Albi will abgeholt werden

„Hilfe, ein Gespenst, Hilfe!“ Albi rannte einfach los. In seiner Panik schaute er nicht, wohin er lief und kam vom Weg ab. Seine Jacke verhedderte sich in etwas. Gespensterfinger, die nach ihm griffen? Mit einem Ruck riss sich Albi los und landete auf dem Bauch.

Aus Albis Kapuze kreischte Egon: „Krumpf­gütiger, das kleine Gespenst!“

Über Albi kreischte Lulu. „Aaaah, ein Geist!“

Die beiden hatten das Gespenst also auch gesehen. Frau Brettschneider, Paula und die restliche Klasse kamen zurückgelaufen.

„Oh je, Albert, bist du gestürzt? Hast du dir wehgetan?“, fragte Frau Brettschneider und zog Albi wieder auf die Füße. Er zeigte wild fuchtelnd in die Luft.

„Nein! Dort! Hier! Hilfe!“ Er war so aufgeregt, dass er keinen vernünftigen Satz herausbrachte.

„Wir haben beide ein Gespenst gesehen!“, er­klärte Lulu keuchend. „Da oben im Baum!“

Sie leuchtete zitternd mit ihrer Taschenlampe in die große Eiche, in der sie das Gespenst entdeckt hatten. Jetzt sahen es alle. Das Gespenst schwebte von Ast zu Ast. Es war riesig!

Albi presste sich an Frau Brettschneider und versteckte sein Gesicht in der Ellbeuge, damit er die grässliche Erscheinung nicht länger sehen musste.

„Ich will heim!“, wimmerte er. „Meine Mama soll mich abholen!“

Um ihn herum begannen einige Kinder zu kichern.

„Nun beruhige dich, Albert!“ Frau Brettschneider hockte sich zu ihm und nahm ihn in den Arm. Egon begann unter seinem Fell zu schwitzen und zog schnell den Kugelbauch ein, damit die Lehrerin ihn in Albis Kapuze nicht bemerkte.

„Es kann dir wirklich nichts passieren“, sagte sie. „Das ist doch alles nur Spaß!“

„Nein. Meine Mama soll mich abholen!“, wiederholte Albi. „Sofort!“

Er hatte so schreckliche Angst! Das hier war kein blöder Scherz von Götz. Das war ein echtes Gespenst! Immer mehr Kinder kicherten.

„He Albi, das Wesen da oben ist doch nur ein Gespenst aus dem Laken-Land!“, sagte Donatus lachend.

„Wie kommst du denn auf Laken?“, fragte Frau Brettschneider unschuldig.

Die Locken-Anna meinte: „Ganz einfach! Wir haben vorhin alle aus dem Fenster geschaut, als das Gespenst mit seinem weißen Betttuch angeradelt kam. Dann hat es sich hinter der Mülltonne versteckt.“

„Anscheinend kommt diese Art von Gespenstern auf Bestellung von Frau Brettschneider!“, sagte Praktikantin Paula grinsend und zwinkerte Frau Brettschneider zu. „Wie eine Pizza vom Lieferdienst.“

Jetzt lachten alle Kinder. Nur Albi blinzelte ängst­lich durch die Finger seiner vorgehaltenen Hände, während Frau Brettschneider immer noch schützend den Arm um seine Schulter gelegt hatte. Wie konnten seine Klassenkameraden nur so furchtlos sein? Und was redeten sie da für unverständiches Zeug? Alle hatten ihre Taschenlampen auf das Gespenst gerichtet. Und Paula knipste sogar mehrere Fotos.

„Dann habt ihr also allesamt, bis auf Albert und Luise, Herrn Vogelsang vorhin am Schultor ­gesehen? So ein Pech aber auch!“, sagte Frau Brettschneider schmunzelnd. „Beim nächsten Mal muss ich meine Überraschung besser vor­bereiten.“

Sogar Egon verstand nun, dass sich die Lehrerin einen Scherz für die Kinder ausgedacht hatte. Er zupfte Albi am Ohrläppchen. „Ich glaub, Oma Krumpflings Wasserkessel pfeift. Das war ja ein waschechter Krumpflingswitz. Guck doch mal richtig, Albi!“ Und dann begann sogar der kleine Krumpfling, leise zu kichern.

Wenn sein Freund Egon keine Angst mehr hatte, fürchtete Albi sich auch gleich etwas weniger. Er nahm seinen Mut zusammen und schaute sich das Gespenst nun genauer an. Weiß schimmernd stand es auf einem breiten Ast und winkte ihnen zu. Lulu, die sich selbst eng an Albi gedrückt hatte, lachte plötzlich laut auf.

„He, du Gespenst!“, rief sie in den Baum hinauf. „Wenn du zufällig meinen Papa triffst, dann gib ihm seine Schuhe zurück!“

Albi zwickte die Augen zusammen, um besser zu erkennen, wovon Lulu sprach. Und da sah auch er die orangefarbenen Turnschuhe. Das waren eindeutig die Treter von Herrn Vogelsang!