Frau Brettschneider kratzte sich verzweifelt am Kopf. „Könnt ihr denn nicht einmal ein paar Minuten lang ruhig zuhören?“
„Ihr seid das Vorlesen offensichtlich gar nicht mehr gewohnt.“ Paula klappte ihr Buch zu.
„Dann werde ich meine Überraschung vorziehen“, sagte Frau Brettschneider und sprang auf. „Was haltet ihr von einer Nachtwanderung im Brünnleinpark? Etwas frische Luft wird uns allen guttun! Danach seid ihr vielleicht nicht mehr so aufgekratzt.“
„Au ja, eine Nachtwanderung!“, rief die ganze Klasse im Chor.
Sogar Maxi, Lukas und Götz fanden diesen Vorschlag ihrer Lehrerin großartig. Frau Brettschneider forderte die Kinder auf, ihre Jacken anzuziehen und die Taschenlampen mitzunehmen.
„Egon, du bleibst hier“, flüsterte Albi, als er seine Taschenlampe herausholte. „Ich bin echt sauer auf dich. Du hast mich gerade vor all meinen Mitschülern lächerlich gemacht.“
„Aber doch nicht mit Absicht!“ Der Krumpfling ließ die Löffelohren hängen und zog eine zerknirschte Grimasse. „Tut mir leid, dass ich dich blumiert habe. Ich hatte wirklich so eine Nasenaffenangst!“
Da konnte Albi seinem Freund nicht mehr länger böse sein. Er überlegte nicht lange und hielt Egon die Hand hin. Schließlich war er selbst ja auch nicht immer der Allermutigste. Das harmlose kleine Gespenst machte ihm natürlich keine Angst, aber er schloss nicht aus, dass es böse Schattenwesen gab. Egon grinste dankbar und quetschte sich durch das Ärmelbündchen von Albis Sweatshirt. An der Innenseite hangelte der Krumpfling sich mit seinen kleinen Krallen nach oben und kroch von dort in Albis Kapuze.
Nachdem sie sich in der Garderobe Jacken und Mützen angezogen hatten, marschierten die Kinder in Zweierreihen durch das Schulhaus zum Ausgang. Albi und Lulu liefen als Letzte vor Praktikantin Paula. Die sollte die Nachhut bilden und aufpassen, dass keiner verloren ging.
„Götz ist so was von dümpeldoof. Aber diese Lesenacht ist das Tollste, was wir bisher mit Frau Brettschneider gemacht haben“, stellte Lulu fest. „Ich freue mich auf die Nachtwanderung!“
Die beiden Freunde traten nebeneinander durch das Schultor.
„Eine Nachtwanderung finde ich auch toll. Wenn es nur nicht ganz so dunkel wäre!“, meinte Albi mit einem Blick zum Himmel. Die letzten rötlichen Wolkenschleier wurden eben von einem blauschwarzen Nebel verschluckt.
Plötzlich sprang jemand hinter der großen Tür hervor und brüllte: „BUUUH!“
Albi hüpfte vor Schreck zur Seite und stieß dabei Lulu um. Die trat im Fallen Paula auf den Fuß. Egon krallte sich mit den Pfoten in Albis Haaren fest, um nicht aus der Kapuze zu purzeln.
„Aua!“, schrien Albi, Lulu und Paula gleichzeitig. Ein schadenfrohes Lachen ertönte. Albi erkannte im Licht der Straßenlaterne Götz, der hinter der offenen Tür gewartet hatte, um ihn zu erschrecken.
„Ich bin der Unterhosengeist!“, rief Götz gackernd. „Deine Mutti hat mich geschickt, um zu kontrollieren, ob ihr Albispatz seine langen Unterhosen trägt! Zeig doch mal!“
„So eine durchgeweichte Hirnwindel!“, empörte sich Egon leise. Normalerweise betitelte Albi andere nicht mit Schimpfworten – aber in diesem Fall fand er, dass Egon nur zu recht hatte!
„Du doppelt durchgeweichte Hirnwindel!“, sagte er möglichst cool und ließ Götz stehen. Dabei klopfte sein Herz immer noch, als wollte es aus seinem Körper hüpfen. Ein zweites Mal wollte sich Albi auf dieser Nachtwanderung nicht erschrecken lassen!