Wer zuletzt liest, liest am besten!

Wie durch Zauberhand ging das Deckenlicht ­wieder an. Auf Albis Kissen lag ein harmloser Stoffaffe. Seine lange Unterhose steckte ganz unten in der Tasche. Der Spuk war vorüber.

„Unglaublich“, sagte Paula. „Ich hab auf einmal alles, was Götz gelesen hat, wie in einem Film vor mir gesehen!“

„Ich auch!“, rief Philomena. Da gaben alle anderen zu: „Ich auch!“

Frau Brettschneider war quarkbleich geworden. „Ja, ich doch auch, zum Donnerbälkchen! Das geht nicht mit rechten Dingen zu! Vielleicht sollten wir die Polizei rufen!“

Albi und Lulu sahen sich erschrocken an.

„Am Ende kommt die Polizei mit Spürhunden und entdeckt Egon“, flüsterte Lulu Albi ins Ohr.

Albi wurde heiß vor Schreck. „Das müssen wir verhindern!“

„Aber Frau Brettschneider, die Polizei würde uns bestimmt auslachen!“, rief Lulu. „Gespenster bei einer Lesenacht. Sollen die Polizeibeamten die in Handschellen legen?“

Und Albi setzte hinzu. „Ich bin sicher, das war nur unsere Fantasie. Während man liest, werden Geschichten doch immer wirklich. Also mir geht es jedenfalls so bei gut geschriebenen Büchern!“

Die Kinder atmeten auf. Maxi wischte verschämt seinen angenuckelten Daumen an seinem Schlafsack ab. Auch Frau Brettschneider wirkte plötzlich sehr erleichtert.

„Ja, Albert, das ist eine vernünftige Erklärung. Für alles gibt es eine Erklärung. Sag ich doch!“ Sie wollte ihre Bettdecke hochheben. „Gottlieb, du kannst herauskommen!“

Doch Götz klammerte sich an der Bettdecke fest. „Ich komm erst raus, wenn meine Mutti da ist“, piepste er.

Nachdem Frau Brettschneider alles versucht hatte, um ihn zu beruhigen, rief sie notgedrungen bei Frau Kurz an. Nur wenige Minuten später holte diese ihren Sohn ab.

„Mein Gottiliebling!“, begrüßte sie ihn. „Ich wusste doch, dass du nur zu Hause bei deiner Mutti gut schlafen kannst.“

Diesmal kicherte keiner. Nicht einmal Albi, obwohl der allen Grund dazu gehabt hätte. Aber er war eben ein netter Junge.

Und dann wurde die Lesenacht doch noch schöner, als es sich Albi hätte erträumen können.

„Kann Albi uns wieder aus seinem Buch vor­lesen?“, fragte Johanna. „Ich brauche jetzt ­dringend eine lustige Geschichte!“

„Au ja, Albi soll lesen!“, riefen die beiden Annas.

„Fänd ich auch cool, Alt... Albi“, sagte Lukas etwas beschämt.

Albi ließ sich nicht lange bitten. Er las mehrere Kapitel aus „Der Sommer, als wir den Esel zähmten“, bis alle seine Mitschüler mit Bildern von Almwiesen vor den geschlossenen Augen lächelnd eingeschlafen waren.

Lulu hatte sich mit Albis Affen Antek eingerollt und murmelte im Traum leise vor sich hin. „Sommer, Sonne, Berge. So schön!“

Paula gähnte. „Das Buch muss ich unbedingt ­fertig les ...“ Weiter kam sie nicht, denn nun war auch sie eingeschlafen. Frau Brettschneider schnarchte bereits, als wollte sie den ganzen Brünnleinpark abholzen.

„Und wer liest mir jetzt vor?“, fragte Albi leise.

An seinem Ohr flüsterte Egon. „Wie wäre es mit Egon Krumpfling?“

„Sehr gut! Übrigens eine prima Idee, dass du mit zur Lesenacht gekommen bist“, antwortete Albi glücklich.

Egon zerrte das große Märchenbuch der Krumpflinge aus seinem kleinen Rucksack und kuschelte sich damit neben Albi auf das Kopf­kissen. Sein Nasenfell war vergissmeinnichtblau vor Freude.

„Ich hoffe, du magst unsere Krumpf-Märchen.“ Er schlug die erste Seite auf und begann: „Von einem der auszog, das Fürchten zu verlernen. Hinter den sieben Kellern, bei den sieben Tellern, lebte einmal ein kleiner Krumpfling, der sich immer fürchtete ... Albi? Albi, schläfst du etwa schon?“

Albi antwortete nicht. Da klappte der kleine Krumpfling das Buch zu, knipste die Taschenlampe aus und schmiegte sich fest an seinen besten Freund.