„Bleibt alle ruhig liegen!“ Die Stimme von Frau Brettschneider hallte etwas unsicher durch das Dunkel. Dann leuchtete ihre Taschenlampe auf und die Lehrerin tapste zum Lichtschalter. Mit einem Klick wurde es im Klassenzimmer wieder hell.
„An der Sicherung scheint es nicht zu liegen. Die Elektrik ist offensichtlich in Ordnung.“
Aber nichts war in Ordnung. Denn kaum hatte sich Frau Brettschneider wieder hingesetzt und Götz den letzten Satz wiederholt: „Da ging plötzlich das Licht aus ...“, ging das Licht schon wieder aus! Die beiden Annas schrien noch lauter als zuvor.
Frau Brettschneider leuchtete Lukas an, der direkt beim Lichtschalter lag. „Lukas?“ Mehr brauchte sie gar nicht zu sagen.
„Ich habe den Lichtschalter nicht berührt! Ich schwöre, Alt ..., äh. Ich schwöre“, beteuerte Lukas.
Tatsächlich ging das Licht jetzt wieder an.
„Voll gruselig!“, flüsterte Donatus.
Maxi neben ihm hatte sich ganz unter das Waschbecken zurückgezogen und lutschte ängstlich an seinem Daumen. Lulu stupste Albi an und kicherte. „Siehst du, jetzt könnte Maxi wirklich einen Schnuller brauchen!“
„Kann es vielleicht ein Wackelkontakt sein?“, fragte Paula.
Albi und Lulu kicherten hinter vorgehaltener Hand. Die beiden ahnten längst, dass der Wackelkontakt „Egon Krumpfling“ hieß!
„Möglich. Lukas, mach das Deckenlicht bitte aus“, schlug Frau Brettschneider vor. „Wozu haben wir Taschenlampen dabei!“
Nachdem Lukas das Licht gelöscht hatte, lag das Zimmer in gespenstischem Dunkel. Nur einzelne Taschenlampen warfen kleine helle Kreise auf ihre Umgebung.
Götz sah selbst aus wie ein Geist, weil der Lichtkegel ihn von unten bestrahlte, während er las: „Knarzend öffnete sich die Türe. Schritte tapsten über den Boden. Aus dem Dunkeln erklang ein schauriges Stöhnen.“
Ein leises Quietschen unterbrach ihn. Mehrere Kinder leuchteten auf die Tür, woher das Geräusch kam. Die Klinke bewegte sich langsam nach unten und die Tür öffnete sich knarrend. Alle hielten den Atem an. In der Stille hörte man Schritte über den Boden schlappen. Als Frau Brettschneider den Schein ihrer Taschenlampe auf dieses Geräusch richtete, standen da die Hausschuhe von Franz. Meterweit entfernt von ihrem Besitzer. Der rief entsetzt: „Die hab ich doch neben mir abgestellt!“
„Uaah!“, jammerte eine heisere Stimme aus einer ganz anderen Richtung, „Ooooooh-aau!“
„Jetzt bekomm ich echt Angst!“, flüsterte Philomena. „Man könnte meinen, alles was Götz liest, wird wahr!“
„Man kann Geschichten doch nicht ‚wahr lesen‘“, erwiderte Götz. Aber seine Stimme klang ganz dünn, als er fragte: „Oder etwa doch?“
„Natürlich nicht!“ Frau Brettschneider hatte sich schon wieder gefasst. Sie erhob sich ächzend, machte ein paar große Schritte über das Bettenlager zum Fenster und verriegelte den gekippten Flügel.
„Irgendwo im Schulhaus steht vermutlich noch ein Fenster offen. Ein Windzug hat die Tür aufgedrückt und heult durch den Gang. Dabei wurden auch Franz Hausschuhe verschoben. Es gibt für alles eine Erklärung.“
Paula hatte inzwischen die Klassenzimmertür wieder fest geschlossen.
„Soll ich nicht lieber mit Lesen aufhören?“, fragte Götz verunsichert. „Falls es doch an mir liegt?“
„Auf keinen Fall!“, antwortete Albi. „Ich muss unbedingt wissen, wie es weitergeht!“