellektuelle Arbeit angeht, so hat der Mann die Frau stets übertroffen, das tut er jetzt, und das wird er immer tun, einfach aus dem offensichtlichen Grund, dass die Natur seine Gedanken und sein Wirken nicht in regelmäßigen Abständen unterbricht.[25]
Erst mit dem 20. Jahrhundert begann die Wissenschaft langsam, die Menstruation wirklich zu verstehen. Es ist bestimmt kein Zufall, dass die Tabus rund um das Thema nach und nach verschwanden, während gleichzeitig immer mehr Frauen die medizinische Bühne betraten. Die Pionierarbeit von Dr. Mary Putnam Jacobi (deren Essay »The Question of Rest for Women during Menstruation« 1876 den Boylston-Preis der Harvard University gewann) und ihrer geistigen Erbinnen Clelia Duel Mosher und Leta Stetter Hollingworth bewies schlussendlich, dass die Idee des »menstruellen Unvermögens« falsch war.[26]
Das späte 19. Jahrhundert brachte die ersten Einweg-Damenbinden, die ersten Tampons wurden 1929 von Dr. Earle Haas erfunden. Bis dahin hatten Frauen jede Menge Stoff verwendet oder einfach in ihre Kleidung geblutet.[27] Die praktischen Umstände, mit denen der Periode nun begegnet werden konnte, verbesserten sich drastisch, aber die althergebrachten Ansichten, nach denen die Menstruation etwas Schwächendes und Schmutziges war, erwiesen sich als äußerst hartnäckig.
Walt Disney veröffentlichte 1946 den Lehrfilm The Story of Menstruation, der Highschoolschüler*innen überall in den Vereinigten Staaten gezeigt wurde. Der Film enthält den ersten dokumentierten Gebrauch des Wortes Vagina auf der Leinwand und sollte jungen Frauen etwas über ihren Körper beibringen. Die Erzählerin Gloria Blondell versucht, eine ganze Reihe menstrueller Mythen zu entlarven, wie etwa den Rat, während der Periode nicht zu baden oder keinen Sport zu treiben, und erklärt, welche Rolle Neurobiologie, Hormone und Fortpflanzungsorgane bei der Menstruation spielen. Der Film rät Frauen außerdem, endlich damit aufzuhören, sich selbst zu bemitleiden, und stattdessen weiterzulächeln und sich schick zu machen.[28]
Unglücklicherweise leiden Monat für Monat jedoch Millionen von Frauen und Mädchen weltweit unter mehr als nur Krämpfen. »Periodenarmut« heißt das Phänomen, wenn sich Frauen keine Tampons oder Binden leisten können und noch immer gezwungen sind, Stoffbündel zu verwenden. Untersuchungen zeigen, dass Frauen, die in Slums, Geflüchtetenlagern und ländlichen Gemeinden leben, besonders häufig keinen Zugang zu elementaren Menstruationshygieneartikeln haben.[29] Jeden Monat verpassen Millionen von Mädchen die Schule, weil sie ihre Periode haben. Fünfundneunzig Prozent der Schulmädchen in Malawi haben kein Geld für Binden und Tampons und benutzen Lumpen und Schnüre, um ihre Regelblutung aufzufangen. Weil diese aber oft verrutschen, bleibt mehr als die Hälfte der Mädchen während ihrer Regel zu Hause.[30] Und Studien, die Plan International UK 2017 durchgeführt hat, zeigen, dass eine von zehn Britinnen zwischen vierzehn und einundzwanzig Probleme hat, das Geld für Hygieneartikel aufzubringen, was dazu führt, dass Tausende von Mädchen jeden Monat die Schule verpassen.[31]
Die historischen Narrative rund um die Menstruation sind selten neutral gewesen.
Dem Menstruationsblut wurde sowohl unterstellt, magische als auch zerstörerische Eigenschaften zu besitzen. Es wurde als abstoßend, als reinigend und als heilig angesehen. Menstruation wurde über Tausende von Jahren und über Tausende Kulturen hinweg mit Wahnsinn in Verbindung gebracht, mit Irrationalität und schlechter Gesundheit. Während medizinische Schriften häufig argumentierten, dass die Menstruation den Körper schwäche, deuten Bezüge zu Wahn, Gewalt, Irrationalität und abergläubische Assoziationen mit dem Mond eher auf eine menstruelle Macht hin. In patriarchalen Gesellschaften war die Menstruation der Beweis, dass Frauen Männern nicht ebenbürtig waren, dass die Biologie ihnen eine andere Rolle zugedacht hatte. Und darüber hinaus wurde die Periode benutzt, um die Vorurteile zu bekräftigen, Frauen seien keine rationalen Wesen und bedurften daher konstanter Überwachung. Wir mögen glauben, wir hätten das alles mittlerweile hinter uns gelassen, wir hätten einen rein wissenschaftlichen Blick auf die Menstruation und mit allem Hokuspokus aufgeräumt. Aber solange wir nicht offen und ohne Scham oder Unbehagen über Tante Rosa sprechen können, können wir auch nicht behaupten, am Ziel angekommen zu sein. Und das ist die blutige Wahrheit.