Egon warf kein Salzkörnchen und auch sonst nichts mehr. Er wollte nämlich nicht, dass Frau Brettschneider bei Götz’ Eltern anrief. Das wäre zu einfach gewesen.
„Jetzt hurtig in eure Schlafanzüge und dann drei Minuten Zähneputzen!“
Frau Brettschneider schickte die Schüler in die Waschräume. Auch für dort hätte Egon viele Ideen gehabt, Schabernack zu treiben: Zahnpasta in Haare verteilen oder nasse Waschlappen in Hausschuhe stopfen ... Doch Egon hielt sich zurück und studierte in der Zwischenzeit lieber, was Götz seinen Klassenkameraden gleich vorlesen wollte. Sein raffinierter Racheplan hatte nämlich noch eine zweite Stufe!
Als sich alle wieder im Klassenzimmer versammelt hatten, sagte Frau Brettschneider: „Wie angekündigt, werde ich erst noch unsere drei Krawallbrüder trennen. Dann können wir endlich weiterlesen.“
Götz und Lukas mussten ihre Schlafsäcke in verschiedenen Ecken des Klassenzimmers ausrollen. Ohne zu murren, gehorchten sie. Zu groß war die Angst, dass die Lehrerin sie wirklich von ihren Eltern abholen ließ. Als Frau Brettschneider ausgerechnet Götz anwies, sein Lager neben Lulu und Albi aufzuschlagen, maulte er leise vor sich hin: „Dann kann ich ja gleich mit meiner kleinen Schwester im Kindergarten übernachten.“
„Kindergarten?“, antwortete Egon aus Albis Tasche heraus. „Gleich wirst du dich in die Kinderkrippe zurückwünschen, du Minifürzchen.“
Götz ballte die Fäuste. Er dachte natürlich, Albi hätte mit ihm geredet. Aber er durfte ihm für diese Frechheit keines auf die Nase geben, denn Frau Brettschneider ließ ihn nicht aus den Augen.
„Gottlieb, nach dem Alphabet bist du als Nächster mit Vorlesen dran! Da kannst du auch keinen Unfug anrichten. Welche Lektüre hast du uns mitgebracht?“
Götz zog ein zerfleddertes Schulheft aus seinem Koffer. „Meinen eigenen Horrorroman!“
Mehrere Kinder klatschten begeistert.
„Du hast selbst ein Buch geschrieben?“, fragte Paula. „Das finde ich ja toll. Wie bist du auf die Idee gekommen?“
„Bücher, die man kaufen kann, sind mir nicht gruselig genug. Diese Geschichte hier habe ich mir extra für die Lesenacht ausgedacht. Ich hoffe, ihr habt gute Nerven!“ Götz grinste Albi an. „Und du steckst dir am besten deine langen Unterhosen in die Ohren, du Angstkaninchen!“
„Sei bloß still!“, zischte Albi in seine Tasche, bevor Egon auf Götz’ Seitenhieb antworten konnte. Der Krumpfling quatschte sich sonst noch um Kugelkopf und Kragenfell! In der Tasche blieb es tatsächlich still. So still, dass Albi sich wunderte. Er schaute genauer nach. Außer ein paar Kleidern und seinem Lieblingsbuch war nichts zu sehen. Die langen Unterhosen und Stoffaffe Antek fehlten. Und auch Egon hatte sich schon wieder aus dem Staub gemacht.
Was plante sein Freund denn jetzt schon wieder? Albi kam ins Schwitzen. Er konnte nur hoffen, dass Egon nicht zu dick auftrug. Ein Krumpfling im Gepäck kann ganz schön Nerven kosten. Aber was sollte Albi machen? Laut nach Egon rufen und ihn suchen, war ja nicht möglich! Also kuschelte er sich wie die anderen in seinen Schlafsack und hoffte das Beste.
Götz schlug die erste Seite auf und begann feierlich: „Die Schule des Schreckens. Von Götz E. Kurz.“
„Toller Titel!“, fand Donatus.
„Danke, find ich auch. Hab ich auch echt lang drüber nachgedacht.“ Mit gesenkter Stimme las Götz weiter: „Die Nacht war schwarz wie der BMW X6 von meinem Vati. Alle Schüler waren gerade im Klassenzimmer. Sie lagen in ihren Schlafsäcken, weil es war Lesenacht. Frau Brettschneider und die Paula waren auch da. Plötzlich ging das Licht aus.“
Ein paar Kinder kreischten vor Schreck. Denn genau in diesem Moment ging das Licht tatsächlich aus.