Baby Götz will abgeholt werden
Wenn sich Albi nicht fürchtete, konnte Götz erst recht nicht zugeben, wie große Angst er hatte! Also blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzulesen. „Wo war ich? Schauriges Stöhnen. Genau.“ Er zögerte kurz, aber diesmal blieb alles still. Mucksmausestill. Moment mal … War da nicht ein vereinzeltes Tropfen zu hören? Wie aus einem undichten Wasserhahn? Pltsch ... pltsch ... pltsch ... Tatsächlich! Es fielen Tropfen auf Götz. Einige trafen die aufgeschlagene Seite seines Hefts und hinterließen rote Flecken.
„Das gibt es nicht!“ Götz sah entsetzt auf. „In meiner Geschichte heißt es als Nächstes: ‚Blut tropfte von der Decke.‘ Ich werd verrückt.“
Wie sollte er auch ahnen, dass im Mobile an der Decke ein Krumpfling baumelte und aus dem Fingerhut der Werklehrerin Tee vom Abendessen verkleckerte. Egon hatte Götz’ Text zuvor ja genau gelesen. Jetzt konnte er jede Beschreibung wie in einem Theaterstück umsetzen! Albi, der natürlich wusste, dass hinter alledem sein großartiger Krumpflingsfreund steckte, tupfte mit dem Finger auf einen der roten Flecken und schleckte daran.
„Schmeckt nicht nach Blut, eher süß. Komm, Götz, lies einfach weiter!“
„Wie kann Albi nur so cool bleiben?“, fragte Isabella bewundernd. „Wir fürchten uns alle total!“
Diesen Triumph wollte Götz Albi nicht gönnen. „Du vielleicht. Ich fürchte mich nicht.“ Er nahm all seinen Mut zusammen und las weiter: „Da erschien den Schülern der Monstergeist. Zwei Augen glühten in einer Fratze über einem affenartigen Körper. Anstelle von Ohren hingen giftige Tentakel am Kopf. Der Monstergeist war auf die Welt zurückgekehrt. Er wollte sich an den gemeinen Kindern rä ... rä ... rä …!“ Weiter kam er nicht.
„Hast du dich verschluckt, Gottlieb?“, fragte Frau Brettschneider besorgt. Sie leuchtete auf Götz, der immer noch stammelte.
Er zeigte mit dem Finger auf das Regal an der Rückwand des Klassenzimmers. Da sahen die anderen auch, was ihn so erschreckte: Auf dem Regal saß in unheimliches Licht gehüllt ein affenartiger Zwerg. In seinem haarigen Gesicht glühten bedrohliche Augen. Anstelle von Ohren hingen unheimliche Tentakel von der Stirn! Wer genau hingesehen hätte, hätte Albis Stoffaffen Antek und seine lange Unterhose erkennen können, die Egon mit den Taschenlampen von Lulu und Albi vor sich her schob. Aber Götz sah nicht genauer hin.
„Räbäääh!“, quiekte er. Dabei krabbelte er auf allen vieren zu Frau Brettschneider. „Der Monstergeist will sich an mir rächen! Meine Mutti soll mich abholen!“
Und bevor Frau Brettschneider ihn daran hindern konnte, verkroch sich Götz unter ihrer Daunendecke.